TrekNation

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Schlafende Hunde und verschlossene Türen

von uena

Kapitel 3

„Computer, lokalisiere Kadett McCoy.“

Jim war bleich und nervös, und wäre es nicht so ein warmer, freundlicher Tag gewesen, hätte er vermutlich auch gleich noch gezittert.

„Lokalisierung fehlgeschlagen“, verkündete der Computer mit gleichgültigem Tonfall, und Jim biss sich auf die Unterlippe. Natürlich. Die Computersensoren erstreckten sich nur auf den Campus, und den hatte Jim bereits zweimal abgesucht.

Er hätte gleich heute Morgen beim Frühstück in der Kantine merken müssen, dass etwas nicht in Ordnung war, aber Bones war immer schlecht gelaunt. Jim hatte doch nicht ahnen können, dass es heute einen besonderen Grund dafür gab.

Und wenn Bones’ Kalender nicht offen auf dem Schreibtisch gelegen und verkündet hätte, dass heute der Geburtstag seiner Tochter war, dann wüsste Jim immer noch nicht, dass er sich Sorgen zu machen hatte. Er rieb sich über die Stirn und ließ sich aufs Sofa fallen.

Die Tür zu Bones’ Quartier öffnete sich eine halbe Stunde später, der Vermisste betrat den Raum, und Jim war kurz davor, ihm um den Hals zu fallen.

„Wo warst du?!“

Bones runzelte die Stirn, biss die Zähne zusammen, und Jim schraubte sich sofort runter.

„Entschuldige. Ich … der Kalender … hab dich gesucht … dummer Computer konnte dich nicht finden …“

Jim wusste, dass er stammelte, aber er hatte sich noch nie so gefühlt, und wusste nicht, wie er mit dem Mitgefühl und der Sorge in seiner Brust umgehen sollte. Außerdem hatte er halb gefürchtet, dass Bones bis zur Besinnungslosigkeit betrunken in irgendeinem Graben lag. Aber vielleicht hatte er da zu sehr von sich auf andere geschlossen.

Bones zeigte stumm die Papiertüte vor, die er in der Hand hielt, und Jim nahm sie, zog den Inhalt heraus und hob beide Augenbrauen. Es war Bourbon, teurer Bourbon.

„Ich hab den Rest des Tages frei“, sagte Bones. „Hast du Lust, dich mit mir zu betrinken?“

Jim nickte – was sollte er auch sonst tun – gab Bones die Flasche zurück und beobachtete seinen Freund dabei, wie er sich die Jacke auszog und sie ordentlich wie immer an den dazu bestimmten Haken hängte.

Bones war ein methodischer, direkter Mann, und er begegnete dem Vorhaben, sich zu betrinken, ebenso geradeheraus und ohne Umschweife, wie allem anderen auch.

Er trank einfach.

Und als er meinte, den nötigen Grundpegel erreicht zu haben, begann er, Jim von seiner Tochter zu erzählen. Jim hörte zu, saß neben ihm auf dem Sofa, und obwohl er nur eine sehr vage Vorstellung davon hatte, welch schmerzhafte Erinnerungen mit Bones’ Geschichten verbunden waren, stieg ihm die Situation bald zu Kopf.

Es war nicht etwa so, dass Jim sich gut fühlte, weil es Bones so schlecht ging. Aber Bones vertraute ihm, er vertraute sich ihm an, und das war ein Zuneigungsbeweis, der Jim weit mehr beeinflusste als der Bourbon, den er trank.

Bones hatte ihm so oft geholfen, war immer für ihn da, und Jim wollte ihm etwas zurückgeben und wusste nicht wie. Also saß er neben Bones auf dem Sofa und hörte einfach nur zu.

Aber irgendwann hörte Bones auf zu sprechen und fing wieder an zu trinken, und Jim biss sich auf die Unterlippe. Sein eigenes Glas stand auf dem Beistelltisch, und das war auch gut so, denn deswegen hatte Jim beide Hände frei. Er legte die rechte auf Bones’ Schulter und die linke auf seinen Oberschenkel und hoffte, dass Bones seine Berührung nicht falsch verstehen würde.

Bones hob den Kopf, hob den Blick und sah Jim an, als habe er gerade erst gemerkt, dass er da war. Jim nahm ihm sein Glas weg, stellte es beiseite, und schlang beide Arme um Bones. Als Bones sich nicht wehrte, als er die Umarmung erwiderte, als er seinen Kopf verdammt noch mal an seine Schulter legte, musste Jim die Augen schließen.

