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A Decade of Storm: Kapitel 5 - Die Bruderschaft des Schwertes

von Markus Brunner

Kapitel 3

„Ich muss zugeben, es ist ein seltsames Gefühl, von Ihnen ausnahmsweise einmal nicht wie eine Warze am Arsch behandelt zu werden, Commander!“, sagte der Archivar, während er aus den Regalen von Chardins Arbeitszimmer ein paar alte Bücher hervorholte. Hinzu kam noch eine weit größere Anzahl an PADDs, die er mit zum Diskussionsthema passenden Daten aus dem Schiffscomputer lud und sie fein säuberlich auf dem großen Tisch ausbreitete. Der Archivar blieb am Kopfende des Tisches stehen und der Reihe nach musterte er die Gesichter jener Männer, die Platz genommen hatten. Links saßen der vom Archivar angesprochene Korrd und Kor und ihnen gegenüber Guroth und Kang. Die beiden letztgenannten, so wusste der Archivar, hatten darauf bestanden, dieser Besprechung beizuwohnen und zur Klothos zu beamen. Jetzt wirkten sie aber etwas unsicher.
Vermutlich machen sie die vielen Bücher nervös. Typisch für die ungebildeten Einfaltspinsel der Imperialen Flotte, dachte der Archivar.
Am Fußende des Tisches saß Chardin mit vor der Brust verschränkten Armen. Er wirkte desinteressiert. Kein Wunder, denn es ging um eine Angelegenheit, die klingonischer nicht sein könnte.
„Also fassen wir zusammen“, begann der Archivar schließlich und fühlte, wie das Blut durch seine Adern pumpte. Er war jetzt völlig in seinem Element und es gefiel ihm, dass er nicht herumkommandiert, sondern gebeten wurde, ein Problem für Korrd zu lösen. Dem Geruch nach musste sich der Commander jede Menge Mut angesoffen haben, um diese Bitte zu äußern. Dem Archivar konnte es nur recht sein.
„Einer von euch möchte Kanzler werden, aber eine Herausforderung an Kanzler Kinevas kann derzeit nicht ausgesprochen werden. Er ist einerseits nicht persönlich zu sprechen, anderseits ist es zweifelhaft, ob eine ausgesprochene Herausforderung überhaupt angenommen werden würde. Die beiden Commander …“
„Gouverneur!“, korrigierte Guroth sofort, doch der Archivar beschloss, den Zwischenruf zu ignorieren und sprach weiter:
„… gelten als Abtrünnige, Versager, ehrlose Hunde, schäbige petaQ …“
„Wir haben’s verstanden!“ grollte Korrd.
Der Archivar räusperte sich. Vielleicht war er doch etwas zu weit gegangen. „Also, Korrd und Guroth scheiden wegen ihrer Reputation aus und die beiden Captains Kor und Kang sind jung, und würden aufgrund ihrer Unerfahrenheit nie als ernsthafte Kandidaten in Erwägung gezogen werden.“
„Das wissen wir. Wir wollen wissen, wie man trotzdem Kanzler werden kann“, verdeutlichte Kor die Anfrage. Der Archivar blickte daraufhin auf seine PADDs, blätterte in einem Buch ein paar Seiten um und verkündete schließlich:
„Gar nicht!“
„Was?“, riefen die vier Klingonen gleichzeitig voller Entsetzen und sprangen von ihren Sesseln hoch, jeder bereit, dem Archivar sämtliche Knochen im Leib zu brechen. Der Archivar sah, dass er schnell etwas klarstellen musste:
„Warum glaubt Ihr alle denn, ist die Regelung mit dem Herausforderungsritus bei uns Klingonen so kompliziert? Einfach deshalb, damit sie kein Schlupfloch aufweist. Wenn ein Herausforderer in der Vergangenheit ein Schlupfloch gefunden hat, ist es vom Sieger des Kampfes natürlich sofort danach per Erlass gestopft worden. Nach hunderten Kämpfen um die Position des Kanzlers ist inzwischen kein Schlupfloch mehr übrig. Was habt Ihr denn für eine Antwort von mir erwartet?“
Die anderen Klingonen sahen sich ratlos an und ließen sich der Reihe nach in ihre Sessel zurücksinken. Kor war der Erste, der etwas sagte: „Naja, unter Ruriks Kommando haben wir ziemlich viele Artefakte gefunden. Jede Menge Statussymbole früherer Kanzler und Imperatoren. Die sind jetzt zwar alle auf Kronos, aber einiges, was die Hur’q gestohlen haben muss doch noch irgendwo da draußen sein.“
„Interessante Idee“, kommentierte der Archivar. Doch noch ehe ein Hoffnungsschimmer Zeit hatte sich zu formen, sagte er schnell: „Interessant aber völlig bescheuert. Denken Sie etwa, dass Sie einfach mal schnell das seit 900 Jahren verschollene Schwert des Kahless ausgraben und sich so zum Kanzler des Imperiums ernennen können? Ein Kanzler hat lediglich das Anrecht darauf, ein solches Statussymbol zu tragen. Aber ein Statussymbol allein macht den Träger nicht automatisch zum Kanzler.“
Kor seufzte laut. Offenbar war das sein einziger Diskussionsbeitrag, den er vorbereitet hatte. Der Archivar war jedoch noch nicht mit seinen Ausführungen fertig. Bevor jemand übereilte Schlüsse ziehen konnte, ergänzte er schnell: „Wer auch immer das Schwert des Kahless wiederfindet, würde natürlich als würdiger Herausforderer angesehen werden müssen. Aber das bedeutet nicht, dass die Bruderschaft des Schwertes den Finder zum Hohen Rat …“
Der Archivar unterbrach sich abrupt und schlug schnell ein anderes Buch auf. Er bemerkte, dass sich erwartungsvolle Blicke auf ihn richteten und er hoffte, dass seine Erinnerung ihm keinen Streich spielte. Seine Finger bewegten sich schnell über die alten, vergilbten Seiten, blätterten eine nach der anderen um und als er fast schon befürchtete, das falsche Buch aufgeschlagen zu haben, blickten ihm feuerrote Augen entgegen. Der Archivar war fündig geworden und hielt das Buch so, dass jeder der Anwesenden die Zeichnung sehen konnte, die fast eine komplette Seite des Buches füllte. Selbst Chardin beugte sich interessiert näher.
