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Der falsche Captain

von CAMIR

Kapitel 1

Den Tiger auf den Elefant, die Giraffe auf den Tiger.

Die Voyager flog nun schon seit Tagen ohne besondere Ereignisse durch das All, was ihrer Crew und auch ihrem Captain eine Verschnaufpause mit nicht ganz so harter Arbeit verschaffte.

Captain Janeway saß in ihrem Bereitschaftsraum, und bemerkte vor lauter Konzentration schon gar nicht mehr, wie die Sterne bunte Streifenmuster vor ihrem Fenster bildeten. Seit Chakotay ihr vor einigen Tagen dieses Puzzlespiel geschenkt hatte, konnte sie sich nur schwer davon losreißen. Sie verstand selbst die Faszination nicht ganz, die sie dabei verspürte, terranische Tiere aufeinanderzustapeln, ohne, dass der Turm zusammenstürzte, doch verbrachte sie in letzter Zeit jede freie Minute, die sie erübrigen konnte, mit diesem neuartigen Zeitvertreib.

Bis jetzt hatte sie es noch nicht geschafft, alle zur Verfügung stehenden Holztierchen zu stapeln, immer war ihr der Turm kurz vorher zusammengestürzt, doch jetzt, genau jetzt in diesem Moment, war sie so nahe dran, wie nie zuvor bisher. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und atmete hörbar aus, während sie ihr Werk betrachtete.

Stolz erfüllte sie und einen kurzen Moment lang dachte sie: „Wenn wir in den nächsten Wochen genausowenig Probleme haben, brauche ich wohl demnächst noch ein paar Tierchen mehr.“ Sie holte tief Luft, als sie zum allerletzten Tierchen griff, es war eine winzige Giraffe, um dieses auf die Spitze zu setzen. Jetzt bloß nicht zittern…

Sie war den Trägheitsdämpfern noch nie so dankbar gewesen, wie in jenem Augenblick, doch leider ging genau als sie die Hand hob ein schweres Beben durch das Schiff und Janeways gesamte Pyramide fiel zusammen.

Resigniert ließ sie die kleine Giraffe aus der Hand fallen, welche auf den Haufen der anderen kleinen Tiere fiel, und dort reglos liegen blieb.

Etwas stimmte nicht! Beunruhigt wollte sie aufstehen und nachsehen, als ihr Kommunikator zirpte.

„Tuvok an Janeway“, tönte es.

Sie verzog die Lippen zu einem leichten Lächeln.

„Sprechen Sie!“

Ihr alter Freund Tuvok. Er erstattete ihr schon beim kleinsten Zwischenfall gewissenhaft Bericht.

Es war die Suche nach ihm, die sie letzten Endes in den Deltaquadranten verschlagen hatte, Tausende von Lichtjahren von Zuhause entfernt, ohne Aussicht auf baldige Rückkehr. Er war Spion auf einem Maquisschiff gewesen, unter dem Kommando Chakotays und war in den Badlands verschollen. Als Voyager den Auftrag bekam, herauszufinden, was geschehen war, hatte Janeway nur zu gerne angenommen. Die Suchaktion endete damit, dass beide Crews von einer Entität namens „Fürsorger“ entführt wurden und letzten Endes 70.000 Lichtjahre von Zuhause entfernt strandeten. Und doch hatte sie es bis heute nicht bereut, ihm damals, vor ungefähr sechs Jahren gefolgt zu sein.

Seine Stimme riss sie aus den Gedanken: „Kommen Sie besser auf die Brücke!“

„Ich bin unterwegs!“


Chakotay hatte mittlerweile schon Platz auf seinem Sitz auf der Kommandobrücke der Voyager genommen. Auch er hatte die Erschütterungen gespürt, die das Schiff vor wenigen Sekunden erfasst hatten. Besorgt hatte er sofort seinen Posten eingenommen.

Kurz nach ihm betrat auch Captain Janeway, oder wie er sie privat nannte, Kathryn die Brücke.

Sowie er ihren Gesichtsausdruck sah, musste er für den Bruchteil einer Sekunde schmunzeln. Er hätte wetten können, dass dieses Beben ihre Bemühungen, eine Pyramide aus den Holztierchen herzustellen, nachhaltig gestört hatten, doch ihr Ruf: „Tuvok, Bericht!“ und Tuvoks Antwort ließen ihn wieder ernst werden.

