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Eine Hand wäscht die andere

von Sphere

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Lieutenant Commander Worf befand sich im Quark’s und trank seinen Pflaumensaft. Das er allein an seinem Tisch saß, war nicht so verwunderlich wie die Tatsache, dass dies niemandem mehr auffiel. Worf hatte lange als einsiedlerisch gegolten, seit er sein Quartier auf der Defiant aufgeschlagen hatte und gemunkelt wurde, dass er die Station nicht ertrug. Daher war noch vor wenigen Wochen sein Erscheinen den anwesenden Stammgästen als exotisch erschienen, wie ein seltenes Naturereignis, zu dem man von weither pilgern konnte, um dieses Wunder zu bestaunen. Heute dagegen war aus der einstigen Attraktion ein normaler Anblick geworden und so pilgerte niemand mehr, um den Klingonen beim Sitzen im Quark’s zu bewundern.
Worf starrte vor sich hin. Ob er lediglich mit klingonischer Konzentration seinen Saft trank oder er seinen ganz privaten Gedanken nachhing, würde wohl auf ewig sein Geheimnis bleiben. Es wäre jedoch sicher ein Fehler gewesen, diesen Umstand zu bedauern, denn möglicherweise drehten sich Worfs Gedanken noch immer um Arbeit – was die meisten sicher zu Tode gelangweilt hätte – oder er hing klingonischen Tagträumen nach – was die meisten sicher zu Tode verängstigt hätte.
Da keine Betazoiden auf der Station weilten, starb heute niemand an Worfs Gedanken. Und auch sonst lief alles seinen gewohnten Gang. Quark hatte bereits mehrere Rundgänge durch seine Bar hinter sich und war vollauf zufrieden. Es war ein profitabler Tag. Die Tische waren besetzt, das Daborad drehte sich und seine Angestellten spurten, ohne dass er ihnen alles dreimal sagen musste oder sie eine Gewerkschaft mit ketzerischen Forderungen gegründet hätten.
Auch Quark hing seinen Gedanken nach. Wenn man ihn danach gefragt hätte, wäre die Antwort gewesen, dass er schon immer die 62. der 203. Erwerbsregel vorgezogen hätte, was einem normalen Menschen allerdings eher nicht weitergeholfen hätte. Der nachfolgende Zusatz, dass es dabei um Risiko einerseits und Greewürmer andererseits ging, hätte die Unklarheit eher in Verwirrung verwandelt, als sie zu beseitigen.
Daher war es vermutlich besser, dass auch Quark heute niemand nach seinen Gedanken fragte.
„Noch etwas Saft?“, raunte Quark in einer Art, die Major Kira sofort die Fäuste hätte ballen und in den Kampfmodus übergehen lassen. Der Besitzer des Quark’s war wie zufällig hinter Worfs Rücken erschienen, auch wenn daran sowenig zufällig war wie der Lauf der Kugeln am Daborad in einer Woche, in der die Geschäfte nur noch besser werden konnten.
Worf zeigte sich keineswegs überrascht, was er in der Tat auch nicht war und er zeigte sich auch nicht erzürnt, was er durchaus war. Er mochte es nicht, gestört zu werden. „Ich denke nicht“, erklärte er nüchtern in der Hoffnung, dass die Kürze der Aussage dem Ferengi klar machen würde, dass er doch besser weiter ziehen sollte.
Wäre es lediglich um Saft gegangen, hätte Quark nichts lieber getan, als dieser Aufforderung zu folgen. „Wissen Sie, es ist ein so schöner Tag heute, es wäre schade, wenn er nur dadurch verdorben werden würde, weil es Ihnen an irgendetwas fehlt.“ Der Satz war übertrieben und schmeichlerisch und darüber hinaus vollkommen belanglos, doch sein Zweck bestand weder im Schleimen noch im Vermitteln von Informationen, sondern darin, Worf für einen kurzen Moment zu verwirren. In diese kurze Lücke, während Worf noch darüber nachdachte, was man auf so etwas erwiderte, warf Quark den eigentlich bedeutenden Satz: „Wussten Sie eigentlich, dass der Dax-Symbiont in wenigen Tagen seinen 350. Geburtstag feiern wird?“
Die Aussage löste in Worf keineswegs eine ausgeprägte Reaktion hervor. „Nein“, stellte er lapidar fest.
„Nein?“, wiederholte Quark. „Einfach nur Nein?“ Ein Hauch von Unglauben schwang in seinen Worten mit, als er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete, mit welcher er sogar ein sehr altes klingonisches Kind überragt hätte. „Ach kommen Sie, Mr. Worf. Sie können mir nicht erzählen, dass die Klingonen keinen sozialen Aktivitäten nachgehen würden“, erklärte er dann gönnerhaft.
„Was schlagen Sie vor?“
