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Die Amazone

von Die Katze mit Krawatte

Kapitel 3

Sämtliche anwesende Besatzungsmitglieder der Enterprise wechselten Blicke.
„Ein Mann?“, fragte Picard überrascht, als hätte er sich verhört. Doch dann fasste er sich. „Ich bedauere, Königin, das wird nicht möglich sein. Niemand von uns wird zurückgelassen.“
Ihre Miene war ausdruckslos, die einzige Bewegung in dem braunen Gesicht waren die Lichtreflektionen in den bunten Augen.
„Dann habe ich zu bedauern, dass Sie kein P-Platin bekommen… werden.“
La Forge im Hintergrund wurde unruhig; er wusste, wie dringend sie es brauchten. Und er fand die Forderung reichlich menschenverachtend. Ehrlich gesagt fühlte er sich sogar persönlich angegriffen. Die Vorstellung, er würde selbst wie ein Objekt eingetauscht werden, war für ihn ziemlich unangenehm.
„Wollen Sie etwa noch mehr Männer, die sie als Sklaven halten?“, verlor er dementsprechend die Beherrschung.
„La Forge!“, rügte Picard. Es würde ihnen nicht helfen, wenn das Temperament mit ihnen durchging.
Doch Louesque zeigte noch immer kaum erkennbare Emotionen. Stattdessen erhob sie sich (Yars Hand zuckte zu dem Phaser) und umging den Tisch, um sich direkt vor Geordi La Forge zu stellen.
„Was ist das?“, wollte sie aber nur wissen und fuhr mit ihrem Blick über den VISOR.
„Es hilft mir dabei zu sehen“, erklärte der Blinde, man hörte die Unsicherheit in seiner Stimme.
„Sie sehen nicht.“
Eine Feststellung, keine Frage.
Dann trat sie vor Data.
„Einer… jemand wie Sie wurde in unseren Chroniken beschrieben“, erzählte die Amazone. „Weiß. Gleich. Genannt wurde er… lebendiger Tod. Toter. Kalter Lebender.“
Der Android sah etwas verwirrt zu Picard und entging damit Louesques durchdringendem Blick. Noch ehe der Captain eingreifen konnte, sprach die Königin aber wieder zu La Forge.
„Männer sind bei uns nicht… sie müssen nicht alles machen.“ Sie sprach mit einer festen Stimme. „Die Frauen jagen, regieren. Um die Kinder kümmern sich beide. Männer sorgen für Sicherheit in Haus und Dorf. Sie sind gekränkt in ihrer Ehre, wird ihnen die Aufgabe abgesprochen, oder wenn sie nicht helfen können. Es ist eine Verletzung der m-männlichen Ehre. Sie leben mit uns, wir teilen mit ihnen, sie sind unsere Freunde und Teil… der F-Familie. Wir lieben sie“, sagte sie zum Abschluss.
La Forge war ziemlich sprachlos im Angesicht der ernsten rede. Louesque hatte einen ruhigen, intensiven Ton in ihren Worten, in allem, was sie sagte. Deshalb konnte auch Picard ein paar Sekunden nicht protestieren.
Still und in einem würdevollen Gang kehrte sie zurück zu ihrem Stuhl.
„Captain Picard“, sagte sie nun etwas lauter.
„Ja?“
Sie streckte ihren Arm aus und deutete mit dem Zeigefinger auf Data.
„Er.“
Data hob die Augenbrauen, doch er verstand. Jean-Luc Picard stand auf, und befand sich nun direkt vor Louesque, die ihn ein Stück überragte.
„Es tut mir leid, doch Lieutenant Commander Data ist für die Enterprise unentbehrlich, so wie jeder unserer Besatzung.“
Die große Frau legte den Kopf schief, lieferte sich mit dem Mann eine Art Blickduell. Beide hatten einen starken Willen, beide ruhten in sich selbst. Mit Spannung beobachteten La Forge, Yar, Data und Troi, was vor sich ging. Vor allem Troi merkte genau, was geschah. Allein schon an Louesques Gesicht war abzulesen, dass sie nicht einknicken würde. Und wer den Captain kannte, wusste, dass auch er hier nicht nachgab.
Ein Lächeln, leicht wie Frühlingsstrahlen, legte sich auf das ansonsten seriöse Gesicht.
„Man kann bestimmt eine Einigung bekommen“, meinte sie. „Sie können zu ihrem Schiff zurückkehren und sich entscheiden, Captain.“
Auf einmal ertönten von draußen Rufe, Schreie, laute Befehle, ein tiefes Grollen.
Louesque sprang mit einem Mal um den Tisch und rannte durch das Kraftfeld, als wäre es nicht da. Mit dem deutlichen Gefühl, dass sich in mehrfacher Hinsicht Gefahr anbahnte, folgten die fünf.