„Wer ist das?“, fragte der Tagusianer.
Wie alle anderen sahen sie das Abbild eines furchterregenden Kriegers, gehüllt in Fell und Leder, mit einer gewaltigen Axt in einer Hand und einem Krummschwert in der anderen. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, denn es wurde verdeckt von einem großen gehörnten Helm aus Metall. Nur feuerrote Augen waren dort zu erkennen, wo sich ein schmaler Sichtschlitz im Helm befand.
„Das ist der Shisamu“, erklärte der Archivar begeistert. Doch die anderen Klingonen wirkten unwissend, schienen den Namen noch nie gehört zu haben. „Besser gesagt, es ist einer der Shisamu. Es ist sowohl ein Rang als auch ein Name.“
„Und was hat es mit diesem … Shisamu auf sich?“, fragte Kor.
„Sein Helm ist die Ausnahme. Er ist das einzige Symbol, das ihren Träger zum Inhaber des Titels des Shisamu macht.“
„Aber wen interessiert das?“, protestierte Guroth lautstark. „Hier will niemand Shisamu werden.“
„Weil Sie noch nicht begriffen haben, wer der Shisamu ist“, entgegnet der Archivar harsch. Warum muss ich ständig mit diesen ungeduldigen Barbaren zusammenarbeiten? Nur weil mich einer von ihnen vor vier Jahren in einen Wandschrank gesperrt hat?
Der Archivar behielt seine Gedanken für sich, atmete tief durch und wählte seine Worte so, dass ausnahmslos jeder im Raum ihre Bedeutung verstand: „Der Shisamu war Jahrtausende lang das Oberhaupt der Yan-Isleth. Der beste Schwertkämpfer und angesehenste Krieger im ganzen Imperium. Und er hatte die völlige Befehlsgewalt über die Bruderschaft des Schwertes.“
Der Archivar sah erfreut, wie Korrd, Guroth, Kor und Kang bedeutungsvolle Blicke wechselten. Sie verstanden es.
„Und, meine Herren?“, fragte der Archivar. „Wer will jetzt neuer Shisamu des Klingonischen Imperiums werden?“

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„Und plötzlich fegte ein heftiger Windstoß durch die Straße und zog unserem Sicherheitschef die Kapuze vom Kopf. Die Frau, mit der wir gerade redeten, riss ihre Augen vor Schreck fast genauso weit auf wie Caraatic, schrie vor Panik und nahm die Beine in die Hand.“
Captain Robau versuchte sich amüsiert die Szene, die ihm sein Erster Offizier gerade schilderte, bildlich vorzustellen. Aber Robert April war mit seiner Geschichte noch nicht fertig.
„Also nachdem wir unser Ziel, möglichst unauffällig Informationen zu sammeln, mehr als deutlich verfehlt hatten, entschieden wir uns, zurück zur Kelvin zu beamen. Wie stellte uns gerade auf, als plötzlich von beiden Seiten der Straße Menschenmassen auf uns zustürmten. Alle mit Heugabeln, Knüppeln und sogar Fackeln bewaffnet, auf unseren schiffseigenen Saurianer zeigend und laut irgend sowas wie Gon oder Gnom skandierend. Chief Parani hat uns gerade noch rechtzeitig rauf gebeamt.“
Schmunzelnd drehte Robau seinen Kommandosessel so, dass er zu seinem Sicherheitschef sehen konnte. Caraatic saß neben Steuerfrau Lin an einer meistens unbesetzten sekundären Station.
„Wie kommt es“, fragte Robau schelmisch, „dass ich von diesem Zwischenfall in Ihrem Missionsbericht keine einzige Zeile gelesen habe?“
Saurianische Gesichtsausdrücke waren für einen Menschen zu subtil, um erkannt zu werden. Und wenn man doch eine sonderbare Regung in einem Gesicht dieses überdimensionierten Reptils ausmachte, dann war dies kaum deutbar. Aber aus Caraatic‘ Stimme hörte Robau deutliches Unbehagen heraus: „Nun, ich … hielt es einfach nicht für relevant. Es war ja nicht so, dass dies Teil unseres Auftrags gewesen wäre.“
„Allerdings!“, bekräftigte Manuel Colombo, der ebenfalls Mitglied des Außenteams gewesen war. „Uns lynchen zu lassen gehörte sicher nicht zum Job.“
„Woher hätte wir auch wissen sollen, dass die Bewohner des Planeten erst vor ein paar Jahren von einer anderen reptilischen Spezies angegriffen worden sind“, verteidigte sich Caraatic, was für Robau die Sache nur noch lustiger machte und er sein Lachen nicht mehr zurückhalten konnte.