„Wir werden angegriffen, Captain!“

Eine weitere Erschütterung ließ das Schiff erzittern, kurz bevor es Kathryn geschafft hatte, sich auf ihren Kommandosessel zu setzen. Sie verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.

Während sie sich aufrappelte und Platz auf ihrem Sessel bezog, rief sie dem Vulkanier zu: „Roter Alarm! Auf den Schirm! Ich will unseren Angreifer sehen!“

Tuvok befolgte ihren Befehl ohne jegliche erkennbare Gefühlsregung.

Überall auf der Voyager wurde die Beleuchtung gedämpft und es blinkte in Intervallen rot auf.


Manchmal beneidete Janeway Tuvok um seine Gelassenheit.

Auch damals, als das Schiff von den Borg bedroht wurde und sie beinahe aufgegeben hätte, hatte er alles ohne mit der Wimper zu zucken durchgestanden und ihr selbst dadurch wieder neue Kraft gegeben. In solchen Momenten rief sie sich ins Gedächtnis, dass er genauso Emotionen empfand, wie sie, er zeigte sie nur nicht.

Das imposante Bild, das auf dem riesigen Sichtschirm, der die Brücke dominierte, erschien, ließ sie aus ihren Gedanken hochfahren.

Die gesamte Brückencrew blickte fasziniert auf den Schirm, einigen stand sogar der Mund vor Staunen offen und sie hatten allen Grund dazu.


Selbst Tom Paris, der Pilot der Voyager, erinnerte sich nicht, wann er zum letzten Mal ein so riesiges, schönes Raumschiff gesehen hatte - und er verstand etwas von Schiffen, sie waren seine Passion.

Es war stromlinienförmig gebaut und geschätzte sechsmal so groß, wie die Voyager, sehr kunstvolle und schwungvolle Ornamente zierten seine Außenhaut.

Dennoch konnte man sofort erkennen, dass den Erbauern, wer immer sie auch waren, nicht nur Schönheit, sondern genauso auch Zweckmäßigkeit wichtig waren. Tom kam mit sich überein, dass wenn es das perfekte Schiff gab, es gerade vor ihnen im All schwebte.

Nichtsdestotrotz griff dieses perfekte Schiff gerade die Voyager an. Es feuerte schon wieder einen Energiestrahl ab. Janeway, die wie alle anderen Zeugin der dritten Salve wurde, schrie gerade noch rechtzeitig: „Tom, Ausweichmuster Beta vier, Tuvok versuchen Sie seine Waffen außer Gefecht zu setzen!“

Sie wusste zwar, wie der Rest der Anwesenden, dass letzteres gegen ein Schiff dieser Größe ein sinnloses Unterfangen sein würde, doch Janeway war nicht der Typ, der gleich aufgab.

Tom schaffte es gerade noch rechtzeitig, die Voyager herumzureißen, sodass der Laserstrahl nicht das vorbestimmte Ziel, sondern einen weniger wichtigen Punkt an der Außenhaut des Sternenflottenschiffs traf.

„Direkter Treffer Backbord, Schilde halten bei 80 Prozent!“ ließ Tuvok verlauten.

„Feuer erwidern!“ keuchte Janeway, deren Frisur bei dem Sturz arg gelitten hatte.


Bevor es dazu kommen konnte, traf ein vierter Strahl die Voyager, was den Ausfall der Hauptbeleuchtung und das Durchbrennen einiger wichtiger Sicherungen auf der Brücke zur Folge hatte. Das Schiff erbebte noch einmal gewaltig.

Infolgedessen war Tuvok gezwungen bekanntzugeben, dass die Fremden soeben die gesamten Waffensysteme der Voyager lahmgelegt hatten und sie somit keine Chance mehr hatten, sich zur Wehr zu setzen.

