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Schlafende Hunde und verschlossene Türen

von uena

Kapitel 1

James Kirk mochte keine Männer.

Das lag zum größten Teil an seinem Stiefvater – selbst wenn nie etwas vorgefallen war, das die Jugendbehörden alarmiert hätte – und ein wenig an allen anderen Männern, denen er je begegnet war.

Männer, so hatte Jimmy recht früh festgestellt, wollten nur zwei Dinge von ihm: Dass er ihnen gehorchte, weil er kleiner war als sie; oder dass er ihr Freund war, weil er einen berühmten – wenn auch toten – Vater hatte.

Jimmy mochte einen verdrehten Sinn von Stolz haben, aber er hielt an ihm fest.

Er gehorchte niemandem, nur weil er größer war als er selbst, und er freundete sich bestimmt nicht mit irgendwelchen dummen Jungs an, weil die etwas in ihm zu sehen glaubten, das überhaupt nicht da war.

Als Jimmy älter wurde, stellte er fest, dass Männer noch eine dritte Sache von ihm wollten.

Und das war die eine Sache, die er bereit war zu geben, einfach deswegen, weil er sie auch allen anderen gab.

Frauen, das wusste Jim, waren nicht viel besser als Männer. Zumindest die meisten. Aber Frauen mochte er trotzdem, er konnte sich einfach nicht helfen.

Seine Mutter liebte er schließlich auch, selbst wenn er das Gefühl hatte, sie überhaupt nicht zu kennen.

Aber sie war diejenige, die seinen Vater verloren hatte. Sie war diejenige, die unter dem Verlust litt.

Jim hatte nie verstanden, warum er derjenige war, der bemitleidet wurde. Er hatte den Mann nie kennen gelernt.



Leonard McCoy mochte niemanden.

Das lag zum größten Teil an seiner Exfrau – selbst wenn er sie einmal so sehr geliebt hatte, dass es wehtat, sich daran zu erinnern – und ein wenig an der Tatsache, dass sie ihm jeglichen Kontakt zu seiner Tochter verboten hatte.

Männer, so hatte Leonard eines Tages überrascht und wütend festgestellt, wollten nur zwei Dinge von ihm: Seine Frau, und dass er ihre Wehwehchen versorgte.

(Leonard hatte eine leise Ahnung, dass da noch eine dritte Sache sein mochte, die sie möglicherweise von ihm wollen könnten, aber er war verdammt noch mal ein verheirateter Mann und würde sich eher den eigenen Fuß absägen, als sie ihnen zu geben.)

Leonard war Arzt, kein Unmensch, also versorgte er Männern ihre Wehwehchen, sah jedoch rot, sobald es um seine Frau ging. Das, im Zusammenspiel mit vielen anderen kleinen Dingen, führte in einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale bald zur Scheidung. Und Leonard stellte fest, dass man durch so was viel mehr verlieren konnte als nur weltliche Besitztümer. Selbst Männer, von denen er geglaubt hatte, sie seien seine Freunde, bekam in der Scheidung die Exfrau.

Frauen, das verstand sich von selbst, mochte Leonard noch viel weniger als Männer. Vielleicht mit Ausnahme seiner Mutter und seiner Tochter. Aber alle anderen, davon war er überzeugt, waren hinterhältige Schlangen, denen nichts mehr Vergnügen bereitete, als ihn am Boden zu sehen.



~*~



Jim war unruhig, ihm tat jeder Knochen im Leibe weh, und all die glatt gebügelten, wie aus dem Ei gepellten Kadetten, die mit ihm im Shuttle saßen, bestätigten jede böse Ahnung, die er je über die Sternenflotte gehabt hatte.

Leonard war angetrunken, das Adrenalin pumpte unangenehm durch seinen Körper, und er war kurz davor, der Flugbegleiterin, die ihn aus der Shuttletoilette gezerrt hatte, eine zu verpassen.

Es war ihm scheißegal, was all die ahnungslosen Idioten von ihm denken mochten, die ihn aus ihren jungfräulichen Uniformen so überlegen anstarrten – er wollte einfach nur in seinen hübschen kleinen Hafen der fensterlosen Abgeschiedenheit zurück.