Worf starrte diesen vier Worten nach, die wie automatisch seinen Mund verlassen hatten. Andere um Rat zu fragen war eine Eigenheit der Sternenflotte. Er hatte sie sich zu Eigen gemacht, denn sie war zumeist nützlich und sinnvoll. Doch jede Regel hatte ihre Ausnahmen und eine solche stand gerade in voller Größe vor ihm. Wenn es möglich gewesen wäre, er hätte jedes dieser vier Worte bis ans Ende der Galaxis gejagt und einer sicheren Verwahrung zugeführt. In der Realität jedoch musste er hilflos mit ansehen, wie seine Worte sich ungehindert in der Bar verbreiteten und ein beträchtlicher Teil von ihnen in den großen Ohren des Ferengi verschwand, die wie geschaffen dazu waren, Dinge in sich aufzusaugen, die sie besser nicht vernommen hätten.
Quark grinste verschlagen, als er zu seiner Antwort ansetzte. „Eine Party“, flüsterte er und beugte sich zum sitzenden Worf herunter. „Eine Überraschungsparty“, fügte er verschwörerisch hinzu.
„Ich hasse Überraschungspartys!“, entfuhr es Worf erzürnt. Zu seinen schlimmsten Erinnerungen an Bord der Enterprise gehörte keineswegs seine Mutation in ein urzeitliches klingonisches Tier, nicht die Auseinandersetzungen mit den Borg, sondern die im Geheimen vorbereiteten Partys, die Commander Riker zuletzt mit grausamer Regelmäßigkeit zu seinen Geburtstagen ausgerichtet hatte.
Quark wich ein Stück zurück, ließ sich aber ansonsten nicht weiter beeindrucken. Er hatte den großen Währungskollaps von Ferenginar überlebt, die Seuche in der Käferfarm auf Osinar VI, in die er ein Großteil seines Vermögens investiert hatte, da konnte ihn dies nicht weiter schrecken.
„Also, warum überrascht mich das nicht?“, sagte er laut zu sich selbst. In der Tat erklärte das für ihn einiges. An Worf gewandt fuhr er fort: „Nun ja, das mag vielleicht für Sie gelten, aber Dax...“, erneut beugte er sich vor und kam Worf dabei so nahe, dass es für Worf unangenehm und für Quark gefährlich wurde, „...aber wissen Sie, Dax... Dax liebt Überraschungen.“
Worf begann damit, den Begriff Ferengi mit einer Reihe von Attributen zu assoziieren, die von den meisten Zivilisationen der Galaxis als zutiefst beleidigend, aber erstaunlich fantasievoll deklariert worden wären – nur um sich von der Tatsache abzulenken, dass der betroffene Ferengi vollkommen Recht hatte.
Glücklicherweise fiel Worf eine andere Erwiderung ein, als seine Zustimmung einräumen zu müssen. „Warum erzählen Sie mir das?“, schnappte er.
„Oh, ich helfe Ihnen gerne“, wehrte Quark ab. Endlich hatte er Worf da, wo er ihn haben wollte. Er grinste und zeigte dabei Zähne, für die er keinen Streifen Latinum gezahlt hatte und dennoch von sämtlichen Kreaturen des Universums beneidet wurde, sofern diese über Gebisse, guten Geschmack und auch nur einen Hauch von Intelligenz verfügten – wobei es Menschen im Übrigen an mindestens einer dieser Eigenschaften mangelte. „Sie können sich irgendwann mal dafür revanchieren“, fügte er beiläufig hinzu und es kam ihm dabei vor, als würde er bereits jetzt etwas mit beiden Händen umschließen können, das sich einmal als wertvoller als in Gold gepresstes Latinum erweisen könnte.
Es geht das Gerücht um, dass Klingonen ein Misstrauen den Ferengi gegenüber verspüren, welches angeboren ist. Natürlich ist dies eben genau das – ein Gerücht. Abgesehen davon, dass der erste offizielle Kontakt mit den Ferengi nicht einmal ein Jahrzehnt zurücklag, hatten umherstreuende Ferengihändler sicher nicht zu den natürlichen Feinden der primitiven klingonischen Vorfahren gehört. Nichtsdestotrotz hatte Worfs Misstrauen Quark gegenüber seit seiner Anwesenheit auf der Station zu keinem Zeitpunkt nachgelassen, was eine Eigenschaft war, die Worf mit Constable Odo teilte. Entsprechend hörte er den letzten Satz ganz genau, vollkommen egal, wie leise, harmlos, beiläufig oder selbstverständlich er daherkam.
Worfs feuriger Blick blitzte auf, welcher berüchtigt war und nicht nur Quark durch Mark und Bein ging. „Ich werde Ihnen niemals etwas schuldig sein!“, fuhr er den Ferengi an. Er setzte sein halbvolles Glas ab aus dem er gerade noch getrunken hatte, knallte es mit einer Wucht auf den Tisch, dass es gerade so nicht zersprang und verließ das Lokal.
Panisch stellte Quark fest, dass das Etwas, was er eben noch in beiden Händen zu halten geglaubt hatte, sich auf einmal in Luft aufgelöst hatte. „Aber was ist mit Dax?!“, rief er verzweifelt dem Klingonen hinterer.
So laut wie er das gerufen hatte, fragte sich dies von da an vermutlich auch das halbe Promenadendeck.