Für einen kurzen Moment herrschte bis auf das regelmäßige Summen der Konsolen völlige Stille auf der Brücke. Janeway und Chakotay tauschten fragende Blicke aus. Dann brach der Erste Offizier die Stille:

„Und Torpedos, Captain?“

Tuvok nahm Janeway die Antwort ab:

„Laut unseren Sensoren würden Torpedos bei einem solchen Schiff nichts bewirken, sie abzufeuern wäre eine reine Verschwendung unserer Ressourcen. Ich schlage vor, wir heben uns die Torpedos für eine bessere Gelegenheit auf…“

„Wenn wir dann noch eine haben!“ entgegnete Janeway sarkastisch.

„Ich denke, Captain, das werden wir!“ meldete sich nun der junge Fähnrich Kim zu Wort, der die ganze Zeit still auf seinem Posten verharrt hatte. „Wir werden gerufen!“

„Auf den Schirm!“ rief der Captain nun schon zu zweiten Mal und während sie versuchte, ihre Frisur in Ordnung zu bringen, baute sich langsam das Bild eines Fremden auf dem Sichtschirm auf.

Sofort begann sie mit ihrem Standartgruß:

„Ich bin Captain Janeway vom Föderationsraumschiff Voyager und.....“

Bevor sie ausreden konnte unterbrach sie der Fremde und erklärte in rüdem, überheblichen Tonfall: „Es ist mir egal, wer Sie sind. Ich bin Subcommander Boltic und Sie sind widerrechtlich in den samerianischen Raum eingedrungen, Sie können sich Ihre Entschuldigungen sparen!“

Janeway begann ein zweites Mal:

„Wir wussten nicht, dass wir Ihre Grenzen verletzen, sonst hätten wir selbstverständlich einen Kurs um Ihr Raumgebiet programmiert. Wir wollten Sie nicht verärgern!“

Der Samerianer zog eine Augenbraue hoch. Er war ein Humanoid, der auf den ersten Blick keine äußerlichen Unterschiede mit einem Menschen aufwies und außergewöhnlich gut aussah. Er hatte kurze, ein wenig lockige, dunkle Haare, die perfekt fielen, ein kantiges Kinn und einen kräftigen Hals, der in einen muskulösen Körper überging.

Eine solche Rasse konnte sich Überheblichkeit wirklich leisten und machte auch Gebrauch davon.

„Davon bin ich überzeugt, aber Sie sind nun einmal hier und haben sich strafbar gemacht!“

Ärger begann sich in Janeway zu regen.

„Ich sagte es Ihnen bereits, wir taten es nicht absichtlich.“

„Nichtsdestotrotz sind Sie in unseren Raum eingedrungen!“

„Das bestreite ich nicht, aber hätte man das nicht zuerst auf diplomatischer Basis klären können? Stattdessen greifen Sie uns wortlos an!“

„Wir wollten Sie nicht verletzen, sondern nur Ihre Waffen ausschalten!“

Janeway hob ihre Hände.

„Nehmen wir an, ich glaube Ihnen, können wir dann nachträglich eine diplomatische Lösung aushandeln?“

„Selbstverständlich, aber da Sie bereits in unserem Raum sind....“

„Das habe ich mittlerweile begriffen!“

„An Ihrer Stelle würde ich mir solche Bemerkungen in Zukunft sparen..... also, da Sie bereits hier sind, gibt es keine andere Möglichkeit mehr, Sie müssen unser Territorium durchqueren!“

„Noch sehe ich kein Problem...“

Der Samerianer seufzte genervt.

Es schien Chakotay, als hätte der Fremde sichtlich Probleme damit, mit Kathryn eine vernünftige Konversation zu führen, weiter befürchtete er, das waren noch nicht alle gestellten Bedingungen.

Seine Vermutung wurde wenige Sekunden später bestätigt, denn der Samerianer fuhr fort: „Und Sie müssen sich ausnahmslos an unsere Gesetze halten. Damit dies sichergestellt ist, werden wir Sie eskortieren!“

Janeway atmete auf, die ganze Anspannung, die sich bei ihr während des Dialogs gebildet hatte, wich von ihr.

„Dann haben wir eine Abmachung. Es liegt nicht in unserer Natur, Ärger zu machen. Wir werden Ihre Gesetze befolgen.“

„Gut, dann gehen Sie bitte zur Seite!“

Die gesamte Brückencrew blickte sich verdutzt an, Tom und Chakotay tauschten besorgte Blicke.