Die Kelvin war derzeit eines von mehreren Schiffen der Sternenflotte, die das derzeitige Desinteresse der Klingonen am Laurentianischen Graben ausnutzte und Informationen über die bewohnten Planeten einholte. Natürlich auf möglichst diskrete Art. Während Kontakte zu den außerirdischen Regierungen über die offiziellen diplomatischen Kanäle abliefen, machten sich Außenteams ein Bild über die verschiedenen Kulturen und Völker auf den einzelnen Welten. Bei vielen stellte dies kein Problem dar, denn selbst wenn die im Graben einheimischen Völker selbst noch keinen Warp-Antrieb besaßen und andere Planeten besuchen konnten, hatte fast jedes einigermaßen industriell entwickelte Volk schon Besuch von anderen Welten erhalten. Die Yiridianer und die Acamarianer betrieben in dieser Region verstärkt Handel. Und leider auch das Orion-Syndikat. Die Orioner handelten mit jeder möglichen Ware und Dienstleistung, egal ob sie legaler oder illegaler Natur war.
Die Besuche der Planeten im Laurentianischen Graben waren also nicht nur eine Good-Will-Mission, sondern dienten auch gezielt dazu, vielleicht auf die Spur des einen oder anderen Orioners, auf den in der Föderation ein Haftbefehl ausgestellt worden war, zu kommen und ihn aus dem Verkehr zu ziehen.
Die U.S.S. Kelvin umkreiste im Moment den Heimatplaneten der Japori, auf dem sich im Moment ein Außenteam aufhielt.
„Ich hoffe, Sie haben mir nicht deshalb das Runterbeamen nach Japori II verweigert, weil mein Aussehen jemanden erschrecken könnte“, fragte Caraatic nach.
Robau schüttelte den Kopf und erwiderte: „Aber nein. Dann hätten D’Sass und K'Bentayr auch nicht auf den Planeten dürfen. Und wer weiß, vielleicht empfinden die Japori den Anblick von Kirk sogar als noch scheußlicher.“
Ein plakatives Hüsteln, das nur von Kirks Freundin Winona stammen konnte, erklang von der Kommunikationsstation. Robau ignorierte den Protest und sprach weiter zu seinem Sicherheitschef: „Außerdem ist die Hauptstadt von Japori II eines der wichtigsten Handelszentren in diesem Sektor. Dort ist man an den Anblick fremder Spezies gewöhnt.“
„Warum durfte ich dann nicht mit runter?“, wiederholte Caraatic seine Frage verständnislos. Während das Alpha-Sicherheitsteam auf dem Planeten unterwegs war, konnte Caraatic nur auf der Brücke herumsitzen, und auf die Rückmeldung des Teams warten.
„Weil Lieutenant Kirk nun einmal der Leiter dieses Sicherheitsteams ist. Er soll auch mal echte Erfahrung als Anführer bei einem Außeneinsatz sammeln. Wenn der Sicherheitschef dabei ist, kann Kirk das nicht. Dann ist er nichts anderes als nur ein weiterer Sicherheitsoffizier, der Ihnen untersteht.“
„So war das sicher gedacht, als die Sternenflotte in ihre Vorschriften aufnahm, dass es mehrere Sicherheitsteams mit einem fixen Team-Führer geben sollte“, gab Caraatic zu. „Allerdings möchte ich daran erinnern, was beim letzten Mal passiert ist, als ein Sicherheitsteam ohne mich auf eine dieser Planetenerkundungen gegangen ist.“
„Ach, das war ein Sonderfall“, warf Colombo ein, doch der Saurianer ignorierte ihn:
„Sie waren keine fünf Minuten auf dem Planeten, da haben sie auch schon die erstbeste Kneipe angesteuert.“
„Das war aber nur die Schuld von Sergeant Nakamura, der die anderen angestiftet hat“, stellte Colombo klar. „Und selbst der hatte – zwar keinen guten aber doch – einen Grund, sich volllaufen zu lassen. Er war damals gerade vom Alpha-Team wieder zurück ins Gamma-Team versetzt worden. Außerdem dürfte da auch noch irgendwas mit einem Frauenzimmer schiefgelaufen sein.“
Diesmal war das Räuspern von der Kommunikationsstation noch lauter und deutlich aufdringlicher. Und diesmal reagierte Robau darauf, sah über die Schulter zu Winona Giles und fragte ganz unschuldig: „Haben Sie etwas zu sagen, Lieutenant?“
Er hatte die Kommunikationsoffizierin offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass jemand aus der „Männerrunde“ auf sie reagieren würde und stammelte etwas vor sich her, ehe sie schließlich klar verständlich sagte: „Also, wegen George müssen Sie sich sicher keine Sorgen machen. Er würde sicher nicht während des Dienstes trinken.“

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„Was ist da drinnen?“, fragte Ben und begutachtete die braune Papiertüte, die Kirk in der Hand hielt.
„Saurianischer Brandy“, antwortete Kirk triumphierend. Er griff in die Tüte und zog die Flasche am langen, gebogenen Flaschenhals heraus und reichte sie seinem Kumpel.
„Wow, der ist ja sogar echt“, staunte Ben und seine Verwunderung war verständlich. Schon seit ein paar Jahren gab es aufgrund von massiven Ernteausfällen auf Sauria kaum noch Exporte des früher und hoffentlich in naher Zukunft bald wieder beliebten Branntweins.
„Ja, kaum zu glauben“, sagte Kirk. „Aber da hinten im Schnapsladen stand tatsächlich noch eine Flasche im obersten Fach eines verstaubten Regals rum.“
In diesem Moment kam D’Sass zu den beiden, stemmte empört ihre Fäuste in die Hüften und sagte tadelnd: „Seid ihr zwei irre? Wenn euch Caraatic mit der Flasche erwischt, seid ihr so was von tot!“
„Ach was, Sassy. Der Brandy ist doch für Caraatic. Ich bin ihm die Flasche seit vier Jahren schuldig.“
D’Sass entspannte sich wieder. Sie nickte und schien sich wieder zu erinnern, dass Caraatic Kirk mal während des Jungfernflugs der Kelvin einen Gefallen getan und Kirk im Gegenzug versprochen hatte, sich mit einer Flasche nicht-synthetischen Brandys zu revanchieren.
