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Mark

von Brigitte

Mark

"Woher kennen Sie meinen Namen?"
Diese Stimme, aggressiv und gleichzeitig sanft ließ Kathryn Janeway für einen kurzen Moment erschauern. Sofort jedoch hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Mit undurchdringlichem Gesichtausdruck sah sie den Mann vor sich auf dem Bildschirm an. Er hatte etwas an sich, das sie bis in ihr tiefstes Inneres aufwühlte. Seine Augen, deren Ausdruck so gar nicht zu dem kampfbereit hervorgeschobenen Kinn passen wollte, schienen bis auf den Grund ihrer Seele zu blicken, was ihr im ersten Moment ein leichtes Unbehagen verursachte. Fasziniert betrachtete Kathryn die prägnante Tätowierung an seiner Stirn. Sie wusste natürlich, dass Chakotay, der Kommandant des Maquis-Raumers indianischer Abstammung war, aber eine derartige Zeichnung hatte sie noch bei keinem Angehörigen seines Volkes gesehen. Abrupt brach sie ihre Gedankengänge ab und antwortete ihm.
"Wir waren auf der Suche nach Ihnen, als uns die Phalanx herbrachte. Wir vermissen ein Mitglied unserer Crew. Ist es vielleicht versehentlich auf Ihr Schiff gebeamt worden?"
Der Indianer hatte seinerseits ebenfalls fasziniert die Frau auf dem Bildschirm vor sich betrachtet. Sie sah umwerfend gut aus, für einen Moment glaubte Chakotay in ihren Augen nicht nur den Sternenflottencaptain zu sehen, sondern ein empfindungsfähiges Wesen. Dieser Augenblick dauerte jedoch nur Sekundenbruchteile, er musste sich geirrt haben. Vor ihm war ein kommandierender Offizier der Föderation, und diese Leute waren dem Maquis feindlich gesinnt.
"Nein", er versuchte, seine Stimme besonders aggressiv und kühl klingen zu lassen, "wir vermissen auch ein Mitglied unserer Besatzung, B'Elanna Torres, meine Ingenieurin." Er war sich jedoch sicher, dass die Halbklingonin nicht auf der Voyager war, wollte aber erfahren, warum diese Frau ihn kontaktet hatte. Es wäre ihr ein leichtes gewesen, sein kleines Schiff kampfunfähig zu schießen, ihn und seine Crew gefangen zu nehmen und damit das Maquis-Problem in diesem Sektor ein für alle Mal zu lösen. Allerdings machte sich irgendwie in ihm das Gefühl breit, dass Captain Janeway nicht gewillt war, dies so einfach zu tun.
"Commander, Sie und ich haben das gleiche Problem. Ich halte es für sinnvoll, wenn wir versuchen, es gemeinsam zu lösen." Die Umstände hatten sich geändert. Für Kathryn war es nun nicht mehr vorrangig, die Maquis zu fassen und an die Föderation auszuliefern. Es galt, zwei vermisste Besatzungsmitglieder und einen Weg nach Hause zu finden. Außerdem wollte sie diesen Mann kennen lernen, der sie mehr verwirrte, als sie sich selbst gegenüber zugeben wollte.
Chakotay überlegte einige Sekunden und warf dann einen fragenden Blick zu Tuvok, der neben ihm saß und an einer Konsole vor sich arbeitete. Wir er gehofft hatte, signalisierte der Vulkanier sein Einverständnis mit einem Kopfnicken. Er würde dieser ungewöhnlichen Frau gegenüber treten, der Gedanke daran ließ sein Herz aus dem gewohnten Rhythmus kommen, was ihm jedoch niemand ansehen konnte. Auch er konnte es meisterhaft verhindern, dass man in sein Innerstes blickte. Mit kühler Stimme und unbewegtem Gesichtsausdruck antwortete der Indianer. "Wir beamen drei unserer Leute auf Ihr Schiff."