Sie ahnten, dass der Fremde erst jetzt die Katze aus dem Sack ließ.

Janeway war unterdessen erbleicht.

„Ich bin der Captain des Schiffs!“

„Jetzt nicht mehr“, kam die unterkühlte Antwort, „Sie haben sich bereit erklärt, sich an unsere Gesetze halten!“

„Ja, aber....“


Chakotay hatte lange genug zugesehen, jetzt stand er auf und schob Kathryn sanft zur Seite. Sie blickte ihn zwar leicht verärgert an, sagte jedoch vorsorglich keinen Ton.

Dann blickte er dem Samerianer über den Schirm in die Augen und sagte mit einer Nachdrücklichkeit, die ihn selbst überraschte: „Ich bin nun für Sie der Captain, wie genau lauten ihre Gesetze, an die wir uns zu halten haben?“

Der Fremde nickte zustimmend, doch Chakotay spürte die entsetzten Blicke der Crew auf seinem Rücken und ganz besonders Kathryns entgeisterten.

„Ich wusste, Sie sind eine vernünftige Spezies, als ich Ihr Schiff sah. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass Sie Widerstand leisten. Nach unseren Gesetzen haben Frauen nur sehr wenig Rechte, eine Kommandoposition innezuhaben ist ihnen strikt untersagt. Sagen Sie bitte Ihrem „Captain“, dass sie vorübergehend vom Dienst suspendiert ist!“

Chakotay hörte Kathryn hinter sich nach Luft schnappen, doch sie beherrschte sich. Es war ihm ja selbst peinlich, sie eigenmächtig zu degradieren, doch ihr aller Leben hatte möglicherweise auf dem Spiel gestanden. Er wusste nicht, wie dieser Fremde reagiert hätte, wenn sie darauf beharrt hätte, der Captain zu sein.

Es schien, als müssten sie dieses Spiel nun aufrechterhalten, bis sie den samerianischen Raum durchquert hatten.

Chakotay nickte langsam. „Ich verstehe. Ist das alles, soweit?“

„Fast. Wir beamen noch eine Delegation unserer Offiziere an Bord, damit Ihre weiblichen Crewmitglieder in der nächsten Zeit nicht auf dumme Gedanken kommen und wünschen Ihnen weiterhin einen guten Flug.“

Dann wurde der Bildschirm wieder schwarz. Janeway starrte noch immer wie in Trance darauf. Sie konnte es nicht glauben. Mit wenigen Sätzen hatte dieser Fremde sie einfach ihres Postens beraubt, und das ohne etwas über ihre Kultur zu wissen. Sie blickte wieder zu Chakotay, der ein wenig verlegen neben ihr stand.

Tuvok brach zum wiederholten Mal das Schweigen als er meinte: „Auf den Decks 2, 3 und 5 materialisieren sich unsere Begleiter.

„Fein, sorgen Sie dafür, dass unsere „Gäste“ annehmbar untergebracht werden“, hörte Janeway sich sagen, und dann: „In meinen Raum Commander!“

Sie ließ die Brücke nur zu gern hinter sich, um all den neugierigen und verwunderten Blicken ausweichen zu können.


Chakotay folgte ihr bereitwillig und die Tür zu ihrem Bereitschaftsraum schloss sich zischend hinter. Auf dem Boden lagen noch immer Janeways gesamte Holztierchen verstreut. Die ruhigen Wochen waren wohl einmal wieder gezählt.

Kathryn bückte sich und hob ein paar der Tiere auf, während Chakotay sich schmunzelnd umblickte. „Mein Puzzle scheint Ihnen zu gefallen...“

Janeway erhob sich ruckartig und blickte ihn ungehalten an.

