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A Decade of Storm: Kapitel 3 - Schattenreich

von Markus Brunner

Kapitel 1

2225 n.Chr.




O
bwohl er es sich nicht ansehen ließ, erschrak Sarek, als die behaarte Bestie knurrend auf ihn zustürmte, die schwarzen Lippen zurückgezogen und die weißen Fänge entblößend. Erstarrt sah der Vulkanier zu dem Tier, das Anlauf nahm, seine Hinterbeine anzog, absprang und die Vorderklauen aggressiv nach vorne ausstreckte, die Krallen entblößend.
Das kleine Hündchen stupste Sarek mit seinen Vorderpfötchen am Knie an und sprang heftig wedelnd vor dem Vulkanier auf und ab.
„Aragorn! Aus!“
Der wedelnde Schwanz verharrte sofort, als der kleine Beagle auf die Stimme seines Herrchens reagierte, zu Admiral Archer sah und schließlich folgsam von Sareks Hosenbein abließ und auf eine Ecke des Büros zusteuerte. Dort angekommen ließ sich Aragorn auf einem großen, weichen Kissen nieder und versenkte seine kleinen Zähne in ein Stofftier, das er daraufhin kräftig durchschüttelte.
„Entschuldigen Sie bitte, Herr Botschafter. Der Kleine ist noch ein wenig ungezogen“, sagte Admiral Archer entschuldigend und deutete einladend auf einen freien Sessel vor seinem Schreibtisch.
Sarek verschloss die Tür von Admiral Archers Büro hinter sich und setzte sich. Er kam nicht umhin, dem Hund in der Ecke einen misstrauischen Blick zuzuwerfen, doch das Tier war viel zu sehr damit beschäftigt, sein Stoffspielzeug zu zerlegen, als dem Besucher weiterhin Aufmerksamkeit zu schenken.
Zwar waren Haustiere – allen voran zahme Sehlats – auch auf Vulkan ein geläufiger Anblick. Doch Sarek selbst hatte nie wirklich begriffen, warum man sich freiwillig eine niedere Lebensform in seiner Nähe wünschen sollte. Selbst zur Bewachung des Hauses oder des Grundstücks rechnete sich die Anschaffung eines Haustiers im Vergleich zu einer fortschrittlichen Alarmanlage nicht. Zumal Eigentumsdelikte auf Vulkan auch nur sehr selten vorkamen. Wirtschaftlich war ein solches Tier also ein reines Verlustgeschäft. Und wenn Sarek diesen kleinen Beagle so betrachtete, zweifelte er auch daran, dass dieser jemals irgendetwas oder irgendjemanden effizient bewachen oder beschützen konnte. Auch wenn Aragorn sehr großen Einsatz dabei zeigte, sein Stofftier zu vernichten, änderte sich dadurch nichts an Sareks Meinung, dass dies ein sehr unlogisches Tier war.
„Also, was führt Sie nach San Francisco, Herr Botschafter? Ich glaube, Sie haben zum ersten Mal um einen Termin bei mir oder überhaupt beim Sternenflottenkommando angesucht.“
„Ja. Vor vier Monaten bereits. Und das nur, weil meine Briefe davor einen Monat lang unbeantwortet geblieben sind. Ein Umstand, der sich in den folgenden vier Monaten nicht verändert hat.“
Sarek bemühte sich zwar um einen sachlichen Tonfall, aber an Admiral Archers subtilen Reaktionen – leicht zusammengekniffene Augen, Stirnrunzeln und leises Zähneknirschen – schloss er, dass er seine Verärgerung nicht ganz aus seiner Stimme hatte verdrängen können. Anderseits war auch am reinen Inhalt seiner Aussage nichts zu beschönigen: Es war ein Vorwurf und er forderte vom Admiral eine Erklärung.
Archer wirkte etwas unentschlossen rieb, nachdenklich seinen schneeweißen Kinnbart und vermied bewusst den direkten Blickkontakt mit dem Botschafter, ehe er schließlich doch antwortete:
„Nun, wir haben im Sternenflottenkommando seit einiger Zeit recht viel zu tun. Trotzdem tut es mir leid, dass Sie so lange warten mussten und dass ich nicht auf Ihre Briefe …“
„Auf meine Protestnoten“, korrigierte Sarek sofort. Die Scheu davor, jemanden mitten im Satz zu unterbrechen, hatte er sich inzwischen abgewöhnt. Er hatte inzwischen die Effizienz dahinter erkannt, Gespräche auf diesem Wege in die gewünschte Richtung zu lenken.