Stattdessen saß er plötzlich neben einem Kerl mit unnatürlich blauen Augen, der aussah, als habe er sich in der vergangenen Nacht mit drei Klingonen durch die Kloake gewälzt.

Leonard war nach wie vor leicht angetrunken, und da er nicht davon ausging, diesen armen Irren jemals wieder zu sehen – der Campus der Sternenflottenakademie war groß, und Leonard würde sich erschießen, sollte sich herausstellen, dass der Typ Medizinstudent war – informierte er ihn schonungslos, dass er ihn möglicherweise voll kotzen würde.

„Ich glaube, diese Dinger sind ziemlich sicher“, lautete die etwas unsichere Antwort.

Leonard hatte Smalltalk noch nie etwas abgewinnen können, schon gar nicht derartig falsch informiertem Smalltalk.

Jim lauschte der Hasstirade auf alles Fliegende im Weltraum ein wenig verwirrt. Dieser ungewaschene Südstaatler hatte ganz eindeutig ein Problem. Jim machte ihn großzügig darauf aufmerksam, dass die Sternenflotte der falsche Ort für jemanden mit Flugangst und Weltraumphobie sei. Die Antwort beinhaltete mehr, als Jim über den Fremden hatte wissen wollen, erklärte jedoch so Einiges. Jim entspannte sich ein wenig.

Er hätte damit rechnen sollen, dass er nicht der einzige Kadett sein würde, der ein wenig anders war.



~*~



Zwei Wochen später, und Jim fragte sich, wie die Sternenflotte es geschafft hatte, überhaupt gegründet zu werden. Auf dem gesamten Campus rannten nur Idioten herum. Die Professoren hatten durch die Bank keine Ahnung, und die anderen Kadetten waren ebenso langweilig wie dämlich.

Gut, er hätte diese Feststellung für sich behalten können, dann säße er jetzt nicht auf dieser Krankenliege herum.

„James Kirk?“ Die Frage ließ Jim aufblicken, und der Doktor, der ihm gegenüber stand, kam ihm vage bekannt vor. Jim runzelte leicht die Stirn. Er konnte ihn nicht wirklich zuordnen. Wahrscheinlich war er betrunken gewesen, als er ihm gegeben hatte, was er von ihm wollte.

„Will ich überhaupt wissen, was passiert ist?“ grollte der Doktor anklagend, nachdem er ihn von oben bis unten betrachtet hatte, und Jim ging ein Licht auf.

„Bones!“ Jim starrte. Der Doktor hatte sich gemacht, keine Frage. Er sah geradezu gut aus. Man musste definitiv nicht betrunken sein, um ihm zu geben, was er wollte.

„Sie scheinen dazu zu tendieren, sich das Gesicht einschlagen zu lassen“, stellte Leonard fest und überging großzügig den kryptischen Ausruf seines Gesprächspartners. „Irgendwas gebrochen?“

Jim war, und das konnte er sich selbst nicht erklären, ein wenig aufgeregt.

„Ich glaube nicht“, gab er optimistisch an.

„Hm“, machte Doktor McCoy und zog die linke Augenbraue in die Höhe. „Ausziehen.“

Jim grinste breit, es passierte ganz automatisch. „Hier?“

Er wackelte mit den Augenbrauen.

Niemals zuvor hatte ihn ein derartig vernichtender Blick getroffen.

„Möglichst noch heute.“

Jim presste ein wenig erschrocken seine Lippen zusammen und schälte sich aus seinem Uniformoberteil.

Ein unzufriedenes Knurren deutete an, dass der Doktor nicht glücklich mit dem war, was er sah.

„Wie, zum Teufel, haben Sie das angestellt?!“

Jim linste auf seine Brust hinab, im gleichen Augenblick, als ihm mit nie zuvor da gewesener Rücksichtslosigkeit ein Hypospray in den Nacken gerammt wurde, und er ächzte überrascht.

