Dass ihr das noch erleben dürft. Dass ich das noch erleben darf. Ich hab die Story tatsächlich weitergeschrieben. Und das, obwohl mich das Kapitel mental echt angenervt hat, weswegen ich die Fic damals zur Seite legte.
III
Die Konferenz ging nun schon mehrere Stunden und die Anspannung im Raum war zum Greifen nah. Wie gerne hätte ich eine lockere Bemerkung gemacht, um die Stimmung ein wenig aufzuheitern. Die ernsten Gesichter um mich herum, waren aber Anzeichen genug, dass es angebrachter war, zu schweigen. Die Ereignisse ließen für Humor keinen Platz. Dafür sorgte schon der ernste und sorgenvolle Gesichtsausdruck von Major Kira Nerys. Der Stationscommander Benjamin Sisko, der die Konferenz leitete, hatte uns zu Beginn seine bajoranische Stellvertreterin vorgestellt - eine energische und resolute junge Frau. Allerdings war sie von der Katastrophe auf Bajor betroffen wie niemand anderes im Raum. Man sah ihr die Sorge förmlich an. Der Stationsarzt, Dr. Julian Bashir, der gerade am Sprechen war, sah ebenfalls müde und eingefallen aus. Er musste die letzten Tage rund um die Uhr im Einsatz gewesen sein. Er war ein sympathischer Mann, dem das Wohl seiner Patienten genauso am Herzen lag, wie mir. Das hatte ich bereits gespürt, als ich ihn das erste Mal traf und hatte keinerlei Bedenken, was eine Zusammenarbeit betraf.
Momentan stand er gemeinsam mit Major Kira an der Wand vor einem Sichtschirm und erläuterte die Grafiken, die er selbst zusammengestellt hatte. Während sie für die politischen Aspekte verantwortlich zeichnete, präsentierte er noch einmal die relevanten medizinischen Informationen.
Auf einer Karte Bajors zeigte er gerade den bisherigen Verlauf der Seuche nach und erklärte die Quarantäneregelungen. Man hatte alle Verkehrsverbindungen von Kendra eingestellt und inzwischen auch auf den anderen Kontinenten Quarantänezentren eingerichtet. Erkrankte wurden in das Föderationshospital in Naridom gebracht. Zudem waren sämtliche zivilen Transporte von und nach Bajor gestrichen worden, auch für Nichtbajoraner. Nur weil sie keine Symptome zeigten, konnten sie dennoch Überträger sein. Die Erreger waren auch in ihrem Blut nachgewiesen worden, aber es gab keine gesicherten Erkenntnisse darüber, was das bedeutete. Erkrankt war jedenfalls noch niemand Auswärtiges. Kiras Gesicht verdüsterte sich mit jedem von Bashirs Worten. Sie hatte mitgeholfen, die Maßnahmen umzusetzen, aber man sah ihrer gesamten Körpersprache an, dass ihr das alles nicht gefiel.
Der Großteil der Informationen war mir und meinen Kollegen bereits bekannt, aber die sie galten genauso den kommandierenden Offizieren, die scheinbar weniger gut informiert waren als Jean-Luc.
„Wenn ich Sie recht verstehe, können Sie nichts über die Herkunft der Erreger sagen, Doktor,“ meldete sich Capain Erica Mansfield von der USS Charleston zu Wort. Sie war eine strenge und disziplinierte Frau, die aber in den unpassendsten Momenten mit Herzenswärme überraschen konnte. Ich kannte sie noch aus meiner Akademiezeit.
Bashir hatte mit dieser Frage gerechnet.
„Das ist nicht ganz korrekt, Captain. Wie Sie sehen gibt es mehrere Hypothesen. Aber sie alle besagen, dass das Virus von außerhalb kommen muss.“
„Was macht Sie dessen so sicher?“ Captain Daes Syvyc von der USS Challenger war bekannt dafür, alles zu hinterfragen. Er hatte sich im Umgang mit den Cardassianern den Ruf eines unnachgiebigen Diplomaten erworben. Zumindest hatte mir das Jean-Luc noch zugeflüstert, als er mir diejenigen Kommandanten kurz vorstellte, die ich noch nicht kannte. Es schien beinahe, als behielt er recht.
