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A Decade of Storm: Kapitel 5 - Die Bruderschaft des Schwertes

von Markus Brunner

Kapitel 2

„Es ist ungeheuerlich!“, empörte sich der Archivar. Er saß in Chardins Arbeitszimmer, dem umgebauten Konferenzraum der Klothos, hinter dem großen Tisch und studierte auf einem besonders großen PADD eine Falschfarben-Darstellung von Sarathong V. Üblicherweise interessierte er sich professionell für altertümlichen Schriften und Artefakten der klingonischen Historie. Die illustrierte Sensoranalyse auf dem PADD hätte er nicht verstanden, wenn Chardin ihn nicht aufgeklärt hätte. In Grün und Gelb eingefärbt waren jene Regionen des Planeten, die natürliche Strahlungsarten abgaben. Dazu zählte reflektiertes Sonnenlicht wie auch andere kosmische Teilchenstrahlungsarten.
Interessanter als die grünen und gelben Regionen des Planeten waren jene Regionen, die eindeutig künstlich erzeugte Strahlung abgaben. Vor eineinhalb Jahren, als der Außenposten der Föderation auf Sarathong V noch existiert hatte, waren von dessen integrierter Technologie verschiedene künstliche Strahlungsarten ausgegangen. Da die Sensoranalyse zu jener Zeit von einem klingonischen Bird of Prey erstellt worden war, als der Außenposten gerade im Begriff war aufgegeben zu werden, war der rote Punkt, der die Intensität der künstlichen Strahlung anzeigte, vergleichsweise klein, aber deutlich sichtbar.
Ebenso gut erkennbar war der viel größere blaue Punkt, der etwas nördlich ves roten Punktes eingezeichnet war. Der blaue Punkt symbolisierte eine völlige unbekannte Strahlungsquelle. Die Sensoren des Birds of Prey hätten sie als minimale Anomalie interpretiert und ignoriert, wenn Chardin nicht dahinter gekommen wäre, dass genau jene Strahlungsart auch in der Arena von Tagus III und vom künstlichen Mond vor vier Jahren von der Orntaru gemessen worden und auf einer der schwarzen Steintafeln der Arena sogar spezifiziert gewesen war. Diese einzigartige Strahlung stellte die effektivste Möglichkeit dar, Technologie der Ahnen aufzuspüren.
Die Empörung des Archivars gründete sich aber nicht auf den Umstand, dass Chardin Jahre gebraucht hatte, um die Bedeutung der entsprechenden Steintafel zu entziffern. Viel mehr erzürnte es ihn, dass das Imperium neues Wissen erlangt hatte und sich beharrlich weigerte, dieses zu verwenden. Als Archivar und Geschichtsgelehrter wusste er genau, wie viele vergleichbare Chancen sich das Imperium bereits in seiner Vergangenheit hatte entgehen lassen. Meistens begründet durch Furcht vor dem Neuen.
„Nur Kahless weiß wohl, von welchen bösen Geistern unsere Führer getrieben werden. Sarathong V liegt wie auf einem Silbertablett für uns bereit. Wir müssen nur dort hin und uns holen, was dort vergraben liegt. Dank Ihnen, Chardin, wissen wir, wo wir zu suchen haben.