„Was war das?“

„Ein Schmerzmittel.“

„Aber ich nehme keine Schmerzmittel!“

„Das haben Sie auch nicht genommen, ich habe es Ihnen gegeben. Und jetzt halten Sie still.“

Große Hände tasteten überraschend vorsichtig seinen Oberkörper entlang, kamen schließlich an seinem Gesicht an, richteten eine gebrochene Nase, und während Jim seine tränenden Augen unter Kontrolle zu bringen versuchte, stellte er fest, wie der Schmerz bereits nachließ.

„Was haben Sie gemacht?“ erkundigte er sich verwirrt.

Doktor McCoy starrte ungeduldig auf ihn hinab. „Meinen Job. Und jetzt raus hier.“



~*~



„Oh, das darf doch nicht wahr sein.“

McCoy hämmerte den Code zu seinem Zimmer in das Bedienpanel und starrte dann anklagend auf Kirk hinab.

„Die Krankenstation ist ein paar Flure weiter.“

Jim stand auf, sobald die Tür sich öffnete, und folgte dem Doktor in dessen Quartier.

„Ich weiß“, gab er an. „Da komme ich her.“

Die Tür schloss sich mit einem zufriedenen Zusch hinter ihnen, und Jim zog sich unaufgefordert das Uniformoberteil aus.

„Mir wurde gesagt, dass du heute keinen Dienst hast, also habe ich gefragt, wo dein Quartier ist.“

„Solche Informationen sollten vertraulich behandelt werden“, stellte Leonard fest. „Sie könnten ein gefährlicher Irrer sein.“

Jim blickte sich um. „Du hast ein Einzelzimmer.“

„Das kommt daher, dass ich schon groß bin und den Eindruck erwecke, ich könnte meinen Mitbewohner im Schlaf strangulieren.“

Der Doktor trat an Jim heran, entdeckte nichts, das diesen Überfall rechtfertigen würde, und zog die Augenbraue in die Höhe.

Jim drehte ihm den Rücken zu. Er bekam einen Schlag in den Nacken.

„Das ist eine Schnittwunde!“

„Das weiß ich. Kein Grund, mir noch zusätzlich Schmerzen zuzufügen.“

Ein warmes Brennen an seinem Schulterblatt informierte Jim darüber, dass seine Wunde versorgt wurde, und er schloss die Augen.

„Ich müsste das melden.“ Doktor McCoy klang ein wenig anklagend und ein wenig unentschlossen, und Jim drehte sich langsam zu ihm um.

„Ich weiß. Deswegen bin ich zu dir gekommen, anstatt mich auf der Krankenstation behandeln zu lassen.“

Jim leckte sich über die Lippen.

„Ich bin sicher, wir können das auch so regeln. Unter uns.“

Einen Moment lang starrte McCoy ihn verwirrt an, dann sammelte sich ungläubige Wut in seinen Augen.

„Raus hier.“

„Aber -“

„Raus hier!“



~*~



Jim war verwirrt.

Er wurde für gewöhnlich nicht abgewiesen. Zumindest nicht so. Der ein oder andere Kerl reagierte zurückhaltend, oder sogar verschüchtert, aber niemand zuvor hatte ihn mit dem metaphorischen Tritt vor die Tür gejagt.

„Ganz allein hier?“

Der ölige Tonfall widerte Jim ein wenig an, aber der Typ sah nicht schlecht aus, also nickte er ihm tolerant zu.

„Was dagegen, wenn ich mich zu dir setze?“

Jim gab an, nichts dagegen zu haben, und der Typ gab ihm ein Bier aus. Der Alkohol minderte Jims inneren Widerstand, wie er es immer tat. Nach drei Bier wurde ihm Tequila spendiert, und Jim glaubte festzustellen, dass der Typ gar nicht so widerlich war, wie er zuerst gedacht hatte.

Ungezählte Shots später konnte Jim sich nichts Schöneres vorstellen, als mit dem Typen nach Hause zu gehen und ihm zu geben, was immer er wollte.

Zugegeben, das Bedürfnis war etwas zu intensiv, als dass es einen natürlichen Ursprung haben konnte, aber Jim war zu weggetreten, um sich darum zu kümmern.

