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Zweifel

von Brigitte

Kapitel 2

*****

Die weiße Gondel fuhr langsam über den ruhigen Canale Grande. Bequem lehnten sich die beiden ranghöchsten Offiziere der Voyager auf der mit weichen Kissen ausgestatteten Sitzbank zurück und genossen die warme Sonne und den Blick auf die wundervollen alten Gebäude in Venedig. Aus einem kleinen Radio erklang leise, romantische Musik. Janeway und Chakotay hatten ihre Uniformen gegen leichte Sommerbekleidung in freundlichen Farben ausgetauscht. Hinter ihnen stand der Gondoliere in seiner für diesen Berufszweig typischen Aufmachung und lenkte das kleine Schiff sicher durch die Wasserstraße der italienischen Lagunenstadt. Als der Indianer sich kurz zu ihm umdrehte, zwinkerte ihm der Mann verschwörerisch zu.
Kathryn hielt ihr Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne entgegen und ließ die warmen Strahlen auf sich wirken. Sie fasste nach einer Weile nach Chakotays Hand und drückte sie sanft.
"Ich danke Ihnen vielmals."
"Wofür?", fragte er zurück und blickte die Frau, die ihm so viel bedeutete, verträumt an.
"Dafür, dass Sie mir zugehört haben und mir halfen, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Ich glaube, Sie hatten Recht, als Sie mir sagten, meine Selbstvorwürfe sind falsch. Aber ich lebe nun schon so lange damit, es ist nicht so einfach, all das hinter mir zu lassen. Ein gewisser Zweifel bleibt immer noch."
"Kathryn", der Indianer erwiderte den Händedruck und streichelte mit dem Daumen sanft über ihren Handrücken, "sprechen Sie mit der Crew und sehen Sie ihnen dabei in die Augen, Sie werden auch nicht die leisesten Zeichen eines Vorwurfs finden. Sie sind nicht schuld, dass wir hier sind. Die Verantwortung hierfür trug einzig und allein der Fürsorger, den jedoch niemand mehr zur Rechenschaft ziehen kann."
Janeway spürte Wärme in sich aufsteigen, die streichelnden Bewegungen von Chakotays Daumen auf ihrer Hand lösten angenehme Empfindungen in ihr aus. Sie hoffte, er würde damit nicht so schnell wieder aufhören. Diese romantische Umgebung, begleitet von der leisen italienischen Musik und das sanfte Schaukeln der Gondel sorgten dafür, dass Kathryn nach einiger Zeit alle Probleme vergaß und einfach nur die Anwesenheit ihres Ersten Offiziers genoss. Sie schloss die Augen und ließ die Eindrücke noch tiefer auf sich wirken. Ihre Sorgen waren wie weggewischt, sie dachte nur noch über den Mann neben sich nach und versuchte zu ergründen, wie viel sie für ihn empfand.
"Kathryn", unterbrach der Indianer plötzlich ihre Überlegungen, "haben Sie mir überhaupt zugehört?"
"Ja, natürlich", antwortete sie ihm und öffnete die Augen, um ihn anzusehen, "Sie haben vermutlich Recht, aber ich bin der Typ Mensch, der immer zuerst die Schuld bei sich selbst sucht. Ich denke, das bringt auch die Last der Verantwortung mit sich. Ich werde mir Ihre Worte und Ratschläge zu Herzen nehmen und versuchen, in Zukunft unsere Lage aus einem positiveren Blickwinkel zu sehen."
"Gut", antwortete er lediglich und lächelte sie an.
Kathryn konnte ihren Blick nicht mehr von seinem Mund lösen. Diese sinnlichen Lippen, wie gerne würde sie sie wenigstens mit den Fingerspitzen berühren. Eine derartige Aktion würde sie jedoch nie wagen, zuviel Angst war in ihr, von ihm abgewiesen zu werden. Obwohl, überlegte sie, eigentlich war es das Risiko wert, eines Tages würde sie es vielleicht versuchen.
"Chakotay?"
"Ja?"