Der Tagusianer saß auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches in einem bequemen Sessel. Er bot damit einen seltenen Anblick. Man sah den früheren Patriarchen von Tagus III nur selten sitzend. Und wenn er saß, hielt er meist ein PADD, ein Buch, eine Schriftrolle oder eine der Arena-Steintafeln in Händen. Doch heute saß er nur zurückgelehnt da, die Hände auf seinen Bauch verschränkt und mit einem nachdenklichen aber ins Leere sehenden Blick. Der einzige Hinweis, dass er wirklich verstanden hatte, was der Archivar gerade zu ihm gesagt hatte, bestand darin, dass Chardin antwortete:
„Wir müssen nicht nach Sarathong V. Fliegen wir doch nach Tagus III und sehen uns in der Ahnenstadt weiter um.“
„So faszinierend es auch wäre, in einer über eine Milliarde Jahre alten Stadt Ausgrabungen durchzuführen, liegt vermutlich kein militärischer Zweck in einem solchen Vorgehen“, antwortete der Archivar mit aufrichtigem Bedauern in seiner Stimme. „Seitdem der künstliche Mond zerstört wurde und Kor die Steintafeln aus der Arena mitgehen ließ, ist Tagus III für die Imperiale Flotte längst uninteressant geworden.“
„Aber vielleicht lässt sich dort noch mehr Ahnen-Technologie finden. Und vielleicht liegt in dieser Strahlungssignatur der Schlüssel, sie wieder zum Leben zu erwecken.“
Der Archivar verzichtete auf eine weitere Erwiderung. Genauso oft, wie er in den letzten Monaten gefordert hatte, nach Sarathong V zu fliegen, hatte Chardin darauf bestanden, nach Tagus III zu gehen. Insgeheim vermutete der Archivar, dass der Tagusianer von Heimweh geplagt wurde und einfach nur auf eine Gelegenheit wartete, nach Hause zurückzukehren. Der Archivar konnte es ihm nicht verdenken. Die letzten Berichte über Tagus III waren ernüchternd. Die Regierung unter General Xizan entwickelte sich immer mehr zu einer hart durchgreifenden Militärdiktatur. Von einer Opposition, die die tagusianische Nation wieder zu jenem klerikal-demokratischen Rechtsstaat von früher machen konnte, war nichts zu sehen. Chardin hatte inzwischen zweifellos erkannt, dass sein Verschwinden diese negative Entwicklung für sein Volk erst ermöglicht hatte.
Der Tagusianer sprach nie besonders ausführlich über das, was ihm von seinen eigenen Leuten in seiner Jugend angetan worden war. Er hatte sicher Grund genug gehabt, Tagus III vor vier Jahren den Rücken zu kehren und sich auf die Seite der Klingonen zu schlagen. Inzwischen schien er jedoch auch wieder Gründe entdeckt zu haben, die ihm eine Rückkehr nach Hause erstrebenswert erscheinen ließen.

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„Troka kommt nun in Sichtweite. Gehe auf Impulsgeschwindigkeit zurück“, verkündete der Steuermann. Auf dem Hauptschirm blitze es kurz hell auf, als das Warpfeld zusammenbrach und die Klothos daraufhin relativ langsam mit einem Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit auf den Planeten Troka zusteuerte. Troka erschien als goldbraune Kugel umhüllt von dünnen, weißen Wolkenbändern. Der Planet schien eine eher karge Welt zu sein, selbst als die Klothos deutlich näher kam waren kaum Gewässer auf dessen Oberfläche zu erkennen.
„Ein Schiff verlässt den Orbit und nähert sich uns schnell“, meldete Manja. Kurz darauf war das Schiff bereits in Sichtweite, nahm eine Position unmittelbar vor der Klothos ein und zwang den D5-Kreuzer, zu stoppen.
„Beeindruckend“, sagte Korrd leise, aber jeder auf der Brücke musste ihn gehört haben. Als alle erkannten, welches Raumschiff ihnen den Weg versperrte, wurde es totenstill auf der Brücke. Guroth‘ Flaggschiff war in der gesamten Imperialen Flotte bekannt, gefürchtet und im wahrsten Sinne des Wortes einzigartig.
„Es ist der Warbird“, sprach Manja das aus, was alle anderen schon wussten.
Guroth‘ Warbird war ursprünglich ein ganz normaler Schlachtkreuzer der D6-Klasse gewesen. Doch ebenso wie Korrd an seiner Orntaru bedeutende Verbesserungen vornehmen hatte lassen, hatte auch Guroth sein Schiff stark modifiziert. Und im Gegensatz zur Orntaru sah man dem Warbird auch äußerlich diese Modifikationen deutlich an.