Archer nickte nur bestätigend, sagte aber kein weiteres Wort. Schließlich entschied sich Sarek, die Stille zu brechen: „Und wie sieht Ihre Reaktion nun aus?“
„Oh, ich habe schon längst reagiert. Ich habe für Captain Haskins sofort einen Platz in einer der Reparaturwerften der Starbase XI freigemacht und ihm angeboten, die beschädigten Hangartore der Alesia reparieren zu lassen. Kostenlos natürlich. Soweit ich weiß, hat er dieses Angebot bereits in Anspruch genommen.“
„Und das ist alles?“
„Ja, das ist alles“, sagte Archer und ließ dabei keinen Funken Reue erkennen.
„Dann bleibt die Sabotage meiner diplomatischen Mission durch drei Offiziere der U.S.S. Kelvin also gänzlich ungeahndet?“
„Sabotage sehe ich hier keine, Herr Botschafter. Die drei haben sich zwar gegen Ihre Anweisungen nach Tagus III begeben, aber genaugenommen standen sie nicht unter Ihrem Kommando und waren nicht Teil Ihrer diplomatischen Mission. Sie selbst haben doch darauf hingewiesen, dass es sich um getrennte Missionen handelte und deshalb den Offizieren überhaupt gestatteten, an Bord der Alesia zu kommen.“
„Trotzdem ist nicht zu leugnen, dass sie beinahe eine diplomatische Katastrophe ausgelöst hätten“, erwiderte Sarek. Ihm war natürlich bekannt, dass die Aktionen der Sternenflottenoffiziere auf Tagus III im letzten Jahr als solche unerkannt geblieben waren. Trotzdem hätte alles auch schlimmer enden können und diesen Ausgang hätte Sarek zu verantworte gehabt.
„Hören Sie“, begann Archer langsam. „Die Sternenflotte hat derzeit Hunderte Raumschiffe im Weltraum. Und jedes einzelne davon ist potentieller Verursacher einer diplomatischen Katastrophe. Soll ich sie deshalb alle in sichere Häfen zurück beordern? Vielleicht habe ich als Sternenflottenadmiral, der auch für die Missionsplanung der neuesten Tiefenraumschiffe der Flotte zuständig ist, einen etwas anderen Blickwinkel als Sie, Herr Botschafter. Aber ich bin einfach nur froh darüber, dass während dieses Einsatzes nichts passiert ist und die negativen Konsequenzen vernachlässigbar gering sind.“
„Ich hätte Sie anders eingeschätzt“, sagte Sarek und versuchte enttäuscht zu klingen.
„Vor ein paar Jahrzehnten hätte ich vermutlich ähnlich reagiert wie Sie. Mir alle schlimmen Konsequenzen ausgemalt und nur darauf bedacht gewesen, keinen Fehler zu machen. Inzwischen habe ich aber kapiert, dass man sich als Admiral – oder in jeder übergeordneten Führungsposition, in der man nicht mehr jeden Handgriff selbst ausführen oder zumindest überwachen kann – nicht zu viele Sorgen machen darf. Das macht einen sonst wahnsinnig.“
Sarek lag eine spitze Erwiderung auf der Zunge, aber er schluckte die unausgesprochenen Worte runter und ließ Archer weiterreden:
„Vor eineinhalb Jahren, beim Jungfernflug der Kelvin, habe ich den Fehler gemacht, einem Captain bei seiner Arbeit über die Schulter zu blicken und ihm in seine Entscheidungen reinzureden. Das Ergebnis war, dass er es nicht mehr ausgehalten und mich betäubt hat. Nein, ich habe gemerkt, dass es wirklich besser ist, wenn ich gar nicht so genau weiß, was da draußen im Weltall vor sich geht. “
„Sie haben sehr großes Vertrauen in Ihre Offiziere. Aber verdienen sie es auch?“
„Das mache ich heute nur noch von den Ergebnissen abhängig“, sagte Archer, nun breit lächelnd. Er hatte damit abermals darauf hingewiesen, dass er nur an den tatsächlichen und nicht den möglichen Konsequenzen interessiert war. Und Sarek kam zu dem Schluss, dass er den Admiral heute nicht dazu bringen konnte, diese Einstellung zu überdenken.