Das Außenteam befand sich in einem der Randbezirke der Japori-Hauptstadt Beneshja. Im Gegensatz zu den modernen Glas- und Stahlbauten im Stadtzentrum von Beneshja, stellte dieser Randbezirk das historische alte Viertel der Stadt dar. Die Architektur der Häuser und die verwinkelten, engen Gassen gaben diesem Stadtteil ein orientalisches Flair. Und natürlich durfte ein Basar nicht fehlen, der hier nicht nur den großen Handelsplatz und die angrenzenden Hallen einnahm, sondern sich in fast alle Gassen des Viertels weiterverzweigte. Der Markt war also tatsächlich so etwas wie das pulsierende Herz dieses Bezirks. Wohin man auch sah, wurden verschiedene Waren angeboten und um Preise gefeilscht. Im Gegensatz zu orientalischen Märkten ging es aber nicht nur um Teppiche, Gewürze und Tee, sondern auch um beträchtliche Mengen Dilithium, Trillium und Kevas. Doch nicht nur legale Waren wurden hier feilgeboten und so fand sich auch der eine oder andere dubiose Geschäftsmann, dessen umfangreiches Sortiment auch einzelne Substanzen enthielt, die in der Föderation nicht gerne gesehen oder besser gesagt verboten waren. Und genau jene Geschäftsleute waren es, die bevorzugt mit Orionern verkehrten, deren Nationalcredo es war, jedes nur denkbare illegale Geschäft abzuschließen um den „freien Handel“ in diesem Teil der Galaxis zu fördern.
Kirks Team hatte die Aufgabe, solche Orioner ausfindig zu machen. In der letzten Stunde waren sie ausgeschwärmt und hatten bevorzugt nach jenen Händlern Ausschau gehalten, die etwas verkauften, was in die Föderation nicht importiert werden durfte. Wenn ein Orioner dort als Kunde auftrat, konnte man beinahe wetten, dass das von ihm erworbene illegale Produkt von Japori II auf mehr oder weniger direktem Wege ins Föderationsgebiet geschmuggelt werden sollte.
Jetzt, da sie sich wie vereinbart wieder auf einem der kleineren und weniger frequentierten Nebenplätze des Bazars getroffen hatten, wurde es Zeit, sich eine Übersicht zu verschaffen.
„Hat jemand eine Grünhaut entdeckt?“, fragte Kirk, während er die Brandy-Flasche wieder in die Tüte packte.
„Nein, ich habe keinen einzigen Orioner hier gesehen“, erwiderte D’Sass entnervt. Auch Alnschloss K'Bentayr schüttelte seinen großen Kopf. Wie Kirk trugen die beiden anderen Sicherheitsoffiziere ebenfalls zivile Kleidung. Zwar entfiel durch die Aufhebung der Nichteinmischungsdirektive der Zwang, sich nicht als Sternenflottenoffiziere auf nicht-alliierten Planeten zu erkennen zu geben. Aber der Japori-Basar war ein Ort, wo Uniformen jeglicher Art nicht gerne gesehen waren. Vor allem dann nicht, wenn diese Uniformierten die Kunden einzelner Händler bespitzelten.
„Ich vermute, dir ist im Schnapsladen auch kein Orioner über den Weg gelaufen?“, fragte D’Sass herausfordernd. Doch Kirk wollte das nicht auf sich sitzen lassen und antwortete der Caitanerin:
„Hey, ich bin nur dort hinein, weil ich gehört habe, dass der Besitzer unter der Hand auch mit regalianischen Flüssigkristallen handeln soll.“
„War ja klar, dass du der ersten Fährte nachgehst, die zu einem verbotenen Aphrodisiakum führt“, kommentierte Ben lachend.
„Ach, seine wilden Zeiten sind doch dank Winona vorbei“, sagte D’Sass nun ebenfalls lachend. Kirk gefiel das absolut nicht und sprach ein Machtwort:
„Wie wäre es, wenn wir mein Privatleben als Gesprächsthema bleiben lassen und uns wieder auf die Arbeit konzentrieren? Ich kann es auch zu einem Befehl machen, denn heute bin ich der Boss.“
„Ist ja schon gut“, beschwichtigte D’Sass, atmete tief durch und zählte in einer langen Litanei auf, welche möglichen Bezugsquellen für orionische Schmuggler ihr aufgefallen waren. Ihre Liste beinhalte allerhand verbotener Waren, aber hauptsächlich Drogen und andere gefährliche Chemikalien wie Tropolisin, biomimetisches Gel und Trellium-D.
Ben hingegen hatte mehrere Waffenhändler aufgespürt. Zu deren Sortiment gehörten sowohl Kriegsrelikte aus den Erselrope-Kriegen aber auch moderne Varon-T-Disruptoren und waffenfähiges Kemozit.
„Mit all den Waffen, die hier angeboten werden, könnte man wohl einen kleinen Krieg ausfechten“, bekräftige Ben seine Besorgnis und Kirk konnte nur zustimmen. Er bedauerte es, dass sie nicht die Befugnis hatten, etwas gegen die üblen Geschäfte hier zu unternehmen. Aber auf Japori II waren diese Geschäfte legal und so konnte die Sternenflotte nur gegen jene Kunden aktiv werden, auf die bereits ein Haftbefehl der Föderation ausgestellt worden war.