„Ein ungewöhnlicher Name für ein klingonisches Schiff“, merkte Kor an. Korrd stimmte zu:
„Ja, die Romulaner bezeichnen ihre Kriegsschiffe als Warbirds. Es heißt, Guroth hätte vor einigen Jahren ein romulanisches Schiff aufgebracht, es ausgeschlachtet und alles, was sich verwerten ließ, in seinen Schlachtkreuzer eingebaut.“
Kor hatte keinen Grund, an den Ausführungen des Commanders zu zweifeln. Guroth‘ Warbird war anders, als jeder andere Kreuzer der Flotte. Er verfügte über eine zusätzliche Schicht Panzerung rund um das Kommando- und Waffenmodul. Auch die Halssektion, die nach hinten zur Antriebssektion führte, war deutlich dicker und mit lamellenartigen Aufbauten an Backbord und Steuerbord versehen. Die normalerweise unscheinbaren Öffnungen der Disruptoren waren durch mächtige, kanonenförmige Geschütze ersetzt worden und die Warpgondel des Warbirds wiesen eine völlig fremdartige Konfiguration auf, aus ihren Plasmaausstoßöffnungen leuchtete grünliches Licht heraus anstatt dem üblichen roten.
„Wir werden gerufen“, verkündete der Kommunikationsoffizier.
„Auf den Schirm“, befahl Korrd, ehe Kor den Befehl geben konnte. Obwohl Korrd ranghöher war, hatte er Kor während des Flugs das Kommando über die Klothos gelassen. Jetzt, wo sie ihr Ziel endlich erreicht hatten, übernahm Korrd jedoch die Leitung der Mission. Der Commander trat vor und wartete darauf, dass auf dem Hauptschirm die Brücke des Warbirds mit Guroth auf dem Platz in der Mitte erschien.
Das Bild wechselte und zeigte tatsächlich wie erwartet die Brücke des Warbirds, aber zu Kors und Korrds Überraschung führte nicht Guroth das Kommando, sondern ein junger Offizier, der kaum älter als Kor sein konnte. Dennoch wiesen ihn die Rangabzeichen seiner schwarz-goldenen Uniform ebenfalls als Captain aus.
„Ich bin Kang“, identifizierte sich der junge Captain. „Nenne Sie den Grund für Ihr Eindringen in dieses Sonnensystem.“
„Wir wollen mit Guroth sprechen“, verlangte Korrd und machte mit seinem Tonfall klar, dass er keine Bitte formulierte. Kor fand das Vorgehen des Commanders nicht besonders klug. Selbst ohne romulanische Verbesserungen war ein D6-Kreuzer der Klothos weit überlegen. Es war nicht gerade ratsam, den Captain eines D6-Kreuzers zu provozieren.
Doch Captain Kang störte sich nicht am Tonfall, sondern an etwas ganz anderem: „Gouverneur Guroth!“, korrigierte er streng. Korrd lachte daraufhin verächtlich und erwiderte:
„Hat sich der ehrlose Hund etwa selbst befördert? Na gut, soll er nur. Wenn es ihn glücklich macht. Das ändert trotzdem nichts daran, dass ich verlange, mit ihm persönlich zu sprechen. Richten Sie ihm aus, dass ich mich mit ihm verbünden will.“
Kang verschränkte wenig beeindruckt die Arme vor der Brust und setzte an, etwas zu erwidern, als er von jemandem unterbrochen wurde. Er sah zur Seite, dort wo sich üblicherweise auf D6-Kreuzern die Kommunikationsstation befand. Ganz leise war die Stimme eines anderen Offiziers zu hören, der Kommunikationskanal übertrug aber nicht deutlich genug, um ihn verstehen zu können.
Schließlich sah Kang wieder vor, sein Gesicht grimmig wie zu Beginn des Gesprächs und verkündete: „Folgen Sie uns!“
Ohne weitere Erläuterung beendete Kang das Gespräch und die Brücke des Warbirds verschwand vom Bildschirm.
„Redseliger Bursche“, höhnte Kor.

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Minuten nachdem die Klothos und der Warbird in den Orbit von Troka eingetreten waren, beamten Korrd und Kor zu den ihnen übermittelten Koordinaten.
Die beiden materialisierten auf einem Platz, der rundum von einfachen Ziegelsteinbauten begrenzt wurde. Lediglich eines der Gebäude sah etwas prunkvoller und größer aus.
