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Szenen einer Ehe

von uena

Vorspiel

„Gut möglich, dass ich Sie vollkotze.“

Im Prinzip nicht unbedingt eine Aussage, die enge Freundschaften nach sich zog. Aber James T. Kirk war oft genug Prinzipienlosigkeit vorgeworfen worden, und er scherte sich generell einen Dreck um das, was von ihm erwartet wurde.

Doktor Leonard McCoy, schlecht gelaunt, so ehrlich, dass er fast schon grob wirkte, und durch seine Flugangst in Kombination mit Alkohol alles in allem in eher zweifelhaftem Geisteszustand, war auf erfrischende Weise echt – ohne auch nur einen Hauch von wohlmeinender Falschheit an sich, die seine raue Schale verbergen sollte. Jim ertappte sich selbst dabei, wie er seinen Sitznachbarn mehr oder weniger unauffällig von der Seite musterte. Er hatte ganz sicher nicht erwartet, so jemandem ausgerechnet während seines Fluges zur Akademie der Sternenflotte zu begegnen. Möglich, dass er da ein wenig voreingenommen war.

Bevor er sich selbst stoppen konnte, war Jim dabei, dem Doktor endlose Geschichten über seine zahlreichen Eroberungen zu erzählen, die McCoy ganz zweifellos nicht hören wollte – und als McCoy ihn schließlich anranzte, gefälligst die Klappe zu halten, bevor er ihm wie zur Untermauerung seiner Forderung ein weiteres Mal seinen Flachmann anbot, grinste Jim nur, trank und schwieg.

Sie hatten ihr Ziel erreicht – es gab keinen Grund, den Mann noch länger zu belästigen.

McCoy war wortkarg, während sie hintereinander aus dem Shuttle stiegen. Nachdem aber das Gepäck verteilt und die Quartiere zugewiesen worden waren, und er sich auf den Weg zu eben diesem machen wollte, legte sich eine unnachgiebige Hand um Jims Handgelenk und hielt ihn fest. „Und was glauben Sie, wo Sie hingehen?“

Jim blinzelte verdutzt, bemerkte zum ersten Mal den faszinierenden Hang des Doktors, eine Augenbraue so in die Höhe zu ziehen, dass er einem direkt Angst einjagen konnte, und legte den Kopf schief. „Zu meinem Quartier?“

Doktor McCoy, am Boden eindeutig durchsetzungsfähiger als in der Luft, schüttelte einmal knapp den Kopf. „Nein. Krankenstation. Und zwar sofort.“

Jim musste tatsächlich ein Ächzen unterdrücken, als der Doktor sich in Bewegung setzte und ihn mit unerwarteter Kraft hinter sich her zog. Er fiel aber schon nach ein paar eher unfreiwilligen Schritten in gehorsamen Trab, um mit den langen Schritten des Arztes mithalten zu können. Doktor McCoy strahlte eine natürliche Autorität aus, der Jim sich aus irgendeinem ominösen Grund nicht widersetzen konnte – und das, obwohl er auf Autorität für gewöhnlich mit einer Ablehnung reagierte, die an Abscheu grenzte.

Sie erreichten die Krankenstation dank der vorbildlichen Ausschilderung des Akademiegeländes nach wenigen Minuten, und Doktor McCoy wirkte faszinierender Weise von der ersten Sekunde an, als gehöre er exakt hierher – mitten zwischen Sedativa, Wundheilsalben und Mullbinden. Jim hatte noch nie jemanden kennen gelernt, der einen Raum so komplett ausfüllen konnte, als gehöre er allein ihm.

„Schlägerei?“ erkundigte McCoy sich professionell, während er sich seines Gepäcks entledigte, wies Jim mit einer knappen Kopfbewegung an, sich auf eine der Krankenliegen zu setzen, und dieser nickte zustimmend, während er seinen Hintern auf die erhöhte Sitzgelegenheit verfrachtete.

„Es ist wirklich nicht nötig, dass Sie -“, setzte er an, aber Doktor McCoy fiel ihm ungeduldig ins Wort. „Ich bin Arzt, kein Alleinunterhalter. Wenn Sie jemandem Lügen über Ihr Wohlbefinden erzählen wollen, dann rufen Sie Ihre Mutter an. Hemd aus.“

Jim leistete dem gebellten Befehl verdutzt Folge, und die Augenbraue des Doktors trat wieder in Aktion, als er Jims geschundenen Oberkörpers ansichtig wurde. „Hat sich das bisher jemand angesehen?“ erkundigte er sich streng, während geschickte Finger Jims Rippen abtasteten, und Jim schüttelte den Kopf. „War nicht nötig.“

„Was nötig ist und was nicht, entscheide ich“, grollte McCoy irritiert, und Jim erkannte mit seltsam warm kribbelnder Faszination, dass dieses Grollen einer gewissen Sorge um seine Person entsprang. Diesem Gedanken schloss sich ein schmerzerfülltes Ächzen an, als McCoy eine seiner Rippen einen Hauch zu fest drückte. Der Doktor gab einen Laut von sich, der gefährlich nach einem Knurren klang. „Na bitte – geprellte Rippe. Hinlegen!“

Jim entfuhr ein unmännliches Quieken, weil McCoy keineswegs wartete, bis er dem Befehl von allein Folge leistete, sondern mit einer äußerst kräftigen Hand jeweils seine Schulter und seine Wade packte und ihn mit sanfter Gewalt nach hinten kippte. „Liegen bleiben!“

Jim gehorchte – wenn auch eher aus Angst vor dem Doktor als der Einsicht der Korrektheit seines Befehls. „Was haben Sie vor?“ fragte er ein wenig kleinlaut, während er auf seine nackte Brust hinab luscherte, und McCoy blinzelte, als verstehe er die Frage nicht.