Janeway stand auf der Brücke der Voyager und wartete gespannt auf das Materialisieren der Maquis. Sie ahnte, dass eine persönliche Begegnung nicht unbedingt friedlich ablaufen könnte, denn sie hatte aus den Augenwinkeln heraus gesehen, dass Tom Paris vor wenigen Augenblicken aus dem Turbolift gestiegen war. Trotzdem freute sie sich aus einem ihr unerfindlichen Grund auf das Treffen mit diesem Mann.
Ein gleißendes Flimmern kündigte den beginnenden Transport der drei Personen an. Binnen Sekunden materialisierten sich die Männer, die kampfbereit ihre Phaser in den Händen hielten. Sofort drehte der Captain der Voyager sich zu Lieutenant Rollins um, der auf den vermeintlichen Angriff reagieren wollte, um ihn zu beschwichtigen. "Stecken Sie die Waffe weg." Der Angesprochene führte den Befehl umgehend aus.
Für einen Moment versank Kathryn in den braunen Augen des Indianers, der sie unverwandt ansah. "Sie werden ihre Phaser hier nicht brauchen." Gewaltsam riss sie sich von Chakotays Blick los und begrüßte ihren alten vulkanischen Freund. "Schön Sie wieder zu sehen, Mr. Tuvok."
Der Maquis-Kommander hatte bisher nur stumm die Frau vor sich angesehen. Er hatte sich nicht geirrt, in ihr waren Gefühle. Sie war kein eiskalter Kommandant, wie er viele Captains der Sternenflotte bisher kennen gelernt hatte. Janeway war anders, das spürte er genau. Als er jedoch ihre Worte an Tuvok vernahm, konnte er im ersten Augenblick gar nicht fassen, was er da eben gehört hatte. Sprachlos und mit fragendem Blick drehte er sich zu dem Vulkanier um, der sofort zu einer Erklärung ansetzte.
"Ich muss Sie informieren, dass ich beauftragt war, Ihre Crew zu unterwandern, Sir. Ich bin Captain Janeways Sicherheitschef."
Chakotays Gedanken überschlugen sich, er war auf einen Betrüger hereingefallen. Dass ihm so etwas passiert war, er konnte es kaum glauben. Trotzdem realisierte er sofort, dass Ayala hinter ihm aggressiv nach vorne getreten war, um Tuvok anzugreifen. Mit der ausgestreckten Hand hielt er ihn zurück. Ein tätlicher Angriff wäre auf einem bewaffneten Schiff der Sternenflotte nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Er konnte diese Angelegenheit nur verbal klären.
"Wollten Sie uns in die Hände der Föderation spielen, Vulkanier?" Dieses letzte Wort hatte er beinahe giftig ausgespuckt. Es spiegelte all seine Wut und Betroffenheit wieder, die er im Moment empfand.
Tuvok ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen, in stoischer Ruhe erklärte er mit emotionsloser Stimme. "Mein Auftrag war, Informationen über die Aktivitäten des Maquis zu sammeln und Sie dann in die Hände der Föderation zu spielen. Das ist korrekt."
Chakotay fühlte sich, als wäre ihm der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Im Moment nahm er keinerlei Notiz mehr von Captain Janeway, die keinen Meter von ihm entfernt stand. Unverwandt sah er Tuvok an und nickte in sich selbst hinein, als plötzlich seine Aufmerksamkeit von einem anderen Mann auf der Brücke der Voyager angezogen wurde. Tom Paris stand dort, der Mann, der nur aus Gier nach Latinum zum Maquis gekommen war, der die Ideale und Ziele, für die diese Widerstandgruppe kämpfte, niemals verstanden hatte. Hasserfüllt blickte er ihn an.
"Wie ich sehe, hatten Sie Hilfe", spie er giftig aus.
Der Angesprochene ließ sich davon jedoch nicht im Geringsten beeindrucken, beinahe fröhlich entgegnete er dem Indianer. "Es ist auch schön, dich wieder zu sehen, Chakotay."
"Der Vulkanier hat seine Pflicht als Sternenflottenoffizier erfüllt, aber du?" Durchdringend sah er den blonden jungen Mann an. "Wofür hast du uns verraten? Latinum? Entlässt man dich aus dem Gefängnis? Was hast du diesmal für einen Preis verlangt?" Mit zu Fäusten geballten Händen stand der Maquis-Rebell reglos da, es war ihm direkt anzusehen, dass er nur noch einen kleinen Funken benötigte, um sich auf Tom Paris zu stürzen.
Sofort jedoch trat Captain Janeway direkt zu Chakotay, um ihn an diesem Vorhaben zu hindern. Sie näherte sich bis auf eine Handbreit seinem Gesicht. Autoritätsverströmend wies sie den Indianer mit fester und kühler Stimme zurecht. "Sie sprechen mit einem Mitglied meiner Besatzung. Ich erwarte, dass Sie ihn mit dem selben Respekt behandeln, wie ich eine Mitglied Ihrer Crew behandeln werde."
Er konnte ihren warmen Atem spüren und den aufregenden Geruch ihres Körpers wahr nehmen. Tom Paris und seine Wut auf ihn war nicht mehr existent. Fasziniert sah er ihr in die Augen, die nur wenige Zentimeter von seinen entfernt waren und konnte sich nicht mehr davon lösen. Der Maquis-Kommander fragte sich, was für ein Mensch wirklich hinter dieser kühlen Fassade steckte. Er würde sie zu gerne näher kennen lernen, aber Chakotay machte sich sofort wieder klar, dass er solche Gedanken nicht zulassen durfte. In absehbarer Zeit würde er ein Gefangener auf diesem Schiff sein, falls ihm nicht doch noch die Flucht vor der Sternenflotte gelang. Captain Janeway hatte den Auftrag, ihn und seine Crew zu verhaften und sie dann den Gerichten der Föderation auszuliefern. Diese Tatsache durfte er nicht übersehen. Gewaltsam riss er seinen Blick von ihr und wandte sich ab.
Kathryn hatte Mühe, diese harten Worte, die zwingend nötig waren, zu dem Indianer zu sprechen. Er verwirrte sie mehr, als sie sich eingestehen wollte. Sie - die kühle und rationell denkende Sternenflottenoffizierin - ließ sich von einem fremden Mann, noch dazu einem Maquis, den Feinden der Föderation, aus dem Gleichgewicht bringen. Es musste daran liegen, dass sie siebzigtausend Lichtjahre durch die Galaxis geschleudert worden waren. Der Transfer hatte einen seelischen Defekt bei ihr ausgelöst, anders konnte sie es sich nicht erklären. Schließlich hatte sie einen Verlobten, der zuhause auf sie wartete. Trotz immenser mentaler Anstrengungen konnte sie ihren Blick nicht von seinen Augen lösen, irgendetwas zog sie magisch in dieses warme Braun, das sie nicht kontrollieren konnte. Endlich blickte Chakotay zur Seite und wandte sich ab, was sie mit Erleichterung, aber gleichzeitig auch mit Bedauern feststellte.


*****

Es war entschieden - die Voyager musste im Deltaquadranten allein auf sich gestellt den Weg nach Hause finden. Die Phalanx des Fürsorgers war zerstört worden, um das Leben der Ocampa vor den Kazon Ogla zu schützen. Kathryn Janeway hatte keinen anderen Weg gesehen, als diesen dramatischen und für einige unverständlichen Schritt.
Sie saß in ihrem Bereitschaftsraum, auf dem Computerdisplay vor sich ein Bild von ihr, ihrem Hund Molly und Mark. Mark - wie sehr vermisste sie ihn schon heute, wenige Tage nach ihrem Aufbruch in die Badlands. Er saß jetzt zuhause und hatte keine Ahnung von den dramatischen Ereignissen, die ihr Leben vollkommen verändert hatten. Voller Vertrauen würde er darauf warten, dass sie in Kürze wieder auf der Erde sein sollte. Tränen stiegen Kathryn bei dem Gedanken in die Augen, ihn vielleicht nie mehr wieder zu sehen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht betrachtete sie noch eine Weile das Foto, bevor sie sich jedoch ganz darin verlor, machte sie sich selbst wieder klar, dass sie sich der Realität stellen musste. Diese hielt eine Menge Probleme für sie bereit. Der Captain der Voyager straffte die Schultern und stand auf. Sie ging zu dem großen Panoramafenster und blickte auf das sternenübersäte Bild des Weltraumes, das sich ihr bot.
Sie hatte die komplette Mannschaft des Maquis-Raumers an Bord, nachdem Commander Chakotay ihn, um die Voyager vor den Kazon zu retten, in einem Kamikazeflug gegen deren Schiff flog. Seine Aktion war selbstlos gewesen, er hatte gewusst, dass er sich damit der Sternenflotte auslieferte, auch wenn sie siebzigtausend Lichtjahre von der Erde entfernt waren. Außerdem konnte er in den Minuten seiner Entscheidung noch nicht erahnen, dass es für sie keinen einfachen Weg mehr zurück geben würde. Janeway rechnete dem Indianer auch hoch an, dass er voll hinter ihrer Entscheidung gestanden hatte, die Phalanx zu zerstören. Er hatte sofort ihre Kommandoautorität akzeptiert. Irgendwie spürte sie, dass sie diesem Mann vertrauen konnte. In seinen Augen konnte sie Bereitschaft zu Zusammenarbeit und Unterstützung lesen.
Während Kathryn noch am Fenster stand, traf sie eine Entscheidung bezüglich des Maquis-Problems. Sie musste sofort mit Chakotay sprechen, um ihm dieses zu erläutern. Bei dem Gedanken daran, diesem Mann gegenüber zu stehen, schlug ihr Herz ein wenig schneller, ein leises Gefühl der Schuld machte sich in ihr breit, sie war schließlich verlobt und andere Männer hatten in ihren Gedanken nichts zu suchen.