"Ich möchte Ihnen danken."
"Schon wieder?", er musste schmunzeln, "wofür denn dieses Mal?"
"Dafür, dass Sie jeden Tag für mich da sind und oft ohne Worte wissen, was zu tun ist. Dafür, dass Sie den Mut haben, mir Ihre Meinung zu sagen, wenn ich falsch liege. Dafür, dass Sie mein Freund sind, ohne den ich die Last der Verantwortung nicht mehr tragen könnte. Ich bin froh, dass es Sie gibt und dass das Schicksal uns zusammen geführt hat."
Die Augen des Indianers begannen förmlich zu erstrahlen, als er ihre Worte vernahm, er drückte ihre Hand kurz und löste dann seine Finger von den ihren. Langsam und vorsichtig, als würde er etwas Verbotenes tun, legte er seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie leicht an sich. Kathryn lehnte ihren Kopf vertrauensvoll an ihn und schloss die Augen. "Ich möchte mit niemand anderem hier sein, als mit Ihnen."
Ehe Chakotay antworten konnte, erloschen plötzlich alle Lichter und es war auf dem Holodeck genauso dunkel, wie außerhalb des Schiffes in dem Teil des Universums, den die Voyager gerade durchflog.


*****

Hell strahlten die Sterne im Weltall und ließen die Crew des einzigen Sternenflottenschiffes im Deltaquadranten neue Hoffnung schöpfen. Nach der Zerstörung des Frachters der Malon hatten sie den Raumwirbel erfolgreich passieren können und waren wieder in einer dicht besiedelten Region des Universums angekommen. Die Anomalie war kollabiert und Kathryn Janeway konnte sicher gehen, dass diese Umweltsünder niemals mehr ihren Antimaterieabfall in dieser Region des Raumes abladen konnten, was den unvermeidlichen Tod der dort lebenden Spezies zur Folge gehabt hätte. Sie musste mit leichter Beschämung zugeben, dass ihre Mannschaft im Recht war, als sie sich geschlossen gegen sie gestellt und sie darin gehindert hatte, zum Wohl des Schiffes allein in der Leere zurück zu bleiben. Sie hatten in gemeinsamer Zusammenarbeit einen Weg gefunden, ihre Probleme erfolgreich zu lösen. Es war eine gute Crew, auf die sie stolz sein konnte.
Jedoch blieb in ihr immer noch ein leiser Zweifel, ob sie damals wirklich richtig gehandelt hatte, als sie die Phalanx des Fürsorgers zerstört hatte. Chakotay meinte zu ihr, sie solle mit der Crew reden und ihre Meinung dazu hören, dann würde sie endgültig davon überzeugt sein, keinen Fehler begangen zu haben. Kathryn wollte jedoch nicht die gesamte Mannschaft versammeln oder sie alle einzeln befragen. Sie fand eine bessere Lösung. Stellvertretend für die einhundertfünfzig Personen, die sich an Bord ihres Schiffes befanden, begann sie, eine Person, die ihr geeignet erschien, auszuwählen, um eine ehrliche Antwort zu erhalten. Ein Crewman, der die Akademie der Sternenflotte erfolgreich absolviert hatte, erschien ihr ungeeignet, da diese Leute darauf trainiert waren, die Anordnungen und Befehle ihres Captains, ohne zu hinterfragen zu befolgen. Von diesen Personen konnte sie keine für sich überzeugende Antwort erwarten. Nein, es musste jemand anderes sein, dessen Wurzeln zwar im Alphaquadranten tief verankert waren, der ihr aber unvoreingenommen entgegen treten konnte.
Der Captain der Voyager erhob sich aus seinem Sessel in der Kommandozentrale des Schiffes und ging in Richtung Bereitschaftsraum. Sie drehte sich auf ihrem Weg noch einmal kurz um. "Commander Chakotay, Sie haben die Brücke."
"Aye, Captain", antwortete der Erste Offizier und lächelte sie freundlich und warm an.