Er lehnte sich zurück, zog Bones mit sich, und wenn sie jetzt eher auf dem Sofa lagen, als darauf saßen, dann war das völlig gleichgültig. Es war ja nun wirklich nicht so, als wären sie miteinander nicht schon wesentlich weiter gegangen.

Und dann hob Bones den Kopf und küsste ihn, und die Welt wurde ein wenig komplizierter. Denn Jim erwiderte den Kuss. Sanft, und zurückhaltend und aus dem alleinigen Bedürfnis heraus, Trost zu spenden. Nun, vielleicht nicht ganz allein aus diesem Bedürfnis heraus.

Und Bones versuchte nicht, ihn leidenschaftlicher zu küssen, ließ seine Hände hübsch da, wo man sie sehen konnte, und Jim hatte das Gefühl, zu zerfließen. Ja, sie hatten sich schon vorher geküsst. Aber da waren sie nackt gewesen und Bones hatte ihnen beiden gleichzeitig einen runter geholt.

Gut, jetzt waren sie ein wenig angetrunken – Bones vielleicht mehr als nur angetrunken – aber trotzdem würde hinterher niemand behaupten können, diese Begegnung sei sexueller Natur gewesen.

Jim seufzte leise. Bones hatte fabelhafte Lippen.

Jim geriet in Bedrängnis. Das ging so nicht. Sie konnten sich nicht so küssen. Sie mussten irgendwas tun. Sie mussten –

Bones beendete den Kuss, genauso, wie er ihn angefangen hatte. Mit der größten Selbstverständlichkeit, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Er löste ihre Lippen voneinander, legte seinen Kopf wieder auf Jims Schulter und hielt völlig still.

Einen Moment lang konnte Jim nicht entscheiden, ob die Küsserei sich überhaupt außerhalb seines Kopfes abgespielt hatte. Und das, so wusste Jim mit leiser Panik in der Brust, war ein böses Vorzeichen.

In seinem Kopf hatte sich schon so Einiges abgespielt, Dinge, die einen professionellen Pornodarsteller erröten lassen würden – aber niemals zuvor derartig unschuldige Küsse.



~*~



Leonard wachte auf, sein Kopf lag auf Jims Brust, und er fühlte sich alt. Er wusste ganz genau, was passiert war, konnte sich an alles erinnern, und er hatte nicht einmal die Energie übrig, über sein Verhalten am vergangenen Abend zu erröten. Jim hatte ihn nicht aufgehalten, war ihm entgegen gekommen, wie er es immer tat, und Leonard schätzte, dass es ok war.

Natürlich mit der kleinen aber feinen Einschränkung, dass es absolut nicht ok war. Aber dagegen konnte er jetzt auch nichts mehr unternehmen.

Er seufzte leise.

Jim regte sich leicht, und Leonard wusste, dass er wach war, hielt aber weiter die Augen geschlossen. Er brauchte noch einen Moment. Nur noch einen Moment.

Dann strichen ihm plötzlich warme Finger das Haar aus der Stirn, vorsichtig, aber gleichzeitig mit einer Bestimmtheit, die ein Stechen in seiner Brust auslöste.

Intim, vertraut – so fühlte diese Geste sich an. Dass ausgerechnet Jim Kirk ihn so anfasste, dass er der Einzige war, dem Leonard überhaupt erlaubte, ihm so nahe zu kommen, wäre grauenhaft gewesen, wäre es nicht außerdem wortwörtlich wundervoll.

Leonard blinzelte probeweise mit dem linken Auge, sein Blick traf auf Jims, und er verwandelte sich ganz selbstverständlich in Bones.

„Guten Morgen.“

Jim wirkte ein wenig nervös, und das konnte Bones ihm nun wirklich nicht vorwerfen.

„Morgen“, erwiderte er Jims Gruß ein wenig heiser.

Er blickte sich um. „Bitte sag mir, dass wir nicht auf dem Sofa geschlafen haben.“

Jim biss sich auf die Unterlippe. „Ich wollte dich nicht wecken.“

Bones wusste nicht, ob er aufstehen konnte, ohne umzufallen. Das Sofa war zu klein, als dass ein Mann bequem darauf schlafen könnte. (Er wusste das, weil er für gewöhnlich auf dem Sofa schlief, wenn Jim sein Bett in Beschlag nahm.) Aber ihm tat nichts weh. Er fühlte sich sogar ausgeruht.