Draußen bot sich ein lautes Spektakel.
Zwei Dutzend weibliche und männliche Amazonen standen im Kreis und in Kampfstellung um ein gigantisches Tier. Von den Steintreppen schossen andere Männermit wunderschön geschnitzten Bögen auf das besagte Wesen. Es sah aus wie ein Raubtier. Gebleckte Fangzähne, zwischen denen Speichel auf den Boden tropfte, braunschwarz geschecktes Fell, vier Pfoten, deren lange Krallen sich in die Erde bohrten, während es knurrte.
„Horrschen! Kiotschuck!“, rief Louesque erbost und sprintete zu ihrem Thron, wo sie einen Speer hervorzog, wie ihn auch die anderen Amazonen gegen das Tier richteten.
Picard, Yar, Data und La Forge zogen die Waffen.
„Phaser auf Betäubung!“, befahl der Captain.
„Nein!“, brüllte die Königin der Amazonen den Gästen zu und zischte etwas in Richtung des Lebewesens.
Kinder verschiedenen Alters, die vorhin noch nicht da gewesen waren, standen und sprangen auf der höchsten Stufe der Treppe und schrien motivierend mit ihren hellen Stimmchen die Erwachsenen an.
Nichts passierte. Alle standen nur da und brüllten, fuchtelten mit den Waffen. Nicht ein einziger Bogenschütze hatte es getroffen. Der Lärm schwoll an, immer weiter, immer höher, schwebte in der warmen, feuchten Luft. Die Spannung war zum Zerreißen, jeder Mensch spürte es in der Magengrube.
Dann geschah etwas, das jeden außer den Einheimischen verblüffte, wenn nicht erschreckte.
Aus den fast schon schäumenden Lefzen des Tieres sprangen rosafarbene Wesen von labbriger Konsistenz, die nichts zu besessen schienen als ihr weit aufgerissenes, schwarzes Maul und den schleimigen Körper, mit dem sie sich vorwärtsrollten.
„Was ist das?“, fragte Tasha schockiert, als das Raubtier in diese anderen Wesen zerfiel.
Aus den dunklen Mündern drangen kreischende Laute, wild durcheinander, was den Krach noch unerträglicher machte.
Aus einem plötzlichen Impuls heraus schoss Yar mit ihrem Phaser in die Menge an Dingern, weil die Amazonen scheinbar nichts unternahmen.
Sie traf eins.
Innerhalb weniger Sekunden zerplatzen die Wesen erneut, eins nach dem anderen-und lösten sich ins Nichts auf.
Die Dorfbewohner drehten sich zu den Raumfahrern um, manche langsam, manche schnell. Einige flüsterten mit bösartig gesenkten Stimmen. Die meisten schwiegen einfach, doch die Schwingungen waren eindeutig.
Louesque Xcharades stand da, ihre luftigen, weißen Kleider zuckten durch den aufkommenden Wind. Die metallene Spitze ihres Speeres steckte im Boden, darum befand sich aufgewühlter Sand. Sie tat nichts, stand nur ohne jegliche Emotion auf dem dunklen Gesicht da und blickte auf die Menschen und den Androiden. Während um sie herum ein Zischen wie in einem Bienenstock anschwoll. Dann erst kam sie auf sie zu.
„Das war eine W-Warnung, vom Nachbarstamm. Es hätte vertrieben werden müssen. Die Vernichtung bedeutet… Kampf“, meinte sie in einem monotonen Tonfall, fuhr mit ihren Augen über jedes einzelne Gesicht, wie um sicherzugehen, dass sie verstanden, wie schwerwiegend das war.
„Krieg“, verdeutlichte sie.

Die Menschen waren auf das Weltall-Ding zurückgekehrt, das sie Raumschiff nannten. Damit war das Wichtigste getan- sie waren weit weg von uns. Obwohl sie sich noch immer im Orbit befanden.
Ich selbst befand mich später in meiner Hütte, saß an dem Tisch und starrte die Wand mir gegenüber an, denn ich brauchte eine Weile, um meine Gedanken zu sortieren.
Dass die Menschen das Fjuwaredemis vernichtet hatten, war äußerst unerfreulich. Wir waren einem erneuten Kampf mit dem Nachbarstamm eine lange Zeit aus dem Weg gegangen, nun war das nicht mehr möglich. Doch es beunruhigte mich weniger als die Probleme, die jetzt innerhalb unseres Stammes auf mich zukamen.
„Königin!“, hörte ich eine mir bekannte Stimme.
Omnicen trat durch die Tür, verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken und verbeugte sich, während sie eine Begrüßung murmelte. Dann richtete sie sich auf, trat näher an meinen Tisch.
„Was kann ich für dich tun, Schwester?“, fragte ich sie.