"Lieutenant Ayala", begann Kathryn erneut und wandte sich an den schwarzhaarigen ehemaligen Maquis, der seine Station neben der OPS bediente, "bitte kommen Sie in meinen Bereitschaftsraum."
Sofort machte sich der Angesprochene nach einem kurzen Kopfnicken auf den Weg, um seinem Captain zu folgen. Chakotay sah überrascht zu Kathryn und dann zu Ayala, dann wurde ihm klar, was sie beabsichtigte, er lehnte sich zufrieden in seinem Sessel zurück und begann, auf seiner Kommandokonsole aktuelle Daten abzurufen.



"Bitte, setzen Sie sich doch." Janeway wies mit einer Hand auf den Stuhl vor ihrem Arbeitstisch. Lächelnd betrachtete sie den jungen Mann vor sich, der etwas unsicher wirkte. "Möchten Sie eine Tasse Kaffee?"
"Nein danke, Captain." Ayala nahm Platz und überlegte fieberhaft, welchen Grund es wohl geben könnte, dass er vom Captain in den Bereitschaftsraum zitiert worden war. So sehr er sich auch das Gehirn zermarterte, ihm fiel nichts ein, was er falsch gemacht haben könnte. Diese Erkenntnis beruhigte ihn zwar ein wenig, aber ein leicht nervöses Gefühl in seiner Magengegend blieb dennoch. Er verknotete seine Hände ineinander und wartete gespannt, was da auf ihn zu kommen würde.
Kathryn ging zu ihrem Replikator und bestellte sich ihr Lieblingsgetränk, bevor sie hinter dem Schreibtisch Platz nahm. Schweigend trank sie einen Schluck und musterte über den Rand der Tasse den ehemaligen Maquis. Sie war sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben, er würde ihr ehrliche Antworten geben.
"Lieutenant", begann sie mit betont freundlicher und sanfter Stimme, "wie gefällt Ihnen das Leben und Ihre Arbeit hier an Bord der Voyager?" Janeway hatte beschlossen, das Gespräch zwanglos zu beginnen, um dann vorsichtig zu ihrem eigentlichen Anliegen überleiten zu können.
"Sehr gut, Captain", antwortete dieser, ohne zu zögern, "meine Tätigkeit hier bereitet mir ausgesprochen viel Freude und ich bin stolz darauf, in Commander Tuvoks Sicherheitsteam mitwirken zu dürfen."
"In den taktischen Berichten werden Sie immer nur lobend erwähnt, Tuvok beschreibt Sie als absolut zuverlässig und vertrauenswürdig. Anfangs war er sogar überrascht, dass Sie sich so schnell an die Vorschriften der Sternenflotte gewöhnt haben. Vielen Ihrer ehemaligen Kollegen vom Maquis ist das leider nicht so leicht gelungen." Kathryn beschloss, langsam auf den Grund ihres Anliegens zu kommen. "Aber ich weiß auch, dass Sie die Heimat vermissen." Sie sah ihn freundlich, jedoch auch forschend über den Rand ihrer Kaffeetasse an, die sie noch nicht abgesetzt hatte.
Ein wehmütiger Zug huschte über das Gesicht des sympathischen Mannes. "Ja, das stimmt, Captain. Ich habe eine Frau und zwei Kinder, meine Familie fehlt mir sehr. Aber ich weiß, ich werde sie eines Tages wiedersehen." Ayala hatte sich schnell wieder gefangen und versuchte, in seinen Ausdruck Zuversicht zu legen.
"Was macht Sie so sicher?", fragte Kathryn nach.
"Sie, Captain, ich weiß, dass Sie die Voyager und uns alle gesund nach Hause bringen werden, so wie Sie es uns am Anfang versprochen haben. Inzwischen haben wir schon einen großen Teil des Weges zurück gelegt, weitaus mehr, als wir noch vor vier Jahren gedacht hätten. Wenn es so weiter geht, sind wir in einigen Jahren zurück auf der Erde und ich werde dann meine beiden Söhne wieder in die Arme schließen können."
