TrekNation

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Dunkle Träume

von Nerys

Neue Gesichter

Kapitel 1

Gerädert betrat Kira das Büro des Stationskommandanten, welches jetzt ihres war. Wie jeden Morgen orderte sie vom Replikator einen extra starken Raktajino, ehe sie sich an den Schreibtisch setzte. Neben Siskos geliebtem Baseball stand nun ein gerahmtes Foto, das Odo und sie zeigte. Sie hatten es an ihrem ersten Jahrestag im Vic's aufgenommen. Ein Gähnen entkam ihr, als sie den Tagesplan zur Hand nahm. Am Nachmittag gegen sechzehn Uhr wurde die Venture erwartet, die Ersatzteile und Verstärkung für das technische Personal bringen sollte. An Bord befand sich außerdem ein Commander der Sternenflotte, der den Posten des Ersten Offiziers von Deep Space Nine übernehmen würde. Dieser Umstand bereitete Kira mehr Unbehagen als alle anderen neuen Gesichter im Führungsstab zusammen. Nicolai Kalinin war zwar kein Captain, der ihr an Siskos Stelle vor die Nase gesetzt wurde, aber sie nahm an, dass es zu seinen Aufgaben gehörte, ihr Kommando zu überwachen, damit sie sich den Wünschen der Sternenflotte gemäß verhielt. Das Geräusch des Türmelders ließ sie aufsehen und sie bat den Besucher herein.
"Guten Morgen, Colonel", grüßte der Wissenschaftsoffizier Lieutenant Ferenc sie. "Ich soll Ihnen von Constable Jaral den Sicherheitsbericht geben. Ich traf sie vorhin im Replimat."
Kira nahm das Padd mit einem Kopfnicken entgegen. "Gut, danke. Gibt es sonst noch irgendetwas, von dem ich wissen sollte, Lieutenant?"
"Vermutlich nichts, das Ihnen nicht schon bekannt ist. Für die Ankunft der Venture wurde bereits Pylone eins vorbereitet. Dem letzten Stand nach trifft das Schiff wahrscheinlich etwas früher als angekündigt ein", antwortete er und lächelte aufmunternd, als er ihr Augenrollen bemerkte. "Es wird Ihnen gut tun, endlich einen richtigen Stellvertreter zu haben. Sie sehen erschöpft aus, wenn ich das sagen darf."
Die Bajoranerin seufzte leicht, verkniff sich jedoch eine giftige Bemerkung. Er hatte ja recht, ein wenig Erholung würde ihr nicht schaden. Es waren wieder die Dämonen der Vergangenheit, die sie jagten. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal eine Nacht durchgeschlafen hatte. Und jetzt wo Odo fort war, gab es niemanden, der sie tröstend in die Arme nahm, wenn sie zitternd aus dem Schlaf schreckte. Ferenc wandte sich mit einem respektvollen Nicken ab, um das Büro seiner Vorgesetzten zu verlassen. Sie sah ihm nach bis sich die Tür hinter ihm schloss. Der junge Mann war genauso grün hinter den Ohren wie Julian Bashir bei seiner Ankunft vor sieben Jahren, aber im Gegensatz zu dem Arzt versuchte er nicht, seine mangelnde Erfahrung mit übersteigertem Selbstbewusstsein auszugleichen. Kira mochte Sandor Ferenc, weil er sich offen und natürlich gab, wie sie es bei Offizieren nur selten erlebte. Er war ein vollblütiger Wissenschaftler und füllte Jadzias Posten gut aus, wenngleich er nicht mit ihrem Erfahrungsschatz aufwarten konnte. Doch wer vermochte schon mit einem vereinigten Trill zu konkurrieren? Zumindest ging er stets mit positivem Denken sowie einer Prise Humor an die Arbeit.
In Gedanken nippte sie an ihrem Raktajino. Sie spürte die heiße Flüssigkeit ihre Speiseröhre hinunter fließen. Ihr Magen erwärmte sich angenehm und das Coffein würde bald die schwere Müdigkeit aus ihren Gliedern vertreiben. Es erschien ihr nach den vergangenen paar Wochen immer noch merkwürdig, sogar verkehrt, in diesem Sessel zu sitzen. Von den Angehörigen des bajoranischen Militärs wurde sie als Kommandantin vorbehaltlos akzeptiert, aber einem Teil des auf Deep Space Nine stationierten Sternenflottenpersonals fiel das schwer. Sie hoffte immer noch, dass Benjamin Sisko eines Morgens mit seinem charmanten Lächeln durch diese Tür trat, um den Schreibtisch wieder für sich zu beanspruchen. So wie es am Tag ihrer ersten Begegnung gewesen war. Sie dachte an die verbitterte junge Frau zurück, die inzwischen nur noch als blasse Erinnerung existierte. Die Personen, mit denen sie über die vergangenen Jahre Tag für Tag zusammen gearbeitet, debattiert, gescherzt und Seite an Seite Kämpfe ausgefochten hatte, waren ein so bedeutender Teil ihres Lebens geworden, doch nun hatten sich die meisten von ihnen in alle Winde zerstreut. Odo war zu seinem Volk zurückgekehrt, Sisko von den Propheten geholt worden. Die O'Briens lebten mit ihren Kindern wieder auf der Erde, Worf war Botschafter des klingonischen Reichs und Rom der Große Nagus auf Ferenginar. Sie vermisste alle von ihnen in gewisser Weise.