„Du hast mir ein Hypo gegeben.“

Jim biss sich wieder auf die Unterlippe.

Bones wünschte, diese schlechte Angewohnheit sei nicht so fürchterlich ablenkend.

„Ich wollte nur helfen. Und es lag in Reichweite.“

„Verdammt, Jim, die Dinger sind kein Spielzeug.“

Bones’ Stimme klang viel weniger vorwurfsvoll als sie gekonnt hätte, und der Doktor spürte Jims erleichtertes Aufatmen, wenn er es auch nicht hören konnte. Und warum spürte er es? Weil er immer noch nicht aufgestanden war, deswegen. Weil er immer noch halb auf Jim lag, in einer Haltung, die unbequem sein sollte, es aber nicht war.

Bones richtete sich langsam auf und rieb sich mit der Hand übers Gesicht. Bartstoppeln kratzten über seine Handfläche und verscheuchten das Gefühl von Surrealität, das ihn zu überkommen gedroht hatte.

„Willst du zuerst duschen?“ erkundigte er sich bei Jim, und der schüttelte den Kopf.

Natürlich. Jim war aufdringlich, und seine Anhänglichkeit manchmal ein wenig anstrengend, aber er war auch unsicher und nachgiebig wie ein verschüchtertes Kind. Er beanspruchte niemals etwas für sich selbst. Er widersprach so gut wie nie. Zumindest nicht bei Sachen, bei denen Bones ihm durchaus eine Berechtigung zugestand, zu widersprechen.

Bones grollte innerlich. „Ich beeile mich.“

Damit verschwand er ins Bad.



~*~



Die Bar war klein und dunkel und ein bisschen verraucht.

Bones schloss die Augen und atmete tief durch.

Jim stand neben ihm, trat unsicher von einem Bein aufs andere und wartete angespannt auf das Urteil.

„Ich will schwer hoffen, dass sie hier anständigen Bourbon haben.“

Das Lächeln, das sich über Jims ganzes Gesicht ausbreitete, hatte wenig mit den Worten, und sehr viel mit dem, was hinter ihnen steckte, zu tun.

Bones mochte die Bar. Er würde nicht nur heute mit Jim hier bleiben und einen trinken, er würde wieder mit ihm hierher kommen. Jim hatte ihn an einen Ort geführt, an dem er sich wohl fühlte.

Jim war unsagbar stolz auf sich selbst, und ja, er kam sich ein wenig lächerlich dabei vor. Es war nur eine Bar.

„Wo willst du sitzen?“

Bones schritt auf den Tresen zu, als gehöre die verdammte Bar ihm allein. Jim konnte nur trocken schlucken und starren, als er den leichten Schwung seiner Hüften beobachtete. Ja, Bones war Arzt, aber er war auch ein Cowboy. Jim wünschte verzweifelt, diese Tatsache würde ihn nicht so furchtbar anmachen.

Er folgte Bones an die Bar, setzte sich auf den Barhocker rechts neben ihm, und überließ es dem Cowboy, zu bestellen. Denn Jim kannte sich mit Getränken aus, die im Dunkeln leuchteten, glitzerten und vielleicht sogar selbstständig die Farbe wechselten, aber wenn es um Bones’ geheiligten Bourbon ging, dann hielt er sich lieber raus.

Fünf Minuten später hatte jeder von ihnen ein Glas vor sich, dessen Inhalt im schummrigen Licht der Innenbeleuchtung aussah wie flüssiger Bernstein. Jim seufzte unwillkürlich.

Bones’ rechter Mundwinkel wanderte ein paar Millimeter nach oben.

Die Eingangstür der Bar öffnete sich, und herein kam eine Gruppe von Leuten, die ein wenig fehl am Platze wirkte. Es waren Kadetten der Sternenflotte – gut, das waren Jim und Bones auch, aber im Gegensatz zu den Eindringlingen trugen sie Jeans und ausgewaschene Shirts und nicht ihre verdammten Uniformen.

Bones zog unwillkürlich eine leichte Grimasse, und Jim ertappte den Barkeeper dabei, wie er genervt die Augen verdrehte. Manchmal machten Kleider Leute und in diesem Fall machten sie Idioten.

Die Truppe bezog einen Tisch nahe der Bar, und Jim begann, ein wenig unruhig auf seinem Barhocker hin und her zu rutschen. Er hatte ein ungutes Gefühl bei diesen Typen. Sie waren im letzten Jahr, und Jim, der wusste, dass ein gewisser Ruf nicht grundlos entstand, hatte sich immer so weit es ging von ihnen fern gehalten.