"Sie wollten mich sprechen?" Der Indianer in seiner abenteuerlichen Zivilbekleidung stand ihr direkt gegenüber und blickte sie fragend und gleichzeitig herausfordernd an. Janeway hatte jedoch nicht vor, sich davon verunsichern zu lassen. Tief in ihrem Inneren musste sie jedoch zugeben, dass er dabei war, genau dies zu erreichen. Aber durch ihre geschulte Mentalität würden ihre Augen keinen ihrer Gedanken verraten.
"Das ist richtig, Commander. Bitte, nehmen Sie Platz." Sie wies auf einen Stuhl vor ihrem Arbeitstisch und setzte sich selbst dahinter. Kathryn konnte nicht umhin, die eindrucksvolle Tätowierung auf seiner Stirn wieder zu betrachten. Die Geschichte, die dieser Zeichnung voran ging, würde sie interessieren. Sie hatte vor, ihn bei Gelegenheit danach zu fragen. Immerhin hatte sie ja jetzt siebzig Jahre Zeit dazu.
"Wie geht es Ihren Leuten?", versuchte Janeway einen leichten Einstieg in das Gespräch zu finden, um ihm dann ihr eigentliches Anliegen zu unterbreiten. Leider hätte sie ihre Frage nicht schlechter wählen können.
"Was glauben Sie wohl", begann der Indianer mühsam beherrscht, "sie sitzen im Frachtraum und warten darauf, in siebzig Jahren den Gerichten der Föderation übergeben zu werden." Die Sorge um seine Crewmitglieder, für die er als Kommandant verantwortlich war, ließen Chakotay seine Worte harscher aussprechen, als er es eigentlich wollte. "Tut mir leid, Captain", versuchte er, das Gesagte zu entschärfen, "aber diese Situation hat sich für uns ausgesprochen schlecht entwickelt."
Beschwichtigend hob Janeway die Hände. "Schon gut, Commander. Genau über diese Probleme wollte ich mit Ihnen sprechen. Mir ist selbstverständlich klar, dass Sie und Ihre Leute nicht im Frachtraum bleiben können. Aus diesem Grund habe ich einen interessanten Vorschlag für Sie."
"So?"
Es kostete Kathryn alle Selbstbeherrschung, dem Blick dieser sanften braunen Augen stand zu halten, ohne den Aufruhr, der plötzlich in ihrem Inneren wühlte, nach außen dringen zu lassen. *Du bist verlobt, vergiss das nicht*, ermahnte sie sich selbst. Laut jedoch sagte sie zu dem Mann ihr gegenüber. "Ich halte es für das Vernünftigste, wenn Sie und Ihre Leute meiner Mannschaft beitreten."
Chakotay runzelte überlegend die Stirn und rieb sich mit einer Hand über das Kinn. Er musste das Für und Wider dieses Vorschlages sorgfältig abwägen. Janeway ließ ihm die Zeit hierzu, ein solcher Schritt wollte bedacht und nicht übereilt sein. Vorsichtshalber, um nichts miss zu verstehen, fragte er nach einer Weile nach. "Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, Captain. Meine Leute sollen als Crewmen der Sternenflotte dienen?" Auf seinen fragenden Blick antwortete sie mit einem stummen Kopfnicken und der Indianer fuhr fort. "Werde ich auf die selbe Rangstufe gestellt und darf dann Plasmaverteiler reinigen?"
"Nein", antwortete der Captain der Voyager bedacht, "ich möchte Sie als meinen Ersten Offizier haben, Sie wissen ja, dass Lieutenant Commander Cavit durch die Aktion des Fürsorgers ums Leben gekommen ist. Aus Ihrer Personalakte konnte ich ersehen, dass Sie Absolvent der Akademie sind und entsprechende praktische Erfahrungen auf diesem Sektor haben."
"Ich soll Ihr Erster Offizier werden?" Ungläubig blickte Chakotay die Frau ihm gegenüber an, plötzlich wurde ihm klar, was sie damit bezweckte und das sagte er ihr auch frei heraus. "Ich verstehe, Sie wollen mit dieser Aktion meine Leute in Ihre Crew einbinden. Sie denken, wenn Sie mich in eine kommandierende Position setzen, könnte ich meiner Mannschaft klar machen, dass sie die Statuten der Sternenflotte zu befolgen und entsprechend zu handeln haben."
Chakotay hatte diese Worte ohne Ärger in der Stimme ausgesprochen, ihm war durchaus klar, dass Janeways Vorschlag die einzige richtige Lösung in dieser verfahrenen Situation war. Er war sogar ausgesprochen erfreut darüber. Der Gedanke, eng mit dieser Frau, die ihn vom ersten Augenblick an in seinen Bann gezogen hatte, zusammen zu arbeiten, ließ sein Herz ein klein wenig höher schlagen. Er beschloss, dieses Angebot anzunehmen, denn so konnte er sie beschützen, wenn es nötig sein würde und alles für sie tun, um ihr das Leben im Deltaquadranten zu erleichtern. Er wusste nicht genau, wieso, aber plötzlich war ihm dies ein vorrangiges Bedürfnis.
"Captain, er nickte ihr als Zeichen seines Einverständnisses zu, "Sie haben wieder einen Ersten Offizier." Das Lächeln, welches er daraufhin noch Kathryn schenkte, ließ sie freudig in die Zukunft sehen.