* * *

Dr. Julian Bashir saß in der Krankenstation an einer seiner Konsolen und arbeitete. Die Displays zeigten bewegte Aufnahmen von Zellstrukturen und zahllose unglaublich beeindruckend aussehende, bunte Diagramme. Die Wahrscheinlichkeit lag hoch, dass Bashir sich gerade mit der Art von Forschungen beschäftigte, für die man den Carrington Preis nicht erhielt.
An dieser Stelle sei die allgemein anerkannte Tatsache erwähnt, dass es zu den größten Auszeichnungen in der medizinischen Wissenschaft gehört, den Carrington Preis nicht zu erhalten.
Da dieser Preis für ein Lebenswerk verliehen wird, erhalten ihn nur Leute, von denen keiner mehr erwartet, dass sie in Zukunft noch sinnvolle Beiträge liefern werden, Versagern, denen man den dezenten Hinweis geben möchte, sich doch nun so langsam aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft zurückzuziehen. Die Nicht-Carrington-Preis-Gewinner dagegen stellen die wahre Elite der Forschung dar, da sie nicht nur bisher Großartiges geleistet haben, sondern von denen auch erwartet wird, dass sie auch in Zukunft noch Großes leisten werden.
Warum das Nicht-Erhalten des Carrington Preises dennoch mit der Ausschüttung von Neurotransmittern einhergeht, welche in Art und Konzentration der von schwer depressiven Patienten entspricht, ist daher noch Gegenstand aktueller Forschung und wird möglicherweise in Zukunft ebenfalls einmal mit dem Nicht-Erhalt eines Carrington Preises gewürdigt werden.
„Mr. Worf“, begrüßte Bashir den Neuankömmling freundlich lächelnd. „Was kann ich für Sie tun?“
Bashir wusste, dass Worf Kampfsport auf dem Holodeck praktizierte. Doch selbst im Holodeck konnte es zu gelegentlichen Verletzungen kommen, insbesondere, wenn man mit echten Waffen trainierte. Dennoch war Worf alles andere als ein regelmäßiger Gast. Es gab Leute, die sich häufiger beim Kajakfahren die Schulter verletzten, als dass Worf auch nur einen Kratzer bekam oder sich einen Muskel zerrte. Daher war es nicht unbedingt ein gewöhnlicher Anblick, den Klingonen hier vorzufinden.
Worf bot eine durchaus imposante Erscheinung, bei der sich verschiedene Leute gelegentlich fragten, wie diese eigentlich in seine Uniform passte. Dennoch wirkte der Offizier für strategische Operationen auf DS9 in diesem Moment irgendwie verloren. Unruhig trat er auf der Stelle. „Ich benötige Ihre Hilfe“, grollte er schließlich verhalten.
Die Art der Äußerung überraschte Bashir ein wenig. Er rollte mit seinem Stuhl von der Konsole fort und erhob sich. „Aber sicher doch“, erklärte er bereitwillig.
„Ist Ihnen das Alter des Symbionten von Commander Dax bekannt?“
Der Doktor runzelte die Stirn. „Nein.“
Das praktische daran, über ein genetisch aufgewertetes Gehirn zu verfügen, ist es, dass man relativ schnell relativ sinnlose Berechnungen im Kopf durchführen kann. Quasi im Vorbeigehen trug Bashirs Hirn die ihm bekannten Lebensdaten der Wirte von Dax zusammen, schätzte die fehlenden ab und addierte sie. Noch während er das tat, wurde ihm allerdings klar, dass ihm das Ergebnis gar nichts sagte, da er keine Ahnung hatte, wie alt der Symbiont bei seiner ersten Vereinigung gewesen war. Daraufhin warf er die frisch von seinem Hirn produzierte und noch völlig unzerkratzte Zahl ungerührt zu den anderen nutzlosen Dingen, mit denen man anfing sich zu beschäftigen, wenn alle normalen Leute sich mal wieder wie in Zeitlupe bewegten.
„Warum?“, fügte er hinzu.
Für Worf verschlimmerte diese Frage das Dilemma, in dem er sich befand. Er wollte Quarks Hinweis nicht ignorieren, denn dazu schätzte er Dax zu sehr, ihn aber auch nicht annehmen, denn dazu verachtete er Quark zu sehr. Die einzige Möglichkeit diesen Zwiespalt zu lösen ergab sich, wenn er oder jemand anderes sowieso oder von selbst auf den Geburtstag aufmerksam wurde. „Ich frage nur für den Fall, dass – sollte Dax irgendwann einen Geburtstag haben – wir darüber rechtzeitig informiert sind“, erklärte er diplomatisch. Letzteres war etwas, das er von seinem früheren Captain gelernt hatte.
Bashir kam nicht umhin, die Weisheit in diesem Vorschlag anzuerkennen, auch wenn er nicht damit gerechnet hätte, so etwas ausgerechnet von Worf zugetragen zu bekommen. Er trat wieder an die Konsole, ließ seine wertvollen Forschungen in den Speichern der Station verschwinden und konsultierte Dax’ medizinische Aufzeichnungen. In jeder anderen Situation verbot ihm die ärztliche Schweigepflicht ein solches Vorgehen auf die bloße Anfrage eines Kollegen hin. Doch wenn es um Geburtstage oder Lieblingsessen ging – wohlgemerkt nicht um das Alter – hatte Bashir eine solche Anfrage bisher immer mit seiner Ethik als Arzt und Heiler in Einklang bringen können.
„Sie haben Recht“, stellte er mit Blick auf den Schirm fest. „Dax hat tatsächlich in drei Tagen Geburtstag.“ Erstaunt darüber, dass dies bisher noch keinem aufgefallen war fügte er hinzu. „Sogar einen ziemlich runden.“
„Sehr gut“, verkündete Worf hinter seinem Rücken. „Wie wäre es, wenn Sie die Planung für die notwendigen Feierlichkeiten übernehmen?“
„Notwendige Feierlichkeiten?“ Bashir drehte sich um. „Sie meinen so etwas wie eine Überraschungsparty?“
„Das“, platzte es aus dem Commander hervor, „wäre eine gute Idee.“
Bashir lehnte sich mit dem Rücken an die Konsole und überdachte dies einen Moment. Er neigte den Kopf zur Seite und schnitt eine Grimasse. „Ich fände es besser, wenn Sie das übernehmen könnten.“
Verzweiflung kochte in Worf hoch, die er gewöhnlich nicht einmal im Kampf gegen einen überlegenen Feind empfand und spülte die Worte „Aber wieso denn?“ förmlich aus ihm hervor.
„Nun ja, wissen Sie, Jadzia und ich...“ Bashir lachte kurz verlegen auf und grinste dann wehleidig. „Wie soll ich sagen. Ich war einmal ganz schön hinter ihr her.“
Bis heute ist es ein ungeklärtes Mysterium, warum Julian Bashir noch viele Jahre später von dieser Gegebenheit träumte und dabei stets abrupt und scheinbar völlig grundlos schweißgebadet mit einer Todesangst erwachte, die er bis dato nicht gekannt hatte. Genauso unklar ist, warum er bei der gleichen Gelegenheit stets nach einem nicht vorhandenen Dolch in seiner Brust tastet, von dem er das seltsame Gefühl hat, er müsse klingonisch sein.
„Das ist jetzt schon eine ganze Weile her“, stellte Bashir klar. „Jadzia und ich sind heute gute Freunde. Aber ich möchte nicht... Nun ja, ich möchte nicht, dass sie glaubt, ich würde wieder damit anfangen wollen.“
Das machte die Sache keineswegs einfacher.