„Ich schließe daraus, dass Sie mit dem Ergebnis zufrieden sind und Commander April, Lieutenant Giles und Corporal D’Sass keine Verfehlungen vorgeworfen werden? Ebenso wenig wie Captain Robau, der deren Mission genehmigt hatte?“
„Keinesfalls“, antwortete Archer und sein Lächeln schien von Sekunde zu Sekunde breiter zu werden. Sarek hegte den Verdacht, dass Archer den genannten Offizieren wohl am liebsten einen Orden für besondere Verdienste anstecken würde, nur um den vulkanischen Botschafter zu ärgern und ihm eine emotionale Reaktion zu entlocken. „Tatsächlich habe ich deren Aktionen als Teil einer Aufklärungsmission eingestuft. Wir haben einiges erfahren. Und Sie dürfen auch nicht vergessen, Botschafter, dass auch Sie von diesen neugewonnenen Informationen profitiert haben.“
„Ja. Ich habe insofern profitiert, dass ich nun weiß, warum meine Verhandlungen mit der tagusianischen Regierung gescheitert sind. Vielen Dank“, sagte Sarek kühl. Er verzichtete darauf zu erwähnen, dass für das Scheitern der Verhandlungen ebenfalls ein Sternenflottenoffizier indirekt verantwortlich war: George Kirk, der sich leider einen denkbar schlechten Moment ausgesucht hatte, um aus tagusianischer Gefangenschaft zu entkommen, nur um anschließend in klingonische Gefangenschaft zu geraten.
„Auch vielen Dank für Ihre Zeit, Admiral. Ich bin sicher, Sie haben dringendere Angelegenheiten zu erledigen, als sich meine Beschwerden anzuhören.“
„Sie sind mir immer willkommen, Botschafter. Aber Sie haben natürlich recht, ich sollte zurück ins Planungszentrum. Die Klingonen veranstalten momentan im Laurentianischen Graben eine Art Autokorso. Das ist einen genaueren Blick wert.“
Sarek hatte keine Ahnung, was ein Autokorso war, er verzichtete aber auf eine entsprechende Frage und erhob sich. Erst jetzt stellte er fest, dass er zwei braune Erdflecken an seinem Hosenbein hatte. Genau dort, wo Admiral Archers Beagle sich mit seinen Pfoten gegen ihn gelehnt hatte. Als ob der Hund die Gedanken des Botschafters gelesen hätte, sah dieser zu ihm und machte einen ganz besonders unschuldig wirkenden Gesichtsausdruck mit tief gesenktem Kopf und weit nach oben gerollten, großen Augen.
Archer begleitete den Botschafter noch bis zu Tür: „Ich hoffe, Sie sind nicht extra wegen dieses Termins von Vulkan zur Erde geflogen. Machen Sie doch noch ein bisschen Sightseeing und besuchen Sie das Big Sur Aquarium. Oder den Grand Canyon. Der ist klasse. Das ist ein Canyon in Arizona. Der ist … groß.“
Mit diesen Worten schob der Admiral den vulkanischen Botschafter über die Türschwelle und schloss die Tür. Sarek hörte noch, wie hinter der geschlossenen Tür Archer zu seinem Hund sagte:
„Und wir reden jetzt mal ein ernstes Wörtchen über richtiges Benehmen wenn Besuch kommt.“
Der Admiral erhielt ein bestätigend klingendes Jaulen als Antwort.

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Raan sah sich selbst. Er erblickte seine eigene hagere Gestalt, wie sie durch einen Korridor lief und sich vom Kommandozentrum seines Flaggschiffs entfernte. Er wollte sich am liebsten selbst zurufen, dass er so etwas mitten in einer Gefechtssituation nicht machen durfte, aber seine warnenden Worte an sein anderes Ich erklangen erst gar nicht. Er war nur teilnahmsloser Beobachter des Geschehens.
Der andere Raan lief zu einem großen, achteckigen Fenster und blickte in die Nacht hinaus. Sein Flaggschiff war vor wenigen Minuten gelandet und ragte nun mehrere hunderte Meter wie ein Turm mächtig in die Höhe. Zwei weitere genauso große Schiffe waren links und rechts des Flaggschiffs gelandet und wiesen den Flüchtlingen wie Leuchttürme den rechten Weg während um sie herum Krieg herrschte. Raan blickte hinab zu den heruntergekommenen Gebäuden und dem brüchigen Schutzwall, den die Waffen seines Schiffes in diesen desolaten Zustand versetzt hatten. Über die Trümmer des Walls kletterten Hunderte, nein, Tausende. Sie entflohen ihrem Gefängnis, dem Ghetto, zu dem ihre einstige Heimat geworden war. Auf ihrem Weg zu den rettenden Archen wurden sie geschützt von durch einen weit ausgedehnten Energieschild, der selbst den Beschuss durch Raketen standhielt. Und davon wurden im Moment nicht gerade wenige auf die drei großen Raumschiffe abgefeuert.
