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Das Fotoalbum

von Nerys

Kapitel 1

Nach Jahren habe ich mich mal wieder an einer Star Trek Geschichte versucht. Die Grundidee ist ein bissl von einer Geschichte bei FF.de inspiriert, die ich jüngst gelesen habe.
Inhalt: Chakotay erfährt etwas völlig Unerwartetes über Kathryn...

Genre: Silent, Friendship

Rating: P6

Disclaimer: eh schon wissen, Paramount natürlich! Ich leihe wie immer nur ;-)

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Das Fotoalbum

von Nerys



Schon seit beinahe einem Monat durchquerte die Voyager einen Raumbereich, in dem es nichts als unbewohnte Planetoiden und Asteroiden zu geben schien. Diese ereignislose Zeit wurde an Bord dazu genutzt, um längst nötige, aber bisher nicht vorrangige Wartungsarbeiten sowie Liegengebliebenes zu erledigen. Den Tag hatte Captain Janeway damit verbracht die Padds auf ihrem Schreibtisch abzuarbeiten. Sie nutzte auch die Gelegenheit, um sich von den einzelnen leitenden Offizieren Berichte über die Arbeit der jeweiligen Abteilungen geben zu lassen und diese gründlich durchzugehen. Sie wollte über positive wie negative Auffälligkeiten immer bescheid wissen, doch nur selten blieb ihr die Zeit, sich auch eingehend damit zu befassen. Nach Schichtende war sie in ihr Quartier zurückgekehrt, um das freitägliche Abendessen mit Commander Chakotay herzurichten.
Sie verbrachte ein paar Minuten mit ratlosen Blicken in den Schrank, bevor sie sich für eine schöne weinrote Hose und eine dazu passende helle Bluse entschied, die sie gegen ihre Uniform tauschte. Schließlich einigermaßen mit sich zufrieden, opferte sie ein paar Replikatorrationen für ein balinesisches Gemüsecurry, dessen verführerisch würziger Duft sich rasch im Raum auszubreiten begann.
„Computer, wie spät ist es?“ wandte sie sich an das Terminal.
„Es ist achtzehn Uhr dreiundzwanzig“, verkündete die bekannte mechanische Stimme sofort.
Chakotay, pünktlich wie er war, würde in sieben Minuten eintreffen. Während Janeway auf das vertraute Zirpen des Türmelders wartete, nahm sie in Gedanken ein kleines Buch zur Hand, welches stets im Regal auf der linken Seite des obersten Fachs stand. Der Einband war schon beansprucht und an einer Stelle gerissen. Dieses Fotoalbum hatte sie vor vielen Jahren als Jugendliche von ihren Eltern geschenkt bekommen, die traditionelle Bücher aus Papier sehr mochten. Über die Zeit war es mit vielen Fotos bestückt und zu einer Sammlung verschiedenster Erinnerungen geworden. Ab und zu blätterte sie es gerne durch, um an vergangene Stationen ihres Lebens zurückzudenken. Das Bild auf der ersten Seite zeigte sie als Sechzehnjährige zusammen mit ihrer kleinen Schwester Phoebe. Damals hatten sie einander sehr ähnlich gesehen, bis auf die Augen. Sie ertappte sich dabei dieser Tage immer wieder bei einem bestimmtes Foto zu verweilen. Auch diesmal betrachtete sie es eine Weile nachdenklich, bis das erwartete Zirpen in ihre Gedankenwelt drang und sie leicht lächelte.

„Herein.“
Als die Tür mit einem leisen Zischen zur Seite glitt, legte sie das Buch rasch wieder auf seinen Platz im Regal zurück.
„Guten Abend, Kathryn“, begrüßte Chakotay sie grinsend. „Hier riecht es aber gut. Sagen Sie bloß, Sie haben den Kochlöffel geschwungen?“
„Also wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, Sie machen sich lustig über mich.“
„Wer? Ich? Das würde mir doch nicht einfallen!“
Kathryn konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen. „Nein, Ihnen ganz bestimmt nicht. Wer’s glaubt wird selig.“
Es tat gut, mit ihm in aller Vertrautheit solch scherzhafte Bemerkungen auszutauschen. Sie musterte ihn verstohlen, wie er in der zivilen Kleidung vor ihr stand, die seinen kräftigen Körperbau so betonte. Unter dem dunklen Hemd konnte sie die Muskeln seiner Schultern und Oberarme erkennen, als er ihr gegenüber an dem kleinen Tisch Platz nahm. Sie tat ihm eine Portion Reis und einen großen Schöpfer des Currys auf, woraufhin sein Magen ein vernehmliches Knurren hören ließ.
„Ich habe das Mittagessen bei Neelix ausgelassen“, gab er verlegen zu.
„Na, dann lassen Sie es sich schmecken!“ Rasch füllte sie auch ihren eigenen Teller mit dem herrlich nach Kreuzkümmel und Koriander duftenden Gericht. „Guten Appetit!“
Eine Weile waren die beiden mit ihrem Essen voll und ganz beschäftigt, sodass sie schwiegen. Während sie an einem Bissen Gemüse und Reis kaute, konnte Kathryn nicht verhindern, dass ihr Blick zu dem großen Fenster glitt, hinter dem langgezogen die Sterne vorüber glitten. Auf einem Raumschiff verflog die Zeit beinahe unbemerkt. Sommer, Winter, das spielte kaum eine Rolle. Das dunkle weite All kannte nicht das frische Grün des Frühlings, die warme Sommersonne, die fallenden Blätter im Herbst und das Glitzern des winterlichen Schnees.