„Und kein bekanntes Gesicht hat sich dafür interessiert?“, fragte Kirk ungläubig. Sowohl D’Sass als auch Ben verneinten. Aber sie haben zumindest diskret Bilder einiger Interessenten gemacht sowie, wenn möglich, deren DNS-Profile mittels eines handlichen medizinischen Scanners ermittelt. Diese Individuen würden also besondere Aufmerksamkeit erregen, sollten sie einmal einen Föderationsplaneten betreten oder auf einer Sternenbasis kontrolliert werden.
„Naja, besser als nichts“, sagte Kirk schließlich und entschied, dass sie sich noch eine Stunde lang auf dem Basar umsehen sollten. „Wer weiß, vielleicht schlafen Orioner gerne aus. Also in einer Stunde wieder Treffpunkt hier. Finden wir keine Hinweise, beamen wir wieder zur Kelvin hoch und das Beta-Team soll weitermachen.“
Sein Vorschlag traf zwar auf wenig Gegenliebe, aber die Caitanerin und der Monchezekianer setzten sich schließlich doch mürrisch – und im Fall von D’Sass fauchend – in Bewegung. Keiner ging wieder in jenen Teil des Bezirks zurück, aus dem er gekommen war und so nahm Kirk sich nun jenes Gebiet vor, in dem bevorzugt Waffen verkauft wurden.
Bevor er aber versuchte, sich diskret bei den Einheimischen nach Waffenhändlern zu erkundigen, beschloss er, der Kelvin den aktuellen Stand mitzuteilen. Kirk bezweifelte stark, dass jemand hier seinen Kommunikator als ein Modell der Sternenflotte identifizieren würde. Trotzdem suchte er zuerst eine dunkle Ecke, wo er unbeobachtet mit dem Schiff in Kontakt treten konnte. Eine schmale Gasse, die er beinahe nicht bemerkt hätte, da zwei eng nebeneinander stehende Verkaufsstände den Zugang fast völlig blockierten, erschien ihm am geeignetsten. Er zwängte sich zwischen den beiden Auslagetischen hindurch. Auf dem einen befanden sich hübsche, handgefertigte Amulette, auf dem anderen nach Kirks Meinung Weltraumschrott, obwohl der Standbesitzer in bester Manier eines Marktschreiers behauptete, es handle sich um religiöse Artefakte einer längst untergegangenen Zivilisation namens Tkon. Kirk hatte noch nie von dieser Spezies gehört und vermutete, dass der Verkäufer sie nur erfunden hatte.
Er verschwendete keinen weiteren Gedanken und trat in die dunkle Gasse. Doch bevor Kirk seinen Kommunikator hervorholen konnte, wanderte ein blendender Lichtschimmer über die Wände der Gebäude links und rechts. Der Soldat in Kirk schlug sofort Alarm, doch die Vernunft sagte ihm, dass nur ein Kunde soeben ein poliertes Stück Schrott gekauft hatte, das beim Wegtragen für ein oder zwei Sekunden Sonnenlicht in die Gasse reflektiert hatte. Doch das war lange genug, um das Gesicht einer weiteren Person zu erhellen, die ebenfalls in der Gasse, nur eine Armlänge von Kirk entfernt, stand. Der Lichtschimmer huschte vorbei und eine dunkle Silhouette blieb zurück.
Was Kirk jedoch in diesen ein bis zwei Sekunden sah, alarmierte ihn wieder, denn das Gesicht wies einige Merkmale auf, die ihn an einen männlichen Klingonen erinnerten.
Er wusste natürlich, dass jene Klingonen, die nicht über die auffälligen Stirnwülste verfügten, nicht viel anders aussahen als Menschen – oder ähnliche Humanoiden – mit einem etwas dunkleren Hautteint und dazu passenden schwarzen oder dunkelbraunen Haaren – bevorzugt sowohl auf dem Kopf als auch im Gesicht. Und der Unbekannte verfügte genau über diese Merkmale und noch dazu hatte er Kirk mit sehr finsterem Ausdruck angestarrt. Auch jetzt, in der wiedereingekehrten Düsternis, spürte Kirk, dass dieser Blick noch immer auf ihm lag.
Keine Panik. Ich bin nur ein einfacher Tourist, der sich im Bazar umsieht, um ein paar Mitbringsel von Japori II zu besorgen, brachte sich Kirk seine Tarngeschichte wieder in Erinnerung. Wenn das also wirklich ein Klingone war, gab es keinen Grund anzunehmen, dass dieser in Kirk irgendetwas anderes als einen Touristen sah. Außer ich bin ihm bereits begegnet.
Dieser Gedanke verunsicherte ihn wieder und als der Fremde das erste Wort sprach, wurde es zur Gewissheit, dass er dem Mann schon begegnet war. Dieser sagte nämlich: „Kirk!“
Kirks erster Impuls war, den Handphaser zu ziehen, den er zur Sicherheit mitgenommen hatte. Leider steckte dieser in einem Holster an seinem rechten Fußgelenk und er würde ihn unter keinen Umständen rechtzeitig hervorholen können, ehe der Klingone begriff, was er vorhatte.
Kirks zweiter Impuls bestand darin, sich den Kopf zu zerbrechen, wo er diese tiefe – nein, regelrecht dumpfe – Stimme zuletzt gehört hatte. Und als es ihm einfiel und nur noch Zorn und Hass sein Handeln bestimmte, vergaß er den Phaser völlig, holte mit der braunen Tüte, in der sich die Brandy-Flasche befand aus, bereit sie auf dem Kopf seiner Nemesis zu zerschlagen und ihm mit einer großen Scherbe die Pulsadern aufzuschneiden.
