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Ein Weihnachtslied in Prosa

von Anke

1. Dezember

Ein Weihnachtslied in Prosa

Summary: In der Nacht vor Weihnachten erhält Kathryn Janeway Besuch von drei Geistern. Eine Adventskalender-Geschichte.

Disclaimer: Wann Star Trek mir gehören wird, steht in den Sternen.

AN: Wieder mal ein dickes Dankeschön an Emony, die diese Geschichte gebetat hat!


1. Dezember

Seska war tot, damit wollen wir beginnen. Kein Zweifel kann darüber bestehen. Der Schein über ihre Beerdigung war vom Doktor und Tuvok unterschrieben worden. Captain Janeway unterschrieb ihn, und Janeways Name war respektiert, wo sie ihn nur hinschrieb, sei es im Alpha- oder im Delta-Quadranten. Seska war so tot wie eine ausgebrannte Plasmaspule.

Wusste Janeway, dass sie tot war? Natürlich wusste sie‘s. Wie sollte es auch anders sein? Janeway hatte Seskas leblosen Körper in ihrem Bereitschaftsraum gefunden und sie, Tuvok und Neelix waren die einzigen gewesen, die an der trostlosen Beerdigung auf einem gottverlassenen Mond teilgenommen hatten.

Nun bringt mich die Erwähnung von Seskas Begräbnis wieder zu dem Ausgangspunkt meiner Erzählung zurück. Es gibt keinen Zweifel, dass Seska tot war. Das muss scharf ins Auge gefasst werden, sonst kann in der Geschichte, die ich erzählen will, nichts Wunderbares geschehen. Wenn wir nicht vollkommen überzeugt wären, dass Marley tot ist, ehe „A Christmas Carol“ beginnt, so wäre durchaus nichts Merkwürdiges in seinem nächtlichen Auftauchen an einem gewissen Weihnachtsabend. Nicht mehr, als bei jedem anderen Herrn in fortgeschrittenen Jahren, der sich nach Feierabend einen kleinen Spaß mit einem alten Kollegen erlaubt.

Wenn Kathryn Janeway an Seska dachte, was selten genug vorkam, geschah dies nicht ohne ein gewisses Bedauern. Mit ihrem scharfen Intellekt und ihrer Erfindungsgabe wäre Seska eine Bereicherung für die Crew der Voyager gewesen. Doch Seska hatte sich dafür entschieden, ihre Fähigkeiten auf die denkbar destruktivste Art und Weise einzusetzen und hatte sich damit schließlich selbst ins Verderben und in den Tod gerissen.

Eines nachmittags, nach Erdenzeit zählte man gerade den 23. Dezember, saß Kathryn Janeway in ihrem Bereitschaftsraum und arbeitete sich durch einen Stapel Berichte. Früher war die Weihnachtszeit Kathryn die liebste Zeit im Jahr gewesen. Doch im Laufe der Jahre war Weihnachten ihr immer gleichgültiger geworden, das Leben als Sternenflottenoffizier ließ nur wenig Zeit für solche Sentimentalitäten. Und seit die Voyager im Delta-Quadranten gestrandet war, waren die Weihnachtsfeste für Kathryn eine schmerzhafte Erinnerung daran, dass ihre Leute eigentlich zuhause im Alpha-Quadranten bei ihren Familien sein sollten. Natürlich hatte sie Tom und Neelix die jährliche Weihnachtsfeier nicht verboten, doch sie persönlich schätzte Prixin viel mehr. Prixin war nicht durch Erinnerungen vorbelastet.

Als der Türmelder zirpte stöhnte Kathryn innerlich auf, sie wusste genau was jetzt kam. Und tatsächlich betrat ein strahlender Neelix ihren Bereitschaftsraum.

„Captain, ich bin hier, um Sie darüber zu informieren, dass die Vorbereitungen zu unserer jährlichen Weihnachtsparty morgen fast abgeschlossen sind.“

„Vielen Dank, Mr. Neelix.“

Ein zynischer Verwaltungsbeamter in Kathryns Kopf begann auszurechnen, wie viele wertvolle Ressourcen sie wohl für diese Feier verschwenden würden. Der Ausfall von Arbeitszeit, festliche Kleider, Nahrung, Geschenke, alles für diesen einen Abend verbraucht… Natürlich wusste Kathryn, wie wichtig die Feier für die Moral ihrer Crew war und dass dies den Ressourcenverbrauch mehr als wert war, trotzdem wollte der Verwaltungsbeamte einfach nicht verstummen.