„Hey.“

Der Mensch, der mit einem Mal rechts von ihm am Tresen aufgetaucht war, war groß, im Prinzip gut aussehend, und wusste das offensichtlich auch. Jim nickte ihm zu, starrte aber sofort wieder in seinen Bourbon.

„Du bist James Kirk.“

Jim blinzelte, und war sich der Luftdruckveränderung links von sich äußerst bewusst.

„Der bin ich“, bestätigte er vorsichtig. Er konnte nicht sagen, worauf das hier hinauslaufen würde. Manchmal wurde er erkannt, und ihm wurde ein Drink ausgegeben. Wegen seines Vaters.

Manchmal wurde er erkannt, und ihm wurde ein Drink ausgegeben, der Honorar für sexuelle Dienste sein sollte.

„Wie wär’s mit ’ner schnellen Nummer?“

Manchmal wurde er einfach nur erkannt.

Es war schon so lange nicht mehr passiert, dass Jim im ersten Moment keine Ahnung hatte, wie er reagieren sollte. Der Typ legte ihm die Hand auf die Schulter. Jim setzte sich gerade hin.

Links von Jim kollidierten Wolkenfronten miteinander.

Bones stellte sein Glas mit einem hörbaren Tock auf dem Tresen ab. Der Barkeeper wandte ihnen den Rücken zu und tat, als sei er fürchterlich damit beschäftigt, seine Flaschen zu polieren.

„Das ist dein Spruch? Wirklich? Und der funktioniert?“

Der eben noch so selbstgefällig grinsende Kadett wich einen halben Schritt zurück. Anscheinend bemerkte er Doktor McCoy erst jetzt. Nur, dass dort auf dem Barhocker links von Jim nicht Doktor McCoy saß, sondern ein Cowboy, von dem der Kadett nur froh sein konnte, dass er seinen Revolver und den Patronengürtel zuhause gelassen hatte.

Bones stellte ein Bein auf dem Boden ab, drehte sich auf seinem Barhocker voll zu dem Kadetten um und musterte ihn von oben nach unten.

„Unfassbar.“

Der Kadett war so dumm, die leise, grollende Stimme nicht als Warnung zu nehmen. Er warf leicht den Kopf zurück.

„Kümmer dich gefälligst um deinen eigenen Scheiß. Jimmy und ich sind beschäftigt.“

Jim drehte sich der Magen um. Er schüttelte die Hand des Typen endlich ab. „Sind wir nicht.“

Jim wusste, dass es nicht sehr weise war, solche Kerle zu verärgern, aber er konnte sich nicht helfen. Der Typ widerte ihn an. Außerdem hatte Weisheit noch nie zu seinen herausragenden Eigenschaften gehört.

„Ach nein? Muss ich dir erst was ausgeben? Ich hab gehört, du machst so gut wie alles für ein Gratisbier.“

Jim stieg Hitze in die Wangen, und er wagte es nicht, Bones anzusehen.

„Ich hätte sogar was, das die Sache ein wenig aufregender macht. Wird dir bestimmt gefallen.“

Jim schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Ach? Da hab ich aber ganz andere Sachen gehört …“

Links von Jim entlud sich so etwas wie ein Blitz. Die Luft begann zu brennen.

Bones erhob sich von seinem Barhocker, machte einen wohlkalkulierten Schritt und ließ seine Faust mit dem Unterkiefer des namenlosen Kadetten kollidieren.

„Ich habe gehört“, sagte er knurrend, während der Typ fassungslos sein schmerzendes Gesicht betastete, „dass man in dieser Bar manchmal eine gelangt bekommt, und dass, wenn man nicht sehr aufpasst, einem ein paar mehr oder weniger wichtige Körperteile abhanden kommen.“

Der Kadett, der unter der Wucht von Bones’ Schlag zurückgetaumelt war, wich noch weiter nach hinten. Er hatte endlich bemerkt, welcher Art Mann er hier gegenüber stand. Er zog sich in nicht ganz einwandfreier Schlachtordnung samt seiner Truppe aus der Bar zurück.

Der Barkeeper reichte Bones wortlos einen Beutel Eis. Bones bedankte sich, drückte ihn auf seine Fingerknöchel und setzte sich wieder.

Jim starrte in sein Glas und konnte keinen Muskel rühren.

„Gern geschehen“, sagte Bones schließlich leise.