„Ich bin gekommen, um über die Fremden zu sprechen.“
Sie setzte sich, und ich spürte, wie sich mein Herzschlag beschleunigte.
Omnicen war nicht höher gestellt als die Ältesten oder ich, doch beim Königsspiel, bei dem die neue Königin gewählt wurde, hatte ich nur knapp gewonnen. Nur die Entscheidung der Ältesten und die Tatsache, dass ich eines der Kinder der vormaligen Königin war, hatte bestimmt, dass ich es würde. Doch Omnicen war mir in keinster Weise unterlegen, und so war sie immer die erste, die Fehler ansprach. Genau wie jetzt.
„Sprich“, forderte ich auf.
Sie zögerte, senkte ihre Augenlider.
Ihr Gesicht war hübscher als meines. Runder, weicher. Ihre Locken waren vollkommen. Und ihre Augen waren auch runder als meine, ohne das spitzere Zulaufen des Augenwinkels.
Omnicen blickte auf.
„Die Fremden“, sagte sie knapp. „Alle denken, sie hätten nicht herkommen dürfen. Wir hätten sie töten sollen. Wenn sie hier sind, stehen wir nicht mehr unter dem Schutz der Götter. Sie haben das Fjuwaredemis vernichtet mit ihren Lichtwaffen.“
Ich sah sie nur an, dachte nach.
„Du sprichst wahr, Schwester“, stimmte ich zu. „Doch die Fremden bringen einen kalten Lebenden, der wertvoll ist. Er verbleibt ewig, und auch ewig in unserem Stamm. Den Konflikt können wir lösen, doch der kalte Lebende bliebe uns.“
„Er ist weiß“, spie sie, langsam spürte ich Wut in ihr. „Er sieht niemals die Sonne, nur der eine. Und sie haben keine Klingen, es sind ehrlose Geschöpfe, Königin- so jemanden können wir nicht hier behalten!“
„Mäßige dich.“
„Wie könnte ich? Sie haben uns einen Krieg gebracht!“
Ich schlug mit beiden Händen auf den Tisch. Der Knall brachte sie zum Schweigen.
„Falls du es vergessen hast“, zischte ich. „Ihre Waffen haben funktioniert. Die Götter haben sie nicht aufgehalten, wie beim letzten Mal. Sie wollen den Krieg. Ansonsten hätten sie es verhindert. Deshalb solltest du aufhören zu reden wie eine Ehrlose, Schwester. Wir werden damit fertig werden. So wie wir die letzten Kriege ebenfalls bewältigt haben. Und nichts könnte einen endgültigen Bruch mit dem Nachbarstamm herbeiführen, dafür sorgt Gez. Wir sind alle Schützlinge der Götter, alle, die wir auf diesem Planeten leben.“
Wir sahen uns in die Augen, sie atmete tief durch.
Ich hatte soeben ihre Gläubigkeit angegriffen, und ich wusste, dass das ein Fehler gewesen war. Omnicen galt als eine der gottesfürchtigsten Amazonen in unserem Stamm, sie lebte ein perfektes Leben. Von jedem kam ihr Respekt zu. Sie war eine der wenigen, die vier Kinder innerhalb von vier Sonnen- und Regenzeiten ausgetragen hatte.
Omnicen erhob sich, die Fingerspitzen auf der Tischplatte. Sie atmete tief ein und aus, und ihr Blick haftete an mir.
„Sie hätten nicht landen dürfen“, sagte sie beherrscht. „Wir hätten sie der Tradition nach umbringen sollen.“
„Du denkst begrenzt, Schwester. Es würden nur andere kommen, und sie hätten uns vernichtet.“
„Nicht mit den Göttern auf unserer Seite, Königin. Und langsam fragt sich der Stamm, ob du genauso noch dort stehst.“
Ein klammes Gefühl machte sich bei mir breit, meine Vorahnungen waren bestätigt.
„Mein Herz und meine Seele gehören jedem Bruder und jeder Schwester, jedem Kind, jedem Ältesten und jedem Gott. Das wird sich niemals ändern“, entgegnete ich erhaben, doch ich sah, dass sie mir nicht glaubte.
„Sei vorsichtig, Königin“, gab sie nur zurück. „Sei vorsichtig.“
Wir verabschiedeten uns von einander, dann verließ sie mein Haus.
Ich schloss die Augen, nachdem sie gegangen war, faltete die Hände auf meinem Schoß. Sie hatte ihre Warnung nicht ernst gemeint, das hatte ich gehört. Der Wunsch in ihrem Herzen hatte auf dem Gesicht gestanden, ihr Misstrauen und ihre Abneigung gegen mich. Sie wollte nicht, dass ich vorsichtig war. Alles, was sie wollte, war, dass ich wieder gegen die Tradition verstieß.
Ich musste mit den Menschen sprechen.
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