„Das ist jetzt nicht der Punkt, ich bin hier um mit Ihnen über die Bedingungen dieses Fremden und Ihr Verhalten eben zu sprechen“, erwiderte sie forsch. Auch wenn es ihr im selben Augenblick leidtat, fuhr sie, die wenigen Tiere, die sie in der Hand hielt auf ihren Tisch knallend fort:

„Ich bin mir nicht im Klaren, ob ich gewillt bin, mich ohne weiteres degradieren zu lassen.“

„Sie selbst haben sich bereit erklärt, seine Gesetze zu befolgen, ohne sie vorher zu kennen. Seien also nicht Sie selbst diejenige, die sie als erstes bricht. Mein Eingreifen war nötig gewesen.“

„Sie glaubten also, ich wäre nicht in der Lage gewesen, eine bessere Lösung auszuhandeln?“

„Wenn ich ehrlich sein soll, nein!“ entgegnete Chakotay wahrheitsgetreu.

Janeways Gesichtsausdruck verwandelte sich in Entrüstung und sie wollte gerade Luft holen, um ihm eine passende Antwort zu geben, als er abwehrend die Hände hob und sie gar nicht erst zu Wort kommen ließ.

„So habe ich das nicht gemeint. Unter normalen Umständen schätze ich Ihre diplomatischen Fähigkeiten sehr, doch dies sind keine normalen Umstände. Kathryn, für diese Fremden sind Frauen nicht mehr als für uns Hologramme. Für Boltic war mit Ihrer Zustimmung, die Gesetze einzuhalten, die Konversation beendet.“

Ihre Gesichtszüge beruhigten sich wieder ein wenig, wie er erleichtert feststellen konnte. Sie blickte ihn nun fragend an: „Und ich soll also Ihrer Meinung nach meinen Kommandoposten aufgebe? Finden Sie diese plötzliche Degradierung nicht ein wenig hart, für jemanden, der nun sechs Jahre einen Kommandoposten innehaben durfte?“

Der erste Offizier nickte zustimmend.

„Natürlich kann ich Sie verstehen, doch ich fürchte, Sie haben keine Wahl.“

Sie seufzte, dann erwiderte sie mit einem sarkastischen Grinsen: „Das fürchte ich auch.“

Chakotay sah in ihren Augen, dass ihr dieser Schritt sehr schwer fiel.

Er hatte gewiss nicht zum ersten Mal das Kommando über das Schiff, doch in den vorhergehenden Fällen war der Captain entweder bewusstlos, entführt oder anderweitig indisponiert gewesen. Nichts davon traf auf die momentane Situation zu.

Sie seufzte noch einmal, dann meinte sie: „Na schön. Hiermit ernenne ich Sie zum Captain!“ Chakotay verzog den Mund zu einem leichten Grinsen.

„Selbstverständlich nur pro forma. Wir werden in der nächsten Zeit alle Theater spielen. Ich werde Sie vor jeder wichtigen Entscheidung benachrichtigen und ohne Ihr Einverständnis nichts unternehmen. Jeder hier wird Sie nach wie vor als wahre Kommandantin akzeptieren, so wie ich auch. Ich bin sicher Sie werden diese Zeit auch irgendwie überstehen. Wer weiß, vielleicht werden Sie dann mehr Verständnis für ein paar unserer Crewmen aufbringen. Immerhin sind Sie nicht die einzige Frau an Bord, die ihren Posten aufgeben muss. Ich denke eine zeitweilige Umstrukturierung der Hierarchie ist nicht das Schlechteste und ich will nicht wissen, was man mit uns macht, wenn wir unsere Entscheidung in Bezug auf die samerianischen Gesetzte rückgängig machten.“

Janeway gelang es, müde zu lächeln, wobei sie die Knöpfe, die ihren Rang symbolisierten, von der Uniform abtrennte und Chakotay in die Hand drückte.

„Sie haben mich ja schon überzeugt. Haben Sie je daran gedacht, Rechtsanwalt zu werden? Wer weiß, mein lieber Chakotay, vielleicht geben Sie gar keinen so schlechten Captain ab. Ich lasse Ihnen auf jeden Fall in den Routinedingen freie Hand.“

Er umschloss ihre Hand, ließ dann jedoch ruckartig los.

„Das weiß ich zu schätzen, Crewman Janeway!“

Nun konnte auch Janeway aufrichtig lächeln.