„Das ist ganz einfach.“ Bashir sprang in seiner Präsentation ein paar Folien vor, bis sie die schematische Darstellung von Virenstämmen zeigten. Das Schema, das den Erreger der Seuche zeigte, wich erheblich von den anderen ab.
„Wie Sie sehen, ist rechts ein Exemplar des Erregers zu sehen. Die Darstellung ist schematisch und vereinfacht, da er sich sehr schnell verändert. Links sind die häufigsten bajoranischen Virentypen erfasst, wie wir sie in den letzten Jahren identifizieren konnten. Die immense Differenz zwischen beiden Virenstämmen belegt, dass sich unser Erreger nicht aus den bajoranischen hat entwickeln können. Weiterhin weist die Seuche Symptome auf, die in dieser Art und Weise in der bajoranischen Medizin nicht belegt sind.“ Kira nickte hierzu nachdenklich, aber zustimmend.
Captain Syvyc gab sich damit noch nicht zufrieden. „Können Sie das ausführen?“
„Aber natürlich!“
Bashir ging noch näher auf die Details des Virus ein und benannte noch einmal die Symptome der Seuche in allen Einzelheiten. Es war vor allem die Kombination aus Symptomen, die überraschte. Der Krankheitsverlauf zeigte sich in vier Stadien und wenn man das vierte erreicht hatte, half nur noch Palliativmedizin. Bisher hatte die Seuche 40.000 Leben gekostet, aber über 2 Millionen Bajoraner waren angesteckt. Es begann zunächst harmlos mit Müdigkeit, Kopfschmerzen und Gliederschmerzen, gefolgt von Blutungen aus verschiedensten Körperöffnungen, sowie Husten mit Erbrechen. Im dritten Stadium fielen die Patienten in ein Koma und es setzten erste Nekrosezustände an den Extremitäten ein. Im vierten Stadium war ein so großer Teil des Körpers nekrotisiert, dass der Tod unausweichlich war. Es war kein besonders schöner Tod. Man konnte richtiggehend sehen, wie Syvyc immer blasser wurde, je deutlicher Bashir den Krankheitsverlauf, unterfüttert mit Bildern beschrieb.
Mich machte all das traurig. Diese Bilder erinnerten mich daran, dass es nicht immer eine medizinische Lösung gab. Und doch hoffte ich, dass wir gemeinsam eine Lösung finden würden. Neben Bashir und mir standen uns Dr. Andrea Giacomo von der USS Korolev, Dr. Kopulek von der USS Min’ow, Dr. Enobia Forti von der USS Challenger und Dr. Hallveig Jónsdóttir von der USS Charleston zur Verfügung. Sie alle galten als fähige Mediziner, auch wenn ich bis auf Hallveig niemanden von ihnen persönlich kannte. Doch wenn sie in Wahrheit so gut waren, wie ihre Beiträge in den medizinischen Journalen, dann gab es Grund zur Hoffnung. Bashir jedenfalls hatte sein Können bereits unter Beweis gestellt. Wir lieferten lediglich weitere Ressourcen.
Nachdem die medizinischen Details geklärt waren, begann die Diskussion unter den wie der ganze Vorfall politisch zu bewerten sei. Hier klinkte ich mich aus, denn auf diesem Ressort waren andere bewanderter. Es war lediglich interessant, zu beobachten, wie die Positionen auseinander gingen. Jean-Luc hielt sich zunächst zurück und lauschte gebannt, genau wie Sisko. Major Kira und die Captains Mansfield und Syvyc plädierten dafür, bereits Verbindungen zu Cardassia aufzunehmen, um gegebenenfalls Schritte einleiten zu können. Captain Sul’Dak von der Korolev und Captain Christian Gifford von der Min’ow waren für weitere Zurückhaltung, bis weitere Daten vorlagen.
„Und in dieser Zeit morden sie weitere Bajoraner!“ Major Kira hatte sich die gesamte Konferenz zurückgehalten, aber nun konnte sie nicht mehr. Sie hatte eine starke Meinung zu den Cardassianern und niemand konnte es ihr verdenken. „Es ist nicht viel anders, als das, was sie uns während der Besatzung antaten. Aber jetzt schaut die Föderation zu, da können sie uns nicht mehr offen morden! Wir können doch nicht einfach dabei zusehen!“
Mansfield und Syvyc nickten zustimmend.