*****


Zwei Jahre später war die Voyager noch immer im Deltaquadranten. Sie hatten zwar einige tausend Lichtjahre hinter sich gebracht, aber auch unzähligen Gefahren und Problemen trotzen müssen. Kathryn Janeway war in ihrem Quartier und ließ gerade das Foto von Mark, welches seit Beginn der Reise dort gestanden hatte, in einer Schublade verschwinden. Sie konnte es nicht mehr ansehen, jedes Mal, wenn sie sein liebevolles Lächeln erblickte, machte sich schlechtes Gewissen in ihr breit. In den vergangenen beiden Jahren hatte sie Chakotay ausgesprochen gut kennen gelernt. Er war nicht nur ein absolut fähiger Erster Offizier, der stets an ihrer Seite war und ohne viele Worte genau wusste, was zu tun war, er war ihr auch ein sehr guter Freund geworden. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, musste sie zugeben, dass dieser Mann inzwischen mehr als ein Freund für sie war. Ihre Gefühle für ihn gingen einwandfrei darüber hinaus. Schon der Gedanke an ihn ließ ihr Herz unruhig schlagen.
Heute Nachmittag waren sie beide von einem mehrwöchigen Aufenthalt auf einem Planeten, den sie selbst New Earth genannt hatten, zurück gekehrt. Mit Bedauern dachte Kathryn an die wundervolle Zeit, die sie dort verbracht hatten. Die Umstellung, wieder auf der Voyager zu sein, fiel ihr im Moment noch sehr schwer. Vor zwei Tagen hatten sie noch geglaubt, ihr ganzes Leben dort verbringen zu müssen. Es wäre ihr nicht schwer gefallen, da dort auch der Mann war, dem all ihre Gedanken und Gefühle galten. Nun waren sie wieder mit Warpgeschwindigkeit auf dem Weg zum Alphaquadranten und Janeway musste sich wieder vor Augen halten, dass sie immer noch eine verlobte Frau war. Sie wusste nicht, wie sich Mark im Moment fühlte oder was er tat, aber eine Beziehung zu einem anderen Mann einzugehen, wäre ihr wie ein unglaublicher Verrat an ihm vorgekommen. Bevor sie hier keine Klärung hatte, blieb ihr nur die eine Wahl - abzuwarten. Eines Tages würden sie zurück nach Hause gelangen, erst dann konnte sie ihr Leben neu ordnen. Erst dort würde sie in einem persönlichen Gespräch erkennen können, ob ihre Gefühle für Mark wirklich erloschen waren und auch erfahren, ob ihre Verlobung seinerseits noch Bestand hatte. Solange dies nicht geschehen war, war sie für einen anderen Mann nicht frei, so sehr sie diese Erkenntnis auch schmerzte.
"Herein", antwortete Kathryn, als der Türmelder plötzlich anschlug und sie aus ihren düsteren Gedanken riss.
Der Eingang zu ihrem Quartier öffnete sich automatisch und herein trat mit ernstem Gesichtsausdruck Commander Chakotay. "Ich wollte mich nur vergewissern, ob es Ihnen auch gut geht. Haben Sie sich schon wieder an das Leben auf dem Schiff gewöhnt?", fragte er mit freundlicher und sanfter Stimme, die einen leisen, sehnsüchtigen Unterton erahnen ließ.
"Es geht mir gut", antwortete Kathryn, "alles ist nur noch etwas ungewohnt. Ich muss mich erst wieder an meine Aufgaben und die üblichen Abläufe auf der Voyager gewöhnen." In ihrer Stimme hatte tiefstes Bedauern mit geschwungen, vor ihm konnte und wollte sie sich nicht verstellen. Sie beide waren sich auf New Earth so nahe gekommen, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Er hatte ihr in einer Parabel von einem zornigen Krieger etwas gestanden, was sie schon lange vermutet hatte - seine Liebe zu ihr. Unglücklicherweise hatte Janeway nicht über ihren Schatten springen können, sie hatte ihn zwar näher an sich heran gelassen, aber nicht nahe genug. Sie war noch nicht bereit gewesen, eine Beziehung mit ihm einzugehen, obwohl auch sie sich über ihre Gefühle Chakotay gegenüber inzwischen klar war. Allerdings wusste sie auch, es hätte nicht mehr allzu langer Zeit bedurft und aus ihnen beiden wäre ein Paar geworden - auf New Earth. Hier auf der Voyager musste sie die Dinge jedoch wieder im für sie richtigen Licht sehen.
"Mir geht es genauso, Kathryn", der Indianer war außerhalb ihrer Dienstzeit bei der persönlichen Anrede geblieben, die sie ihm auf dem Planeten angeboten hatte, "es war einfach zu schön dort, traumhaft schön."
"Ja, das war es...", sie konnte nicht weiter sprechen. Chakotay, der sah, was in ihr vorging, trat einen Schritt auf sie zu und schloss sie in seine Arme. Sanft strichen seine Hände über ihren Rücken. "Kathryn...", begann er, wurde jedoch sofort von ihr unterbrochen.
"Nein!", rief sie aus und machte sich widerwillig und unter Aufbietung ihrer gesamten Willenskraft von ihm frei. "Bitte gehen Sie, Commander." Sie hoffte, ihm durch ihre förmliche Anrede klar zu machen, dass hier auf der Voyager die Kommandostruktur wieder greifen musste und kein Platz für Gefühle war.
Bedauernd und mit gesenktem Kopf, sie jedoch verstehend, verließ der Indianer nach einem leisen "Gute Nacht" den Raum.
Janeway stürzte sofort auf den Schrank zu, riss die Schublade auf und holte das Bild von Mark wieder hervor. Sorgsam stellte sie es auf seinen Platz zurück und betrachtete es lange Zeit schweigend.