Unmittelbar nach der Ankunft der beiden flackerte eine dritte feuerrote Energiesäule auf dem Platz und der Transporterstrahl gab Captain Kang frei. Kang war immer noch nicht sonderlich gesprächig. Schweigend ging er die Stufen zum Eingangsbogen des größeren Gebäudes hinauf und forderte Korrd und Kor lapidar mit einem Wink auf, ihm zu folgen. Das Gebäude hatte keine Eingangstür, lediglich eine Art Vorhang, der von Dutzenden herabhängenden gelben und roten Fäden gebildet wurde. Kor schob diese mit dem Arm zu Seite und betrat nach Kang und Korrd einen großen Vorraum, der auch als Treppenhaus zu dienen schien. Die hölzernen Stufen ragten an allen vier Wänden des Raumes aus der Wand und schlängelten daran entlang zu Zugängen, die in zwei Obergeschoße führten. Abgesehen vom Fußboden, den ein ursprünglich buntes aber inzwischen schon stark ausgeblichenes Mosaik schmückte, war der Raum sehr schlicht. Es gab auch keine Möbel, in deren Schatten sich die beiden anwesenden Wachen verstecken konnten. Beide hielten ihre Disruptor-Gewehre einsatzbereit in der Hand, doch Kang gab ihnen mit einem Blick zu verstehen, dass sie sich zurückhalten sollte. Zwar wichen sie daraufhin zurück, aber im unmöblierten Raum gab es keine Möglichkeit für sie, irgendwie diskret in den Hintergrund zu treten, weshalb eine bedrohliche Atmosphäre weiterhin erhalten blieb. Kor war ganz froh, als Kang sie nicht die Treppe hinauf, sondern zu einer weiteren mit Fäden verhangenen Türöffnung an der gegenüberliegenden Wand führte. Je weniger Zeit er in dem großen Raum, der nicht die geringste Deckung bot, mit den beiden Wachen verbringen musste, desto besser. Obwohl er seit vier Jahren Kommandant eines Schlachtkreuzers war, hatten seine Instinkte, die er sich bei seiner Ausbildung zum Infanteristen angeeignet hatte, in Gegenwart der beiden bewaffneten Wachen Alarm geschlagen.
Kor ließ sich nicht von Äußerlichkeiten blenden. Auch wenn es sich im Klingonen handelte, die hier auf Troka herrschten, war dies dennoch Feindesland.
Und der Anführer dieser feindlichen Klingonen saß hinter einem länglichen, ovalen Steintisch, der sich im anschließenden Zimmer befand.
„Ah, Korrd! Willkommen auf Troka! Welchem Umstand verdanke ich das zweifelhafte Vergnügen Ihres Besuches?“, begrüßte Guroth seinen Besuch. Er machte sich nicht die Mühe, Korrd und Kor einen Sitzplatz anzubieten. Kang trat um den Tisch herum und stellte sich schräg hinter seinen Vorgesetzten. Kor bemerkte, dass Kang genauso hinter Guroth stand, wie er hinter Korrd. Inzwischen konnte Kor Kang schon recht gut einschätzen und vermutete, dass der junge Captain des Warbirds zu seinem Posten auf ähnliche Weise gekommen war, wie Kor das Kommando der Klothos erhalten hatte.
„Da wir nun hier sind, nehme ich an, dass Sie das Gespräch zwischen Captain Kang und mir mitgehört haben“, antwortete Korrd, doch Guroth schüttelte nur vehement den Kopf.
„Mich interessiert mehr, warum Sie überhaupt noch in der Lage sind, hier aufzukreuzen. Nach dem katastrophalen Fehlschlag Ihrer Invasion von Sarathong V hätte ich damit gerechnet, dass man Sie bei erstbester Gelegenheit für Ihr Versagen exekutiert hätte. Aber für jemanden der tot sein sollte, sehen Sie für mich viel zu gesund aus.“
„Auch der Umstand, dass ich noch lebe, hat mit dem Grund zu tun, warum ich hier bin“, gab Korrd zu.