* * *

Major Kira Nerys saß im Replimat und trank heißen Jumjatee. Im Grunde schmeckte heißer Jumjatee wie süßer Früchtetee, sah aber dafür auch genauso aus. Dennoch hätte sie es sofort bemerkt und bei Chief O’Brien reklamiert, hätte ein Replikator es gewagt, ihr anstatt Jumjatee Früchtetee zu servieren. Vermutlich war dies genauso wie mit den Betazoiden, die zwar äußerlich völlig identisch mit Menschen waren, dennoch aber aus irgendeinem Grund selbst von einem Gorn – der in der Regel nicht einmal die humanoiden Geschlechter unterscheiden konnte – zuverlässig als Betazoiden erkannt wurden...
Sie hatte noch nicht allzu lange hier gesessen, als sie sich mit einem Mal Worf und Julian Bashir gegenüber sah. „Dürfen wir...“, begannen die beiden gleichzeitig und verstummten ebenso zur gleichen Zeit. Beide blickten sich einen Moment an, Worf starrte so vernichtend, dass Bashir sich nicht traute, auch nur einmal zu blinzeln.
„Was??“, fragte Kira angespannt, als die beiden weder Anstalten machten, voneinander abzulassen, noch die angefangene Frage zu vollenden.
„Äh“, erwachte Bashir aus seiner Starre. „Dürfen wir uns zu Ihnen setzen?“, vollendete er den angefangenen Satz.
„Sicher“, sie deutete auf die freien Stühle, die noch an dem kleinen, runden Tisch standen. Bashir und Worf setzten sich. Erst jetzt fiel Kira auf, dass die beiden so ernste und besorgte Minen zur Schau trugen, dass sie zu fürchten begann, die beiden würden ihr gleich von einem Verdacht erzählen, der vielleicht lauten mochte, dass das klingonische Imperium die Absicht hätte, Bajor mit Biowaffen zu bombardieren. Auch wenn die Sorgen der beiden nichts dergleichen beinhalteten, waren ihre Mienen dennoch der herrschenden ernsten, wenn auch nicht völlig hoffnungslosen Lage, mehr als angemessen.
„Dax wird in drei Tagen 350 Jahre alt“, erklärte Bashir schließlich, um einen alltäglichen und unbeschwerten Ton bemüht. „Wir dachten, da Sie ihre beste Freundin sind, könnten Sie vielleicht eine Überraschungsparty für sie organisieren.“
„Was, ich?“ Während die Information als solche sie durchaus freute, fand sie den Vorschlag ziemlich lustig. Sie konnte Leuten in den Hintern treten – sei es nun cardassianischen Soldaten mit einer Waffe der Hand oder bajoranischen Beamten mit Worten und Überzeugung – aber sie hatte nie gelernt, eine Party zu schmeißen.
„Aber wieso denn nicht?“, erwiderte Bashir ein wenig zu hastig, wenn man ihn danach hätte beurteilen wollen, wie gut er den Eindruck erweckte, dass ihm die Sache gar nicht so wichtig war.
Kira hatte eine Erwiderung über ihre böse Kindheit auf der Zunge, dann aber doch das Gefühl, dass diese Bemerkung lieber auf ihrer Zunge liegen bleiben sollte, selbst wenn ihr Geschmack noch so unangenehm war.
„Sie sind durchaus dazu im Stande“, erklärte Worf unverhofft für alle Beteiligten. „Sie haben im Untergrund gekämpft“, erklärte er. „Dazu mussten Sie Pläne schmieden, Ihre Aktionen heimlich durchführen und dann unverhofft und plötzlich zuschlagen. Das ist es, was Sie können und das brauchen Sie auch, um diese Aktion durchzuführen“, fügte er mit einer nicht geringen Befriedigung über seine eigene Argumentation hinzu.
Kira nickte. Im Grunde hatte Worf Recht. Was sprach dagegen, es zu versuchen? „In Ordnung“, seufzte sie. „Ich denke, ich kann das tun.“

* * *

Ich kann das nicht tun, schoss ihr der Gedanke durch den Kopf.
Sie hatte schon früher geglaubt, dass sie Dinge tun konnte, dass sie das Zeug zu einer Künstlerin hatte oder einige Zeit als Gärtnerin ein einem Kloster verbringen konnte. Für eine Weile hatte das für sie glaubhaft und sinnvoll geklungen – und jedes Mal hatte sie erkennen müssen, wie lächerlich allein die Vorstellung gewesen war.
„Der Dax-Symbiont wird in drei Tagen 350 Jahre alt.“
Benjamin Sisko, Captain der Sternenflotte und Abgesandter für die Bajoraner lehnte im Sessel seines Büros und begann zu grinsen. „Ja, aber das ist doch toll!“, erklärte er und meinte das auch so. „Warum schauen Sie dann so, als ob Sie die Zerstörung Bajors fürchten würden?“
„Ich wollte Sie fragen, ob Sie vielleicht eine Feier für Dax organisieren wollen.“ Dies war nicht unbedingt eine Antwort auf Siskos Frage, aber entsprach dafür unbedingt dem, was ihr gerade am meisten unter den Nägeln brannte.
Sisko bedachte dies für einen Moment, wie Captains der Sternenflotte das manchmal taten. „Sicher“, erklärte er dann schlicht, ließ die Worte einen Moment einwirken und fügte dann hinzu: „Aber dafür wüsste ich gerne, warum Sie damit ausgerechnet zu mir kommen?“ Sisko pflegte sehr gute persönliche wie professionelle Beziehungen zu seiner Crew, war sich aber bewusst, dass dies die Sonderstellung durch seine Position nicht vollständig aufhob. Daher war er gewöhnlich nicht der erste, der von derartigen Unternehmungen erfuhr oder für so etwas überhaupt herangezogen wurde.
Kira begann zu schwitzen. Der Abgesandte ihrer Propheten stellte ihr eine Frage und alles in ihr strebte danach, sie einfach geradeheraus zu beantworten. Dennoch war Benjamin Sisko auch Teil des sozialen Lebens auf der Station. Da Worf und Bashir Kira zum Stillschweigen verpflichtet hatten, würde Sisko es im Nachhinein nicht gutheißen, wenn Sie wahrheitsgemäß antwortete und damit seine und ihre Freunde verriet.
„Sie kennen Dax besser und länger als jeder andere. Außerdem dachte ich, dass Sie die Gelegenheit nutzen könnten, um etwas dafür zu kochen.“ Es klang wie auswendig gelernt, was möglicherweise daran lag, dass es genau das war. Kira war nie gut im Lügen gewesen. Sie hatte diesen Spruch lange vor dem Spiegel geübt, dennoch musste Sie feststellen, dass sie auch dies nicht konnte.
Sisko kniff die Augen leicht zusammen. Die Aussage machte Sinn, war logisch und dennoch... „Das klingt, als hätten Sie das auswendig gelernt“, stellte er fasziniert lächelnd fest.
Damit hatte er sie. Diesmal konnte Kira der Frage nicht entgehen, nicht mit reinem Gewissen. „Das liegt möglicherweise daran, dass es das ist“, gab sie sich geschlagen.
Einen Augenblick wartete Sisko, ob Kira dem noch etwas hinzufügen würde. Als jede weitere Äußerung ausblieb, zuckte er mit den Achseln. „Okay.“ Er vertraute Kira, so einfach war das. Was sie in ihrer Freizeit auswendig lernte, war ihm egal, so dass es keinen Grund gab, seine ursprüngliche Zusage zurückzuziehen.