„Wo sind Sie schon wieder mit den Gedanken, Kathryn?“
Seine Stimme holte sie wieder in ihr Quartier zurück, sie sah ihn an. „Nicht allzu weit weg. Ich dachte nur gerade, dass es mir nicht wie sieben Jahre erscheint, seit wir dem Fürsorger in die Quere geraten sind. Morgen ist schon wieder der vierzehnte Juli.“
Interessiert horchte Chakotay auf. Bei der Erwähnung dieses Datums glaubte er einen melancholischen Unterton in ihrer Stimme zu bemerken. „Ist daran etwas Besonderes?“
Sie schüttelte leicht den Kopf. „Nein, nichts. Daheim in Indiana ist jetzt Sommer, und bald werden die Getreidefelder geerntet.“
Die Antwort kam ein wenig zu schnell, doch Chakotay bohrte nicht weiter nach. Wenn sie ihm erzählen wollte, was es mit genau diesem Tag auf sich hatte, dann hätte sie es getan. Er sammelte das leere Geschirr ein, um es in den Replikator zu stellen, und als sie im Bad verschwand, orderte er rasch zwei Schüsseln Erdbeeren mit Schlagobers. Er wusste ja, wie sehr sie dieses fruchtige Dessert liebte.
„Ohh Chakotay, Sie verwöhnen mich ja“, meinte sie beim Anblick des Nachtisches sichtlich begeistert. Obwohl sie die Erdbeeren mit ausgesprochen zufriedenem Gesicht genoss, verschwand jener schwermütige Ausdruck, der seit der Erwähnung des Datums des folgenden Tages in ihre Augen geschlichen war, nicht vollkommen.
Nachdem die Obstschüsseln geleert waren, kam auch Chakotay nicht umhin dem Bad einen Besuch abzustatten. Als er wieder in den Wohnraum trat, fiel sein Blick zunächst auf den leeren Tisch. Kathryn hatte abgeräumt und saß nun auf dem Sofa. Sie bemerkte ihn nicht, starrte nur völlig abwesend aus dem Fenster. Was auch immer sie so beschäftigte, schien tief in ihrem Inneren verwurzelt zu sein. Unter der unnachgiebigen Maske des Captains verborgen. Als er zu ihr hinüber ging, um sich neben sie zu setzen, entdeckte er etwas auf dem Boden vor dem Regal und er bückte sich danach.
Was er aufgehoben hatte, war ein Foto. Von dem glänzenden Papier sah ihm eine ganz junge Kathryn im Alter von siebzehn oder achtzehn Jahren entgegen. Das war das erste Jugendbild, das er von ihr sah. In ihren strahlend blauen Augen lag schon damals der starke Geist, den er jetzt so gut kannte. Neugierig betrachtete er das Bild näher. Kathryn stand darauf vor einem großen Spiegel und hatte sich halb umgewandt, als jene Person mit der Kamera hinter ihr aufgetaucht war. Ihm fiel auf, dass sie mit einer Hand das weite Shirt in die Höhe geschoben hatte. Die zweite ruhte auf ihrem bloßen Bauch. Das Foto schien auf einmal glühend heiß zu sein, beinahe hätte er es fallen gelassen. Er blinzelte, doch das jüngere Selbst des Captains veränderte sich nicht. Ungläubig drehte er es auf die Rückseite, wo eine Datierung geschrieben stand. Juni 2353.