„Also diesen Umstand würde ich liebend gerne ändern“, erwiderte Guroth drohend und legte demonstrativ seine Hand auf den Holster seiner Disruptor-Pistole. „Seien Sie ganz offen und beantworten Sie mir ganz direkt eine Frage: Was wollen Sie von mir, Korrd?“
Der Angesprochene trat einen Schritt vor und verkündete dann: „Ich will, dass Sie mir helfen, den Hohen Rat zu stürzen.“
In Guroth‘ Gesicht zeigte sich nicht die geringste Regung. Wie versteinert sah er zu Korrd hoch, der mit ebensolcher Miene zum sitzenden Guroth sah. Ein sehr langer Moment verging, ehe Guroth‘ Lippen ein Lächeln formten, das seine schiefen Schneidezähne offenbarte. Ein kehliges Lachen drang aus seinem Mund und schließlich stellte der selbsternannte Gouverneur fest: „Und da behaupten die Leute, Sie hätten keinen Humor, Korrd!“
„Das ist kein Witz“, sagte nun Kor entschlossen und trat an Korrds Seite. „Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was im Imperium gerade vor sich geht?“
„Wir wissen alles, was uns interessiert“, versicherte Guroth, der auf Kor den Anschein machte, langsam die Geduld mit seinen „Gästen“ zu verlieren. Auch wenn Korrd es sicher bevorzug hätte, nur langsam die Karten auf den Tisch zu legen, sah Kor, dass sie dafür nicht die nötige Zeit bekommen würden.
„Im Imperium gehen seltsame Dinge vor. Kanzler Kinevas und die Ratsherren geben unverständliche Befehle, ignorieren ihre Berater und vom Hohen Rat veranlasste Aufrüstungen und Soldatenrekrutierungen deuten darauf hin, dass ein massiver Militärschlag in Vorbereitung ist.“
Guroth zuckte nur mit den Schultern. „Dann bedeutet das wohl, dass der Hohe Rat endlich das macht, was wir schon vor vier Jahren hätten tun sollen. Nämlich den Laurentianischen Graben nicht nur auf dem Papier sondern mit Waffengewalt zu annektieren. Das sollte Sie doch auch glücklich machen, Korrd. In ein paar Jahren, wenn der Graben vollständig unter klingonischer Kontrolle steht, wird Ihnen vielleicht sogar gestattet, mit einem kleinen Überfallskommando nach Sarathong V zurückzukehren“
„Sie missverstehen uns, Guroth“, stellte Korrd klar. „Trotz meines Drängens und unzähliger Briefe, die ich an den Rat gerichtet habe, ist kein weiterer Angriff auf Sarathong V geplant. Obwohl der Planet nun wahrscheinlich völlig schutzlos ist. Und ebenso wenig geplant ist eine Verstärkung unserer Truppen im Laurentianischen Graben.“
„Woher wollen Sie das wissen?“, fragte plötzlich Kang, der bisher wie ein stummer D’blok still und reglos dagestanden war.
„Ich habe immer noch meine Kontakte zu den engsten Militärberatern des Hohen Rates“, erklärte Korrd. „Ein paar sind nicht begeistert darüber, dass Kinevas nicht mehr auf sie hört. Seit General Voroks Tod sind die anderen Berater nur noch reine Befehlsempfänger und einige sind besorgt darüber, wohin uns diese Befehle führen werden.“
Guroth richtete sich in seinem Sessel auf und wirkte nun erstmals so, als würde er das Gespräch ernst nehmen als er nachfragte: „Sie denken, der Hohe Rat plant einen Krieg?“
„Das befürchten wir.“
„Ein Krieg gegen die Föderation wird nur schwer zu gewinnen sein, aber …“
„Nein, Guroth. Nicht die Föderation“, unterbrach Korrd. „Ein Krieg gegen die Föderation ließe sich zumindest einigermaßen rechtfertigen. Und es würde sich dadurch die Möglichkeit ergeben, Sarathong V, das ja im Föderationsgebiet liegt, zu erobern.“
„Aber gegen wen will der Hohe Rat Krieg führen, wenn nicht gegen die Föderation?“, fragte Guroth verwirrt und ungeduldig. Kor fand es interessant, dass der Gouverneur nicht schon selbst auf die Antwort gekommen war.
„Gegen die Romulaner“, antwortete Korrd und Guroth wirkte mehr als skeptisch, als er sich wieder in seinen Sessel zurücklehnte.