Die rotgleißende Mündung einer Energiewaffe ließ Kirk allerdings schon innehalten, ehe er noch einen halben Schritt auf die dunkle Gestalt zugetan hatte. Die auf ihn gerichtete Waffe zwang ihn zwar dazu, seine Handlungen zu überdenken, aber die Drohgebärde war nicht dazu geeignet, ihn zu besänftigen. Noch immer von innerer Wut beherrscht presste Kirk aus zusammengebissenen Zähnen hervor:
„Sie verdammter Mistkerl!“
„Das heißt wohl, dass Sie sich an mich erinnern“, erwiderte Zarial erstaunlich gelassen.
„Wie könnte ich Sie vergessen?“, fragte Kirk, etwas lauter, als vielleicht gut war. An den nahen Mauern, welche die Gasse begrenzten, hallte seine hasserfüllte Stimme mehrmals wider. „Sie haben mich an die verdammten Klingonen ausgeliefert. Und jetzt verstehe ich auch, warum. Sie sind einer von denen.“
„Ich habe Ihnen schon damals gesagt, dass es mir leid tut“, entgegnete Zarial fest. Es erstaunte Kirk, dass Zarial glauben konnte, dass ein kurzer Ausdruck des Bedauerns eine mehrmonatige Gefangenschaft widergutmachen konnte. Vor allem da diese Gefangenschaft auch leicht mit Kirks Tod auf einem Seziertisch hätte enden können.
„Es wäre schade um den Brandy“, sagte Zarial plötzlich und Kirk bemerkte, dass er die Papiertüte immer noch leicht erhoben hielt, bereit damit zum Schlag auszuholen. Der Drang, den Inhalt der Tüte auf Zarials Kopf zu zerschmettern war noch immer vorhanden, aber er sah die Sinnlosigkeit dieses Vorhabens schließlich ein, trat einen Schritt zurück und entspannte sich ein wenig. Kurz befürchtete Kirk, dass Zarial dies ausnützen und auf ihn schießen würde. Doch Zarial ließ im Gegenzug seine Waffe sinken und schob sie unter seinen Umhang.
„Ich dachte, Sie tragen nicht gerne Waffen bei sich“, merkte Kirk an. So etwas in der Art hatte Zarial vor ungefähr dreieinhalb Jahren auf Tagus III behauptet.
„Stimmt“, bestätigte Zarial. „Dass ich mit einer Waffe umgehen kann heißt aber nicht, dass ich sie gerne mitführe. Ich hätte sie auch nur eingesetzt, wenn es unbedingt notwendig gewesen wäre.“
„Eine merkwürdige Einstellung für einen Klingonen“, fand Kirk.
Zarial nickte und klang erheitert, als er antwortete: „Allerdings. Deshalb bin ich auch froh, keiner zu sein.“
Diese Offenbarung überraschte Kirk. Zwar erklärte sie einiges an Zarials Verhalten, aber sie warf auch neue Fragen auf. Kirk hatte keine Gelegenheit, weiter nachzuhaken, denn Zarial sprach umgehend weiter: „Ich musste mein Äußeres ein wenig verändern. Mein normales Erscheinungsbild wäre auf Kronos sonst aufgefallen.“
„Sie waren auf Kronos?“
Zarial antwortete nicht in Worten, sondern indem er etwas hervorholte und Kirk zuwarf. Er fing es mühelos auf und erkannte den Gegenstand als Tricorder. Den Schriftzeichen auf den Tasten und dem runden Bildschirm als zentralem Element nach handelte es sich um ein vulkanisches Modell. Es bedurfte keiner weiteren Aufforderung durch Zarial, Kirk aktivierte das Gerät und auf dem Schirm erschien das Bild einer ihm bekannten Landschaft.
„Das ist der Gebirgszug, den man von der klingonischen Hauptstadt aus sieht … sah“, korrigierte sich Kirk und strich mit der Hand knapp über den Bildschirm, so dass weitere Bilder angezeigt wurden. Es folgten Aufnahmen von Baumaschinen, einem Bergwerk.
Nein, kein Bergwerk, erkannte Kirk. Es ist die Schlucht. Die Schlucht, die sich durch Qam-Chee gezogen hat. Sie wird vergrößert.
Das folgende Bild zeigte Kirk, welchem Zweck die Baumaschinen tatsächlich dienten.
„Sie legen etwas frei, das am Grund der Schlucht liegt“, stellte Kirk fest. „Aber was ist es?“
„Ein Raumschiff der Ahnen.“
Kirk wusste nicht, was ihn mehr schockierte: Dass ein Schiff der Ahnen und damit zwangsläufig hochentwickelte Ahnen-Technologie auf der klingonischen Heimatwelt vorhanden war, oder dass Zarial überhaupt etwas über die Ahnen wusste. Die sogenannte Schmerzepidemie vor ein paar Jahren hatte sich natürlich nicht totschweigen lassen, aber der Öffentlichkeit wurden in der Föderation keine Informationen über Details des Zwischenfalls bekannt gegeben. Und nach letztem Wissenstand der Föderationsgeheimdienste wurde die Angelegenheit auch im Klingonischen Imperium so gehandhabt.