Neelix wuselte wie immer geschäftig hin und her und auch sonst herrschte im Casino der Voyager ein reges Treiben. Soeben wurde die Crew über die Umstände informiert, mit denen sie es in den nächsten Wochen zu tun bekommen würde. Die Nachricht wurde mit gemischten Gefühlen entgegengenommen. Die meisten waren davon sowieso nicht negativ betroffen und spekulierten darüber, wie sehr sich die Änderung der Kommandostruktur auf ihr Privatleben auswirkte. Einige Fähnriche und Crewmen hofften nun beweisen zu können, was in ihnen steckte, wenn sie zeitweilig für anspruchsvollere Arbeiten gebraucht würden. Unter den weiblichen Crewmitgliedern herrschte allgemein Entrüstung über die Mentalität der Samerianer.

Die Tür des Casinos öffnete sich zischend und Tom Paris betrat mit seinem Freund Harry Kim den Raum. Beide unterhielten sich angeregt über das, was vor ein paar Minuten auf der Brücke geschehen war. Als Neelix die beiden erblickte, eilte er sofort auf sie zu und rief: „Willkommen Lieutenant Paris, willkommen Fähnrich Kim!“

Sofort drehten sich alle Anwesenden nach den beiden um. Tom seufzte ergeben und entgegnete dann, gute Miene zum bösen Spiel machend: „Hallo Neelix was gibt’s?“

Der kleine Talaxianer setzte einen besorgten Gesichtsausdruck auf und murmelte verschwörerisch: „Sie sind die ersten, die direkt von der Brücke kommen. Was genau ist passiert? Weshalb können die Fremden Captain Janeway zwingen, ihren Posten aufzugeben?“

Tom verzog leicht das Gesicht, während Harry hinter ihm damit zu kämpfen hatte, das Lachen zu verkneifen. Neelix‘ Geheimnistuerei war wirklich überflüssig, da sowieso jedermann gespannt lauschte. Momentan war es im Casino totenstill.

Tom holte tief Luft und begann langsam zu erzählen: „Also wissen Sie...“

Weiter kam er nicht, da sich die Tür zum Casino ein weiteres Mal zischend öffnete und drei der Samerianer, die das Schiff begleiten sollten, hereinspazierten. Sie bewegten sich mit anmutigen Schritten, die jedoch auch Herablassung und Stolz signalisierten. Tom erkannte einen von ihnen als Subcommander Boltic wieder.

Sofort verstummte er und auch die restlichen Anwesenden wendeten sich wieder ihren Tätigkeiten zu, als hätten sie nie Interesse an seinem Bericht gehabt. Die Fremden schauten sich gelangweilt um, und forderten dann alle anwesenden Frauen auf, den Raum zu verlassen. Diese fügten sich zwar widerwillig, aber ohne Schwierigkeiten zu bereiten.

Als sie gegangen waren riefen die Samerianer nach einer Bedienung, was natürlich Neelix auf den Plan rief.

Er begrüßte die drei überschwänglich und bot ihnen sofort einen Snack an, den sie auch dankbar annahmen. Da Neelix nun anderweitig beschäftigt war, setzten sich Tom und Harry an einen freien Tisch und warfen sich vielsagende Blicke zu.

„Weißt du, Harry, “ begann Tom schließlich die Konversation, „ich habe Angst, wie B’Elanna es auffassen wird. Ihr Temperament kann manchmal schwierig sein. Womöglich tut sie etwas Unbedachtes.“

Harry legte seine Hand beruhigend auf den Arm seines Freundes.

„An deiner Stelle wäre ich unbesorgt. Sie weiß es bereits und bisher wurde der Rote Alarm noch nicht ausgerufen.“

Tom grinste. „Das ist wahr!“

„Und außerdem: sie ist ein Lieutenant der Sternenflotte, sie kann sich beherrschen. Captain Janeway muss das Kommando über ein ganzes Schiff abgeben und hat es hingenommen, deine Frau muss nur das Kommando über den Maschinenraum zeitweilig abgeben, sie wird es verkraften.“

„Das muss sie, aber glaub mir, Harry, sie wird nicht begeistert sein.“

„Wäre ich an ihrer Stelle auch nicht. Aber wenn du mich fragst, wird das eine lustige Zeit werden: Alle Frauen machen sich strafbar, wenn sie Befehle erteilen, also werden sie temporär zwangsdegradiert und ihre Posten durch womöglich unfähige Männer ersetzt. Und das Beste ist: Wir können Captain Janeway zum ersten Mal in sechs Jahren selbst Befehle erteilen. Diese Gelegenheit kommt nie wieder.“