Er ließ sich aus der dunklen Spelunke ziehen, die ihm bisher so wunderbar schummrigen Unterschlupf geliefert hatte. Seine Füße gehorchten ihm nicht ganz so, wie sie sollten, aber das Brennen in seiner Körpermitte lenkte ihn recht erfolgreich davon ab.

Er achtete nicht darauf, wo sein Begleiter ihn hinbrachte, und im Prinzip dauerte die ganze Sache schon viel zu lange. Also begann Jim, sich an seinem großzügigen Spender zu reiben, sobald sie einen Moment lang Halt machten. Dass sie nur Halt machten, damit der Kerl den Sicherheitscode eingeben und sie in sein Quartier lassen konnte, registrierte Jim nicht. Die Stimme, die seinen Begleiter ansprach, registrierte er dafür umso mehr.

„Jenkins?“

Und Jim registrierte sie nicht nur, er erkannte sie sogar.

„Bones!“

Jim registrierte außerdem, dass er lallte, und seine Stimme ein wenig schwankte … und das mehr, als sie bei der einen Silbe, zu der Jim seinen Spitznamen für den Doktor reduziert hatte, berechtigt sein sollte.

Außerdem war Bounsch etwas, das klebrig und viel zu süß klang. Passte definitiv nicht mehr zum Doktor.

„Ist mit ihm alles in Ordnung?“

„Alles Bestens, McCoy.“

„Bist du sicher?“

Jim blinzelte mühsam.

„Ich fühl mich wunderbar, Bounsch. Wunderbar.“

Jim wandte sich von seinem Begleiter ab, drehte sich zu Bones um … und fiel mit dem Gesicht voran zu Boden.

„Großer Gott, Mann!“

Der erwartete Schmerz blieb aus, stattdessen fand Jim sich in McCoys Armen wieder. Der Doktor war auf ein Knie gesunken, um ihn aufzufangen, und Jim grinste sonnig zu ihm auf.

„Whups.“

Jenkins betrachtete die sich ihm bietende Szene mit Unbehagen.

McCoy runzelte die Stirn. „Wie viel hast du getrunken?“

Statt einer Antwort schloss Jim die Augen und stieß sein Becken in die Höhe.

Er hörte den Doktor scharf einatmen.

„Ich sollte ihn ins Bett bringen“, ließ Jenkins sich vernehmen.

Jim schlug die Augen wieder auf. McCoys Stirn schien sich heimlich still und leise noch ein wenig mehr gerunzelt zu haben.

„Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist“, sagte McCoy streng.

Jim stieß wieder sein Becken in die Höhe. „Ich will auch viel lieber mit dir mitgehen …“

McCoy sah nicht aus, als würde ihn diese Aussage sonderlich erfreuen, zog Jim jedoch ein wenig enger an sich, damit er aufstehen konnte.

Jim stellte fest, dass seine Füße ihm inzwischen überhaupt nicht mehr gehorchten. Das war zwar nicht sonderlich erfreulich, aber völlig nebensächlich. Bones musste ihn dringend mit in sein Quartier nehmen und …

„Nhm …“

Jim presste sein Gesicht in McCoys Halsbeuge und leckte über die warme Haut, die er dort fand.

Der Doktor schmeckte nach Sonne und Hitze und ehrlicher, harter Arbeit. Jim stöhnte unwillkürlich.

Kein Doktor. Ein Cowboy.

„Hast du eine Ahnung, wie viele Drinks ich ihm spendiert habe?“ beschwerte Jenkins sich.

„Da werde ich jetzt bestimmt nicht einfach so zusehen, wie du mit ihm abziehst!“

Bones erwiderte nichts. Er gab den Code für sein eigenes Quartier ein, das direkt neben Jenkins’ lag, und zog Jim mit sich hinein.

Jim hörte noch, wie Jenkins im Hintergrund leise fluchte, dann hatte die Tür sich hinter ihm und McCoy geschlossen. Jim war jetzt durchaus willens und bereit, ausgezogen und nach McCoys Belieben benutzt zu werden, fand sich jedoch etwas überraschend allein auf dem Sofa wieder.