*****

"Ich weiß, ich habe nicht das Recht so zu fühlen, aber es ärgert mich über alle Maßen." Die raue Stimme, die diese Worte ausgesprochen hatten, verfolgte Kathryn seit Wochen bis in den Schlaf. Ausgerechnet auf Q war Chakotay eifersüchtig geworden, dieses Superwesen, das sie als Partner nicht im Geringsten interessierte. Im Gegenteil, er ging ihr mit seiner überheblichen, arroganten Art furchtbar auf die Nerven. Nicht im Traum hätte sie daran gedacht, sich mit ihm zu paaren.
Ihr Erster Offizier jedoch war für sich und das Schiff ein größtmögliches Risiko eingegangen, um sie aus dem Kontinuum wieder zu befreien. Er hatte ihr mit dieser Aktion das Leben gerettet, denn die Mitglieder dieser Superrasse waren gerade in dem Moment, als Chakotay und die anderen Crewmitglieder der Voyager auftauchten, dabei, sie und Q mit altertümlichen Waffen zu erschießen.
Janeway war erfüllt von Dankbarkeit und Liebe. Schon längst war ihr bewusst geworden, das sie diesen Mann mehr liebte als ihr Leben. Aber auch nach über drei Jahren im Deltaquadranten war es ihr noch nicht möglich, einen Verrat an Mark zu begehen, wie sie es selbst bezeichnete. Sie wusste nichts von den Vorgängen auf der Erde und so lange war es ihr unmöglich, hier im Deltaquadranten glücklich zu werden.
Kathryn hatte es vermieden, später, als Q wieder gegangen war, Chakotay noch einmal auf seine Worte anzusprechen, sie hatte Angst vor seiner Antwort. Angst, er könnte ihr klar sagen, wie seine Gefühle für sie waren und sie damit noch in einen größeren Gewissenskonflikt stürzen.
Als Janeway zusammen mit Chakotay einen Shuttleabsturz auf einem Planeten hatte und dort schwerstverletzt lag, hatte sie durch Visionen, die von einem fremden Wesen gesteuert wurden, ihre wahren Gefühle für ihren Ersten Offizier genauestens erkannt. Sie hatte in ihren Träumen erlebt, wie er um ihr Leben kämpfte und um sie trauerte. Wie er sich zusammen nehmen musste, um nach ihrem Tod der Mannschaft ein guter Captain zu sein und ihnen Mut und Zuversicht zu geben. Sie wusste, dass diese Traumbilder ihren geheimsten Wünschen entsprachen, ebenso wie das fremde Wesen dort in Gestalt ihres Vaters erschienen war. Seine bösartigen Absichten, sie in seine Matrix zu ziehen, um sich dort von ihrer neuralen Energie zu ernähren, hatte sie glücklicherweise schnell durchschaut. Zurück geblieben war die Erkenntnis, dass sie ohne Chakotay kein Leben mehr führen konnte und wollte.
Langsam machte sich Verzweiflung in Kathryn breit, sie konnte einfach nicht über ihren Schatten springen und die Verlobung mit Mark vergessen. Sie war immer noch Tatbestand - ein Teil ihres Lebens, von dem sie nicht wusste, ob dieser Teil noch existierte. Eine Verlobung war ein Eheversprechen, daran durfte sie sich nicht versündigen.
Kathryn war zusammen mit Chakotay auf dem Weg in das Holodeck. Sie hatte ihn zur Feier des Tages zu einem Segeltörn auf dem George-See eingeladen. Dank ihrer immensen Willenskraft hatte sie das fremde Wesen besiegt und war in das Leben zurück gekehrt. Im Moment verspürte sie keine Lust auf Berichte und Statistiken, auch Forschungsergebnisse über Anomalien konnten ihr nichts abgewinnen. Sie wollte einfach nur für wenige Stunden das Leben genießen, mit dem Mann an ihrer Seite, der ihr alles bedeutete. Wenn sie schon durch ihre in ihrem Geist unverrückbar festgesetzten Prinzipien nicht mit ihm als Paar zusammen sein durfte, so wollte sie ihn wenigstens für kurze Zeit privat und als Freund bei sich haben.



Langsam glitt das Segelboot durch die weichen Wellen des George-Sees. Am Horizont ging die Sonne in einem wundervollen Farbenspiel unter. Janeway saß am Bug des kleinen Schiffes und hielt die Rose in der Hand, die Chakotay ihr im Bereitschaftsraum geschenkt hatte. Von Zeit zu Zeit schnupperte sie genießerisch daran, ansonsten galt ihr Augenmerk der Aussicht und dem Mann, der das Boot steuerte. Diese friedvolle Ruhe und die angenehm warme Luft war besser als jede Medizin, die ihr der Arzt verordnen konnte. Kathryn spürte, wie ihre Lebensgeister zurück kehrten und sie die dramatischen Beinahe-Tod-Erlebnisse der letzten Stunden besser verarbeiten konnte. Es war sehr aufwühlend für sie gewesen, ihren Vater wieder zu sehen und zu erkennen, dass ihr Erster Offizier der Mann war, dem nach wie vor ihre Wünsche und Sehnsüchte galten. Sie hatte geglaubt, diese romantischen Gefühle für ihn längst überwunden zu haben, die letzten Ereignisse jedoch hatten sie eines Besseren belehrt.
Langsam erhob sich Janeway und ging auf den Mann zu, dem alle ihre Gedanken galten. Sie stellte sich neben ihn und genoss mit geschlossenen Augen den Fahrtwind, der ihr ins Gesicht blies und ihre Haare wie eine sanfte Massage durchfuhr. Sie genoss diesen Augenblick des vollkommenen Glücks.
Chakotay war etwas verwundert gewesen, als sie ihn zu diesem Segeltörn einlud. In der Regel schlug Kathryn alle seine Angebote aus, ihn auf das Holodeck zu begleiten. Als ihr Geist von diesem fremden, unheimlichen Wesen beherrscht wurde, musste etwas mit ihr geschehen sein. Einschneidende Erlebnisse, die sie ihm verschwieg, aber er wagte nicht, sie danach zu fragen. Vielleicht würde sie ihm eines Tages selbst Auskunft darüber geben. Im Moment war er nur glücklich, sie so nahe bei sich zu haben. Sie, die Privatperson Kathryn Janeway, nicht den kühlen Captain der Voyager. Dieser Moment erinnerte ihn an ihren Aufenthalt auf New Earth, seither hatte er sie nicht mehr so friedlich und gelöst erlebt, alle Anspannung war aus ihrem Körper gewichen. Er wünschte sich, ihr öfters solche Momente bescheren zu können, leider ließ sie es nie zu. Aus den Augenwinkeln heraus sah der Indianer sie neben sich stehen und konnte das unbändige Bedürfnis, sie zu berühren nicht mehr unterdrücken. Sanft legte er Kathryn die Hand auf die Schulter.
"Es ist wundervoll", meinte sie genießerisch und reckte ihr Gesicht der untergehenden Sonne entgegen, "und ich bin froh, dass Sie mich begleitet haben. Allein könnte ich das alles niemals so sehr genießen."
"Ich freue mich, dass ich hier sein kann. Zusammen mit Ihnen." Chakotay versuchte, sie durch sanften Druck seiner Hand ein wenig näher an sich zu ziehen. Der Zauber des Augenblicks sprach seine eigene Sprache und ließ ihn entgegen aller Vernunft und Erfahrungen agieren. Leider hatte Janeway seine Absicht sofort bemerkt und sich ein wenig von ihm entfernt. Mit einem "Ich begebe mich wieder nach vorne", und einem unsicheren Auflachen verließ sie rasch den Platz neben ihm. Bedauernd sah der Indianer ihr nach, sie hatte sich ihm wieder entzogen. Er fragte sich, wie lange sie noch brauchen würde, sich von Mark zu lösen. Immerhin waren sie jetzt schon über drei Jahre im Deltaquadranten verschollen. Aber er hatte genug Zeit, auf sie zu warten, wenn es sein musste, siebenundsechzig Jahre.