„Sie behandeln?“ gab er dann zurück, als könne nur ein völliger Idiot eine derartig überflüssige Bemerkung machen. „Sind Sie allergisch gegen bestimmte Schmerzmittel?“
Jim deutete ein Schulterzucken an. „Nicht, dass ich wüsste. Ich glaube nicht, dass ich schon mal eins genommen habe.“

McCoy zog schweigend beide Augenbrauen in die Höhe, und Jim fand, dass es ihn seltsam besorgt wirken ließ. „Stimmt was nicht damit?“

McCoy beschrieb mit einer ungeduldigen Geste die zahlreichen Blutergüsse auf Jims entblößtem Oberkörper. „Diese Verletzungen sind unterschiedlichen Datums. Ist es ein Hobby von Ihnen, sich in Schwierigkeiten zu bringen – oder sind Sie einfach nur sehr ungeschickt?“

Jim wusste, was die Frage wirklich zu bedeuten hatte, und schloss einen Moment lang die Augen. Er konnte die Stimme seiner Mutter praktisch hören. Er hat dir nie etwas getan, Jim, warum gibst du ihm keine Chance? Ich weiß, er kann dir niemals deinen Vater ersetzen, aber wenn du ihn nur an dich heran lassen würdest …

„Zu große Klappe“, antwortete er schließlich matt. „Muss mich ständig mit Typen anlegen, die größer sind als ich.“

Doktor McCoy fragte nicht weiter nach. Er spritzte Jim ein mildes Schmerzmittel, stellte sicher, dass er nicht ernster verletzt war, legte ihm eine Bandage an, um seinen Brustkorb zu stabilisieren und schickte ihn schließlich zu seinem Quartier, um sich zu schonen. Als Jim sich an diesem Abend ins Bett legte, schlief er zum ersten Mal seit Monaten ohne Probleme ein – und er war sich nicht sicher, ob das allein an dem Schmerzmittel lag.



~*~



Drei Wochen. Seit drei Wochen beinahe täglich der gleiche Unsinn. Wenn Leonard McCoy es nicht besser gewusst hätte, er hätte gesagt, James T. Kirk sei Masochist.

„Was war es diesmal?“ erkundigte er sich trocken, während er den blutenden Schnitt in Kirks rechter Augenbraue mit einem Tupfer und Desinfektionsmittel bearbeitete. „Ein Mädchen? Saß er auf Ihrem Stammplatz? – Oder hat Ihnen einfach die Farbe seiner Hose nicht gefallen?“

Jim erwiderte nichts, weil er zu sehr damit beschäftig war, die Zähne zusammenzubeißen und nicht zu wimmern. Wann genau hatte der Doktor damit aufgehört, ihm vor der Behandlung ein Schmerzmittel zu geben?

„Das brennt!“ quetschte er schließlich hervor, und Doktor McCoy zog eine genervte Grimasse und drückte ein Kühlkissen auf Kirks rechte Gesichtshälfte. „Das will ich auch schwer hoffen!“

Jim schloss die Augen, seufzte erleichtert, und im ersten Moment fiel ihm nicht einmal auf, dass Doktor McCoy die linke Hand an seinen Hinterkopf gelegt hatte, um ihn zu stützen. Die Finger des Arztes waren eine solide Präsenz, ruhten ganz selbstverständlich in seinem Haar, während ein unnachgiebiger Daumen sein Kinn in die Höhe drückte, und Jim stöhnte leise.

„Tut es weh?“ erkundigte Doktor McCoy sich wie nebenbei, und er klang beinahe ein wenig uninteressiert. Jim hatte nicht die geringste Ahnung, was hier vor sich ging. Er hasste es, wenn Leute ihn anfassten, ohne sexuelle Hintergedanken zu haben – diese Art von Körperkontakt liebte er natürlich – und obwohl die Berührung Doktor McCoys strikt professionell war, musste Jim sich ganz furchtbar zusammenreißen, sich nicht an diese wunderbar warme Hand zu schmiegen wie ein Hund, der Streicheleinheiten nachzuholen hatte.

Er schlug die Augen auf, als sich Kühlkissen und Hand gleichzeitig von ihm zurückzogen, und ein wenig von seinem Bedauern musste sich in seinem Blick gespiegelt haben, denn der gute Doktor setzte seine Behandlung wesentlich zartfühlender fort als zuvor. Jim fühlte sich ein wenig merkwürdig.

Zugegeben, er ließ sich gern von McCoy verarzten, genoss dessen Strafpredigten und Vorhaltungen, weil es nichts Beruhigenderes gab, als sich vor dem Schlafengehen seine tägliche Dosis Schimpf und Schande abzuholen. Aber er hatte bisher immer angenommen, das ließe sich genauso auf seinen kranken Drang nach Selbstverstümmelung zurückführen wie seine zahlreichen Schlägereien. Dass sich jetzt herausstellte, dass er aus einem eher gegenteiligen Grund Doktor McCoy so hartnäckig aufsuchte, war ein wenig erschreckend.