„Bones …“

„Sei ruhig. Ich bin gleich bei dir.“

Jim schaffte es irgendwie, sich aus seinem Hemd und zumindest halbwegs aus seinen Jeans zu winden und brach seinen Versuch, sich auszuziehen, dann erschöpft ab. Seine Knochen fühlten sich an wie aus Gummi, und seine Muskeln wollten einfach nicht so wie er.

Dann kniete McCoy plötzlich vor ihm am Boden, und Jims Hüften zuckten wie von allein nach vorn.

„Bones …“

Der Doktor ließ seinen Trikorder über ihn hinweg gleiten, und Jim biss sich auf die Unterlippe.

„Bones … bitte … ich … ich brauche …“

McCoy fluchte, legte den Trikorder zur Seite und stand auf.

„Er hat dich unter Drogen gesetzt.“

Jim mobilisierte all seine verbliebene Energie, stützte sich in die Höhe und fiel zum zweiten Mal an diesem Abend mit dem Gesicht voran. Seine Hände fanden Halt an McCoys Hüften, sein Gesicht landete in McCoys Schritt.

„Jesus!“

Jim brummte zufrieden. Er atmete tief ein.

Dann wurde er zurück gedrückt, landete mit dem Rücken an der Sofalehne, und war nahe daran, zu winseln.

„Bones, bitte … bitte …“

Er brauchte Reibung. Er brauchte Bones’ Hände. Er brauchte seinen verdammten Schwanz.

„Wasser“, hörte er Bones sagen. „Viel Wasser. Möglichst kalt.“

Jim hatte keine Ahnung, was ihm Wasser bringen sollte, ließ sich von Bones aber trotzdem ins Bad zerren. Wenigstens zog Bones ihn endlich aus. Wenn auch nur, um ihn entschieden zu kalt abzuduschen. Danach wickelte er ihn in ein Handtuch, brachte ihn wieder ins Wohnzimmer und gab ihm entschieden zu viel Wasser zu trinken.

Es half nicht wirklich. Erst, als Jim es irgendwie schaffte, sich auf Bones’ Schoß zu manövrieren, wurde es ein wenig besser, und erst, als Bones ihm erlaubte, sich an ihm zu reiben, wurde es erträglich.

Aber es war nicht genug. Nicht einmal annähernd.

Ihm war heiß, alles drehte sich, und er wollte Bones so sehr, dass es ihn wahnsinnig machte.

Dann legte sich eine große, warme Hand um seine Erektion, und Jim kam so heftig, dass seine Sicht an den Rändern verschwamm.

Das leichte Stechen an seinem Nacken, als der Doktor ihm ein Hypospray verabreichte, nahm er kaum noch wahr.



~*~



Jim wachte auf, und er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Das war nichts unbedingt Neues, und er war durchaus nicht daran gewöhnt, neben einem warmen Körper zu sich zu kommen.

Aber er lag in einem weichen Bett unter einer warmen Decke … und ihm tat nichts weh. Das war definitiv neu.

Irgendwas tat ihm immer weh, egal ob auf gute oder schlechte Art.

Verschwommene Erinnerungen regten sich in ihm, und Jim drehte sich auf den Rücken.

Er war im Quartier des Doktors.

„Endlich wach?“

Ja, definitiv im Quartier des Doktors.

Diese von Groll und Zynismus begleitete Stimme hätte er überall erkannt.

„Ja“, sagte Jim. Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte.

„Ich habe Jenkins angezeigt“, wurde er informiert.

Jim riss den Kopf herum und starrte McCoy verblüfft an.

„Warum?“

McCoy erwiderte sein Starren mindestens so verblüfft, garniert mit Wut und einer Rechtschaffenheit, die Jim nie zuvor begegnet war.

„Weil er es verdient hat, verdammt noch mal! So einer kann doch kein zugelassener Arzt werden!“

Jim blinzelte und setzte sich auf.

„Er ist Medizinstudent?“

„Bald nicht mehr. Wenn du dich gut genug fühlst, dann geh duschen und zieh dich an. Man erwartet deine Aussage.“

Jim verspannte sich leicht und versuchte, abzulenken.