"Sie versäumen die wichtigste Zeit in der Entwicklung Ihrer Kinder, sie werden wahrscheinlich erwachsen sein, bis wir zurück im Alphaquadranten sind, falls wir es wirklich schaffen", setzte sie noch mit leichtem Zweifel in der Stimme zu. "Macht Sie das nicht manchmal traurig oder wütend?"
"Captain, darf ich ganz ehrlich zu Ihnen sein?" Ayala war inzwischen etwas lockerer geworden, das Gespräch, das sich bisher rein persönlicher Natur gestaltete, hatte ihm seine Nervosität genommen.
"Selbstverständlich, das erwarte ich sogar von Ihnen." Gespielt ernst blickte Kathryn ihn an. Sie war auf dem richtigen Weg und sie hatte wirklich das passende Crewmitglied ausgewählt, um ihre Fragen zu klären.
Der ehemalige Maquis stand auf und ging zu dem großen Fenster des Bereitschaftsraumes, er blickte auf die vorbeirasenden Sterne und überlegte, wie er am besten beginnen konnte, ohne verletzend zu wirken. "Wissen Sie", begann er vorsichtig, "anfangs war das alles für mich noch wie ein großes Abenteuer. Eigentlich für jeden von uns, wir alle dachten, nach einigen Wochen Aufenthalt im Deltaquadranten würden wir ein Wurmloch finden oder auf irgendeine andere Art zurück zur Erde zurück geschleudert werden. Nach einigen Wochen, in denen sich natürlich nichts dergleichen tat, verschwand das Gefühl der Euphorie und damit auch die Abenteuerlust. Langsam wurde mir und vielen anderen bewusst, dass wir tatsächlich am anderen Ende der Galaxis gestrandet waren. Ich begann, meine Familie und meine gewohnte Umgebung zu vermissen."
"Was empfanden Sie zu dieser Zeit?", fragte Kathryn vorsichtig nach, obwohl sie etwas Angst vor dieser Antwort hatte.
"Ich wurde depressiv, wäre Neelix nicht gewesen, der sich nächtelang mit mir unterhalten hat und mir Mut und Zuversicht für die Zukunft gab, ich weiß nicht, ob ich diese Wochen und Monate durchgestanden hätte. Dazu kam noch die Sorge um meine Familie, denn niemand zuhause wusste, dass wir noch lebten. Ich habe oft von meinen weinenden Söhnen geträumt, die um ihren Vater trauerten. Ich sage Ihnen auch folgendes ganz frei heraus, Captain, zu dieser Zeit war ich oft wütend auf Sie, weil Sie für die Sicherheit der Ocampa unsere einzige Möglichkeit, nach Hause zu kommen, zerstört hatten. Aber im Laufe der Zeit verschwand diese Wut und machte dem Verständnis Platz, dass Sie gar keine andere Möglichkeit hatten, als derart zu reagieren."
"Sind Sie da so sicher", Janeway, die auch aufgestanden war und nun ebenfalls die Sterne betrachtete, blickte herausfordernd zu Ayala, der ihr offen und ehrlich in die Augen sah, "warum habe ich nicht den einfacheren Weg gewählt?"
"Captain, ich habe in den vergangenen Jahren an Bord der Voyager viel gelernt und auch nachgedacht. Sie hatten gar keine andere Wahl. Die Ocampa waren eine komplette Rasse, die den Untergrund dieses Planeten bewohnten. Wir hingegen sind nur einhundertfünfzig Personen. Hier liegt der große Unterschied. Außerdem könnte ich es niemals vor meinem Gewissen verantworten, für einen schnellen Weg zurück so viele Leben in Gefahr gebracht, wenn nicht dem sicheren Tod geweiht zu haben. Lieber komme ich gar nicht zurück nach Hause. Sie wissen doch, das Wohl vieler wiegt wesentlich höher, als das Wohl eines einzelnen oder weniger Personen."