„Hey! Wer hat gesagt, dass Sie aufstehen dürfen?!“ Der eherne Druck auf seiner Schulter zwang Jim auf die Krankenliege zurück, und Doktor McCoy warf ihm einen einschüchternden Blick zu. „Wir sind hier noch nicht fertig!“

Jim konnte es nicht fassen, als er den Arzt tatsächlich angrinste. „Ich glaube, ich sollte Ihnen so langsam mal das Du anbieten.“

Doktor McCoy ignorierte ihn mit einer Routine, die Jim nur bewundernswert finden konnte.
„Ich heiße Jim“, sagte er also hartnäckig und zuckte kaum zusammen, als der Doktor ihm aus böswilliger Rache ein Hypospray in den Nacken rammte. „Und du brauchst einen Spitznamen. Ich glaube, ich werde dich Lenny nennen.“

Doktor McCoys Blick hätte einem schwächeren Mann Tränen der Angst in die Augen getrieben, und Jim hegte Gedanken an Flucht – dann zog der Doktor die linke Augenbraue in bisher ungesehener Friedfertigkeit die Höhe. „Ich glaube nicht, Jim.“

Jim grinste so breit, dass der Schnitt in seiner Lippe wieder aufriss.

„Idiot!“ grollte Doktor McCoy vorwurfsvoll, nahm einen weiteren Tupfer zur Hand, tränkte ihn großzügig mit Desinfektionsmittel und machte sich ein weiteres Mal daran, Jims Lippe zu versorgen. Es brannte beim zweiten Mal nicht weniger als beim ersten, aber diesmal fühlte der Schmerz sich anders an, und Jim schloss die Augen.

Doktor McCoy nahm mit rein wissenschaftlichem Interesse das leichte Lächeln um die Mundwinkel seines Dauerpatienten wahr und schüttelte innerlich den Kopf. Was er hier vor sich hatte, war ein unreifes Kind, das sich mit einer Leichtfertigkeit in Schwierigkeiten brachte, die ihn gleichzeitig faszinierte und entsetzte.

Der Umstand, dass er so viel älter war – und sich noch viel älter fühlte – als sein Patient, ließ ihn Jim mit einer seltsamen Mischung aus Verantwortungsgefühl und Verständnis begegnen, und er ertappte sich dabei, wie er seine linke Hand an die Wange seines Patienten legte, während er mit der rechten Salbe auf dessen Gesicht verteilte, die seine Wunden schneller heilen lassen würde.

Jim spitzte leicht die Lippen, um ihm die Applikation der Salbe in diesem Bereich zu erleichtern, und McCoy schmunzelte in sich hinein. Ein leichtsinniges, unreifes Kind, ganz zweifellos – aber er konnte den Mann hinter dem Jungen ausmachen, und dieser Mann war ihm überraschend sympathisch.

„Fertig“, sagte er leise, und als Kirk die Augen aufschlug und sich ihre Blicke begegneten, lächelte Doktor McCoy. Man konnte nicht sagen, wer überraschter wirkte – Kirk oder McCoy selbst.



~*~



„Welchen Teil von NEIN hast du nicht verstanden?“

McCoy starrte Jim einen Moment lang unnachgiebig nieder, blickte sich dann in der kleinen Bar um und fand einen unbesetzten Tisch im hinterletzten, dunkelsten Winkel.

Wie überaus passend.

Er marschierte darauf zu, ließ sich seufzend auf die mit abgewetztem, dunkelbraunem Leder bezogene Bank sinken und stützte den Kopf in die Hände. Es überraschte ihn nicht sonderlich, als Kirk sich auf der Bank ihm gegenüber niederließ, glücklich war er trotzdem nicht damit.

„Ich verstehe nicht, warum du immer nur hierher kommen willst!“ beschwerte Kirk sich irritiert bei ihm. „Ich meine – wenn wir schon ausgehen, können wir doch auch ein bisschen Spaß haben!“

„Niemand zwingt dich, hier zu bleiben“, gab McCoy eisig zurück und bestellte sich einen doppelten Bourbon, als die Kellnerin an ihren Tisch kam. „Ich kann mich sowieso nicht daran erinnern, dich jemals darum gebeten zu haben, mir Gesellschaft zu leisten.“

Kirk wirkte tatsächlich ein wenig verletzt. „Irgendwer muss dir ja Gesellschaft leisten. Außerdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, dich irgendwann aus dieser Kaschemme raus und in eine anständige Bar zu kriegen.“

McCoy erwiderte nichts, starrte aus dem Fenster zu seiner Linken und auf den Fluss hinaus, und Kirk blieb, zu seiner grenzenlosen Überraschung, ebenfalls still. Erst als die Kellnerin mit ihren Getränken zurückkam, versuchte er sich an einem Gespräch.

„Du bist heute so schlecht gelaunt“, bemerkte er faktisch. „Ist was passiert?“

„Ich bin immer schlecht gelaunt“, gab McCoy grob zurück und stürzte sich seinen Bourbon in den Rachen. „Vielleicht bist du heute einfach sensibler als sonst.“

Kirk zog ihm eine Grimasse. „Unsinn, Doktor. Raus mit der Sprache! Du kannst es mir wirklich anvertrauen – ich verspreche, es nur dann weiter zu erzählen, wenn es zu skandalös ist, um es für mich zu behalten!“

McCoy unterdrückte das Bedürfnis, seinen Freund – und wann war das bitte passiert – auf die Nase zu boxen und wischte sich mit der Hand übers Gesicht. „Heute ist mein Hochzeitstag.“

Kirk sah mit einem Mal aus, als würde er im nächsten Augenblick in Tränen ausbrechen. „Oh.“

„Kein Grund für dich, so ein Gesicht zu machen!“ grollte Doktor McCoy halb irritiert, halb dankbar und winkte nach einem weiteren Bourbon. Kirk ihm gegenüber rutschte unbehaglich auf der Bank hin und her. Es war seltsam liebenswert, ihn so mitfühlend zu sehen. McCoy fühlte sich nur noch schlechter.