„Die Romulaner? Also das ist unglaubwürdig. Nein, nicht nur unglaubwürdig. Absolut absurd!“
„Es gibt genügend Hinweise. Truppenaufstockungen auf Kithomer und Narendra III, Ausbau der H’Atoria-Schiffswerften, Entsendung von Informationsbeschaffern nach Tranome Sar sowie Chaltok II und IV. Dazu unnötige Angriffe – offenbar zum Training für unerfahrene Offiziere – auf mehrere unabhängige Völker im Tandar-Sektor. Wer nicht sieht, worauf das alles hinausläuft, muss ein verdammter Narr sein“, sagte Korrd herausfordernd, doch Guroth verzichtete darauf, diese Hinweise zu hinterfragen. Für ihn war es schwieriger zu verstehen, welchen Zweck ein Angriff auf das Romulanische Sternenimperium haben sollte:
„Die Romulaner haben doch in den letzten sechzig Jahren überhaupt keine Aggression uns gegenüber gezeigt. Seitdem sie den Krieg gegen die Menschen und ihre Verbündeten verloren haben, gab es kaum noch Kontakte zu ihnen. Selbst das romulanische Schiff, das ich vor Jahren gekapert habe, befand sich weit entfernt von beiden Imperien.“
„Und wenn man den Gerüchten Glauben schenkt, haben die Romulaner die Zeit seit dem Krieg gegen die Menschen dazu genützt, ihre eigene Truppenstärke zu erhöhen um Aufstände eroberter Völker niederzuschlagen“, fügte Kang nun nachdenklich hinzu. „Ein Gegner, den wir nicht provozieren sollten.“
„Und das sagt der Kommandant eines Schiffes, dessen Name und Modifikationen für sich alleinstehend schon eine Provokation des Sternenimperiums darstellt“, spottete Kor. Der Kommentar war zu verlockend gewesen, auch wenn er damit riskierte, den Captain des Warbirds zu verärgern. Es war auf jeden Fall positiv, dass Kang ebenfalls Zweifel hegte. Aber worauf genau bezog sich sein Zweifel? Hatte er Zweifel, dass der Krieg zu gewinnen wäre? Oder bezweifelte er noch, dass der Hohe Rat wirklich einen unnützen, verlustreichen und in jeder Hinsicht irrsinnigen Krieg starten wollte?
„Na, schön“, sagte Guroth schließlich, während er eine Weile nachdenklich ins Leere geblickt hatte. „Gehen wir mal davon aus, ich glaube Ihnen. Wie soll ich Ihnen helfen, den Hohen Rat zu stürzen?“
„Mit militärischer Unterstützung“, erklärte Korrd, als läge diese Antwort auf der Hand. „Ihre Erkundungsflotte ist recht beachtlich und wenn wir zusammenhalten werden wir sicher noch den einen oder anderen Geschwaderführer auf unsere Seite ziehen.“
Der Gouverneur lachte abermals laut auf, während Kang ein wenig beschämt dreinsah. Kor verstand nicht, was diese Reaktion zu bedeuten hatte, doch Guroth‘ Erklärung ließ nicht lange auf sich warten: „Ich hatte nie mehr als ein paar Dutzend Aufklärungsschiffe der Raptor-Klasse, ein Bird of Prey-Geschwader und neben meinem D6-Kreuzer vier ältere Schlachtkreuzer zur Verfügung. Das ist wohl kaum eine Flotte, mit der man eine Revolution starten und einen Bürgerkrieg gewinnen könnte.“
Kor wechselte einen entsetzen Blick mit Korrd. Sie waren beide von einem deutlich größeren Schiffsverband ausgegangen.
„Ich verstehe Ihre Verwirrung, Korrd. Kurz nachdem Kanzler Kinevas an die Macht gekommen war, hat er weit mehr versprochen als gehalten und mir gerade einmal ein Viertel der vorgesehenen Schiffe zur Verfügung gestellt“, erläuterte Guroth. „Wahrscheinlich dachte er, er könne mich ohnehin in den entfernten Teil des Beta-Quadranten abschieben und würde auf diese Weise den lautesten Kritiker loswerden“, ergänzte er verbittert, während er hinter sich griff, von der Fensterbank eine der dort aufgereihten Glasflaschen nahm und deren bläulichen Inhalt in seinen Rachen kippte. Klingonen neigten dazu, ihren Frust mit Alkohol zu bekämpfen. Auch Kor war nicht vor dieser Schwäche gefeit. Doch wirklich betroffen machte ihn der überhöhte Alkoholkonsum Commander Korrds seit seinem Scheitern beim Paulson-Nebel. Manchmal verweilte der Commander tagelang in seiner Kabine, nur in der Gesellschaft mehrere Flaschen Blutweins und romulanischen Ales.