„Was haben Sie denn da, Chakotay?“ erklang jäh ihre Stimme.
Vollkommen irritiert und sich wie ein Schuljunge ertappt fühlend, wandte er sich ihr zu, um ihr das Foto in die Hand zu drücken. „Das lag auf dem Boden“, sagte er knapp. Er wusste, dass er dieses Bild nicht hätte sehen sollen, aber nun war es nicht mehr rückgängig zu machen. Natürlich schuldete Kathryn ihm keinerlei Erklärung, doch er hoffte, dass sie zumindest irgendetwas sagen würde, bevor sie ihn aus ihrem Quartier schmiss.
Kathryn betrachtete mit gemischten Gefühlen ihr eigenes auf Papier gebanntes Selbst. Das Bild war wohl aus dem Album gefallen, als sie es vor seinem Eintreffen noch durchgeblättert hatte. Von allen möglichen musste es ausgerechnet dieses sein. Was würde er nun von ihr denken? Sie suchte in seinem Gesicht nach einer Regung. Da war nur ein vollkommen ungläubiger Ausdruck, den sie ihm nicht verübeln konnte.
„Sie haben mich vorhin nach dem vierzehnten Juli gefragt“, sagte sie bitter. „Nun, jetzt wissen Sie’s.“
„Bitte? Ich verstehe nicht ganz.“
„Es ist der Geburtstag meines Sohnes.“
„Ihres Sohnes? Aber...?“
„Damit haben Sie wohl nicht gerechnet, oder?“ Sie wies auf den freien Platz neben sich. In dieser heillosen Verwirrung konnte sie ihn nicht lassen.
Dankbar, dass sie ihn nicht hinaus geworfen hatte, ließ er sich aufs Sofa sinken. Sie war immer noch dieselbe Kathryn Janeway wie vor zehn Minuten, doch die Tatsache, dass er gerade ein Foto zu Gesicht bekommen hatte, auf dem sie noch keine zwanzig und schwanger war, hatte sein Bild von ihr gründlich durcheinander gebracht.
„Nein, damit habe ich wirklich nicht gerechnet.“
Es folgte eine unangenehme Stille. Er hätte sie gern gefragt, wie es letztendlich soweit gekommen war, doch hielt er die Neugier für unangebracht. Obwohl sie ebenfalls schwieg, sprach ihre Körperhaltung eine recht deutliche Sprache, wie sie mit angezogenen Beinen neben ihm saß. Sie rang in diesem Moment darum, die Maske des Captains aufrecht zu erhalten.
Chakotay legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter. „Wissen Sie, Kathryn, ich konnte Sie mir immer gut als Mutter vorstellen. Dass es bereits soweit war, überrascht mich zugegebenermaßen ganz schön.“
Ein leises bitteres Lachen kam über ihre Lippen. „Ein Kind zur Welt zu bringen und tatsächlich Mutter zu sein, dazwischen liegen Welten, glauben Sie mir.“
„Oh, also ist Ihr Sohn damals...?“
Kathryn versteifte sich unwillkürlich bei diesen Worten. „Er ist nicht gestorben. Chakotay, ich erwarte nicht, dass Sie es verstehen. Ich bin damals wegen latenter Übelkeit zum Arzt gegangen und anstatt der erwarteten Darmgrippe eröffnete dieser mir, dass ich schwanger war. Das hat meine Welt auf den Kopf gestellt, schließlich war ich erst knapp achtzehn und hatte hoch gesteckte Ziele vor Augen. Mein Vater war zutiefst enttäuscht, als er davon erfuhr, zumal ich bald darauf die Zusage für die Sternenflottenakademie erhielt. Er hat so lange auf mich eingeredet, bis ich angefangen habe ihm zu glauben. Dass ich noch viel zu jung war und mein Sohn Eltern verdiente, die sich bewusst für das Leben mit einem Kind entschieden hatten.“
„Was war, wenn ich fragen darf, mit seinem leiblichen Vater?“
„Mein damaliger Freund Cheb“, seufzte Kathryn. „Lassen wir das. Sein Stolz war verletzt, weil er im Gegensatz zu mir nicht an der Akademie angekommen wurde. Ich glaube er war der Meinung, ich hätte das nur durch meinen Dad geschafft. Jedenfalls hat er sich immer mehr vor mir zurückgezogen und schließlich den Kontakt ganz abgebrochen. Nachdem er alle meine Versuche, ihn zu erreichen, blockierte, hat er nie von Seth erfahren.“
Ein leichtes Lächeln umspielte Chakotays Mundwinkel, als er sich seinen Captain mit einem zufrieden schlummernden Baby in den Armen vorzustellen begann. „Seth also, das ist ein schöner Name.“
„Morgen feiert er seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag. Ich wüsste so gerne, was für ein Mann aus ihm geworden ist. All die besonderen Momente in seinem Leben habe ich verpasst. Seine ersten Schritte und den ersten Tag in der Schule. Wie konnte ich ihn nur im Stich lassen? Als er weg war, habe ich ständig an ihn gedacht. Dieses Foto, das meine Schwester damals gegen Ende der Schwangerschaft gemacht hatte, ist das einzige, was mir von ihm geblieben ist. Abgesehen von der Leere, die ich versuchte mit harter Arbeit auszufüllen, um irgendwann vielleicht zu vergessen beginnen. Es funktioniert nicht, das hat es nie wirklich. Wahrscheinlich ist er das einzige Kind, das ich je haben werde, und ich habe die Chance verschenkt, ihm meine Liebe zu geben... es ist zu spät... vorbei...“
Kathryn unterbrach sich, vermochte nicht mehr weiter zu sprechen. In ihren Augen lag ein feuchtes Glitzern. Behutsam zog er sie in seine Arme und hielt sie fest, streichelte ihr tröstend über das weiche rotbraune Haar. Diesmal wehrte sie sich nicht gegen die Nähe. Er spürte wie sie unter verhaltenem Schluchzen erbebte. So aufgewühlt und verletzlich hatte er sie noch nie erlebt. Auf einmal schien alles aus ihr heraus zu brechen, das sie so lange tief in ihrem Inneren verschlossen gehalten hatte. Die Tränen, die zu weinen, sie sich nie erlaubte. Er wusste, dass er jetzt in diesem Moment zum ersten Mal seit der Zeit auf der Neuen Erde nicht den Captain vor sich hatte, sondern die Frau hinter der Maske.

ENDE
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