Kathryn musste lächeln. "Ich denke, Sie sind zuviel mit Tuvok zusammen. Er färbt mit seiner vulkanischen Philosophie bereits auf Sie ab."
"Das mag vielleicht sein, aber es war auch eine Weltanschauung des Maquis. Wir waren wenige, die für die Freiheit vieler Lebewesen in der entmilitarisierten Zone gekämpft haben, denn auch ihr Wohl wog höher als unseres."
Gerührt über seine Worte, die für sie absolut ehrlich geklungen hatten, legte Janeway dem schwarzhaarigen Mann eine Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. "Haben Sie eigentlich mit dem Datenstrom vor einigen Wochen Nachricht von Ihrer Familie erhalten?"
Ein Strahlen ging über das Gesicht Ayalas. "Ja, ich hatte das Glück, dass mein Brief noch abgerufen werden konnte, bevor die Relaisstation durch den Kampf mit den Hirogen vernichtet wurde. Meiner Frau geht es gut, sie war überglücklich, als sie erfuhr, dass ich am Leben bin und meine beiden Jungs arbeiten hart und fleißig in der Schule, um eines Tages in der Sternenflottenakademie aufgenommen zu werden. Sie schrieb mir, dass sie furchtbar stolz auf ihren Vater sind, der so weit von Ihnen entfernt lebt und sie sehnen den Tag herbei, an dem ich wieder nach Hause komme."
"Sie werden ihre Familie bestimmt wieder sehen, das verspreche ich Ihnen." Janeways Stimme hatte zuversichtlich und feierlich geklungen.
"Wissen Sie, Captain, seit meine Familie informiert werden konnte, dass ich lebe, ist alles viel leichter für mich geworden. Dieses dumpfe, trostlose Gefühl in mir ist verschwunden. Ich erlebe jeden Tag mit neuem Mut und neuer Zuversicht."


*****


Mit beschwingten Schritten ging Kathryn Janeway nach Dienstende den Korridor der Voyager entlang. Ihr Gesicht strahlte und für jeden Crewman, der ihr entgegen kam, hatte sie ein freundliches Lächeln übrig. Plötzlich vernahm sie rasch sich nähernde Schritte hinter ihr und eine Hand, die kurz darauf nach ihrem Ellenbogen fasste.
"Wohin so eilig?", fragte eine Stimme, die sie unter Tausenden wieder erkannt hätte.
"Ich bin am Verhungern", antwortete sie Chakotay. "Möchten Sie mich ins Casino begleiten?"
"Gerne, ich hatte gehofft, dass Sie das sagen. Einem Gerücht zufolge soll Neelix heute etwas anderes gekocht haben, als Leolawurzeleintopf."
"Dann ist der Tag gerettet. Kommen Sie, bevor die hungrige Meute über ein gutes Essen herfällt und für uns nichts mehr übrig bleibt."
Lachend gingen die beiden ranghöchsten Offiziere der Voyager nebeneinander her und trafen kurz darauf an ihrem Ziel ein. Kathryn sah, dass die Messe gut besucht war, überall standen und saßen fröhliche Crewmitglieder, sie aßen oder unterhielten sich. Als sie den Raum betrat, nickte man ihr freundlich lächelnd entgegen. Glücklich registrierte sie, dass in den Augen der Leute keinerlei Anzeichen von Feindseligkeit, Vorwurf oder Argwohn zu erkennen war. Chakotay hatte Recht, alle vertrauten ihr und standen voll und ganz hinter ihren Entscheidungen.
Die beiden gingen zur Theke, an der sie von dem kleinen Talaxianer erfreut begrüßt wurden. "Captain, Commander, schön Sie beide zu sehen. Darf ich Ihnen das Tagesgericht empfehlen?", fragte er, während er mit verschiedenen Gerätschaften in einem riesigen Topf am offenen Feuer hantierte.
"Was gibt es denn?", fragte Kathryn gespannt.