* * *

Drei Tage später saß Lieutenant Commander Dax an ihrer Wissenschaftsstation auf der OPS. Mit was sie sich gerade beschäftigte ist nicht so relevant, wie der Umstand, dass ihre Konsole plötzlich komplett erlosch.
„Was zum...“ Mit milder Verärgerung, von einem trivialen technischen Defekt aus ihrer Konzentration gerissen worden zu sein, tippten ihre Finger einige Sekunden über die erloschenen Felder der Konsole, schafften es aber nicht, sie wieder zu erwecken.
Sie erhob sich und steuerte den Punkt der OPS an, von dem sie seit einigen Minuten das Scheppern von Werkzeugen und ein sporadisches Murmeln und Fluchen vernahm. Chefingenieur Miles Edward O’Brien lag auf dem Rücken in einer Jefferiesröhre, den Oberköper vollständig in die Innereien der Station geschoben. Leises Stöhnen erklang, als er nach einem Werkzeug taste und es offenbar nicht am erwarteten Platz vorfand.
„Chie-ief“, flötete Dax und riss nun ihrerseits O’Brien aus seinem konzentrierten Boxkampf mit der Station.
O’Brien kroch mühsam aus der Röhre hervor, setzte sich, ohne Anstalten zu machen sich zu erheben neben seinen Werkzeugkoffer und sah zu Dax auf. „Ja, Commander?“
Dax lächelte ihn an. „Meine Konsole ist gerade ausgefallen. Könnten Sie vielleicht einmal einen Blick darauf werfen?“
„Sicher“, seufzte er mit einer Missbilligung in der Stimme, die sich keineswegs gegen Dax, sondern gegen deren Konsole zu richten schien. Er stand auf, was nach den Verrenkungen der letzten Minuten nicht ganz schmerzlos vonstatten ging und folgte der Trill.
An ihrer Station angekommen, entfernte er mit einem raschen Griff eine Verblende. Auch im Inneren der Konsole herrschte Dunkelheit. „Vermutlich ist der EPS-Wandler defekt“, diagnostizierte er das Offensichtliche und schloss die Verblende wieder. „Ich werde mich gleich morgen darum kümmern.“
Dax gefiel die Aussicht keineswegs bis dahin nicht auf ihre Konsole zurückgreifen zu können. Sie klappte zielsicher eine andere Verblende auf. Ein Modul kam zum Vorschein, in dem ein Satz isolinearer Stäbe steckte. „Können Sie mir wenigstens sagen, in welchem von denen meine Daten abgelegt sind?“
Was O’Brien immer wieder an den Wissenschaftsoffizieren der Sternenflotte beeindruckte war, von wie vielen Dingen diese etwas verstanden. Von den etwas kurioseren Theorien der Subraumkosmologie über den Energiebedarf eines Warpeindämmungsfeldes bis hin zu den Hobbys des gemeinen Schnupfenvirus hatten sie von allem irgendwie Ahnung. Beruhigen tat ihn allerdings die Tatsache, dass sie bei all diesem Wissen dennoch auf vielen Gebieten keineswegs Experten waren. „Wir benutzen seit einigen Monaten einige dezentrale Datenprozessierungsprotokolle. Im Moment kann ich Ihnen nicht einmal sagen, ob Ihre Daten auf der OPS oder irgendwo im Habitatring liegen.“ Eben weil Dax keine Expertin für Details der Technik der Station war und sie keine längere Diskussion über diese vom Zaun brechen wollte, erwiderte sie darauf nichts. Entsprechend hätte O’Brien ihr also auch vom Rumpelstilzchen erzählen können.
„Tut mir leid“, endete er und ging wieder zurück zu seiner Jefferiesröhre.
Dax folgte ihm. „Wenn Sie erst morgen wieder Zeit haben, können Sie das dann nicht einen Ihrer Leute machen lassen?“, bohrte sie nach.
O’Brien kam erneut aus der Röhre gekrochen. Sein Gesicht zeigte einen Hauch von Verärgerung. „Ich habe das EPS-System in diesem Teil der OPS modifiziert, aber es noch nicht dokumentiert. Keiner meiner Leute kennt sich zurzeit mit diesen Systemen aus.“ Er sah sie an, bemerkte ihre gehobenen Augenbrauen. „Hören Sie“, rechtfertigte er sich, „ich weiß, wie wichtig es ist, Protokolle zu schreiben, aber das kostet Zeit – und manchmal ziehe ich es vor zu arbeiten, statt zu schreiben.“ Dax sah ihn noch immer mit gehobenen Brauen an, doch für ihn war das Gespräch abgeschlossen. Er verkroch sich wieder in die Röhre.