„Wo ist das Sie hingekommen? Nicht, dass es mich stören würde …“

McCoy musterte ihn stumm, und Jim erinnerte sich an die Hand, die ihn gehalten hatte, während er so hart gekommen war, dass er sprichwörtlich Sterne gesehen hatte.

„Ähm … ja. Danke übrigens. Für gestern.“

„Ab ins Bad. Sofort.“

„Ähm. Ja. Ok.“



~*~



„Das ist ein schlechter Witz oder?“

Jim, dessen Gesicht so verschwollen war, dass er kaum noch geradeaus sehen konnte, verkniff sich eine Antwort und betrat das Quartier des Doktors.

„Was, zum Teufel, ist dir jetzt schon wieder zugestoßen?“

Jim zuckte zusammen, als McCoy ihm das Hypospray lieblos wie immer in den Nacken rammte.

Der Schmerz in seinem Gesicht ließ leicht nach, wurde zu einer warmen Taubheit, und Jim entließ flatternd seinen angehaltenen Atem.

„Setz dich hin.“

Jim gehorchte und setzte sich aufs Bett des Doktors, beobachtete McCoy von dort aus dabei, wie er die notwendigen Utensilien zusammentrug.

Jims Menschenkenntnis ging davon aus, dass er diesmal für die geleisteten Dienste würde zahlen müssen, fand das aber nicht sonderlich schlimm. Die Hände des Doktors waren sanft und geschickt, und solchen Händen war Jim in seinem Leben noch nicht oft begegnet. Außerdem wollten sie so gar nicht zu der grollenden Stimme und dem rauen Umgangston ihres Besitzers passen.

Er hielt still, während sie über sein Gesicht glitten, Schnittwunden reinigten, Schwellungen kühlten und gequälte Haut behandelten, und bemerkte nach einer Weile, dass er die Augen geschlossen hatte. Das passierte Jim so gut wie nie, nicht mal beim Sex. Erst recht nicht beim Sex.

Jim leckte sich über die aufgesprungenen Lippen, schmeckte Desinfektionsmittel, und McCoy grollte anklagend.

„Lass das, du Idiot!“

Jim schlug die Augen wieder auf. „Fertig?“

„Mit deinem Gesicht, ja.“

McCoys Blick glitt an ihm tiefer, und Jim fühlte Hitze in sich aufsteigen.

„Sonst noch was, das ich mir ansehen sollte?“

Jim stand langsam auf. Er trat an McCoy heran.

„Eine Menge“, murmelte er ein wenig heiser.

McCoy runzelte leicht die Stirn, und Jim nahm die rechte Hand des Doktors in seine. Ihm wurde ein wenig schwindlig, und das hatte nichts mit dem Schmerzmittel zu tun, das er bekommen hatte. Zumindest nahm er das an.

In dem Moment, als er die Lücke zwischen sich und McCoy schloss und die so überraschend warme, sanfte Hand des Doktors auf seinen Hintern presste, stellte Jim zwei Dinge fest: dass sein Schwindelgefühl nichts mit dem Schmerzmittel zutun hatte, und dass seine Menschenkenntnis einigermaßen nutzlos war, was Doktor McCoy anging.

„Mach das noch mal, und du kannst dich in Zukunft auf der Krankenstation zusammenflicken lassen.“

„Bones, ich …“

„Raus hier.“



~*~



„Hast du ihnen diesmal gesagt, sie sollen dein Gesicht auslassen?“

Doktor McCoy blockierte den Eingang zu seinem Quartier, die Arme vor der Brust verschränkt, und Jim senkte leicht den Kopf.

„Ich hab mich nicht geprügelt.“

McCoy hob die linke Augenbraue. Sehr. Hoch.

„Geschlechtskrankheiten sind nicht meine Stärke.“

Jim biss sich auf die Unterlippe.

Bones musste die Flasche in seiner Hand entdeckt haben, schließlich war der gute Doktor nicht blind.

„Willst du sie haben oder nicht?“ fragte er ein wenig grob, und konnte McCoys Gesichtsausdruck einfach nicht entschlüsseln.