Guroth setzte die Flasche ab und schob sie zu allem Überfluss über den Tisch zu Korrd, der sie ohne zu zögern packte und ebenfalls einen großen Schluck nahm.
War’s das?, fragte sich Kor. Bleibt uns nichts mehr übrig, als uns freiwillig ins Exil zu begeben, während das Imperium in einem sinnlosen Krieg untergeht?
Erstaunlicherweise war es Kang, der noch die vernünftigste Idee vorbrachte. Zumindest vernünftig nach seinem Wissensstand: „Die Führerschaft über das Imperium wurde schon oft angefochten, aber nur in den seltensten Fällen durch einen Bürgerkrieg. Warum versuchen Sie es nicht mit einer rituellen Herausforderung? Besiegen Sie Kanzler Kinevas im Zweikampf!“
Korrd brummte nur abfällig und nahm einen weiteren Schluck. Er überließ es Kor, das Problem bei der rituellen Herausforderung zu erklären: „Die Herausforderung muss persönlich ausgesprochen werden. Seit Qam-Chee vernichtet worden ist, hat der Hohe Rat seinen Sitz jedoch in der Bergfestung der Yan-Isleth und lässt niemanden an sich heran. Und von der Bruderschaft selbst wird niemand gegen Kinevas vorgehen. Das sind perfekt indoktrinierte Soldaten, die sich sogar ins eigene Schwert stürzen würden, wenn es der Kanzler befiehlt. Echte Fanatiker. Ohne Kampf kommt niemand an ihnen vorbei und erst recht betritt niemand ohne Erlaubnis ihre Bergfestung.“
„Außerdem muss die rituelle Herausforderung einen Unterstützer im Hohen Rat haben.“, fügte Korrd leicht lallend hinzu. „Lehnt Kinevas ab und akzeptiert auch kein einziger der Ratsherren den Herausforderer als würdigen Nachfolger, gibt es keinen Zweikampf.“ Etwas kleinlaut sagte er schließlich noch: „Und sie hätten jedes Recht, einen Versager wie mich als Herausforderer abzulehnen.“ Korrd wankte vor, nahm abermals die Flasche und entleerte sie so schnell, dass ihm ein Teil der Flüssigkeit wieder aus dem Mund rann, in Schnurr- und Kinnbart versickerte und glasige Tropfen darin bildete.
Kor empfand großen Respekt für die Sitten und Riten seines Volkes und auch dafür, dass man selbst Jahrhunderte nach Kahless‘ Tod – oder seines „Aufstiegs“, je nachdem, wen man fragte – an uralten Traditionen festhielt. Trotzdem erkannte Kor, dass diese Traditionen ein Teil der Vergangenheit waren und in einer modernen Zeit, wo das Imperium nicht nur aus einem Planeten bestand und Kämpfe nicht mehr nur mit Schwertern und Streitäxten ausgefochten wurden, ein Anachronismus waren.
Es musste doch eine bessere Art geben, das Imperium politisch zu führen. Vielleicht nicht gerade in Form einer Demokratie. Der einzige Versuch, dem gemeinen Volk die Macht in die Hände zu legen, war als finsteres Zeitalter bekannt geworden.
Aber gibt es keine bessere Form der Diktatur?, fragte sich Kor. Irgendeine moderne Form, die es nicht erforderlich macht, in alten, zu Staub zerfallenden Büchern nachzublättern, wie man in diesem oder jenem Fall vorzugehen hatte?
Der letzte Gedanke brachte Kor auf eine Idee. Er schämte sich fast dafür, nicht früher daran gedacht zu haben. Aber eigentlich war der Auslöser für den Gedanken Kang gewesen, der den Vorschlag gemacht hatte, es mit dem üblichen Herausforderungsritual zu versuchen. Wie wäre es mit einem unüblichen Herausforderungsritual?
„Ich glaube, wir bitte hier den falschen Mann um Hilfe“, verkündete Kor.

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