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Ri V'tosh ka'tur

von Emony

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Unschlüssig darüber, ob es eine gute Idee war sich mit ihrem privaten Problem an ein anderes Crewmitglied zu wenden oder nicht, betätigte die Vulkanierin den Türmelder von Ensign Satos Quartier.

In den vergangenen Monaten hatte sie zu dieser Frau ein recht gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut und gerade jetzt brauchte sie ihren speziellen Rat, auch wenn es für ihr Volk vollkommen untypisch war Privates mit anderen zu besprechen. Sie handelte nach vielen Jahren bewusst entgegen Suraks Doktrin, durch die sie dazu imstande war Gefühle zu unterdrücken und streng nach Logik zu leben.

Seit sie sich auf die Suche nach Menos gemacht und auf ihn geschossen hatte war ihr gewohntes inneres Gleichgewicht vollkommen durcheinander. Und selbst die regelmäßige Meditation half ihr erstmals nicht, wieder zu ihrer inneren Ruhe zurückzufinden.

„Sub-Commander...“ Hoshi stand verschlafen wirkend in der Tür und musterte ihr Gegenüber. „Hab ich verschlafen? Ist etwas passiert?“, fragte sie etwas beunruhigt und die Vulkanierin schüttelte leicht den Kopf.

Die Hände hinter dem Rücken ineinander gefaltet bat sie: „Darf ich einen Augenblick hereinkommen?“

Hoshi nickte verwundert und machte eine einladende Geste. T’Pol trat ins Innere des Quartiers und wandte sich zu ihrer Kollegin um. „Ich möchte mich für die späte Störung entschuldigen, Ensign, aber ich benötige dringend Ihren Rat.“

Die Verwunderung der jungen Asiatin wuchs ins Unermessliche. T’Pol erkannte es an den großen Augen, die sie machte und an den erhobenen Brauen. Ein Gesichtsausdruck, der typisch für Menschen mit großer Verwirrung war und verständlich in Anbetracht der Situation, selbst für eine Vulkanierin.

„Setzen Sie sich“, bat Hoshi und deutete auf das schmale Bett auf das sie sich selbst sinken ließ. „Wie kann ich Ihnen helfen, Sub-Commander?“

„Zunächst einmal: Nennen Sie mich außerhalb der Dienstzeit bitte T’Pol.“ Hoshi nickte langsam. „Wie viel ist Ihnen von meiner letzten Mission bekannt?“ Sie neigte dazu sofort zum Kern der Sache vorzustoßen und nicht wie die Menschen und viele andere Spezies um den eigentlichen Punkt herumzureden.

„So gut wie nichts“, entgegnete Hoshi. „Ich weiß nur, dass es mit Ihrer Vergangenheit zu tun hatte und das Sie im Auftrag des vulkanischen Oberkommandos handelten.“

T’Pol setzte sich neben Ensign Sato und faltete die Hände in ihrem Schoß. Zögerlich erklärte sie Hoshi, entgegen ihren Befehlen die Mission geheim zu halten, die wichtigsten Begebenheiten und beobachtete dabei, wie erstaunt ihre Kollegin über ihre Offenheit war. „Seit ich das Kolinahr erfolgreich abschloss sind mir Gefühle jedweder Art gänzlich fremd“, schloss sie ihre Erzählung und machte eine kleine Pause. „Doch als ich dort unten war, die Waffe auf Menos gerichtet, da... verspürte ich ein Gefühl der Angst und Unsicherheit.“

„Sie fürchteten erneut einen Unschuldigen zu töten, T’Pol. Da sind diese Gefühle durchaus verständlich.“

„Nicht für Vulkanier, Hoshi.“ Sie sah ihr fest in die Augen. „Ich habe immer häufiger Empfindungen, die ich nicht haben dürfte und die mich zunehmend verwirren.“

„Verstehe“, seufzte Ensign Sato und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Sie mussten sich auf Captain Archer stützen, um Ihren Auftrag erfolgreich zu erfüllen und hätten dies gerne aus eigener Kraft geschafft.“ T’Pol nickte und schluckte sichtbar.