Langsam sanken Dax Brauen nach unten und genüsslich entfaltete sich ein verschmitztes Lächeln. „Ich verstehe“, sagte sie. „Auf diese Weise machen Sie sich also unentbehrlich...“
Ein dumpfer Laut erklang, gefolgt von einem schmerzhaften Aufstöhnen. O’Brien kam wieder hervor, mit einer Hand seinen schmerzenden Schädel massierend. „Was sagten Sie, Commander?“
„Ach, nichts“, grinste Dax, drehte sich um, faltete die Hände hinter dem Rücken und wollte davongehen.
Sie kam allerdings nicht weit, wäre beinahe mit Captain Sisko zusammengestoßen.
„Ich habe gehört, Sie haben Probleme mit Ihrer Konsole?“ Natürlich war es eine Feststellung und keineswegs eine Frage.
„Ja“, bestätigte Dax. „Ich gehe ins Wissenschaftslabor und analysiere dort die höheren Moden in der Neutrinoaktivität des Wurmlochs.“
Sisko, keineswegs beeindruckt von dem Mysterium hinter diesen Worten, hielt sie zurück. „Es tut mir leid“, erklärte er mit professioneller Routine, „aber die Lebenserhaltungssysteme des Wissenschaftslabors werden gerade einer umfassenden Wartung unterzogen. Sie können dort im Moment nicht rein.“
Dax’ Augen weiteren sich. „Warum hat man mir nichts davon gesagt?“
„Keine Sorge, alter Mann“, beruhigte Sisko sie. „Die Leute wissen, wie empfindlich Ihre Ausrüstung dort unten ist. Sie werden ganz vorsichtig sein.“
Dax blieb skeptisch. „Das hoffe ich“, erklärte sie düster. Sisko würde nichts zu lachen haben, wenn er sich irrte, doch diesen beunruhigte das aus gewissen Gründen überhaupt nicht. „Also nachdem Ihre Konsole nicht funktioniert und auch das Labor versperrt ist“, schlug er ungerührt vor, „warum machen Sie dann heute nicht einmal früher Schluss?“
Dies war der Punkt, an dem Dax durchaus hellhörig hätte werden können, schien sich doch alles dazu verschworen zu haben, sie zum Feierabend machen zu bewegen. Allerdings gibt es eine Reihe von sehr guten Gründen anhand derer sich darlegen lässt, warum sie keineswegs misstrauisch wurde.
Eine der herausragenden Eigenschaften intelligenter Wesen ist es, Zusammenhänge zwischen getrennten Ereignissen zu erkennen. Tiere können dies nicht. Nehmen wir beispielsweise ein irdisches Känguru.
Das Känguru sieht einen ungewöhnlichen Feuerschweif am Himmel, ist aber nicht in der Lage, diesen mit der temporalen Wechselwirkung von Kemacite mit einem Warpfeld, den improvisierten Plänen eines selbsternannten obersten Finanzbeauftragten der Ferengi Allianz, sowie dem Absturz eines Wetterballons zu verknüpfen.
Für ein intelligentes Wesen dagegen sind derartige Zusammenhänge natürlich offensichtlich.
Nachteil dieser besonderen Fähigkeit ist allerdings die Angewohnheit, manchmal Zusammenhänge zu sehen, wo keine vorhanden sind. Dies führt bei vielen Zivilisationen zum Glauben an verschiedene Verschwörungstheorien, wie die, dass es Kolumbus nie gegeben habe oder der Klettverschluss eine außerirdische Technologie sei.
Mit steigender Entwicklung eines Volkes lässt derartige Paranoia allerdings nach – und die Trill sind ein sehr entwickeltes Volk. Jadzia Dax hatte daher keinen Grund, eine Verschwörung dort zu vermuten, wo eine war.
Obwohl sie keineswegs besessen von ihrer Arbeit war, genoss sie diese dennoch, weshalb niemand hatte vorhersagen können, ob sie nach Ende ihrer Schicht wirklich den Dienst beenden würde oder nicht. Daher hatten es Sisko und seine Mitverschwörer für notwendig gehalten zu gewährleisten, dass Dax’ Schicht frühzeitig und zu einem klar definierten Zeitpunkt endete. Der Ausfall der Konsole war inszeniert und im Labor ruinierte niemand durch eine unachtsame Bewegung oder einen verschütteten Kaffe ein sorgfältig kalibriertes Instrument.
„Sie haben Recht“, räumte Dax ein. „Ich glaube, das könnte ich wirklich machen.“
Hinter ihrem Rücken sahen sich Sisko und O’Brien an und gratulierten sich stumm zu ihrem Erfolg.