Kurz nach fünfzehn Uhr begann die Venture ihren Anflug auf die Station. Kira blieb nichts anderes übrig, als sich zur Andockrampe zu begeben, um den neuen Ersten Offizier offiziell zu begrüßen. Im Vorfeld hatte sie natürlich bereits seine Dienstakte studiert, damit sie eine Ahnung davon gewann, wer da an Bord kam. Commander Nicolai Kalinin hatte sich im Krieg einen Namen gemacht. Er war Sicherheitschef auf der Galway gewesen. Unter seiner Leitung gelang es, mehrere Jem’Hadar-Kriegsschiffe auszuschalten und dadurch zwei andere Sternenflottenraumer vor der Vernichtung zu bewahren, ehe die Galway zerstört wurde. Der Großteil ihrer überlebenden Besatzung wurde von der Bernstein an Bord genommen. Kalinin war mit einer Auszeichnung für Tapferkeit und einer Beförderung belohnt worden. Aus seiner Akte wusste sie auch, dass auf der Mars-Kolonie geboren und aufgewachsen war, aber russische Wurzeln besaß. Das Portraitfoto neben den allgemeinen Informationen zeigte einen ernst, beinahe finster blickenden Mann mit dunklem lockigem Haar und dichten Brauen.
Im Gang vor der Andockrampe traf sie auf die Sicherheitschefin Constable Jaral, die eine ockerfarbene Uniform des bajoranischen Militärs trug. Sie war dankbar dafür, dass dieser Posten wieder mit jemandem von ihren eigenen Leuten besetzt worden war, anstatt mit einem Sternenflottenangehörigen. Unter sich hatte Jaral Danu natürlich ein gemischtes Team aus Deputys und Fähnrichen.
"Constable", grüßte sie die andere Frau mit einem Kopfnicken. Es fiel ihr immer noch schwer eine andere Person mit Odos früherem Titel anzureden.
Die Sicherheitschefin erwiderte den Gruß. "Guten Tag, Colonel. Nun, dann sehen wir uns den Commander an."
Darauf mussten die beiden Frauen auch nicht lange warten. Bereits nach ein paar Minuten öffnete sich die massive Schleuse und eine Gruppe von uniformiertem Sternenflottenpersonal betrat die Station. Kira entdeckte Kalinin sofort an der Spitze. Der Russe trat vor sie hin, seine eisblauen Augen taxierten sie. Er war groß, sogar größer als Sisko und von ähnlich kräftiger Statur. Sein Vollbart verlieh ihm ein verwegenes Aussehen.
"Colonel Kira, nehme ich an?" begann er mit tiefer volltönender Stimme. "Commander Nicolai Kalinin meldet sich zum Dienst."
"Willkommen an Bord, Commander", erwiderte Kira in geschäftsmäßig nüchternem Ton. "Das hier ist unsere Sicherheitschefin Constable Jaral Danu."
Kalinin grüßte die andere Bajoranerin ebenfalls förmlich, ohne dabei die Miene zu verziehen. Er wirkte nicht übermäßig begeistert von seiner Ankunft auf Deep Space Nine. Kira war heilfroh, dass Jaral sich anbot, ihm den Weg zu seinem Quartier zu zeigen. Jetzt, da sie ihn wirklich vor sich gesehen hatte, war sie überzeugt davon, dass es zwischen ihnen Reibereien geben würde. Da war etwas an ihm, das ihr widerstrebte. Sein Missfallen gegenüber dieser Situation konnte sie deutlich spüren. Und dennoch hatten sie sich beide mit dem abzufinden, was von ihren Vorgesetzten beschlossen worden war. Kira nahm sich vor, das Beste daraus zu machen, oder sich zumindest dessen zu bemühen. Das erwartete man schließlich von ihr.
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