„Ich hoffe, Sie werden anwesend sein?“, fragte Neelix derweil hoffnungsfroh.

„Ich fürchte nein, Neelix“, sagte Kathryn mit mehr Bedauern in der Stimme als sie tatsächlich fühlte.

„Aber Captain, es ist Weihnachten und als Kopf dieser Familie sollten Sie wirklich…“

„Neelix, ich sagte nein“, beschied Kathryn schärfer als beabsichtigt. „Ich habe hier Etliches zu tun und ich befürchte, unseren Feinden hier im Delta-Quadranten ist es herzlich egal, ob wir Weihnachten feiern.“

Neelix sah sie traurig an. „Ich verstehe, Captain, tut mir leid, dass ich Sie belästigt habe. Wenn Sie es sich doch noch anders überlegen, Sie wissen ja, wo das Holodeck zu finden ist… Wir würden uns alle sehr freuen, vor allem Naomi… wir wollen noch Brownies backen…“

Unter dem strengen Blick seines Captains trat Neelix den Rückzug an. Als sich die Türen hinter ihm geschlossen hatten, stieß Kathryn ein verärgertes Zischen aus. Dass er es gewagt hatte, Naomi Wildman zu erwähnen. Gerade dieses Mädchen hatte es wirklich verdient, ein richtiges Weihnachten zu feiern, zuhause mit seinem Vater und den Großeltern, nicht hier im Delta-Quadranten und bestimmt nicht mit der Kommandantin ihrer Mutter als Highlight des Abends.

Immer noch ärgerlich wandte Kathryn sich wieder ihrer Konsole zu und vertiefte sich erneut in ihre Arbeit. Erst weit nach Schichtende hatte sie den letzten Bericht abgearbeitet. Müde warf Kathryn einen letzten Blick auf den Bildschirm, doch anstatt des vertrauten Logos der Sternenflotte sah sie dort auf einmal Seskas Gesicht, wie es sie frech angrinste.

Kathryn schüttelte unwillig den Kopf. Als sie den Bildschirm wieder fixierte, war da nur das Sternenflotten-Logo zu sehen. Es wäre falsch zu sagen, dass diese Erscheinung Kathryn gänzlich kalt gelassen hätte, doch in ihren sieben Jahren im Delta-Quadranten hatte sie schon zu viel erlebt, um sich von so einer kleinen Einbildung beeindrucken zu lassen.

„Humbug, du bist überarbeitet, Janeway“, grummelte sie und machte sich auf den Weg zu ihrem Quartier. Unterwegs stieß sie fast mit Tom Paris zusammen. Der Pilot war sichtbar gut gelaunt und pfiff ein Weihnachtslied vor sich hin. Zum Glück genügter ein einziger Blick, um ihn zum Schweigen zu bringen. Kathryn stand der Sinn nach allem anderen als Weihnachtsliedern.

In ihrem Quartier angekommen, warf Kathryn ihre Uniformjacke auf einen Stuhl und replizierte sich eine Tasse Boullion. Zu dieser Jahreszeit konnte man nicht mal mehr ins Kasino gehen. Nicht mehr, seit Neelix es mit Tannen- und Mistelzweigen geschmückt und die Audioprozessoren auf Dauerbeschallung mit den größten Klassikern der Weihnachtsmusik programmiert hatte. Vermutlich hatte Tom Paris ihm bei der Auswahl geholfen. Das würde jedenfalls den übermäßig hohen Anteil von Musik des 20. Jahrhunderts erklären. Kathryn war sich sicher, sie würde schreien müssen, wenn sie noch ein einziges Mal „Last Christmas“ hören würde.

Noch ein paar Tage, dann ist alles wieder normal, tröste sie sich, als sie in Bett kletterte. Am liebsten würde sie die nächsten Tage einfach verschlafen und erst dann wieder auftauchen, wenn dieser Wahnsinn ein Ende hätte.
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