*****


Liebe Kathryn,
als ich vor kurzem von der Sternenflotte informiert wurde, dass du und deine Crew am Leben seid, war ich überglücklich und unendlich erleichtert.
Die meisten Leute hatten ja schon länger euren Tod akzeptiert und ihr Leben neu geordnet. Mir ist es erst vor einem Jahr gelungen, zu erkennen, dass ich einem Hirngespinst nach jagte. Erst dann konnte ich den Tatsachen ins Auge sehen und meine eigene kleine Trauerfeier für dich abhalten. Du kannst dir meine Überraschung und Freude vorstellen, als dann die Nachricht kam, ihr seid leid lediglich im Deltaquadranten verschollen. Lediglich - das ist leicht gesagt, ich bekam die Auskunft, dass ihr, wenn nicht ein Wunder geschieht, noch Jahrzehnte benötigt, um zurück zur Erde zu gelangen. Aber ihr werdet es schaffen - dessen bin ich mir absolut sicher. Mit dir als Captain kommt die Voyager eines Tages zurück.
Eine Frage, die dir sicher auf der Zunge brennt, möchte ich dir sofort beantworten. Molly geht es ausgezeichnet, sie hat damals vier Welpen bekommen, für die ich alle ein wundervolles Zuhause gefunden habe. Glaube mir, ich habe mich persönlich davon überzeugt, dass die neuen Besitzer gut mit Hunden umgehen können, dass die Tiere genug Auslauf haben und wirklich artgerecht gehalten werden. Ich bin noch Monate danach regelmäßig zu den Leuten gefahren, um mich immer wieder zu vergewissern, dass es den Jungen gut geht. Molly selbst habe ich nicht weggegeben, sie ist bei mir geblieben. Ich brachte es einfach nicht übers Herz, deinen geliebten Hund in fremde Hände zu geben. Sie hat durch dein Verschwinden so sehr gelitten und tagelang nicht mehr gefressen. Ich war froh, ihr Vertrauen so weit zu gewinnen, dass sie mich heute als ihren neuen Herren akzeptiert.
So wie dein Hund sich daran gewöhnt hat, ein Leben ohne dich zu führen, so musste es auch mir langsam gelingen. Einzusehen, dass keine Hoffnung mehr bestand, dich jemals wieder zu sehen, war unendlich schwer für mich. Ich habe dazu länger gebraucht, als alle anderen. Ein Dasein ohne dich erschien mir so sinnlos, ich ließ mich gehen und vergrub mich in der Einsamkeit meines Hauses. Irgendwann, als der Schmerz endlich nachließ, begann ich wieder, mich unter Menschen zu begeben. Es war Anfangs nicht leicht, aber mit der Zeit konnte ich meine Arbeit und mein Umfeld wieder schätzen. Ich lernte eine Kollegin näher kennen, sie war immer für mich da und hörte mir stundenlang zu, wenn ich über dich und unsere gemeinsame Zeit sprach. Aus dem anfänglichen Gefühl der Zuneigung wurde langsam Liebe. Sie gibt mir wieder Halt und Freude am Leben. Vor vier Monaten haben wir geheiratet und ich muss sagen, dass ich darüber sehr glücklich bin. Mein heutiges Leben füllt mich aus und ich bin sehr zufrieden. Ich hoffe, dass auch du eines Tages, falls dies nicht schon der Fall ist, im fernen Deltaquadranten dein Glück und den Mann fürs Leben findest.
Ich wünsche dir alles Gute und eine sichere Heimreise.
Meine Gedanken werden dich immer begleiten.
Mark



