Deep Space Nine hatte sich seit meinem letzten Besuch kaum verändert, aber trotzdem nichts von seiner Faszination verloren. Das cardassianische Design war so anders, als all die Raumstationen, auf denen ich sonst gewesen war, gleichzeitig martialisch und arrogant. Es musste bestimmt eine Mammutaufgabe für Chief O’Brien gewesen sein, den Computer auf Föderationsstandard umzuprogrammieren.
Ich hatte es mir nicht nehmen lassen, den Anflug auf die Station beobachten zu wollen und mich dazu ins Zehn Vorne begeben. Von dort hatte man einfach den besten Ausblick. Anscheinend ging es aber nicht nur mir so, denn die meisten Anwesenden hatten ihre Blicke auf das Fenster gerichtet. Eine noch bessere Aussicht hatte nur Jean-Luc auf der Brücke, aber es erschien mir lächerlich, nur deswegen dorthin zu gehen. Dazu war die Lage viel zu ernst.
Wie das komplexe Gebilde immer näher kam, kam ich nicht umhin, O’Brien ein wenig zu beneiden. Er saß nun auf dieser fremdartigen Raumstation, in Reichweite des bis vor kurzem noch unerreichbar scheinenden Gamma-Quadranten und hatte das Privileg einer der Ersten zu sein, der diesen noch neuen Sektor unserer Galaxie betreten durfte. Das, zusammen mit dem Abenteuer, eine fremdartige Raumstation einrichten zu müssen, und einem Planeten mit reichhaltiger Kultur humanitäre Hilfe zu leisten, war genau das, weswegen ich einmal in die Sternenflotte eingetreten war. Es war nicht so, dass ich meine Arbeit auf der Enterprise nicht liebte. Es gab nur manchmal Tage, in denen alles einem festgefahrenen Trott folgte und die Bürokratie überhand nahm. Auf einem so abgelegenen Außenposten, schien es mir, musste man bisweilen zu unorthodoxen Methoden greifen, damit man Erfolg hatte. Manchmal war es genau dieser Abenteuergeist, der mir fehlte, gepaart mit dem Reiz etwas völlig Neues aufzubauen. Der Anflug von Sehnsucht ging genauso schnell vorüber, wie er gekommen war, als ich mir ins Gedächtnis rief, weswegen wir hier waren. Innerlich schüttelte ich den Kopf über mich selbst. Dann konzentrierte ich mich wieder auf das ungewöhnliche Bild der Raumstation.
„Mich hat Deep Space Nine auch schon beim letzten Mal fasziniert,“ hörte ich eine Stimme hinter mir und drehte mich um.
„Deanna! Ich habe dich gar nicht kommen hören.“
„Kein Wunder, du warst auch sehr in dich vertieft. Ich habe überlegt, ob ich dich überhaupt stören soll.“
„Ich habe nachgedacht. Über die Station, unsere Mission und verpasste Chancen.“
„Verstehe. Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“
„Ich denke, ich bin da, wo ich hingehöre.“
Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. Dann wechselte sie das Thema. Ich wusste sofort, wovon sie sprach.
„Alles gepackt?“
„Ja.“ Ich deutete auf meine Umhängetasche, die ich um die Schultern geschlungen hatte. „Der Rest ist bereits an der Luftschleuse, damit das Umladen schnell vonstatten gehen kann.“
„Weißt du schon, wie es dann weitergeht?“
„Es gibt zunächst eine Konferenz auf Deep Space Nine. Soweit ich weiß sind neben den Leitenden Medizinischen Offizieren auch noch die Captains der vier anderen Schiffe dabei. Es ist gut möglich, dass wir dabei noch das ein oder andere erfahren, das man nicht dringend über den Subraum schicken wollte. Und dann geht es direkt nach Bajor. Und wie sieht es bei dir aus?“
„Ich treffe mich mit den Counselorn der anderen Schiffe für eine Lagebesprechung. Wir wurden ebenfalls auf den Planeten abgeordnet, um uns ein Bild der Moral der Bevölkerung und der Medoteams zu machen. Ich weiß aber nicht, wie lange wir bleiben sollen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Wenn etwas an den Vorwürfen dran sein sollte, dass die Cardassianer dafür verantwortlich sind, ist es gut möglich, dass wir mit der Enterprise nach Cardassia fliegen müssen. Das ist nichts, worauf ich mich besonders freue.“
Tröstend legte ich ihr den Arm auf die Schulter.
„Bisher ist ja noch nichts bewiesen. Das Virus ist hartnäckig, ja, aber das ist momentan alles was wir wissen.“ Dann fügte ich etwas leiser hinzu. „Aber auch ich werde den Verdacht nicht los. Es sind bisher nur Bajoraner davon befallen worden, das wirkt nicht wie ein Zufall.“
„Aber du hast schon recht. Es ist besser, wir gehen einen Schritt nach dem anderen. Dr. Bashir ist ein fähiger Arzt. Ich bin sicher, er hat inzwischen eine Menge Daten gesammelt.“
Eine Erschütterung des Bodens unterbrach unser Gespräch und ein erneuter Blick aus dem Fenster zeigte an, dass die Enterprise an einem der Andockarme der Station angelangt war. Im Gespräch mit Deanna hatte ich das Eigentliche verpasst. Mit dem Gesicht machte ich eine Bewegung in Richtung Fenster und zuckte mit den Achseln. Sie schien mich zu verstehen.
„Tut mir leid.“
„Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.“
„Vermutlich nicht.“
Der Anblick der Station war nun wieder dem Anblick der Sterne gewichen. Irgendwo dort draußen musste auch das Bajoranische Wurmloch sein. Das letzte Mal hatte ich es irgendwie verpasst, es zu sehen. Vielleicht hatte ich dieses Mal mehr Glück.
„Picard an Crusher!“ ertönte es aus meinem Kommunikator.
Ich tippte darauf.
„Crusher hier.“
„Ich erwarte Sie in fünf Minuten an der Luftschleuse.“
„Ich werde da sein.“
Mit dem Kopf zeigte ich in Richtung Ausgang und Deanna verstand. Gemeinsam verließen wir das Zehn Vorne, gespannt was uns erwarten würde.