„Ich wäre dir dankbar, wenn du mich allein lassen würdest“, sagte er ernst – teils, weil er es sich selbst ersparen wollte, sich an diesem Tag mit dem Charakter James T. Kirks zu belasten, aber hauptsächlich, weil er es Jim ersparen wollte, dabei zuzusehen, wie er sich betrank. Denn das war der Plan, und er hatte nicht vor, davon abzuweichen.

„Hast du … ähm … deine Frau – Exfrau seit der Scheidung gesprochen?“ fragte Jim ihn unsicher, völlig ignorant gegenüber seiner Bitte, und McCoy sah, wie er sich die feuchten Hände an seiner Jeans abwischte. „Ja“, antwortete er knapp. „Und wir müssen wirklich nicht darüber reden. Du siehst aus, als sei dir das Thema noch unangenehmer als mir.“

Kirk schüttelte leicht den Kopf. „Darüber zu reden ist besser, als sich zu betrinken“, erklärte er vernünftig, und McCoy zog ehrlich verdutzt die linke Augenbraue in die Höhe. „Und solch eine Weisheit aus deinem Mund – ich bin beeindruckt, Jim.“

Er hatte ganz sicher nicht damit gerechnet, Kirk ob dieser Bemerkung erröten und schüchtern lächeln zu sehen.

„Du scheinst auf mich abzufärben“, erwiderte er unsicher, und McCoy schüttelte den Kopf, bekam seinen zweiten Bourbon und leerte auch dieses Glas in einem entschlossenen Zug.
„Offensichtlich nicht. Unsere Einstellung zum Alkohol war schon immer und ist nach wie vor sehr gegensätzlich.“

Denn James T. Kirk mochte mit allem schlafen, was nicht bei drei auf den Bäumen war, er mochte sich mit allem prügeln, was ihm ein Minimum an Provokation lieferte – oder viel mehr sich von ihm provozieren ließ – aber er trank nicht. Doktor McCoy fand das interessant und in gewissem Maß beruhigend.

„Tust du mir den Gefallen und belässt es bei deinen zwei Bourbon?“ murmelte Jim mit einem Mal kaum hörbar, und in McCoys Magen breitete sich eine gewisse Spannung aus, als er sah, dass sein Freund die Hände ineinander verkrampft hatte und ungewohnt angespannt an ihnen vorbei auf die blanke Tischplatte starrte. „Ich habe das Gefühl, du wirst aggressiv und irrational, wenn du trinkst, und ich würde das lieber nicht erleben.“

McCoy atmete ruckartig ein und ebenso ruckartig wieder aus, und er hatte über den Tisch gegriffen und seine rechte Hand auf Jims verkrampfte Finger gelegt, bevor er noch genauer darüber nachdenken konnte. „Wer?“ fragte er so sanft wie möglich, und als Jim aufblickte und ihn verständnislos ansah, musste er ein frustriertes Grollen unterdrücken.

Wieso war Jim sich nie der Signale bewusst, die er aussandte? Wieso war er immer überrascht, wenn McCoy wusste, was in ihm vor sich ging?

„Wer?“ wiederholte McCoy also beherrscht, „hat dir den Eindruck vermittelt, der Genuss von zu viel Alkohol resultiere automatisch in Gewalt?“ Jim zuckte beinahe zusammen unter seinem Blick, und McCoy unterdrückte den plötzlichen Impuls, jemandem den Schädel zu spalten.

„Mein Stiefvater“, antwortete Jim schließlich kaum hörbar und starrte wieder auf die Tischplatte, „ist ein sehr korrekter, strenger Mann. Aber in den seltenen Fällen, in denen er einen über den Durst trinkt … naja.“

McCoy knurrte wütend, bevor er es verhindern konnte, und Jim blickte hastig wieder auf. „Er hat mir nie etwas getan!“ versicherte er ihm hastig. „Hat mich nur manchmal … ein wenig zu hart angepackt. Ein paar blaue Flecken, sonst nichts!“

Jims Augen flehten ihn an, ihm zu glauben, und McCoy stellte fest, dass seine Hand noch immer ausgebreitet über Jims lag. Er starrte einen Moment lang auf seine Finger hinab, als könne er durch seine Berührung zurücknehmen, was seinem Freund in seiner Kindheit zugefügt worden war. Er sollte sich nicht so verantwortlich für Jim fühlen, aber er tat es, und der Umstand, dass er sein Arzt war, hatte erschreckend wenig damit zu tun.

„Nun“, sagte McCoy leise, und er legte sich seine Worte sehr genau zurecht, „ich bin weder ein sehr korrekter noch ein ernster Mann, Jim. Ich bin von Natur aus irrational und schlecht gelaunt, Alkohol beeinflusst mich in dieser Hinsicht also minimal. Und ich verspreche dir, dass ich dich niemals – niemals – zu hart anpacken werde, völlig egal, wie betrunken ich bin. Du brauchst mich nicht, um dir blaue Flecken einzuhandeln.“

Jim atmete flatternd aus, es klang beinahe wie ein Schluchzen, und McCoy wartete auf den Moment, in dem sein Freund sich genügend gesammelt hatte, um ihm in die Augen zu sehen. Es dauerte erschreckend lange. Der Doktor beschloss, an diesem Abend keinen weiteren Bourbon zu trinken.

Jim blickte schließlich wieder auf, er lächelte ein wenig, und McCoy seufzte, zog endlich seine Hand von ihm zurück und zögerte einen Moment, bevor er begann, ihm von seiner gescheiterten Ehe zu erzählen. Er hatte das zwingende Gefühl, dass sie sich danach beide besser fühlen würden.