„Wenn sie merken, dass wir ihnen auf die Schliche gekommen sind, lassen sie uns vielleicht ihre Daten zukommen!“ fügte Mansfield hinzu. „Schlechte Beziehungen zu uns können sie sich dann doch nicht leisten.“
„Eine solch offensichtliche Aktion wäre unlogisch,“ führte Sul’Dak an. „Ich stimme zu, dass sie sich schlechte Beziehungen mit uns nicht leisten können. Aus diesem Grund dürften sie kaum etwas tun, das den Verdacht sofort auf sie lenkt.“
„Vielleicht ist genau diese Offensichtlichkeit ihre Taktik. Sie verlassen sich darauf, dass wir erst etwas unternehmen, wenn wir ihnen auf die Schliche gekommen sind,“ wandte Syvyc ein. „Das ist uns noch nicht gelungen und die Bajoraner sterben!“
„Wenn sie wirklich dahinter stecken, wird es uns früher oder später gelingen, das auch zu beweisen. So unvorsichtig sind sie nicht. Wir können es uns umgekehrt nicht leisten, sie mit einem falschen Verdacht zu beleidigen. Sobald wir eindeutige Belege für ihre Schuld haben, bin ich sehr dafür, sie damit zu konfrontieren. Solange das nicht der Fall ist, plädiere ich für Zurückhaltung.“ Gifford war eine ruhige, imposante Erscheinung, der selten sprach und sich immer alles genauestens durchdachte.
„Bis wir diese Beweise haben, gehen noch Tage ins Land, wenn nicht Wochen!“ Mansfield ließ nicht locker. „Wenn wir bluffen und sie damit konfrontieren, können wir vielleicht Tausende Bajoraner retten!“
Kira nickte energisch und zustimmend.
Jean-Luc räusperte sich und alle Augen wanderten zu ihm. Wir hatten sehr lange darüber gesprochen, welche Position er bei diesem Treffen vertreten würde und waren schließlich übereingekommen. Er war vielleicht das Zünglein an der Waage, das das weitere Vorgehen zunächst entscheiden würde und er war sich dieser Verantwortung immer mehr bewusst geworden, je länger die anderen diskutierten. Äußerlich war er ruhig und gefasst, aber ich wusste, dass er nervös war. Dafür kannte ich inzwischen zu gut, auch wenn er es selbst vor mir zu verbergen suchte. Aber es war noch etwas anderes. Es war noch nicht allzu lange her, dass er Gefangener in einem cardassianischen Gefängnis gewesen war. Er hatte, ähnlich wie Kira, am eigenen Leib erfahren, wie Cardassianer mit denjenigen umgehen konnten, die sie für schwach und minderwertig hielten. Und auch wenn er nur wenig mit mir darüber gesprochen hatte, wusste ich, dass ihn diese Erfahrungen ein Leben lang prägen würden. Diese Tatsache war allerdings nicht weitläufig bekannt. Vermutlich kehrten seine Erinnerungen daran in diesem Moment zurück.
Es kostete mich große Überwindung, nicht meine Hand auf die seine zu legen. Aber es hätte in dieser Situation nichts gebracht und seine Verhandlungsposition geschwächt. Daher blieb ich professionell distanziert.
„Ich kann beide Positionen gut verstehen,“ begann er schließlich. „Trotzdem möchte ich mich Sul’Dak und Mansfield anschließen und zunächst dafür aussprechen, Zurückhaltung zu bewahren.“
Er wandte sich an Kira.
„Major, Sie dürfen mir glauben, ich sehr gut weiß, wozu die Cardassianer fähig sein können.“
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Dass sie Probleme hatte, ihm zu glauben, war ihr nicht zu verdenken. In ihren Augen war er ein privilegierter Mann, der niemals wirkliches Leid erfahren musste und im Vergleich zu dem was die Bajoraner durchmachen musste, stimmte das wohl auch. Und doch irrte sie sich.