„Das ist unvorstellbar“, murmelte Kirk. „Angenommen diese Aufzeichnungen sind echt …“
„Das sind sie“, versicherte Zarial. „Zu jedem Bild gibt es auch umfangreiche Sensoraufzeichnungen, die bestätigen werden, wo und wann die Bilder gemacht wurden und dass nichts an ihnen manipuliert worden ist.“
„Okay, gehen wir davon aus, dass Sie die Wahrheit sagen. Wissen Sie, warum die Klingonen erst jetzt das Ahnen-Schiff freilegen? Warum die Mühe mit den Angriffen auf Tagus III und Sarathong V, wenn Ahnen-Technologie bereits auf Kronos vorhanden ist? Und das sogar mitten in deren Hauptstadt!“
„Bis vor einem Jahr wusste niemand auf Kronos etwas davon. Die Zerstörung vom Qam-Chee war nicht das einzige schlimme Ereignis an jenem Tag. Alle Mitglieder des Hohen Rates fanden damals den Tod. Seit der Zerstörung der Hauptstadt wird das Imperium von anderen Mächten regiert, die nicht das Beste im Sinn haben.“
Kirk hörte sich die Erklärung zweifelnd an und seine Skepsis war auch gut begründet. Zarials Behauptung, der Hohe Rat wäre damals gestorben, war einfach unrichtig:
„Was Sie da behaupten, kann nicht sein. Zumindest Kanzler Kinevas muss die Katastrophe überlebt haben. Es gab mehrere Aussendungen von ihm an den Rat der Föderation. Zum Beispiel als er humanitäre Hilfe ablehnte, die der Präsident ihm angeboten hat. Es gab im Lauf der letzten eineinhalb Jahre mehrere Bekanntgaben von ihm, die über alle Subraumfrequenzen ausgesendet worden sind.“
„Der Mann mag aussehen wie Kinevas, er ist es aber nicht.“
„Aber wer …“
„Suliban“, antwortete Zarial schnell, ehe Kirk die logische Frage stellen konnte. „Die Suliban sind mit ihren Schiffen nicht auf eine Selbstmordmission gegangen, nur um den Klingonen einen schweren Schlag zu versetzen. Die Führer des Imperiums zu ersetzen war von Anfang an der Plan gewesen. Sie wollten das Imperium unter ihre Kontrolle bringen und so Sarathong V schützen. Denken Sie nach, Kirk! Es passt alles zusammen.“
Tatsächlich schienen die Klingonen Sarathong V aufgegeben zu haben, obwohl die Suliban vermutlich nicht mehr viele Schiffe haben konnten, um den Planeten ein weiteres Mal so erfolgreich zu verteidigen. Und wenn man wirklich davon ausging, dass Suliban nun die Befehlsgewalt im Imperium hatten, erschienen die Geplänkel der letzte Zeit zwischen den Klingonen und den Tandaranern in einem völlig neuen Licht.
„Was haben die Suliban mit dem Ahnen-Schiff vor?“, fragte Kirk. Er formulierte die Frage mit Bedacht, denn er glaubte nicht, dass die Suliban wirklich selbst etwas mit dem Schiff vorhatten. Für wahrscheinlicher hielt er es, dass jene Ahnin, die auf Sarathong V lebte, etwas damit zu tun hatte. Wahrscheinlich wusste Zarial ohnehin über Neyntari Bescheid, aber Kirk wollte kein Risiko eingehen. Das Konzept einer vor einer Milliarde Jahren bereits technologisch hochentwickelten Spezies war schon schwer verdaulich. Dass eine Vertreterin dieser Spezies aber auch in der Gegenwart noch lebte, war aber noch weit schwerer zu akzeptieren.
„Ich weiß es nicht und es ist eigentlich egal, was sie damit machen wollen“, erwiderte Zarial zu Kirks großer Überraschung. „Ob sie die Technologie jetzt für sich nutzen wollen oder für das Imperium spielt keine Rolle. So oder so darf die Sternenflotte nicht zulassen, dass diese Technologie in die falschen Hände gerät. Und in diesem Fall sind jedermanns Hände die falschen.“
„Und wie sollen wir das verhindern?“, fragte Kirk.
„Gehen Sie nach Kronos, verschaffen Sie sich Zugang zum Ahnen-Schiff und vernichten Sie es, bevor es gehoben werden kann“, forderte Zarial und ergänzte: „Es bleibt Ihnen nicht mehr viel Zeit.“
Kirk wusste nicht viel über Zarial, aber nun wusste er sicher, dass der Mann wahnsinnig war. Was er da verlangte, war unmöglich zu vollbringen und das sagte er ihm auch geradeheraus. Doch Zarial blieb stur:
„Sie müssen es versuchen. Betrachten Sie es ganz nüchtern: Ich verlange nicht, dass Sie mir die Theorie über die Suliban glauben – ich selbst kann Ihnen nicht einmal einen stichhaltigen Beweis liefern. Aber die Föderation hat in der Vergangenheit bereits extreme Mittel angewandt, damit die Klingonen nicht in den Besitz von Ahnen-Technologie gelangen. Wir wissen beide, was beim letzten Mal passiert ist.“
Es hätte sich zwar angeboten, Zarial zu verbessern, aber Kirk verzichtete darauf. Kirk selbst war damals auf Tagus III natürlich auch für kurze Zeit von der Schmerzepidemie betroffen gewesen, aber in der Rückschau empfand er diese Eindrücke gar nicht als besonders schlimm. Die Schmerzen während seiner Rekonvaleszenz, nachdem er unter Geröll und Fels begraben worden war und sich fast alle Knochen im Körper gebrochen hatte, waren ihm stärker in Erinnerung geblieben.
„Wie sollen wir nach Kronos gelangen?“, fragte Kirk, als er seinen Blick wieder auf das Display des vulkanischen Tricorder richtete.
Wenn Zarial nach Kronos gelangen konnte, müssten wir es auch schaffen. Irgendwie.
„Mit der Kelvin schaffen Sie es sicher nicht unbemerkt hin“, erwiderte Zarial überflüssigerweise. „Versuchen Sie es an Bord eines Frachtschiffs. Die Klingonen beziehen viele Güter über die Yridianer.“
Sofort fiel Kirk ein, dass sich hier durchaus ein Kontakt herstellen ließ. Thraak könnte uns helfen, überlegte Kirk. Der Yridianer, der ihm damals bei seiner Flucht von Kronos geholfen hatte, konnte nun dafür sorgen, dass er – gemeinsam mit einem Einsatzteam der Sternenflotte – nach Kronos zurückkehren konnte. Was Zarial vorschlug, begriff Kirk, konnte vielleicht tatsächlich funktionieren.