McCoy trat zur Seite und ließ ihn in sein Quartier, und Jim wusste nicht wieso, aber er musste ein Aufatmen unterdrücken.

„Zeig her.“

Jim reichte ihm die Flasche, und er wusste nicht, was er erwartet hatte. Dieses Stirnrunzeln nicht.

Und das misstrauische Starren war sogar noch schlimmer.

Er beobachtete McCoy dabei, wie dieser die Flasche auf seinem Schreibtisch abstellte, als sei sie etwas Gemeingefährliches – oder zumindest sehr Heißes – und wusste ehrlich nicht, was er falsch gemacht hatte.

Er war sich ziemlich sicher, die richtige Marke erwischt zu haben.

Zugegeben, Jim kannte sich mit Bourbon nicht sonderlich gut aus, aber der hier hatte ziemlich genau so wie der geschmeckt, den der Doktor getrunken hatte, als sie sich kennen gelernt hatten. Außerdem war er unverschämt teuer gewesen.

„Soll das eine Entschuldigung sein?“ erkundigte McCoy sich mit einem Unterton wie Granit bei ihm, und Jim, der in seinem Leben schon oft Unschuld vorgetäuscht hatte, war dieses eine Mal ehrlich verwirrt.

„Entschuldigung?“

Er hatte es als eine Art Bezahlung betrachtet. In Jims Welt musste man für Leistungen, die man erhielt, Gegenleistungen bringen. Und wenn diese nicht sexueller Natur waren, musste man sich eben etwas anderes einfallen lassen.

„Großer Gott.“

McCoy musterte ihn mit aufrichtiger Bestürzung, und Jims Verwirrung wuchs. Er hatte keine Ahnung, wie deutlich man ihm seine Gedanken manchmal vom Gesicht ablesen konnte.

„Was hab ich jetzt schon wieder gemacht?“

McCoy antwortete nichts, holte zwei Gläser hervor, öffnete die Flasche, die Jim ihm mitgebracht hatte, und schenkte sie voll.

Jim wusste nicht, warum ihm ebenfalls Bourbon angeboten wurde, war jedoch noch nie jemand gewesen, der Gratisalkohol verschmähte. Er stieß mit Bones an, schloss die Augen und trank.

Er hörte Bones seufzen.

„Danke für den Bourbon, Jim.“



~*~



„Verdammt noch mal, Jim, hast du eine Ahnung, wie spät es ist?!“

Es war halb vier Uhr früh.

Jim, der sich an der Wand neben McCoys Quartier aufrecht hielt, gab ein unverständliches Brabbeln von sich.

„Bist du betrunken?“

Jim rutschte nach links. Oder die Wand nach rechts. Er war sich da nicht so sicher.

„Natürlich bist du betrunken.“

McCoy seufzte, fing die nachgiebige Gestalt Jim Kirks auf, als sie ihm entgegen kippte, und brachte Jim in sein Quartier.

„Du bist wie ein streunender Hund, dem man Futter gegeben hat“, brummte er missmutig, schleppte Jim zum Bett hinüber und ließ ihn darauf sinken.

„Haben mich nicht in mein Quartier gelassen“, murmelte Jim entschuldigend, und Bones zog die Augenbraue in die Höhe.

„Wer?“

„Mitbewohner.“

„Arschgeigen.“

„Findichauch.“

Jim lächelte mit der Unschuld des Volltrunkenen zu McCoy auf.

„Bissu böse auf mich?“

„Oh Gott.“ McCoy verdrehte die Augen. „Es ist mitten in der Nacht. Was glaubst du?“

Jim tat, was er in solchen Situationen immer tat. Er leckte sich über die Lippen.

„Ich könnte dich -“

„Jim.“

„Hm?“

„Sag es nicht.“

Jim blinzelte verwirrt. „Aber ich -“

„Ja, ich weiß. Sag es nicht. Zieh dich einfach aus, leg dich hin, und schlaf.“

Jim gehorchte, schlief nach fünf Minuten wie ein Stein, und McCoy setzte sich an seinen Schreibtisch, um zu lernen. An Schlaf war ohnehin nicht mehr zu denken.