Kathryn Janeway war zusammen mit Chakotay auf dem Weg ins Casino. Neelix hatte eine Spontanparty organisiert, um die Moral der Crew wieder zu heben. Nachdem die Relaisstation der Hirogen zerstört worden war, konnte ein Teil der Briefe aus der Heimat nicht mehr abgerufen werden. Sie waren unwiderbringlich verloren. Auch hatten sie im Moment keine Möglichkeit mehr, in Kontakt mit dem Alphaquadranten zu treten, da das gesamte Netzwerk kollabiert war. Die Hoffnung auf eine andauernde Kommunikation mit der Erde war somit zerstört worden. Es gab viele Besatzungsmitglieder, die vergeblich auf Nachricht von ihren Freunden und Angehörigen gewartet hatten, entsprechend niedergeschlagen waren sie jetzt natürlich. Besonders diesen Leuten galt Neelix' kleine Feier.
Kathryn war froh, den Brief von Mark erhalten zu haben. In einem ausführlichen Gespräch mit Chakotay hatte sie zugegeben, dass sie ihre Verlobung als Schutzschild benutzt hatte, um keine andere Beziehung eingehen zu können. Dies entsprach nur zum Teil den Tatsachen, sie hatte Mark wirklich geliebt - damals auf der Erde. Mit den Jahren war dieses Gefühl verblasst, wie sein Bild vor ihrem inneren Auge. Die Information, dass er jetzt verheiratet war, hatte sie mit Erleichterung, wenn auch mit Überraschung, entgegen genommen. So konnte sie jetzt ohne Gewissenskonflikte, ihr Leben neu gestalten und zu ihren Gefühlen stehen. Ohne diese Nachricht von Mark hätte sie niemals glücklich werden können.
Als sich die Türen zum Casino mit dem gewohnten leisen Zischen öffneten, sah Janeway als erstes B'Elanna Torres stehen, die sich mit ernstem Gesichtsausdruck und gesenktem Kopf mit Lieutenant Ayala unterhielt. Von Chakotay hatte sie erfahren, welch grausames Ende der Maquis durch die unheilvolle Allianz der Cardassianer mit dem Dominion genommen hatte. Kathryn sah, wie die Halbklingonin wütend die Hände zu Fäusten ballte. Sie blickte kurz zu Chakotay, der die Szene ebenfalls mit verfolgt hatte. Mit einem kurzen, verständnisvollen Kopfnicken signalisierte sie ihm ihre Bereitschaft, sie allein zu lassen und sich zu den beiden ehemaligen Maquis zu gesellen. Vielleicht gelang es ihm, sie ein wenig aufzumuntern.
Sie selbst ging an einen Tisch, an dem Harry Kim und Tom Paris saßen. Freudig luden die beiden sie ein, sich zu ihnen zu gesellen. Der junge Asiate erzählte glücklich von dem Brief seiner Eltern und der Pilot erwähnte mit gespielter Erleichterung, dass die Nachricht von seinem Vater nicht mehr angekommen war. Kathryn ließ sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Tom enttäuscht war, nicht zu wissen, was Admiral Paris heute von ihm hielt, was er über ihn dachte und vor allem, wie er zu ihm stand.
"Der Anfang ist gemacht, wir hatten zum ersten Mal Kontakt mit der Heimat. Seien Sie versichert, meine Herren, dies wird nicht die letzte Verbindung mit der Erde gewesen sein." Betont zuversichtlich hatte Janeway ihre Worte ausgesprochen. "Irgendwie fühle ich mich nicht mehr so allein hier draußen und ich denke, Ihnen geht es ebenso."
"Das stimmt, Captain. Ich bin so froh, dass meine Leute wissen, wie es mir geht und ich weiß, dass bei ihnen alles in Ordnung ist. Die Heimat ist ein Stückchen näher gerückt, wenn auch nur in meinem Geist." Verzückt hatte Harry diese Worte ausgesprochen, noch immer hielt er das Padd mit dem Brief seiner Eltern in der Hand und wedelte freudig damit herum.
"Mir fehlt es hier an nichts", kam von Paris die schnoddrige Antwort.
"Captain, darf ich mich zu Ihnen setzen?"
"Tuvok", Janeway sah überrascht zu dem Vulkanier hoch, normalerweise mied er solche geselligen Zusammenkünfte, "natürlich, kommen Sie, nehmen Sie Platz. Sie haben doch auch einen Brief erhalten, von Ihrer Familie?"
"In der Tat", antwortete der Sicherheitschef der Voyager nüchtern, als ob dies gar nichts bedeuten würde.
"Wie geht es ihnen?" Tom Paris hatte diese Frage in echtem Interesse gestellt, wusste er doch, wie sehr Tuvok seine Frau und seine Kinder vermisste, obwohl er dies niemals zugeben würde.
"Sie sind alle in Ordnung und sie ...", er hielt kurz inne, "vermissen mich. Meine Frau und meine Kinder sind erfüllt von Dankbarkeit, aufgrund der Tatsache, dass ich noch am Leben bin. Ich halte folgenden Teil der Nachricht meiner Frau für erwähnenswert, sofern Mr. Neelix es noch nicht erzählt hat. Ich bin vor kurzem Großvater geworden."
Tom und Harry tauschten einen grinsenden Blick. "Dürfen wir Sie jetzt Opa nennen?", konnte der Navigator sich nicht verkneifen.
Ehe der Vulkanier antworten konnte, wurden die beiden von Janeway zurecht gewiesen. "Mr. Paris!"
"Entschuldigen Sie, Tuvok, ich vergesse immer, dass Sie um so vieles älter sind als wir." Tom bemühte sich um einen ernsten Gesichtsaudruck, was ihm jedoch nicht ganz gelingen wollte.
Kathryn blickte sich in dem dicht gefüllten Casino um und sah, dass Chakotay noch immer bei B'Elanna Torres und Lieutenant Ayala stand und sich mit den beiden unterhielt. Als würde er ihre Blicke spüren, sah er plötzlich zu ihr und lächelte ihr kurz zu.



"Gute Nacht, Captain." Chakotay hatte Kathryn noch zu ihrem Quartier begleitet und verabschiedete sich jetzt von ihr. Insgeheim hoffte er, sie würde ihn noch zu sich hinein bitten. Sie wirkte freier und gelöster, als er sie in den vergangenen drei ein halb Jahren jemals gesehen hatte. Die Nachricht über die Hochzeit ihres ehemaligen Verlobten hatte sie nicht betroffen gemacht, sie war nur ein wenig überrascht, wenn nicht sogar erleichtert gewesen. Er war froh, dass dieser Mann nicht länger zwischen ihnen beiden stand. Falls es ein 'sie beide' jemals geben würde.
Mit einem "Gute Nacht, Chakotay, schlafen Sie gut" wurden die Hoffnungen des Indianers auf ein weiteres Gespräch in trauter Zweisamkeit jedoch zerschlagen. Er nickte ihr noch kurz zu und entfernte sich dann rasch. Er wollte nicht, dass sie die Enttäuschung in seinen Augen sah.
Als Kathryn allein in ihrer Kabine stand, bedauerte sie, ihren Ersten Offizier nicht noch mit zu sich gebeten zu haben. Sie stand inmitten des Raumes, allein mit ihren Gedanken. An Schlaf war im Moment nicht zu denken, sie war viel zu aufgewühlt dazu. Endlich war sie frei, frei für den Mann, dem all ihre Liebe und Zuneigung galt. Sie musste sich nicht mehr als gebundene und verlobte Frau betrachten, der Gefühle für einen anderen nicht zustanden. Diese Nachricht machte sie überglücklich, sie gönnte Mark seine Frau und seine Ehe von Herzen. Jetzt galt es für sie, ihren eigenen Weg zu finden. Janeway drehte sich um und ging rasch auf den Ausgang ihres Quartiers zu. Mitten im Schritt hielt sie inne, Unsicherheit machte sich in ihr breit. Was wäre, wenn sie Chakotays Gefühle für sich falsch interpretiert hatte? Konnte sie sich getäuscht haben und er empfand nach all den Jahren und ihren Zurückweisungen nur noch Freundschaft für sie? Der Captain der Voyager gab sich einen inneren Ruck und straffte die Schultern, zischend gaben ihr die Türen ihrer Kabine den Weg in den Korridor frei, als sie mit forschen Schritten darauf zu ging. Sie musste es jetzt wissen, lieber erhielt sie von ihm eine Abfuhr, als in der Ungewissheit zu leben. Sie hatte so lange auf diesen Moment gewartet.