"Zur Feier unserer Rückkehr in den normalen Raum habe ich ein komplettes Menü zusammen gestellt", antwortete Neelix eifrig, "als Vorspeise gibt es talaxianische Tomatensuppe, das Hauptgericht ist gedünstetes Gemüse in einer delikaten Weinsoße und erst das Dessert", begeistert fuchtelte er mit den Händen in der Luft, "Kaffeeeiscreme mit Schokoladenraspeln und frischen Früchten. Und das Ganze ohne Leolawurzeln." Gespannt sah der kleine Koch zu Janeway und Chakotay, er hoffte, dass sie seine Begeisterung teilen würden.
"Neelix, das hört sich alles hervorragend an. Wann bekommen wir die Vorspeise?"
"Jetzt sofort, bitte nehmen Sie dort drüben", er wies auf einen großen Tisch, an dem bereits die anderen Senioroffiziere saßen, "Platz. Sie werden bereits erwartet. Und noch etwas, Captain, es ist schön, Sie wieder unter uns zu sehen. Wir alle haben Sie sehr vermisst."
Gerührt bedankte Janeway sich bei dem selbsternannten Moraloffizier der Voyager, sie blickte kurz zu Chakotay neben ihr und wandte sich dann von der Theke des Casinos ab, um sich zu setzen.

"Also, diese Tomatensuppe", begann Tom Paris genießerisch, "ist die beste, die ich jemals gegessen habe. Neelix, Ihre Kochkünste werden von Tag zu Tag besser."
Freudig war der kleine Talaxianer sofort an den Tisch geeilt, nachdem er die Worte des Piloten vernommen hatte. "Danke, Tom, darf ich Ihnen noch einen Teller bringen?"
"Oh nein, lieber nicht", kam B'Elanna Torres ihrem Freund zuvor, "sonst passt ihm bald seine Uniform nicht mehr." Um ihre Worte zu untersteichen, tätschelte sie Toms Bauch worauf ihn dieser entrüstet einzog.
"Muss ich mir das gefallen lassen?" Entrüstet blickte Paris in die Runde, erntete jedoch nur schallendes Gelächter von seinen Kollegen und Vorgesetzten. "Na gut", meinte er gespielt gekränkt, "wovon soll ich dann in Zukunft leben? Von Knäckebrot und Magerquark? Captain, Sie werden schon sehen, was Sie davon haben, dann kann ich die Voyager bald nicht mehr steuern, weil ich vor Schwäche vergehe."
Janeway wischte sich einige Lachtränen aus den Augenwinkeln und warf ein kurzes Augenmerk zu Chakotay neben ihr, dem es genauso ging. Sie liebte diese Abende mit ihrer Crew, das Gefühl der Zusammengehörigkeit war heute besonders stark. Für einige Momente sah sie aus dem Fenster ihr gegenüber und beobachtete die Sterne des Deltaquandranten.
"Gibt es etwas Schöneres als eine dicht besiedelte Region des Weltraumes?" Verträumt hatte Harry Kim diese Worte ausgesprochen, die Kathryn zeigten, dass sie hier wirklich glücklich waren. Chakotay hatte einmal zu ihr gesagt, "Zuhause ist dort, wo man gerade ist." Dieser Spruch seines Vaters Kolopak entsprach für sie der Wahrheit, sie hatte Menschen um sich, die ihr sehr viel bedeuteten und sie war im Weltraum, dort wo sie immer leben und arbeiten wollte. Die Voyager war zu ihrer Heimat geworden.
"In der Tat", pflichtete Tuvok dem jungen Chinesen bei, "ein solcher Anblick entbehrt nicht eines gewissen Reizes."
Seven of Nine, die neben Harry Kim saß, meinte mit einem angedeuteten Lächeln, "Sie haben Recht, Commander, im Weltall ist es schöner, als auf jedem Planeten." Sie hob ihr Glas zu einen Toast, "Captain, ich freue mich, dass Sie sich zu uns gesellt haben. Diese gesellschaftlichen Interaktionen sind zwar noch etwas fremd für mich, aber ich werde mich anpassen. Auch ich muss gestehen, dass ich Sie in den vergangenen Tagen vermisst habe. Ein Raumschiff voller Individuen kann ohne einen präsenten Kommandanten nicht existieren."