„Sie vertrauen unserem Captain demnach blind?“

„Ja, das tue ich“, sagte T'Pol entschlossen. Hätte man ihr vor zwei Jahren gesagt, dass einmal ein menschlicher Mann ihre Vertrauensperson würde, so hätte sie dies nicht geglaubt. Doch seit dieser Mission wusste sie, dass sie ihm vertrauen konnte. Dass er ein Mann war, der zwar nicht unfehlbar war, aber dafür imstande seinen Instinkten zu vertrauen und auch oftmals in der Lage aus einem Gefühl heraus zu handeln. Eine Fähigkeit, die ihr als Vulkanierin verwehrt blieb.

Ihre natürlichen Instinkte waren ebenso wie ihre Gefühle tief in ihrem Innern versteckt und verschlossen. Das Gefühl, Tränen in den Augen zu haben, das Brennen der salzigen Essenz zu spüren, war ihr bis zu diesem Tag fast gänzlich unbekannt gewesen. Und je mehr sie über diese Mission nachdachte, desto mehr beunruhigte sie die Veränderung, die sie durchmachte.

„Ich bin mir nicht sicher, wie ich Ihnen helfen kann“, sagte Hoshi nach einiger Zeit in der sie sich schweigend ansahen. „Was würden Sie tun, wären Sie auf Vulkan oder zumindest in der Nähe von anderen Angehörigen Ihres Volkes?“

„Ich würde mich vermutlich vom Dienst freistellen lassen, und eines unserer Rituale durchführen, um zu meiner inneren Ausgeglichenheit zurückzufinden.“ T’Pol hielt einen Augenblick inne und wandte den Blick von Hoshi ab, um einen Punkt an der Wand zu fixieren. „So sehr mich meine jüngsten Erfahrungen mit Gefühlen auch beunruhigen, so sehr beginne ich diese Veränderung als positiv zu... empfinden.“ Da war es wieder das Wort, das eigentlich nicht in ihrem Wortschatz vorkommen sollte. Sie gab es nicht einmal sich selbst gegenüber gerne zu, doch sie mochte einige der Gefühle, die sie in der letzten Zeit empfand. Nicht die Angst oder Unsicherheit, die sie während der Verfolgung von Menos fühlte, jedoch die angenehmen Empfindungen, die sie zunehmend in Captain Archers Gegenwart wahrnahm.

Sie hatte Dr. Phlox vor einigen Monaten geraten sich nicht auf Elizabeth Cutler einzulassen, da sie das Interesse des Crewman an ihm für menschliche Neugier auf das Unbekannte hielt. Zu diesem Zeitpunkt waren ihr Begriffe wie Zuneigung und Anziehung gänzlich fremd gewesen. Dies hatte sich jetzt geändert und sie verstand, was den Doktor und Crewman Cutler verband. Dass es mehr als die Neugierde auf Neues war, sondern tatsächliche Zuneigung, die beide offensichtlich füreinander empfanden. Zuneigung, ja, das war exakt das Wort, das ihre eigenen Empfindungen dem Captain gegenüber zum Ausdruck brachte.

Es war jedoch alles andere als logisch, dass sie Emotionen dieser Art für einen Menschen besaß. Dass sie überhaupt für irgendwen Gefühle entwickelt hatte stand im Widerspruch zu den Lehren Suraks. T’Pol schüttelte innerlich den Kopf, starrte weiterhin auf die Wand. All dies war so unbegreiflich, so beunruhigend und doch so ungeheuerlich verlockend.

„Wovor fürchten Sie sich?“

Hoshis sanfte Stimme riss die Vulkanierin aus ihren Gedanken. Sie zog die Augenbrauen zusammen und entgegnete den Blick des Ensigns. „Mein Volk war einst sehr von Gefühlen geleitet. Fehlgeleitet, wie ich dazu sagen muss. Ein ungeheuerliches Maß an Gewalt bestimmte das Leben meines Volkes und führte zu grausamen Kriegen. Dann, so heißt es, kam ein Mann, der mein Volk vor die Wahl stellte. Er sagte, dass die Vulkanier in weniger als zehn Dekaden nicht mehr existent wären, würden sie nicht damit aufhören sich ihren nahezu unkontrollierbaren Gefühlen hinzugeben, und entgegen aller Logik Bruder gegen Bruder weiter kämpfen zu lassen. Hass, Liebe, Neid, Wollust, Trauer und viele weitere Emotionen hätten uns also beinahe um die Existenz gebracht. So kam es, dass dieser Mann, Surak, mein Volk lehrte Gefühle zu unterdrücken und sich ausschließlich von Logik leiten zu lassen.“

Die Asiatin nickte und legte T’Pol eine Hand auf die Schulter. „Das beantwortet meine Frage nicht.“

„Wovor ich mich... fürchte“, sagte sie zögernd, „ist V'tosh ka'tur zu werden.“ Die Vulkanierin seufzte schwermütig und schloss für einen Moment die Augen, bevor sie Hoshi erneut ansah.