~*~



„Hast du den Hintern gesehen? Ich glaube, ich werde ihr einen Drink spendieren!“ Und damit war James Kirk in der Menge verschwunden, und Doktor McCoy blieb einsam am Rande des Geschehens zurück. In gewissem Maße war der Doktor dem vorbeigezogenen Hintern dankbar dafür, ihn von der an diesem Tage ungewöhnlich strapaziösen Gegenwart seines Freundes befreit zu haben.

McCoy konnte nachvollziehen, warum Gedenkfeierlichkeiten der Sternenflotte im Allgemeinen und diese im Speziellen Jim nicht sonderlich gefielen, aber das hieß noch lange nicht, dass er Jims schizophrenes Gebaren, hin und her gerissen zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, deswegen leichter ertragen konnte.

McCoy hoffte, die zu dem Hintern gehörige Dame würde sich kooperativ zeigen und Jim helfen, die von der Sternenflotte aufgezwungene „Erinnerung“ an einen Vater, den er nie kennen gelernt hatte, aus seinem System zu bekommen, bevor Jims unterdrückte Komplexe sich in einer Schlägerei anderweitig Luft machten, und suchte mit den Augen nach der Bar.

Eine Stunde, sagte er sich stur. Eine Stunde musste er diesen Zirkus durchhalten, und dann konnte er auf sein Quartier verschwinden und lernen. Eine Stunde, mehr hatte er Jim nicht zugesagt. Wobei er eigentlich auch sofort gehen konnte, immerhin war Jim nicht mehr da, um an seinen mangelnden Sozialkompetenzen herumzunörgeln. Aber jetzt hatte er diese dumme Galauniform schon angezogen, da konnte er auch genau so gut noch ein Weilchen hier bleiben.

Während er sich an der Bar einen Bourbon bestellte, konnte Doktor McCoy aus dem Augenwinkel beobachten, wie Jim und die Dame der Stunde sich in Richtung Ausgang bewegten, und er grinste ein wenig. Nach den Folgen seines letzten One-Night-Stands würde Jim diesmal sicherlich ein wenig besser aufpassen, was bedeutete, dass er sich in der Konsequenz keine Gedanken um mögliche Geschlechtskrankheiten und ihre korrekte Behandlung machen musste – ein Fortschritt, von dem alle profitierten.

Er mochte Jims Freund und sein Arzt sein, aber es gab Dinge, die wollte er einfach nicht wissen.

McCoy lehnte sich mit dem Rücken an die Bar, nachdem er seinen Bourbon erhalten hatte, und stutzte. Wenn er sich nicht irrte, dann wurden Jim und seine Herzensdame von mindestens fünf weiteren Herren zur Tür verfolgt, und während der Doktor seinem Freund eine ganze Menge zutraute, gehörten derartige sexuelle Konstellationen dann doch nicht dazu. Er nahm also davon Abstand, sich mit seinem Drink in eine dunkle Ecke zurückzuziehen, ließ diesen vereinsamt auf der Bartheke stehen, und folgte der Meute nach draußen.

Vor der Tür angekommen, überspülte den Doktor einen Moment lang ein leiser Hauch von Panik, denn weder Jim, noch seine Begleiterin, noch ihre Verfolger waren irgendwo zu sehen, aber als aus einigen Metern Entfernung ein Babel an zornigen Stimmen an seine Ohren drang, machte diese Panik Besorgnis und Entschlossenheit Platz.

Jim würde sich nicht prügeln, nicht an diesem Abend, nicht wenn er da war, um es zu verhindern. Das wäre ja noch schöner.

McCoy bog um die nächste Ecke in eine Seitengasse, die vermutlich zum Lieferanteneingang des Festgeländes führte, und als er Jim am anderen Ende der Gasse ausmachte, wie er sich aus reinem Instinkt schützend vor die Frau an seiner Seite gestellt hatte, obwohl sie von den lächerlichen Gestalten, die sich mit ihrem Begleiter anlegen wollten, vermutlich nicht das Geringste zu befürchten hatte, machte sich auch sein Instinkt äußerst nachdrücklich bemerkbar.

Der Rädelsführer der Unruhestifter war eben dabei, Jim einen äußerst erleuchtenden Vortrag über die Meinung zu halten, die er von seinem Charakter hatte, und da der Doktor sowohl hören konnte, was gesagt wurde, als auch sehen musste, welche Wirkung die Worte auf seinen besten Freund hatten, hallte sein „Hey, Arschloch!“ doch ein wenig lauter als beabsichtigt durch die enge Gasse.

Die fünf Herren, die Jim gefolgt waren, fuhren sichtlich erschrocken zu ihm herum. Jim, der ihn erst jetzt bemerkte, starrte ihn ehrlich verdutzt an, und McCoy hatte Mühe, sein Adrenalin unter Kontrolle zu bekommen.

Jim wirkte überrascht, ihn so wütend zu sehen, wirkte tatsächlich überrascht, dass er sich eingemischt hatte, und er sah so traurig aus, dass McCoy ganz automatisch die Hände zu Fäusten ballte.

„Ich wäre den Herren sehr verbunden, wenn sie sich ihre Abendunterhaltung woanders suchen könnten“, knurrte er deutlich vernehmbar. Jim japste – McCoy konnte nicht genau sagen, ob aus Empörung, weil er sich seiner Abendunterhaltung beraubt glaubte, oder weil er davon ausging, niemanden zu brauchen, der ihm half – und es war McCoy so oder so reichlich egal.