Der Trinkspruch der ehemaligen Borg wurde mit begeistertem Applaus der Offiziere bestätigt, Seven hatte mit ihrem letzten Satz genau das ausgesprochen, was alle dachten.

"Was machen wir nun mit diesem angebrochenen Abend?", fragte Janeway ihren Ersten Offizier nachdem sie das Casino verlassen hatten und wieder durch die Korridore der Voyager spazierten.
"Wir konnten doch unser Holodeckprogramm nicht beenden, es wurde unterbrochen, als wir die Energie verloren haben. Kathryn, haben Sie Lust, unsere Gondelfahrt noch fort zu setzen?"
"Ich hoffte, Sie würden das fragen, Chakotay. Wie der Zufall es so will, sind wir nicht weit vom Holodeck entfernt und ich habe dort zwei Stunden reserviert, die in fünf Minuten beginnen." Schelmisch blickte der Captain zu dem Indianer und hakte sich dann bei ihm unter. Etwas verblüfft schaute der Erste Offizier zu ihrer Hand, die seinen Arm nun umschlossen hielt. Ein derartig vertraute Geste konnte man von Kathryn nur ausgesprochen selten, wenn überhaupt, erwarten. Die vergangenen Ereignisse mussten ihre grundsätzlichen Einstellungen ein wenig geändert haben, wie er glücklich feststellte. Er vermutete auch, dass das Gespräch mit Ayala sehr positiv für Janeway ausgefallen war.
Kurze Zeit später waren die beiden an ihrem Ziel angelangt, Chakotay betätigte einige Schaltfelder an der Wandkonsole und gab dann die Anweisung. "Computer, Programm Venedig Alpha Omega aktivieren."
Nach einer kurzen Audiobestätigung des Rechengehirns öffneten sich die schweren Türen des Schotts zum Holodeck und die beiden traten ein.

"Irgend etwas ist anders", sagte Janeway mit einem spitzbübischen Grinsen zu Chakotay, als sie wieder in der Gondel saßen.
"Natürlich, wir tragen ja unsere Uniformen", meinte der Angesprochene, "spielt das eine Rolle?"
"Nein, das meinte ich nicht." Kathryn lehnte sich mit der Schulter leicht an den Indianer, "Es ist Ihr rechter Arm."
"Was ist damit?" Fragend lächelte er sie an.
"Wissen Sie nicht mehr, wo Ihr Arm war, als das Programm unterbrochen wurde?" Sie wollte den Zauber, den sie noch vor wenigen Stunden erfahren hatte, wieder einfangen. Es war zu schön gewesen, ihn so vertraut neben sich zu wissen und seine Anwesenheit zu spüren. Nachdem sich ihre düsteren Gedanken und Selbstzweifel verflüchtigt hatten, wollte Janeway den Traum, den sie nun schon seit Jahren träumte, endlich Wirklichkeit werden lassen.
Langsam begriff Chakotay, was sie meinte und legte zaghaft seinen Arm wieder um ihre Schulter. Mit dem Daumen begann er, sanft über den Uniformstoff zu fahren. Kathryn schloss die Augen und erfreute sich an dem wohligen Gefühl, dass ihr seine Berührung bescherte. Die warmen Sonnenstrahlen, die ihr Gesicht streichelten, und das sanfte Schaukeln der Gondel ließen sie beinahe schläfrig werden. Blind tastete sie mit ihrer linken Hand nach oben und umschloss seine Finger. Sie lehnte ihren Kopf noch näher an ihn, bis sie mit den Haaren seine Wange berührte.