Tom nickte zustimmend, dann stand er auf und ging an den Replikator, um sich eine Tasse Kaffee zu holen. Dort angekommen rief er Harry zu: „Das wird aber dem Captain wiederum nicht gefallen. Ich würde sagen, das Befehlen überlassen wir Chakotay. Du auch einen Kaffee?“

„Ja gerne!“

Tom gab dem Replikator den Befehl zwei Tassen zu liefern, das Gerät summte kurz, dann stand das gewünschte Getränk im Ausgabefach. Tom nahm die Tassen, kehrte zu Harry zurück, der sich inzwischen entspannt auf seinem Stuhl zurückgelehnt hatte, und stellte vor ihm eine Tasse auf den Tisch.

„Danke, Tom!“

„Gern geschehen!“

Dann tranken sie beide einen Zug.

Die Tür öffnete sich ein weiteres Mal zischend und herein stürmte Lieutenant B’Elanna Torres. Man konnte ihr ihre Wut meterweit ansehen.

„Jetzt geht es los“, flüsterte Tom Harry zu, „Ich befürchte das Schlimmste!“

„Tom!“ schrie B’Elanna quer durch den Raum.

„Ja?“ erwiderte er schnell, wobei er aufstand und ihr entgegen eilte.

Durch ihren Tonfall waren auch die anwesenden Samerianer auf die eben eingetretene Ingenieurin aufmerksam geworden.

„Komm bitte sofort her, ich habe etwas mit dir zu besprechen!“ rief sie unbeirrt weiter. Bei diesen Worten stand einer der Wächter auf und bewegte sich auf die ahnungslose Halbklingonin zu.

Er kam Tom ein wenig zuvor und baute sich vor B’Elanna auf: „Verlassen Sie sofort den Raum. Wie können Sie es wagen diesem Mann Befehle zu erteilen?“

B’Elanna schnappte nach Luft, Tom stöhnte auf. Anscheinend verstand sie dieses Zeichen, drehte sich wortlos um und ging.


Wo sollte B’Elanna hingehen? Aus dem Maschinenraum hatte man sie vertrieben, ins Casino ließ man sie nicht hinein.

Man hatte sie einfach ihres Rangs beraubt und zum Crewman degradiert. Sie wusste nur, dass diese Fremden etwas damit zu tun hatten, doch den genauen Grund, den kannte sie nicht. Gerüchten zufolge sollte Captain Janeway auch zum Crewman „befördert“ worden sein. Na, das war wenigstens ein Trost.

Wenn der Captain freiwillig so etwas mit sich machen ließ, durfte sie als Lieutenant keinen Widerstand leisten.

Sie wollte Tom nur nach dem Grund fragen. Wahrscheinlich hatte sie sich im Ton vergriffen und es kam ein wenig anders herüber, als es gemeint war. Manchmal hatte sie einfach ihr klingonisches Temperament nicht unter Kontrolle.

Es war ihr unheimlich schwer gefallen, diesen Wächtern nicht an die Gurgel zu gehen, die sie mit einer Herablassung, die ihresgleichen suchte, behandelt hatten.

Sie beschloss in Tom und ihr gemeinsames Quartier zu gehen und dort zu warten, bis ihr Ehemann es für nötig hielt, ebenfalls „heimzukommen“. Dann konnte sie ihm immer noch Fragen stellen.

Es gab ja noch ein paar Energieverteiler zu reparieren, die sie sich eingesteckt hatte, um in ihrer Freizeit daran zu arbeiten.

Plötzlich jedoch hörte sie Toms Stimme hinter sich: „B’Elanna, warte!“

Erstaunt drehte sie sich um. Seit er mit ihr zusammen war, hatte er sich doch stark verändert.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihn erwartungsvoll an.