Jims kompletter Körper stand in Flammen.



~*~



„Also, ich hätte McCoy so was nie zugetraut.“

Jim blieb abrupt stehen und lauschte. Es passierte ganz automatisch.

„Ich weiß. Er wirkt immer so ernst und vernünftig … und dann so was!“

„Und er hat ihn wirklich geschlagen? Wegen Kirk?“

Jim zuckte zusammen. Die Stimme klang ungläubig und verdammend und ließ nicht viel Zweifel daran, was sie von Kirk hielt.

„Ich hab die Beiden oft zusammen gesehen. Ich glaube, die sind Freunde.“

„Freunde, ja, genau. Wahrscheinlich bläst Kirk ihm regelmäßig einen.“

Kurz trat Stille ein.

„Hast du das mit Jenkins nicht gehört?“

„Natürlich hab ich das mit Jenkins gehört. Wenn du mich fragst, ist Kirk selber Schuld.“

„Möglich, aber McCoy schien das anders zu sehen. Er ist ein anständiger Kerl.“

„Auch anständige Kerle lassen sich gerne einen blasen.“

Eine Hand legte sich auf Jims Schulter und drehte ihn herum. Nichts war mit dem puren Entsetzen zu vergleichen, das Jim durchströmte, als er Bones erkannte. Aber Bones war weder wütend noch erschüttert – na gut, er war wütend, aber nicht auf Jim – und er legte den Finger an die Lippen.

Jim nickte folgsam.

Bones legte ihm den Arm um die Schultern, lässig und entspannt und zog ihn mit sich aus dem Halbdunkel heraus und um die Ecke. Jim ahnte, was hinter den erstarrten Gesichtern der beiden Kadetten vor sich ging, an denen Bones ihn vorbei führte. Er selbst fühlte sich ähnlich.

Und dann wandte Bones ihm den Blick zu, lächelte ihn an, und Jim fragte sich, wie eine Frau, die noch alle ihre Sinne beieinander hatte, diesen Mann hatte gehen lassen können.

Die Kadetten im Hintergrund stellten überrascht fest, dass McCoy und Kirk tatsächlich Freunde waren. Wenn auch fünfzig Prozent von ihnen die verschwommenen Grenzen dieser Freundschaft einigermaßen richtig einschätzten.



~*~



„Warum ist das hier so kalt?“

Jim rieb sich die nackten Unterarme, zog die Schultern hoch und versuchte verzweifelt, ein Schmollen zu unterdrücken. Bones lachte ihn nach wie vor aus, wenn Jim versuchte, ihn anzuschmollen.

„Die Klimaanlage ist kaputt. Vor morgen können sie angeblich keinen vorbei schicken, der das repariert.“

Bones saß am Schreibtisch, mit dem Rücken zu Jim. Der dicke Pulli, den er trug, hätte Jim gleich verdächtig vorkommen sollen.

Jim rutschte ein bisschen unbehaglich über der Bettdecke hin und her.

„Mir ist kalt“, gab er an.

„Mh-hm …“

Bones las in einem PADD, und da Jim die Feststellung gemacht hatte, dass sein Freund ein wenig allergisch reagierte, wenn man ihn bei so was störte, biss er tapfer die Zähne zusammen.

„Der Schrank steht da nicht zur Zierde.“

Jim blinzelte. „Häh?“

„Genie-Level – wirklich Jim? Manchmal weiß ich nicht, was Pike sich gedacht hat.“

„Manchmal weiß ich nicht, womit ich den beißenden Zynismus verdient habe.“

Bones stöhnte genervt auf, stand von seinem Stuhl auf und ging zum Schrank hinüber.

Jim beobachtete ihn und begriff nicht, was vor sich ging.

Bones öffnete den Schrank, strich mit den Händen suchend über mehrere Kleidungsstücke und zog schließlich einen alten Pulli heraus, der vielleicht einmal schwarz gewesen war. Jetzt war er eher grau und hatte jegliche Form verloren.

Er drückte ihn Jim in die Hände. Jim blickte ihn aus großen Augen an.

„Wenn du mich jetzt fragst, was du damit sollst, werde ich dir raten, ihn zu essen“, warnte Bones leise.

Jim faltete das alte Ding auseinander, verkniff sich einen Kommentar über Bones’ gewagten Modegeschmack und zog den Pulli an.

Es war der Himmel auf Erden. Der Pulli war warm und weich, und man hatte das Gefühl, in eine Welt aus Flausch einzutauchen. Nicht, dass Jim je das Bedürfnis verspürt hatte, in eine Welt aus Flausch einzutauchen, aber es war schon irgendwie ganz nett.