Es befriedigte ihn regelrecht, dass aller Augen auf ihn gerichtet waren, und zumindest für den Moment keinerlei Gefahr für Jims Rippen bestand.

„McCoy?“ wurde er schließlich vom Anführer erkannt, und allein der Ton, in dem sein Name ausgesprochen wurde, machte ihn deutlich aggressiver. Der Typ klang, wie Jim aussah.

Ungläubig, ein bisschen respektvoll, aber alles in allem eher unbeeindruckt – so als stehe völlig außer Frage, dass, nur weil er Arzt war, er sich in diese Angelegenheit zur Not auch mit seinen Fäusten einmischen würde.

„Ganz recht“, grollte er also wütend, schob die Idioten beiseite, die nicht von allein Platz machten, als er zu Jim hinüber ging, und baute sich schützend vor seinem Freund auf. „Was auch immer der Anlass zu dieser Versammlung ist – diese Beiden hier wollten offensichtlich allein miteinander sein, also sollten wir ihnen den Gefallen tun und ihren Wunsch beherzigen.“

Der Rädelsführer sah das anders. „Das ist mein Mädchen!“

McCoy hörte Jim schnauben und war versucht, ihm den Ellenbogen in die Rippen zu rammen, um ihn vom Sprechen abzuhalten, fand sich aber etwas unerwartet im Konflikt mit seinem hippokratischen Eid wider, und Jim konnte ungehindert loslegen. „Erstens ist sie niemandes Besitztum und zweitens ist das ganz allein ihre Entscheidung!“

McCoy hätte ihn treten können. Dummer hippokratischer Eid.

„Halt die Klappe, Jim!“ knurrte er mit noch tieferer Stimme als üblich, und hielt den gehörnten Lebensabschnittsgefährten mit einem nachdrücklichen Schubser davon ab, Jim an die Gurgel zu springen. „Schön ruhig bleiben, Fiffi! Wenn dein Mädchen sich mit anderen Männern in dunklen Gassen treffen will, dann solltest du vielleicht lieber darüber nachdenken, ob du so eine dumme Kuh überhaupt behalten willst, anstatt unschuldigen Leuten mit einem ganzen Überfallskommando nachzustellen!“

Die derartig geschmälerte Dame japste empört und stöckelte von Dannen, schlug im Vorbeigehen die ausgestreckte Hand ihrer besseren Hälfte beiseite, und Jim prustete McCoy hilflos ins Ohr. „Vielen Dank dafür!“

Der Mob schien unentschlossen, was jetzt zu tun war, zeigte jedoch deutliche Neigung, sich nicht davon beeindrucken zu lassen, dass die „Jungfrau“ in Nöten nicht länger zugegen war.
Es wurde viel und laut durcheinander gemurmelt, dass Kirk eine Abreibung nur gut tun würde, dass er ein unverbesserlicher Schürzenjäger mit dem moralischen Anspruch einer Amöbe war – kurzum, dass er Prügel verdient hatte, besonders, da er es ausgerechnet heute gewagt hatte, seinen verworfenen Blick auf die Freundin eines der ihren gerichtet zu haben.

Ausgerechnet heute, am Gedenktag an die Toten der Kelvin. Tolle Art, das Andenken seines Vaters zu ehren.

McCoy holte aus, schlug zu und brach dem Idioten, der es gewagt hatte, das Undenkbare auszusprechen, die Nase.

Die folgende Stille war schon beinahe andächtig, wie er äußerst zufrieden feststellte. Er rieb sich die Fingerknöchel, betrachtete sie einen Moment lang mit klinischem Blick und wandte sich dann mit drohend hochgezogener Augenbraue an den Rest des Mobs. „Als Arzt weiß ich sehr genau, wo sich eure Vitalpunkte befinden, ich kann euch also nur empfehlen, dass ihr euch jetzt verpisst!“

Jim war sich relativ sicher, dass man seinen Freund noch drei Straßenblöcke weiter gehört hatte, und somit über den strategischen Rückzug seiner Häscher nicht großartig verwundert.

„Du hast ihm die Nase gebrochen!“ bemerkte er sichtlich fasziniert, und McCoy, der mit gestrafften Schultern den Abzug des Pöbels kontrolliert hatte, drehte sich endlich zu ihm um.
„Bist du eigentlich so dämlich, oder tust du nur so?!“

Jim tat unwillkürlich einen Schritt rückwärts – immerhin wusste McCoy über seine Vitalpunkte Bescheid – und der Doktor schnaufte ungeduldig. „Lass den Unsinn! Haben sie dich angefasst?“

Jim fand diese Formulierung interessant, vergaß jedoch, das seinem Freund mitzuteilen, als dieser ohne Vorwarnung begann, ihn abzutasten. „Es geht mir gut!“ versicherte er ihm also eilig, packte McCoys Handgelenke und hielt sie fest. „Du hast sie unterbrochen, bevor sie über das Beleidigen hinaus kommen konnten.“

McCoy seufzte erleichtert auf. „Immerhin etwas.“

Jim betrachtete ihn einen Moment lang. „Du hast ihm die Nase gebrochen“, wiederholte er dann leise. „Ich hab den Knochen brechen hören. Ich hab noch nie einen Knochen brechen gehört – naja, außer meinen eigenen.“

Er wirkte, so fand McCoy, über die Maßen fasziniert, fuhr jedoch fort, bevor er ihn dafür rügen konnte. „Ich dachte immer, du prügelst dich nicht!“

„Tue ich auch nicht!“ stellte McCoy streng klar. „Das war keine Prügelei – ich habe lediglich meinen Standpunkt klar gemacht!“