Der Indianer genoss die ruhige Zweisamkeit mit der Frau, die er mehr liebte, als sein Leben, über alle Maßen. Er wagte beinahe nicht mehr zu atmen, geschweige denn, sich zu bewegen, um diesen wundervollen Moment für ewig festhalten zu können. Er hatte Angst, aufzuwachen und festzustellen, dass alles nur eine Vision war. Alles, was er sich immer gewünscht hatte, war Realität geworden. Kathryn Janeway saß neben ihm und lehnte den Kopf an sein Gesicht. Einige ihrer Haare hatten sich durch den Wind gelöst kitzelten ihn an seiner Nase. Er verspürte den unbändigen Wunsch, sie noch näher an sich zu ziehen und sie zu küssen. Er verstärke den Druck seiner Finger auf ihre Schulter, so dass sie den Kopf leicht hob und ihm in die Augen blickte. Was er dort sah, war mehr als nur eine Einladung, es war eine Aufforderung. Chakotay hob seine linke Hand und strich zärtlich mit den Fingerspitzen über ihre Lippen, die sich unter seiner Berührung leicht öffneten. Sanft ließ er danach seine Hand über ihre Wange schweben, um dann ihr wundervolles rotbraunes Haar zu berühren. Kathryn richtete sich ein wenig auf, um seinem Gesicht näher zu kommen. Ihr Blick hing an seinem Mund, dessen Unterlippe leicht zu zittern begonnen hatte. Der Indianer konnte noch nicht glauben, was in wenigen Augenblicken passieren würde, was er selbst im Begriff war zu tun.
Endlich, nach einer Zeit, die Janeway wie eine Ewigkeit vorgekommen war und die sie mit angehaltenem Atem verbracht hatte, berührten sich sanft, beinahe nur wie ein Hauch, ihre Lippen zum ersten Mal. Chakotay realisierte, dass dies kein Traum war, er fühlte die Frau in seinen Armen und hörte ihr Herz heftig schlagen. Er spürte, wie Kathryn ihre Arme um seinen Hals schlang und ihre Finger begannen, zärtlich seinen Nacken zu streicheln. Der Indianer zog seinen Kopf ein klein wenig zurück und sah der geliebten Frau fragend in die Augen. Er war unsicher, ob er weiter machen oder besser aufhören sollte. Ihre Antwort war ein verstärkter Druck ihrer Hände in seinem Nacken, sie zog seinen Kopf wieder näher zu sich heran und presste ihre Lippen auf seine. Von seinen Gefühlen übermannt schlang der Erste Offizier glücklich seine Arme um Kathryns bebenden Körper und erwiderte ihren Kuss.
Hätte Chakotay in diesem Moment all seine Empfindungen beschreiben müssen, es wäre ihm nicht möglich gewesen. Ihre zarten Lippen, nach deren Berührung er sich jahrelang gesehnt hatte, sie endlich zu kosten, es überwältigte ihn. Die Gefühle und Leidenschaften, die er seit, wie es ihm erschien, ewigen Zeiten unterdrückt hatte, suchten ihn mit einer Intensität heim, die ihm das Blut in den Ohren rauschen ließ. Längst schon hatte er es aufgegeben, davon zu träumen, wie es wohl wäre, sie zu küssen und in seinen Armen zu halten. Die Realität, welche er nun erfuhr, ließ alle seine Vorstellungen über diesen Moment in den Hintergrund treten. Der Indianer konnte seine Selbstbeherrschung nicht mehr aufrecht erhalten, wie eine Explosion brach alles aus ihm hervor und er schloss die geliebte Frau noch fester in die Arme, während er sie immer intimer und leidenschaftlicher küsste, ohne dabei jedoch seine Zärtlichkeit zu verlieren.

Der Gondoliere hinter ihnen, der das Boot, in dem die beiden in inniger Umarmung saßen, sicher durch die Wasserstraßen Venedigs steuerte, blickte freudestrahlend auf das Liebespaar vor ihm. Eine weitere Gondel kam ihnen entgegen, wovon Janeway und Chakotay jedoch nichts bemerkten, zu beschäftigt waren sie mit sich selbst. Der Mann, der das Gefährt lenkte, zwinkerte seinem Kollegen verschwörerisch zu und hielt mit einem zufriedenen Grinsen seinen Daumen nach oben.

-Ende-
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