„Ich höre!“

„Also“, keuchte er, denn er war ihr nachgerannt, „es tut mir leid.“

„Was tut dir leid?“

„Na dieser Zwischenfall eben. Sie hätten dich nicht so abfällig behandeln dürfen. Ich bin stolz auf dich, dass du dich zurückgehalten hast.“

Sie setzte ein schiefes Lächeln auf.

„Es freut mich, dass du dich um mich sorgst, doch mir geht es gut. Ich hätte nur einige Fragen in Bezug auf die seltsamen Veränderungen innerhalb der Kommandostruktur dieses Schiffes. Ich weiß nur genauso viel wie der Rest der Crew, der nicht auf der Brücke anwesend war. Man sagte uns, temporär sollen alle Frauen, die eine Kommandoposition innehaben ohne Widerstand ihren Rang niederlegen und einem männlichen Crewmitglied ihrer Wahl anvertrauen. Kurz darauf tauchen die Fremden im Maschinenraum auf und verjagen mich. Was ist wirklich vorgefallen Tom? Es steckt doch mehr dahinter als ein schlechter Scherz.“

Er räusperte sich, dann begann er: „Also, wir wurden von diesen Fremden, den Samerianern, angegriffen. Sie legten unsere Waffensysteme lahm und stellten ihre Bedingungen: Wir seien schon zu tief in ihrem Raum eingedrungen, um noch einmal umzukehren. Sie würden uns nun den Rest der Strecke eskortieren, doch wir hätten uns an ihre Gesetzte zu halten.“

„Und in den besagten Gesetzen ist es Frauen verboten, beruflich erfolgreich zu sein?“

„Genau!“

„Eine schöne Spezies ist mir das!“

„Aber du hättest ihr Schiff sehen sollen. Wundervoll! Einzigartig! So etwas Schönes hast du dein Lebtag noch nicht gesehen, B’Elanna.“

Sie seufzte.

„Du änderst dich auch nie, oder Tom? Ich denke ich komme noch früh genug in den Genuss des Anblicks ihres Schiffes.“

„Wahrscheinlich hast du Recht. Sie werden uns noch ein ganzes Stückchen begleiten, darauf kannst du dich verlassen.“

„Also ich für meinen Teil bin froh, wenn wir den samerianischen Raum hinter uns gelassen haben.“ „Wer ist das nicht? Ich denke das geht auch ganz besonders dem Captain so. Aber wir können die Situation nicht ändern und deshalb schlage ich vor, das Beste daraus zu machen. Es tut dir vielleicht ganz gut, dich mal wieder in die Situation eines deiner Untergebenen zu versetzen. Wo wir gerade davon sprechen, wem willst du eigentlich das Kommando über deine Domäne übertragen?“

„Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht!“

„Das solltest du aber...“

„Ich weiß, ich weiß. Wir sollen unsere Entscheidung in einer Stunde „Captain“ Chakotay über Komm bekannt geben. Ich glaube ich entscheide mich für Icheb!“

„Icheb??!“

„Ja, er ist ein braver Junge und er versteht eine Menge von Mechanik. Ich kann ihn eigentlich gut leiden.“

„Er ist ganz bestimmt verlässlich und wird dir den Warpkern nicht hochgehen lassen!“

„Nein, bestimmt nicht. Ich glaube ich gehe ihn dann einmal suchen um ihm die freudige Nachricht mitzuteilen! Hast du ihn gesehen?“

Tom runzelte die Stirn nachdenklich, schließlich meinte er nach einigen Sekunden: „Nein habe ich leider nicht, aber das haben wir gleich: Computer!“

Sofort ertönte das akustische Zeichen des Computers, der damit signalisierte, dass er auf einen Befehl wartete.

„Icheb lokalisieren!“

Wie aus der Pistole geschossen erwiderte die angenehme Frauenstimme des Computers: „Icheb befindet sich in Frachtraum zwei!“

„Na prima“, seufzte B’Elanna, „er regeneriert sich gerade, dann kann ich ihn auch nicht stören.“ „Dann warten wir eben, bis er fertig ist“, meinte Tom fröhlich. „Lass uns zusammen in den Frachtraum gehen, irgendwann wird er schon aufwachen.“

„Und was sollen wir da unten so lange machen?“ fragte sie lustlos.

„Ach, irgendwas fällt uns schon ein!“

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