„Es ist ja nicht so, dass Sie wie Kov, Tavin oder Tolaris aufhören zu meditieren und deshalb beginnen Gefühle zu empfinden.“ T’Pol hob eine Braue, sich dessen nicht ganz sicher, worauf Hoshi hinaus wollte. Schnell fuhr Ensign Sato deshalb fort: „Sie leben weiterhin nach Suraks Lehren. Ist es denn nicht möglich, dass Sie gelegentlich Gefühle zum Ausdruck bringen und dennoch eine Vulkanierin mit Logik bleiben?“

„Wie kann ich das? Das eine ist mit dem anderen nicht vereinbar“, erwiderte T’Pol nachdenklich. Vollkommen unerwartet spürte sie mit einem Mal wieder Tränen aufkommen. Alles Blinzeln half nichts, sie fanden ihren Weg und lösten sich von ihren Wimpern.

„Sie sind nicht allein, T’Pol. Captain Archer ist mit Sicherheit ebenso gerne bereit Ihnen bei dieser Entwicklung mit Rat und Tat zur Seite zu stehen wie ich es bin. Und ich helfe Ihnen gerne einen Weg zu finden, das eine mit dem anderen zu verbinden. Sie sind eine sehr disziplinierte Frau, T’Pol, und ich bin mir sicher, dass Sie mit der nötigen Willenskraft dazu imstande sein werden Logik und Emotionen zu vereinen. Lassen Sie die Gefühle zu, doch hören Sie niemals auf sich von Ihrer Logik führen zu lassen.“

Die Worte Hoshis lösten ein bisher nie erfahrenes Gefühl in ihr aus, das durch weitere Tränen besonders zum Ausdruck kam – Erleichterung. Sie fühlte sich, als wäre ihr eine schwere Last von den Schultern genommen worden. Verstohlen wischte sie sich die Tränen fort und wusste plötzlich nicht wie ihr geschah, als Ensign Sato sich zu ihr beugte und sie in die Arme schloss. Diese emotionale Geste traf sie derart unvorbereitet, dass sie augenblicklich erstarrte.

Nach der kurzen, jedoch sehr innigen Geste der Zuneigung musterte T’Pol ihr Gegenüber und versuchte die richtigen Worte zu finden, um das zum Ausdruck zu bringen, was ihr im Kopf herumging. Letztlich kam ihr nur ein kaum hörbares: „Danke“ über die Lippen.

Sie war bereits im Begriff aufzustehen, als Hoshi ihr eine unerwartete Frage stellte und sie damit veranlasste noch einen Moment länger sitzen zu bleiben.

„Was empfinden Sie für Captain Archer?“

Sie begann nervös zu blinzeln, als sie in ihrem tiefsten Innern nach der Antwort suchte. Schließlich atmete sie einige Male tief ein und aus, bevor sie leise sagte: „Das, wovor ich mich am meisten fürchte, weil es die stärkste aller Emotionen ist.“ Verlegen stand sie auf und ging auf die Tür zu.

„Er empfindet das Selbe für Sie“, sagte Hoshi lächelnd und erhob sich ebenfalls.

T’Pol wandte sich noch einmal zu ihr um, doch sie war nicht fähig etwas darauf zu erwidern, obgleich sie sehr gerne gewusst hätte woraus Ensign Sato diesen Schluss zog. Captain Archer hatte begonnen sie zu respektieren und womöglich hegte er auch eine gewisse Zuneigung für sie, aber dass er tatsächlich das Selbe für sie empfand wollte sie nicht so recht glauben.

Sie wandte sich wieder der Tür zu und öffnete sie. Und gerade als sie den Korridor betrat und die Tür sich wieder hinter ihr schloss, hörte sie erneut Hoshis Stimme und die Worte: „T'Pol, yana itisha ri V'tosh ka'tur“. Tiefdurchatmend entfernte sie sich von Ensign Satos Quartier, doch die Worte der jungen Frau hallten noch eine ganze Weile in ihren Gedanken wider. Sie hoffte wirklich, dass Hoshi Recht hatte und sie keine Vulkanierin ohne Logik war.

ENDE
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