~*~



Jim wachte auf, wusste im ersten Moment nicht, wo er sich befand, und riss die Augen auf, als er das weiche Bett und die warme Bettdecke wieder erkannte.

Er war allein im Zimmer, und das war auch ganz gut so. Hätte McCoy gesehen, wie Jim sein Gesicht im Kopfkissen vergrub und sich stöhnend hin und her wälzte, wäre er vermutlich auf völlig falsche Gedanken gekommen.

Die vergangene Nacht zog an Jims geistigem Auge vorbei. Er war in der Bar gewesen. Er war angesprochen worden. Er hatte geflirtet und getrunken und noch ein bisschen mehr getrunken … und war gegangen. Allein.

Er hatte sich von niemandem abschleppen lassen, er hatte sich mit niemandem geprügelt.

Und als er seine Zimmertür verschlossen vorgefunden hatte, war er ganz automatisch zu Bones gegangen.

Er hatte nicht mal drüber nachgedacht, und wenn er jetzt darüber nachdachte, wusste er nicht mal, wie er es überhaupt zu Bones’ Quartier geschafft hatte.

Das war nicht gut. Es war unvernünftig, sich so auf jemanden zu verlassen.

Jim rollte sich aus dem Bett, wütend auf sich selbst, und blieb wie angenagelt stehen, als er Bones’ Schreibtisch erblickte.

Ein Glas Orangensaft. Ein Teller. Darauf ein Sandwich. Unter anderem mit Tomaten, Käse und Salat.

Daneben ein Zettel.

Tu deinem Körper einen Gefallen und iss das. Kaffee gibt’s entweder frisch in der Küche oder aus dem Replikator.

Jim atmete tief durch, packte das Glas Orangensaft und leerte es, als hätte es ihm etwas getan.



~*~



„Jim. Wach auf.“

Das sanfte Rütteln an seiner Schulter stand im Widerspruch zu der ungeduldigen Stimme, und Jim brummte unzufrieden.

„Wach auf, Mann! Du kannst hier nicht sitzen bleiben!“

Jim brummte ein weiteres Mal, öffnete jedoch folgsam die Augen.

„Was’n los?“

„Das frag ich dich. Was sitzt du hier rum?“

Jim blickte in braune Augen, die er definitiv nicht so schön in Erinnerung gehabt hatte, und schluckte trocken.

„Bones?“

„Haben sie dir auf den Kopf gehauen?“

Definitiv Bones.

Jim blickte sich um, stellte fest, dass er vor Bones’ Quartier auf dem Boden saß, und blinzelte verwirrt.

„Was mach ich hier?“

„Sie haben dir auf den Kopf gehauen.“

Jim schüttelte sich leicht und stand auf, dann fiel es ihm wieder ein.

„Ich hab auf dich gewartet.“

McCoy, der eben den Code zu seinem Quartier hatte eingeben wollen, hielt inne. „Gewartet?“

„Gewartet. Wo warst du so lange?“

„Notfall im OP. Lange Operation. Warum hast du auf mich gewartet? Bist du verletzt?“

Die plötzliche Dringlichkeit in Bones’ Stimme sollte Jim nicht so warm werden lassen, das wusste er. Vor allem nicht unterhalb der Gürtellinie.

„Ich bin nicht verletzt.“

„Haben sie dich wieder aus deinem Quartier ausgesperrt?“

„Soweit ich weiß, nicht.“

Jim fand sich plötzlich einem misstrauischen Starren gegenüber.

„Was ist denn dann?“

„Muss denn etwas sein?“

Jim blieb beinahe der Mund offen stehen, und das über seine eigene Antwort. Ja, verdammt. Es musste etwas sein!

Bones atmete tief durch. „Tritt näher.“

„Wozu?“

„Komm her, verdammt!“

Jim gehorchte eilig, und Bones deutete auf das Bedienpanel neben seiner Tür.

„Guck.“

Jim guckte. Bones gab endlich den Code zu seinem Zimmer ein.
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