„Und was ist dein Standpunkt?“ fragte Kirk verwirrt. „Dass du für nen Arzt ne verdammt gefährliche Rechte hast?“

McCoy grollte ein weiteres Mal, packte Jim an beiden Oberarmen und sah ihm direkt in die Augen. „Dass es eine verdammt dämliche Idee ist, anzunehmen, ich würde einfach daneben stehen und nichts tun, wenn mein bester Freund in Schwierigkeiten ist!“

Das verschlug Jim die Sprache höchst nachdrücklich, und er starrte aus derartig fassungslosen blauen Augen zu McCoy auf, dass dieser unwillkürlich besorgt die Stirn runzelte. „Was?“

Jims Atemzüge klangen ein wenig gepresst, und McCoy machte sich prompt Sorgen um dessen Rippen, dabei konnte er sich dieses eine Mal relativ sicher sein, dass sie unversehrt waren. „Nenn mich albern – aber ich würde dich jetzt gerne umarmen“, brachte Jim dann unsicher hervor, sein Blick verließ nicht für eine Sekunde McCoys Augen, und der Doktor fühlte, wie sich ein Knoten in seiner Brust löste, der dort mindestens seit seiner Scheidung gesessen hatte. Er lächelte ein wenig.

„Dieses eine Mal werde ich dich nicht aufhalten.“



~*~



„Computer, Licht! Bones, raus aus den Federn – die Sonne scheint!“

Der derartig Angeschriene wäre vor Schreck vermutlich aus dem Bett gefallen, wäre er nicht so völlig unfähig gewesen, auch nur einen Muskel zu rühren.

„Umpf“, machte er schwach, drückte sein Gesicht tiefer ins Kissen und betete um einen schnellen Tod. Er war verdammt noch mal Arzt – da sollte er doch von solchen Zuständen verschont bleiben.

„Kater?“ erkundigte Jim sich gutgelaunt bei ihm, während er uneingeladen ins Zimmer stolzierte – Bones nahm zumindest an, dass er stolzierte, er konnte ihn ja nicht sehen. Wie hatte er dieser Heimsuchung in einem Anflug geistiger Umnachtung nur den Code für sein Zimmer geben können? Warum war ihm nicht von vornherein klar gewesen, dass Jim zu jeder unpassenden Gelegenheit ohne die geringste Hemmung über ihn herfallen würde, immerhin kannte der auch keinerlei Hemmungen, ihn unaufgefordert mit derartig unpassenden Spitznamen zu belegen. Naja, wenigstens nannte er ihn nicht mehr Knochenbrecher McCoy.

„Bones?“ erklang Jims fragende Stimme ein weiteres Mal wesentlich sanfter, als so gar keine Reaktion vom Doktor kam, und als Jims Hände ihn an den Schultern packten und unnachgiebig auf den Rücken drehten, hätte McCoy am liebsten nach ihm getreten – wenn er nur gekonnt hätte.

„Großer Gott“, murmelte Jim entsetzt – McCoy nahm an, dass er beinahe so schlimm aussah, wie er sich fühlte – und eine Sekunde später legte sich eine erstaunlich kühle Hand auf seine Stirn. „Du verbrennst ja!“

Bones zuckte ein wenig zusammen unter dem vorwurfsvollen Ton seines besten Freundes, und er versuchte zu blinzeln, gab jedoch auf, als ein Minimum an Licht auf seine Netzhaut traf und stöhnte stattdessen lieber laut und lang gezogen.

„Computer, Helligkeit auf fünfzig Prozent“, befahl Jim entschlossen, und Bones war ihm so dankbar, dass er leise seufzte und einen heiseren Laut der Zustimmung versuchte.

Jim strich ihm das verschwitzte Haar aus der Stirn, ohne etwas zu erwidern, und wäre sein Fieber nicht so hoch gewesen, McCoy hätte vermutlich begonnen, sich zu wundern.
„Wie hast du das geschafft?“ fragte Jim ihn sanft, ließ ihn los und entfernte sich von ihm, und McCoy war extrem versucht, sich wieder auf den Bauch zu rollen – wenn er nur gekonnt hätte.

„Fähnrich Williams“, krächzte er heiser. „Krankenstation, vor drei Tagen. Schwere Erkältung. Angesteckt.“

„Aber du steckst dich doch nie an“, bemerkte Jim ruhig, kam zu ihm zurück und legte ihm einen feuchten Lappen auf die Stirn, und McCoy seufzte ekstatisch. „Du hast die Konstitution eines Pferdes!“

McCoy konnte sich nicht entscheiden, ob er das jetzt schmeichelhaft finden sollte oder nicht, und entschloss sich schließlich dagegen. Blöder Jim, ihn auch noch zu beleidigen, wenn er krank war.

„Das kommt nur, weil du meine Abwehrkräfte herab setzt“, brummte er erstaunlich eloquent, jedoch ohne echte Überzeugung, und er hörte Jim praktisch grinsen. „Natürlich setze ich deine Abwehrkräfte herab – ich bin ja auch unwiderstehlich!“

Die Behauptung kam in Kombination mit dem grausamen Diebstahl von Bones’ Bettdecke, und der Doktor war kurz davor, entschieden kindische Laute des Missvergnügens von sich zu geben. Dann setzte Jim jedoch tatsächlich dazu an, ihm Wadenwickel zu machen, und die folgende Gänsehaut machte es McCoy völlig unmöglich, den Mund auch nur einen Spalt breit zu öffnen – er musste die Zähne zusammenbeißen, damit sie nicht zu klappern anfingen.