Doch die Gegenwehr kam nicht nur von außerhalb des Energieschilds. Es hatte sich nicht vermeiden lassen, dass auch Feinde in die glühende Energiekuppel, die über den Raumschiffen und den nahen Gebäuden lag, eingeschlossen wurden. Und so kamen Granatwerfer und Sprengmunition gegen die gepanzerte Außenhülle des Flaggschiffs zum Einsatz und sorgten für ein beständiges Zittern des Bodens unter Raans Füßen. Er machte sich aber um den Zustand der gelandeten Schiffe keine Sorgen. Die eingeschlossenen Soldaten hatten nichts bei sich, das stark genug war, um die Antriebe oder die Schildgeneratoren zu beschädigen. Aber sie hatten die Macht, die Flüchtlinge für ihren Ausbruchsversuch aus dem gesicherten Gelände mit tödlicher Konsequenz zu bestrafen. Vom Fenster aus, hunderte Meter über dem Erdboden, konnte Raan keine Details erkennen, aber er sah eindeutig das Blitzen an den Läufen der halbautomatischen Waffen, die der Feind verwendete. Die Schleusen der drei Raumschiffe, durch die die Flüchtlinge ins Innere gelangen konnten, wurden zwar von Raans Leuten abgesichert, aber sie konnten nicht die ganze Strecke bis zum Ghetto sichern, dafür waren sie zu wenige. Der Weg war vielleicht einen halben Kilometer lang, aber tödlich für jene, denen die Dunkelheit der Nacht nicht genug Schutz bot.
Raan schlug zornig mit der Faust gegen das Fenster.
Und dann fiel er aus drei Meter Höhe in die Tiefe und schlug mit dem Rücken schmerzhaft auf.
Ihm wurde nun bewusst, dass er nur geträumt hatte und rieb sich die Augen. Er sah zur Decke hoch. Vor einiger Zeit hatte es sich Raan angewöhnt, von der Decke herabhängend zu schlafen. Doch dieser äußerst lebhafte und real wirkende Alptraum hatte ihn dazu verleitet, seinen Halt zu lockern. Raan verschwendete keine Sekunde an den Gedanken, sich zur Sicherheit doch eine Matratze zuzulegen, sondern stürmte aus seiner Wohnung. Er rannte den langen Korridor entlang und klopfte heftig gegen drei Türen. Nach und nach traten seine dahinter wohnenden Kollegen und gleichzeitig besten Freunde ebenfalls in den Korridor. Zwei von ihnen schien Raan aus den Schlaf gerissen zu haben. Lediglich Nosak wirkte hellwach und in seinen gelben Augen zeigten sich Entschlossenheit. Er schien bereits eine Ahnung zu haben, weshalb Raan sie alle geweckt hatte und seine Muskeln spannten sich an, was an seinem nackten Oberkörper deutlich ersichtlich war.
„Wir schlagen zu“, verkündete Raan und erklärte seinen drei Freunden, wie sie vorgehen mochten. Gagral und Osass waren mit einem Schlag hellwach, sahen aber nicht besonders begeistert aus. Doch sie widersprachen nicht. Sie alle gingen wieder in ihre Wohnungen zurück nur um sich keine drei Minuten später wieder im Korridor zu treffen. Diesmal waren sie alle vollbekleidet, trugen jeweils eine Handfeuerwaffe am Gürtel und hielten lange Dolche in ihren Händen.
„Wir haben so viele Opfer erbringen müssen, ehe wir unsere neue Heimat fanden. Und wir lassen sie uns jetzt nicht mehr wegnehmen“, schwor Raan seine Freunde ein und geschlossen marschierten sie schnellen Schrittes zum nächsten Transportwagon.
„Tu es nicht“, flüsterte eine innere Stimme Raan zu. „Du machst einen großen Fehler!“
Vielleicht mochte sich herausstellen, dass er besser auf seine innere Stimme gehört hätte. Doch genau jetzt war Raan davon überzeugt, dass die innere Stimme nicht immer automatisch auch die Stimme der Vernunft sein musste. In diesem Fall glaubte er, dass nur das vernünftig war, was er vorhatte. Heute würde Blut fließen und das nicht zu knapp. Und das hielt Raan für eine gute Sache.
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