* * *

Dax spazierte über die untere Ebene des Promenadendecks. Sie hatte keinen speziellen Plan, wie sie den Abend verbringen würde. Irgendetwas würde passieren. Und wenn nicht, war es Beschäftigung genug, einfach nur umherzuschlendern und die Passanten zu beobachten.
Da waren zum Beispiel drei Tellariten, die sich stritten und bei denen zu befürchten stand, dass dies gleich in eine wüste Keilerei übergehen würde – die drei mussten wirklich gute Freunde sein. Streiten war ein wichtiger Bestandteil von deren Kultur und Dax fand dies faszinierend.
An einer der Schleusen, welche das Promenadendeck mit dem Habitatring verbanden, rollte das Innenschott beiseite und entließ eine Gruppe von Pakleds. Zu den herausragenden Eigenschaften dieses Volkes gehörte nicht unbedingt ihre Intelligenz. Wenn sie aber ihre Welt auf der Suche nach Dingen, die sie brauchen konnten, verließen, vermochten sie in Anbetracht des Universums zu staunen wie kaum ein anderes Volk.
„Odo an Dax“, erklang nach einem kurzen Signalton die Stimme des Sicherheitschefs aus ihrem Kommunikator.
Dax tippte auf das kleine Gerät an ihrer Brust. „Sprechen Sie“, forderte sie ihn auf, während sie weiterging.
„Ich inspiziere gerade die Fracht eines dopterianischen Händlers, der heute morgen auf die Station kam“, erklärte Odo. „Wie sich herausstellte gehören zu seinen Waren 20 bolianische Smaragde.“
Ein Schweigen folgte, das aus Odos Sicht sicher äußerst bedeutungsvoll klang. Wie das meiste im Leben hatte auch dies einen Grund. Odo verfolgte täglich die Kriminalitätsberichte der umliegenden Sektoren und darüber hinaus. Hätte es Statistiken darüber gegeben, wie oft das denobulanische Schwanzhuhn vom räuberischen aber ziemlich dummen denobulanischen Eierdieb einiger Grashalme seines Nests beraubt wurde – Odo hätte auch diese Zahlen parat gehabt. Als intelligentes Wesen wusste er aber nicht nur über den Inhalt der Berichte bescheid, er verknüpfte darüber hinaus auch all dieses Wissen mit dem täglichen Geschehen auf der Station. Dabei vergaß er manchmal, dass alle anderen Personen in seiner Umgebung es ihm damit nicht unbedingt gleich taten.
Nachdem für Dax’ Geschmack die Stille lange und bedeutsam genug geworden war, fragte sie unbeschwert „Und?“, obwohl sie schon so eine Ahnung hatte, auf was Odo hinaus wollte.
„Vor genau vierzehn Tagen verschwanden aus einem Museum auf Bolarus IX die Kronjuwelen einer antiken bolianischen Kultur. Diese bestanden aus 24 Smaragden.“
„Und Sie vermuten, dass es sich um dieselben handelt“, mutmaßte Dax.
„Ganz genau“, kam es nüchtern vom anderen Ende der Subraumverbindung. „Unglücklicherweise sind die Angaben der Bolianer über Masse und Schliff der Steine nicht präzise genug, um dem Mann etwas beweisen zu können.“
Jadzia blieb stehen und wich an den Rand des Promenadendecks aus, um die anderen Passanten nicht zu behindern. Zu ihrer Überraschung erkannte sie darunter Morn, wie er eilig die Bar verließ und mit ungewöhnlicher Zielstrebigkeit ihrem Blickfeld entschwand. „Ich könnte mit einer Analyse herausfinden, wo genau sich die Smaragde gebildet haben und wann sie ausgegraben wurden“, erwiderte sie und fügte nach kurzer Überlegung hinzu: „Das könnte den Händler entlasten, wenn die Kristalle aus einer anderen Region stammen, aber es dürfte schwierig werden zu zeigen, dass es sich wirklich um die Kronjuwelen handelt.“
„Aber es wird weitere Nachforschungen rechtfertigen“, erwiderte Odo. „Können Sie mich im Frachtraum 4 treffen? Ich habe Ihre übliche Ausrüstung bereits angefordert.“ Es war keineswegs das erste Mal, dass Dax Odo half, wenn er einer Fracht nicht vertraute. Wissenschaft war ein mächtiges Werkzeug der Kriminalistik. Odo wusste daher inzwischen, was sie typischerweise für Geräte benötigte.
Keineswegs unglücklich darüber, ihren Spaziergang verschieben zu müssen, antwortete sie: „Ich bin schon unterwegs.“

* * *

Die speziellen Eigenheiten einer Überraschungsparty gehören neben der Lichtgeschwindigkeit, der Massen der Elementarteilchen und einiger anderer Größen zu den universellen Konstanten dieser Welt und muss hier daher nicht im Detail erläutert werden.
Sisko hatte sich entschieden, die Feier in einem der Frachträume stattfinden zu lassen. Dieser Ort bot Platz für die Gäste, die notwendige Abgeschiedenheit für die Vorbereitung und gehörte des Weiteren nicht zu den Orten, an dem man eine Party erwartete. Selbstverständlich befand sich hier auch kein verärgerter Dopterianer. Das Gespräch zwischen Odo und Dax hatte genauso zur Verschwörung gehört wie der Ausfall ihrer Konsole.
Als das Licht anging, alle hinter den Containern hervorsprangen und „Überraschung!“ riefen, begannen Dax’ Augen zu funkeln, denn sie liebte in der Tat Überraschungen und Partys gleichermaßen. Die Erwartung, mit der sie hergekommen war, war schnell vergessen. Dennoch konnte das anfängliche Grinsen ihre Verwirrung nur unzureichend verbergen. „Danke“, sagte sie, als der Applaus und die Jubelrufe verklungen waren. „Aber was ist denn der Anlass?“
In den folgenden 12,1 Sekunden der Stille erreichten 7 Haare, 9 Schuppen und 2 Kügelchen Ohrenschmalz der Größenklasse unter einem Millimeter den Boden des Frachtraumes. Nichts davon verursachte ein Geräusch, welches selbst ein ausgewachsenes Ferengiohr hätte vernehmen können. Wäre jedoch aus einem unerfindlichen Grund unter den herabfallenden Gegenständen eine Stecknadel gewesen, wären vermutlich alle Anwesenden mit schweren Hörschäden in die Krankenstation eingeliefert worden.
Der als Abgesandter der Wurmlochwesen bezeichnete Sisko starrte entgeistert in die Richtung von Kira, die mit offenem Mund dastand und sich bereits in den Feuerhöhlen der Pah-Geister brennen sah. Julian Bashir wurde siedend heiß bewusst, dass die Angabe über Dax’ Alter von einem Guardian stammte, dem Mitglied einer Volksgruppe der Trill, die aufgrund ihrer Zerstreutheit keineswegs als verlässlich galten. Er hätte als verantwortlicher Arzt eine unabhängige Bestätigung problemlos anfordern können, hatte dies jedoch sträflicherweise unterlassen. Quark blickte sich von Panik erfüllt nach Worf um und fuhr unwillkürlich zusammen, als er hinter sich einen Schatten wahrnahm. Doch statt dem befürchteten Klingonen lächelte ihn lediglich Garak an – ein Anblick, den Quark keineswegs beruhigen konnte.
Es war Sisko, der schließlich als erster die Sprache wieder fand. „Wir dachten, Dax hätte heute Geburtstag.“ Er trat einen Schritt vor. Es machte keinen Sinn, irgendetwas verbergen zu wollen. „Dass Ihr Symbiont heute 350 Jahre alt wird.“
Dax sah ihn überrascht an. „Ach tatsächlich?“, fragte sie verblüfft. „Das wusste ich nicht.“
Fragende Blicke richteten sich auf sie, was ihr sichtlich unangenehm war.
„Die Symbionten... ich...“ Unter den gegebenen Umständen stolperte sogar sie selbst über die Schwierigkeit Wirt und Symbiont zu unterscheiden. „Wir zählen Leben“, erklärte sie dann. „Nicht Jahre.“ Sie lachte erleichtert auf, als ihr klar wurde, dass ihre Aussage sie alle aus dieser peinlichen Lage befreite. „Aber es kann gut sein, dass sie Recht haben!“, grinste sie, diesmal mit wachsender Begeisterung. „Unglaublich, dass sie das herausgefunden haben!“