„Es wird aber schwierig, in das Qam-Chee-Tal zu gelangen“, gab Zarial zu bedenken. „Ich habe einen Weg genommen, der für eine Person unauffällig war. Aber wenn Sie mit einem ganzen Team nach Kronos gehen – und das wird notwendig sein – dann fällt diese Möglichkeit weg.“
„Was ist mit Beamen?“
„In den letzten Monaten wurden Störvorrichtungen auf den umliegenden Gipfeln montiert, die einen unbefugten Transport verhindern. Und die beiden großen Zufahrtswege in das Tal werden bewacht, was auch für den Gebirgspfad gilt. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Sternenflotte ihre Ressourcen sinnvoll nützen wird, um auch dieses Problem zu beheben.“
So wie Zarial sprach, lag der Verdacht nahe, dass er auf etwas Bestimmtes anspielte, doch Kirk verstand die Anspielung nicht. Grundsätzlich verblüffte es Kirk einmal mehr, über welche Informationen Zarial verfügte.
„Wer zum Teufel sind Sie?“, fragte Kirk ganz offen. „Woher kannten Sie den Fluchtweg aus dem tagusianischen Gefängnis? Woher wussten Sie das mit dem Korridor auf dem klingonischen Schlachtkreuzer? Und das mit den Suliban auf Kronos?“
„Meine Informationen helfen Ihnen doch, oder? Dann sollten Sie nicht so viele Fragen stellen. Und woher ich den Fluchtweg kannte, habe ich Ihnen bereits gesagt. Ich bin selbst ein paar Jahre vorher von dort geflohen.“
„Warum haben Sie überhaupt eingesessen?“
Es war ungewöhnlich, dass Zarial nicht sofort antwortete. Er war sonst immer sehr schnell mit einer Antwort, aber diesmal hörte Kirk ihn nur mehrmals laut ein- und ausatmen. Schließlich, noch leiser und dumpfer als er normalerweise schon sprach, fragte Zarial: „Das bleibt unter uns. Versprochen?“
„Versprochen“, beteuerte Kirk, der Zarials Zögern jetzt nachvollziehen konnte. Wer einmal im Gefängnis war, musste damit rechnen, dass man seinen Aussagen und Informationen vielleicht kein großes Vertrauen mehr entgegenbrachte. Eine ziemlich verheerende Sache für jemanden, der als Informant arbeitete.
„Ich war nicht wegen jenem Verbrechen im Gefängnis, für das ich es eigentlich verdient hätte, hineingesteckt zu werden. Und wäre das Universum gerecht, würde ich noch immer in einer dieser Gondelzellen hocken.“
„Was haben Sie getan?“, wollte Kirk nun endlich wissen. Doch so wie Zarial um den heißen Brei herumredete, ahnte Kirk Schlimmes. Und er sollte rechtbehalten.
„Völkermord.“
Kirk schluckte schwer. Das war ein Verbrechen, dem man – zum Glück – nicht häufig begegnete. Und noch seltener fand man jemanden, der sich zu diesem Verbrechen bekannte. Zarial nützte die Sprachlosigkeit von Kirk zu einer Erläuterung: „Wegen dem, was ich getan … oder besser gesagt nicht getan habe, mussten Milliarden sterben. Ich hätte es vielleicht in der Hand gehabt, das große Sterben zu verhindern, aber ich entschied mich für einen anderen Weg. Ich ging einfach fort.“
Kirk merkte, dass er plötzlich stark schwitzte. Diese Region von Japori II war zu dieser Jahreszeit ohnehin eine der wärmeren, aber Kirk hatte das bis jetzt gar nicht gemerkt und sein Schweißausbruch war gerade in der dunklen und entsprechend kühlen Gasse nicht durch die Umgebungstemperatur erklärbar.
Es lag ganz einfach an Kirks Unschlüssigkeit. Er war Sicherheitsoffizier und ihm hatte gerade jemand gestanden, Völkermord, wenn nicht begangen dann zumindest nicht verhindert zu haben. Und kurz davor hatte er noch versprochen, es niemandem zu sagen und Kirk hielt sich für gewöhnlich an seine Versprechen. Kirk wusste nicht genau, was er sagen würde, als er den Mund öffnete, aber es war auf jeden Fall Zeit, irgendetwas zu sagen.
„Zarial …“, begann Kirk. Doch bevor er weiter sprechen konnte, ging ein paar Meter weiter ein weiteres Stück Weltraumschrott über den Ladentisch. Wieder wanderte reflektiertes Licht durch die schmale Gasse und Kirk merkte, dass er allein war.
Der vulkanische Tricorder und Kirks wirrer Gemütszustand waren die einzigen Hinweise darauf, dass Zarial tatsächlich hier gewesen war.
Kirk atmete tief durch und fällte dann die Entscheidung, sein Team zusammenzusuchen und so schnell wie möglich wieder zur Kelvin hinauf zu beamen. Zarial hatte behauptet, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb. Kirk hatte die Bilder von den Freilegungsarbeiten gesehen und zweifelte nicht daran. Aber trotzdem ließ es sich Kirk nicht nehmen, eine Minute Zeit für etwas Sinnvolles zu verschwenden und für Winona ein kleines Mitbringsel zu besorgen. Er hatte ein Auge auf eines der handgefertigten Amulette geworfen.
Der Gedanke daran, wie sehr sich Winona über das Geschenk freuen würde, verbesserte Kirks Stimmung. Zumindest ein wenig.

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