Noch niemals zuvor hatte sich etwas gleichzeitig so gut und so furchtbar angefühlt, und als Jim ihn wieder zudeckte, war er ehrlich bereit, seinen Freund aus Dankbarkeit zu küssen.

„Besser?“ erkundigte Jim sich ruhig bei ihm, und sein antwortendes „Jah“ klang selbst in seinen Ohren ein wenig zu hingerissen. Zum Glück war er krank, da konnte er sich sowas erlauben.

„Hast du irgendwas da, das ich dir mit einer dieser lustigen Luftdruckpistolen in den Nacken spritzen kann?“ erkundigte Jim sich entschieden zu vorfreudig bei ihm, und McCoy entschloss sich zu lügen und verneinte. Jim brummte enttäuscht.

Es dauerte drei Tage, bis der Doktor sich von seiner schweren Erkältung einigermaßen erholt hatte, und in diesen drei Tagen wurde jeder, der auch nur ein wenig zu laut an seinem Quartier vorbei ging, von James Kirk derartig angeranzt, gefälligst woanders seine Marschübungen zu absolvieren, dass bald der ganze Campus beschlossen hatte, lieber längere Umwege in Kauf zu nehmen, als den Zorn des Kirk auf sich zu ziehen.

Denn Kirk, wie Doktor McCoy ein wenig missvergnügt feststellte, wich ihm nicht eine Sekunde von der Seite, hatte er es doch irgendwie geschafft, sich von helfenden Engeln sein Essen auf Bones’ Zimmer bringen zu lassen, und führte sich alles in allem auf, als ginge es bei Bones’ Erkältung um Leben oder Tod.

McCoy war ihm widerwillig dankbar, konnte jedoch nicht ganz nachvollziehen, warum Jim ihn nicht einfach auf die Krankenstation abgeschoben hatte. Sicher, es war kein Geheimnis, dass er kaum etwas mehr verabscheute, als sich der Gnade eines anderen Arztes auszuliefern, aber im Prinzip ging es nicht an, dass Kirk seine Kurse für ihn schwänzte. Jim sah das natürlich ein wenig anders.

„Ich schulde dir das“, behauptete er entschieden, und McCoy blickte ihn streng an. „Du schuldest mir gar nichts.“

„Doch“, erwiderte Kirk stur. „Immerhin bist du mein Freund.“

McCoy verdrehte die Augen. „Gerade deswegen“, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, „schuldest du mir gar nichts! Ich erwarte doch keine Gegenleistungen dafür, dein Freund zu sein!“

Das Konzept schien Jim tatsächlich einen Moment lang zu überfordern, und Bones wollte jemandem dafür wehtun, wenn er auch nicht genau wusste, wem.

Als er am Morgen des nächsten Tages aufwachte, ohne das Gefühl zu haben, ein Stachelrad drehe sich hinter seiner Stirn, seufzte er erleichtert und beschloss, dass er gesund war. Immerhin war er Arzt, er durfte sowas also beschließen.

Ein kurzer Blick nach rechts informierte ihn darüber, dass Jim an seiner Seite eingeschlafen war – mit dem Kopf auf seiner Bettdecke, oder, wie er bei genauerer Betrachtung feststellte, auf seinem Arm.

Sekundenlanges vorwurfsvolles Starren auf den Schlafenden machte McCoy auf Jims leicht gerötete Gesichtsfarbe aufmerksam, und er wurstelte ganz automatisch seinen linken Arm unter der Decke heraus, um seinem Freund die Hand auf die Stirn zu legen.

Jim hatte Fieber. Natürlich hatte Jim Fieber. McCoy seufzte unterdrückt.

Seine sanfte Berührung störte den Schlummernden auf, Kirk blinzelte verwirrt und presste sein Gesicht dann mit derartiger Gewalt in seinen Arm, dass McCoy ihm unwillkürlich mit der Linken über den Kopf rieb.

„Du hättest mich zur Krankenstation bringen sollen“, sagte er leise, und es klang weniger nach ich hab’s dir ja gleich gesagt als nach es tut mir leid.

Jim brummte leise. „Ich hasse dich.“

„Tust du nicht“, erwiderte Bones ruhig. „Genau das ist ja unser Problem.“

Er hätte sich aufgesetzt, hätte Jim nicht noch immer seinen Arm in seiner Gewalt gehabt.

„Du gehörst ins Bett“, beschloss er vernünftig, hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass Jim seinem Befehl sofort nachkommen würde.

„Ich habe nicht zwingend von diesem Bett gesprochen“, bemerkte er leicht irritiert, als Jim sich neben ihm ausstreckte. „Und selbst wenn, wollte ich mich zu dem Zeitpunkt nicht mehr darin befinden.“

Jim erwiderte nichts, drehte sich auf die Seite, so dass er seine Schulter als Kopfkissen missbrauchen konnte, und Bones war ein kleinwenig überfordert, hielt jedoch still. Er sollte aufstehen und seinem Freund kalte Umschläge machen, sollte ihn mit Grippemitteln und Aspirin voll pumpen, aber er hatte das undeutliche Gefühl, dass es Jim mehr helfen würde, wenn er noch ein wenig bei ihm liegen blieb.

Erst als Jim an seiner Seite eingeschlafen war, die glühende Stirn an seinen Hals gepresst, machte er sich vorsichtig von ihm los und stand auf.

Es wäre vielleicht vernünftiger gewesen, Jim auf die Krankenstation zu verfrachten, aber McCoy beschloss, dass er sich höchstpersönlich um ihn kümmern würde – und das nicht, weil er es ihm schuldig war. Er würde sich um Jim kümmern, weil er verdammt noch mal sein Freund war.
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