Überrascht blickte Chakotay hoch, als der Türmelder anschlug. Er hatte sich bereits seiner Uniformjacke und des Rollis entledigt und stand im Unterhemd in seiner Kabine. Wer mochte ihn zu dieser späten Stunde noch aufsuchen? *Kathryn*, ging es für einen Moment durch seine Gedanken, die er jedoch sofort wieder verwarf. Es musste ein Crewmitglied mit einem Problem sein. Rasch ging er zum Eingang, um die Tür manuell zu öffnen. Völlig verblüfft registrierte er, dass tatsächlich Janeway vor ihm stand.
"Darf ich herein kommen?" Lächelnd blickte sie den Indianer an, der sie nur sprachlos ansah.
"Selbstverständlich, bitte entschuldigen Sie." Mit einer einladenden Handbewegung bedeutete er ihr, näher zu treten.
"Danke." Sie blickte sich um, als wäre sie zum ersten Mal in seinem Quartier. Langsam schritt sie den Raum ab und betrachtete jeden seiner persönlichen Ziergegenstände, die überall aufgestellt waren oder an den Wänden hingen.
"Captain, gibt es ein Problem? Was kann ich für Sie tun?" Mehr als diese banalen Worte waren ihm nicht eingefallen, zu sehr war er verwirrt.
"Ja, Chakotay, Sie können etwas für mich tun." Sie war vor ihm stehen geblieben.
Der Indianer sah die Frau fragend an, die heute für ihn in Rätseln sprach. Vorhin hatte sie nicht schnell genug in ihrem Quartier verschwinden können, jetzt stand sie vor ihm und schien seine Verwirrung zu genießen.
"Ich wollte Sie etwas fragen."
Der Erste Offizier blickte seinen Captain nur abwartend an und bedeutete ihr mit einem leichten Kopfnicken, zu beginnen.
"Diese Hochzeit von Mark, sie hat mich froh und erleichtert gestimmt. Sagen Sie mir ehrlich, Chakotay, bin ich ein schlechter Mensch, weil ich so empfinde? Immerhin habe ich ihn einmal sehr geliebt, aber es kommt mir vor, als wäre das Ewigkeiten her, als wäre es in einem anderen Leben gewesen."
"Kathryn, Sie sind doch kein schlechter Mensch, Ihre Denkweise und Ihre Empfindungen sind völlig normal. Es ist einfach zuviel Zeit vergangen. Gefühle können sich ändern, wenn man zu lange und zu weit von seinem Partner entfernt ist. Haben Sie deswegen ein schlechtes Gewissen?"
"Es ist merkwürdig, vom Gefühl her nicht, aber mein Verstand sagt mir etwas anderes." Janeway hatte wieder damit begonnen, in seiner Kabine umher zu gehen.
"Hören Sie nur auf Ihr Gefühl", begann Chakotay, er ging zu ihr und fasste sie behutsam an den Schultern, "es sagt Ihnen das Richtige. Ihren Verstand brauchen Sie, um dieses Schiff zu kommandieren."
Kathryn genoss die zarte Berührung seiner Hände auf ihren Schultern. Eine wohlige Wärme durchströmte ihren ganzen Körper. Sie trat noch einen kleinen Schritt näher an ihn heran und blickte im tief in die braunen Augen. Nur auf ihr Gefühl hören, hatte er ihr gesagt. Im Moment konnte sie sowieso nicht mehr klar denken, sondern nur noch fühlen. Ihr Herz begann schneller zu schlagen und ihr Atem wurde unregelmäßig. Sie wollte endlich wieder einmal nur eine Frau sein, die liebte und nicht der Captain, den die Last der Verantwortung für einhundertfünfzig Crewmitglieder manchmal zu erdrücken schien. Sie hob eine Hand und berührte seine Finger auf ihrer Schulter. Langsam und zärtlich strich sie darüber, immer noch um festen Augenkontakt mit ihm bemüht.
"Kathryn...", begann er, wurde jedoch sofort von ihr unterbrochen.
"Bitte, sag jetzt nichts", bat sie ihn mit leiser, fast flüsternder Stimme.
Chakotay hatte das Gefühl, auf Wolken zu schweben, seit Jahren schon sehnte er sich danach, dieser Frau endlich einmal so nahe zu kommen. Nun, endlich beinahe am Ziel seiner Wünsche hatte er Angst, aus einem wundervollen Traum aufzuwachen. Sein Verstand konnte noch nicht verarbeiten, was er gerade erlebte. Er besann sich seiner eigenen Worte und beschloss, nur noch zu fühlen. Denken konnte er später wieder.
Gebannt hingen seine Augen an ihren schimmernden, leicht geöffneten Lippen. Es war ihm nicht möglich, den Blick davon abzuwenden. Wie unter Zwang senkte er langsam seinen Kopf und kam ihrem Mund immer näher. Kathryn hielt still, sie wartete atemlos, auf das, was in wenigen Augenblicken geschehen würde. Nur einen Hauch von ihren Lippen entfernt hielt er inne, er wagte es nicht, diesen letzten Schritt zu gehen. Zu unwirklich erschien ihm alles, er hatte das Gefühl, in Watte gepackt zu sein und das Blut rauschte in seinen Ohren.
Janeway hatte sein Zögern bemerkt und beschloss, ihm entgegen zu kommen. Sie hatte ihn zu oft zurück gewiesen, jetzt musste sie diesen ersten, endgültigen Schritt tun. Sanft berührte sie seine Lippen, die kurz darauf unmerklich vor ihren zurück zuckten. Hatte sie etwas falsch gemacht? Unsicher zog sie ihren Kopf ein wenig zurück und sah ihm fragend in die Augen.
Durch diesen Kuss, der viel zu schnell vorüber war, hatte Chakotay seine Starre überwunden. Fest schloss er sie in seine Arme und näherte sein Gesicht wieder dem ihrigen. Sanft berührte er ihre Lippen und fühlte sofort, wie sie begann, seinen Kuss zu erwidern. Er begann, mit einer Hand ihren Rücken hinauf zu ihrem Hals zu fahren und sie sanft zu streicheln, wobei er mit glücklicher Befriedigung fest stellte, dass sich dort sofort eine leichte Gänsehaut bildete. Immer intimer und leidenschaftlicher küssten sie sich und Kathryn fuhr mit beiden Händen durch seine kurzgeschnittenen Haare. Schon lange hatte sie sich danach gesehnt, diese endlich berühren zu dürfen.
Langsam, beinahe bedauernd, lösten sie sich nach einer Ewigkeit wieder von einander und sahen sich lange und tief in die Augen. Keiner wusste im Moment, was er sagen sollte. Chakotay war es schließlich, der sich überwand und die Stille brach.
"Bitte gehe heute Nacht nicht weg."
Kathryn blickte ihn glücklich an, sie hatte sehnsüchtig darauf gewartet, dass er genau dies sagen würde, und nickte ihm stumm zu. In ihrem Blick war ein wortloses Einverständnis und freudige Erwartung zu lesen.
Der Indianer hob die Frau, die ihm alles bedeutete, hoch und trug sie zu seinem Bett. Während Kathryn ihren Kopf in seine Halsbeuge schmiegte und es genoss, von seinen starken Armen umfangen zu werden, nahm sie sich vor, gleich am nächsten Morgen das Bild von Mark, das noch immer in ihrem Quartier stand, in die hinterste Ecke ihrer Schublade verschwinden zu lassen.

-Ende-
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