* * *

Die Party war in vollem Gange. Sisko hatte ein umfangreiches Buffet gekocht, welches die kreolische mit der galaktischen Küche gelungen kombinierte. Die zahlreichen Speisen wurden vermutlich von Odo genauer und interessierter beäugt, als von den Leuten, welche sie schließlich mit Genuss verzehrten. Um Morn hatte sich eine Gruppe Unglücklicher versammelt, die nicht schnell genug zu entkommen waren und sich nun die aufregenden Geschichten über Morns so zahlreiche Familie anhören zu müssen. Quark hatte es sich nicht nehmen lassen, für die Versorgung mit Getränken zu sorgen und gegen einen geringen Unkostenbeitrag der Auswahl auch eine Reihe nicht-replizierter Flüssigkeiten hinzuzufügen.
Vermutlich war Worf der einzige, der sich nicht angenehm zu beschäftigen wusste. Er fühlte sich bei derartigen gesellschaftlichen Ereignissen nicht wohl. Um irgendwie die Zeit herumzubringen, betrachtete er die zahlreichen Geschenke, die Dax erhalten hatte und die auf der Oberseite eines großen, flachen Containers ausgebreitet lagen.
Sein Blick blieb an dem klingonischen Mek’leth hängen. Es hatte wie auch bei Worf einige Zeit gekostet Dax von den Vorzügen dieser Waffe gegenüber dem größeren Bat’leth zu überzeugen, doch vor kurzem hatte Dax verlauten lassen, dass sie irgendwann auch so eine Klinge benötigen würden. Also war es Worf sinnvoll erschienen, ihr diesen Gefallen zu tun. Das Mek’leth hatte er vor einigen Jahren von der klingonischen Heimatwelt mitgebracht. Derartige Stücke wurden dort in großen Mengen produziert, waren also nichts Besonderes. Dennoch empfand Worf sie als angenehmer, als replizierte Modelle.
Bei jeder anderen Person hätte die potentiell tödliche Waffe neben den anderen, gefahrloseren Geschenken deplatziert und unangemessen gewirkt. Nicht jedoch bei Jadzia Dax. Die Geschenke waren vielfältig wie ihre Persönlichkeit. Friedlich vereint mit dem Mek’leth lagen dort ein Dutzend tellaritische Spielsticks, eine Tafel deltanischer Schokolade, der man verschiedene Eigenschaften zurecht und zu unrecht zuschrieb, ein Kleid aus tholianischer Seide, ein isolinearer Stab mit einem Holosuiteprogramm, ein vulkanisches Kal-toh Brett und noch einiges mehr.
„Sie nehmen also keine Hilfe von mir an!“ Quark stand in voller Größe auf der anderen Seite des Containers. Die Augen in ihren tiefen Höhlen blickten grimmig und seine Stimme troff nur so vor Sarkasmus.
Worf ließ die Worte einfach an sich abprallen. „Die von Ihnen angebotene Information ist aus den entsprechenden Akten ersichtlich“, erwiderte er kalt. „Außerdem war es Captain Sisko, der diese Feierlichkeit organisiert hat.“
Wäre Quark wirklich so verärgert gewesen, wie er tat, hätte er nun laut aufgeschnaubt und angefangen laut zu schimpfen. Doch Quark war nicht verärgert. Er neigte sich ein Stück über den Container Worf entgegen. „Wir beide wissen, dass diese Veranstaltung heute nicht stattfinden würde, wenn ich Ihnen nicht die entsprechenden Informationen zur Verfügung gestellt hätte.“
Er lehnte sich wieder zurück und stellte zufrieden fest, das Worf schwieg. „Wissen Sie, für einen Ferengi heißt es, wenn du Ehre und einen leeren Sack hast, dann ist es nur der Sack, der etwas wert ist.“ Er beäugte Worf und sah, dass er mit seiner Vermutung richtig lag. „Aber für Sie ist das etwas anderes – nicht wahr?“, sprach er diese Vermutung aus. Erneut zeigte er im Rahmen eines zufriedenen Grinsens sein beneidenswertes Ferengi-Gebiss. „Sie mögen es jetzt nicht zugeben wollen. Aber Sie schulden mir etwas.“ Er ließ dies einen Moment wirken und schloss dann befriedigt: „Eine Hand wäscht die andere.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab.
Lange starrte Worf dem Ferengi hinterher.
„Sie haben mein Mitgefühl.“
Erschrocken zuckte Worf zusammen und fuhr herum.
Hinter ihm stand Odo. Er war lautlos hinter ihn getreten, so dass Worf ihn unmöglich hatte bemerken können. Für Odo war es eine Kunst, nicht nur das Aussehen eines Humanoiden anzunehmen, sondern auch so zu klingen – einschließlich dem Rascheln der Kleidung und einem realistischen Geräusch der Schritte. Manchmal jedoch, so hatte Odo festgestellt, war es sinnvoll diese Kunst nicht auszuüben.
„Ihr Mitgefühl“, wiederholte Worf schwerfällig. Wenn man bedachte, unter was für einem Schock er gerade stand, war dies eine intelligente Erwiderung.
„In der Tat“, antwortete Odo nüchtern. „Denn für mich persönlich gäbe es nichts Schlimmeres, als Quark einen Gefallen schuldig zu sein.“
Worfs Kiefer begannen zu mahlen. „Das kann ich gut verstehen...“

ENDE
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