Bevor sie etwas erwidern konnte, fuhr er überraschend ruhig fort: „Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich das Privileg, Gast eines gewissen Gul Madred zu sein.“
Kira öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Sie hatte den Namen erkannt. Sisko beobachtete das Gespräch interessiert, wie auch die anderen. Von Jean-Luc wusste ich, dass ihre erste Begegnung eher distanziert verlaufen war. Sie würden vielleicht nicht die besten Freunde, aber zumindest war heute erkennbar, dass auf beiden Seiten der Wunsch nach guter Zusammenarbeit bestand.
„Was bringt Sie dann zu dieser Einschätzung, Captain Picard?“ mischte er sich schließlich auch in das Gespräch ein.
Mit einem Nicken zu Major Kira wandte sich Jean-Luc Sisko zu.
„Es ist gewiss nicht der Wunsch, die Cardassianer mit irgendetwas davonkommen zu lassen. Sie arbeiten mit schmutzigen Tricks, wenn es ihrer Sache dient und sie kennen keine Skrupel. Aber wie Captain Sul’Dak bin auch ich der Meinung, dass es kein kluger Schachzug wäre, Bajor gerade jetzt mit einer Seuche anzugreifen. Sie sind die ersten Verdächtigen, weil sie als einzige ein Motiv haben. Unsere Ärzte sind kompetent genug, früher oder später cardassianisches Design in einem solchen Virus zu entdecken und dies hätte massive Auswirkungen auf unsere diplomatischen Beziehungen. Ihnen geht es nur um ihren Vorteil und sie würden zu diesem Zeitpunkt nichts mehr gewinnen, wenn sie einige Millionen Bajoraner abschlachten.“
„Das hat sie bei ihrem Rückzug auch nicht gestört,“ murmelte Kira nahezu unhörbar. Dennoch hatte sie sich bei Jean-Lucs Rede immer mehr entspannt.
„Vielleicht haben Sie Recht, Captain Picard,“ meldete sich Syvyc zu Wort. „Vielleicht aber auch nicht.“
„Wenn er nicht Recht haben sollte, werden wir das in den nächsten Tagen herausfinden und entsprechend handeln.“ Sisko blickte zuerst mich und dann die restlichen Ärzte im Raum an. „Dafür werden unsere Mediziner sorgen. Und Sie sind alle auf meine Station gekommen, um sich auf einen solchen Fall vorzubereiten.“ Seine Stimme war überraschend energisch. Damit war die Vorgehensweise entschieden. Jean-Lucs und seine Blicke trafen sich und die beiden Männer nickten sich zu. Auch Kira schien sich inzwischen mehr mit der Entscheidung anfreunden zu können, auch wenn sie noch nicht restlos überzeugt war.
Dann begann sich der Konferenzraum langsam zu leeren. Ich sah meinen Kollegen hinterher, die mich in den nächsten Wochen bei der Arbeit unterstützen würden und atme geräuschvoll aus. Hoffentlich konnten wir etwas bewirken.
Jean-Luc war zu Sisko hinübergegangen und die beiden schienen angeregt zu diskutieren. Für mich gab es hier nichts mehr zu tun und so stand ich auf.
Eine Hand auf meiner Schulter hielt mich zurück.
„Dr. Crusher, es ist eine große Ehre, dass Sie unsere Bemühungen unterstützen werden.“ Die Augen von Julian Bashir glänzten erwartungsvoll.
Ich lächelte über das ungelenke Kompliment.
„Es ist mir eine Ehre, Ihnen behilflich sein zu können. Sie haben saubere Vorarbeit geleistet, Doktor,“ entgegnete ich ihm und es war durchaus ernst gemeint. Ich erkannte in seiner Unsicherheit eine gewisse Absolventin von Starfleet Medical wieder.
Nervös strich er sich durch die Haare und ich musste innerlich über die Heldenverehrung schmunzeln. Es war besser, sich nicht daran gewöhnen.
Er streckte mir die Hand entgegen. „Julian, nennen Sie mich Julian.“
Ich nahm und drückte sie. „Beverly.“ Das brachte mir ein schüchternes Lächeln ein.
Die nächsten Tage sollte ich dringend daran arbeiten, mich von dem Podest herunterzuholen. Aber das war bestimmt mein geringstes Problem…