Jim schnurrte leise.

Bones ging zum Replikator und verlangte Heiße Schokolade.



~*~



„Heute habe ich gehört, dass wir BDSM machen.“

„Ich weiß ehrlich nicht, warum du den ganzen Gerüchten überhaupt Gehör schenkst.“

„Ich schenke gar nichts. Ich hab einfach Ohren am Kopf.“

Bones grunzte zur Antwort und schaufelte sich zu seinem Brokkoli etwas auf seinen Teller, das vage an Kartoffelbrei erinnerte.

„Wie kommen die auf die Idee, wir würden BDSM machen?“ überlegte Jim neben ihm.

„Weiß ich doch nicht“, murmelte Bones düster. „An deinem Gesicht kann’s jedenfalls nicht liegen. Seit Wochen nicht mal ein blaues Auge.“

Jim nahm sich ein Schälchen Schokopudding.

„Ich hoffe, du hast vor, das mit Gemüse und Fleisch zu kombinieren.“

„Wie soll das denn schmecken?“

„Jim.“

„Ist ja gut.“

Jim nahm sich einen Teller, befüllte diesen mit Möhrchen und Erbsen, legte ein Steak dazu und garnierte das ganze mit Kroketten.

„Zufrieden?“

„Braver Junge. Da werde ich dir heute Nacht ausnahmsweise nicht den Hintern versohlen müssen. Mach Platz, ich will auch ein Steak.“

Jim stand der Mund offen.

„Bones!“

„Was? Die Dinger schmecken.“

Jim blinzelte hektisch.

„Hast du das gerade wirklich gesagt?“

„Muss ein Mann sich jetzt dafür schämen, wenn er ein Steak will?“

Jim gab auf, trug sein Tablett zu einem freien Tisch hinüber und stellte es ab.

Bones folgte ihm mit einem heimlichen Grinsen im linken Mundwinkel.



~*~



„Wieso ist das hier immer noch so kalt?“

„Weil es niemanden stören würde, wenn der bärbeißige alte Doktor, der immer so gemein zu seinen Patienten ist, an seinem Schreibtisch festfriert.“

„Erzähl keinen Unsinn. Du bist nicht alt.“

Jim blickte sich suchend um, entdeckte die Abdeckung der Klimaanlage links neben der Tür und nahm sie ab.

„Was tust du da?“

„Ich bringe das in Ordnung!“

„Gerade, wenn ich mich dazu entschlossen habe, mir einen Pinguin zuzulegen … Du lässt gefälligst deine Finger davon!“

„Wieso?“

„Weil du keine Ahnung von Klimaanlagen hast, und ich meinen blöden Pinguin will!“

Jim blickte Bones über die Schulter an. „Dann leg dir halt ’nen Zwergpinguin zu. Wenn der’s in Australien aushält, dann auch in einem anständig klimatisierten Zimmer.“

Bones grollte. „Wenn du mein Zimmer in Brand steckst -“

„Dann wäre es wenigstens endlich warm hier drin!“

Bones drehte sich wieder um, brummelte etwas Unverständliches, und Jim konnte sich an die Arbeit machen. Zehn Minuten später war er fertig. Es wurde warm im Zimmer.

„Bin ich toll, oder bin ich toll?“

„Ganz großartig. Kriege ich jetzt meinen Pulli wieder?“

Jim stand ganz still da. „Pulli?“

„Das sackartige graue Ding, von dem du geglaubt hast, ich würde es nicht merken, wenn du es mir klaust.“

Bones’ Blick fräste sich in Jims linke Gesichtshälfte.

„Ich bin bloß noch nicht dazu gekommen, ihn zu waschen!“

„Ich hab nie von dir verlangt, dass du ihn waschen sollst!“

„Das ist jawohl selbstverständlich!“

Jim versuchte, Unschuld und Rechtschaffenheit auszustrahlen.

„Funktioniert dieser Blick eigentlich bei irgendwem?“

Jim ließ die Schultern hängen. „Manchmal.“

„Nicht zu fassen.“

Bones stand auf, holte zwei Gläser aus dem Schrank und schenkte ihnen Bourbon ein.

Jim ging zu ihm hinüber. „Du kriegst ihn morgen zurück.“

Bones seufzte und reichte Jim eines der beiden Gläser.

„Das hat Zeit, Jim.“
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