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Glückstag

von RedRose

Kapitel 1

„Verdammt“, murmelte Montgomery Scott und sah durch das Fenster nach draußen. Dort wehte ein starker Wind, welcher die am Boden liegenden Blätter durch die Straßen wirbelte und am Horizont tauchten pechschwarze Wolken auf, die ganz offensichtlich Aberdeen, die Geburts- und Heimatstadt des ehemaligen Chefingenieurs der Enterprise, ansteuerten. Ein Herbststurm war im Anmarsch, das wusste ein Schotte wie Scotty, und normalerweise hätte er mit so etwas gut umgehen können. Nur heute nicht, denn er hatte etwas vor, etwas sehr Wichtiges, und gerade heute rollte so ein Sturm auf Aberdeen zu!

Der ehemalige Chefingenieur der Enterprise knirschte mit den Zähnen. Er hatte keine Wahl, er musste heute die Wohnung verlassen, um endlich das zu tun, was er schon seit Monaten tun wollte und worüber er lange nachgedacht hatte. Denn heute war sie, Nyota, nicht da. Sie war heute Morgen zu irgendeinem Vortrag an irgendeiner Universität (Scotty konnte sich solche Sachen schlecht merken), aufgebrochen, würde aber um die Mittagszeit wieder da sein, sodass ihm nicht viel Zeit blieb, das zu erledigen, was er erledigen wollte. Denn seit sie beide sozusagen im Ruhestand waren, waren sie fast immer zusammen und nur selten gab es so ein Ereignis wie den heutigen Vortrag, zu dem einer von ihnen allein hinging.

Scotty seufzte und wandte sich vom Fenster ab. Es hatte keinen Sinn, sich wegen des Sturms verrückt zu machen. Das Beste, was er tun konnte, war, so schnell wie möglich aufzubrechen, um ihm eventuell noch zu entkommen. Rasch lief er zur Garderobe, zog seinen dicken Mantel an und verließ die Wohnung.

Wenige Minuten später stand ein total verwirrter Scotty mitten in der Innenstadt von Aberdeen. 'Wo zum Teufel ist nur dieser verdammte Laden?', fragte er sich und ärgerte sich zu Tode. Aberdeen war seine Geburtsstadt, verdammt noch mal, und er kannte sich hier aus! Der Freund, von dem er den Tipp bekommen hatte, es unbedingt mal in diesem Geschäft zu probieren, hatte ihm genau beschrieben, wo es lag und er hatte gewusst, welche Ecke der Stadt er gemeint hatte.
Doch nun kannte er sich vor lauter Aufregung in seiner eigenen Heimatstadt nicht mehr aus. Ihm ging aber auch viel im Kopf herum: Ständig fragte er sich, ob Uhura sein Geschenk wohl mögen würde, ob er überhaupt das Richtige aussuchen würde und so weiter.
Ein plötzlicher heftiger Windstoß, welcher die Bäume um ihn herum in Schieflage brachte, riss Scotty aus seiner Verwirrtheit, und als er nach oben blickte, sah er, dass die dunklen Wolken bereits die Stadtgrenze erreicht hatten und näher kamen. 'Du solltest dich wirklich beeilen, alter Junge', dachte er bei sich und schaffte es endlich, sich zusammenzureißen und seine Orientierung wiederzufinden.

Etwas später stand Scotty schließlich vor dem gesuchten Geschäft, doch nun plagte ihn ein weiteres Problem: Er traute sich nicht, dort hineinzugehen. Von Außen sah dieses Geschäft nämlich sehr fein und exklusiv aus. Die Stücke in den Auslagen blitzen und blinkten nur so im Schein des künstlichen Lichts und von den Preisen für diese konnte einem schwindelig werden. Tiefe Unsicherheit hatte den ehemaligen Chefingenieur der Enterprise ergriffen: Wenn er dort mit seinem alten Mantel reinkam, würde man ihn dann nicht eher rausschmeißen statt bedienen? Und wenn man ihn bedienen würde, würde ihn der Verkäufer dann nicht die ganze Zeit hochnäsig und von oben herab behandeln?
Scotty war normalerweise egal, was andere von ihm dachten – er stand über so etwas. Doch heute, tja, heute war wohl einfach nicht sein Tag und immer mehr beschlich ihn das Gefühl, dass er sich den schlechtesten Tag des Jahres für sein Vorhaben ausgesucht hatte.

Doch schlechter Tag hin oder her - er würde heute dieses besondere Geschenk für Nyota kaufen, ganz egal, was es kosten würde – im wahrsten Sinne des Wortes. Und wenn der Verkäufer in diesem Geschäft ihn abschätzig behandeln sollte, müsste er das eben aushalten. Er hatte in seinem Leben schließlich schon ganz andere Sachen ausgehalten!
Der ehemalige Chefingenieur der Enterprise straffte die Schultern, holte tief Luft, drückte die Türklinke hinunter und betrat den Laden.
Kaum war er eingetreten, musste er blinzeln, denn von überall blitzte und blinkte es geradezu auf ihn ein, und Scotty war sich sicher, noch nie in seinem ganzen Leben so viele Schmuckstücke auf einmal gesehen zu haben. Gut, er wusste noch nicht mal genau, ob er überhaupt jemals in einem solchen Laden gewesen war - so Glitzerzeug war nicht sein Ding -, aber dies war ein anderes Thema.
„Guten Tag, Sir, kann ich Ihnen helfen?“ Ein langer dünner Mann mit feuerrotem, gescheiteltem Haar, schmalem Gesicht und einem feinen Anzug mittleren Alters tauchte hinter der Ladentheke auf. „Guten Tag, Sir“, Scotty erwiderte freundlich den Gruß. „Ich hätte gerne ...“
„Moment ...“ Unvermittelt unterbrach ihn der feine Verkäufer, „Sind Sie nicht Mr. Montgomery Scott, der ehemalige Chefingenieur der Enterprise unter dem berühmten Captain Kirk?“
Überrascht hielt Scotty inne – dass ihn jemand hier erkannte, ausgerechnet in einem solchen Geschäft, hätte er nie gedacht.
„Äh… ja, der bin ich.“
„Oh mein Gott“, die Augen des Verkäufers weiteten sich vor Überraschung. „Dass ich Sie ausgerechnet hier treffe! Mr. Montgomery Scott, einer der Nationalhelden Schottlands! Sir, es ist mir wirklich eine Ehre...“
„Naja, Nationalheld ist wohl etwas übertrieben, schließlich war ich nur für den Maschinenraum der Enterprise zuständig“, wiegelte Scotty die Begeisterung des Verkäufers ab, konnte aber nicht verhindern, dass er sich ein wenig geschmeichelt fühlte.
„Aber der Maschinenraum ist doch das Wichtigste, das Herzstück eines Raumschiffs! Ich beschäftige mich hobbymäßig ein wenig mit der Raumfahrt und kenne mich daher ein wenig aus. Wirklich, Mr. Scott, für mich sind Sie ein wahres Genie!“
„Nun ... vielen Dank.“ Scotty wurde knallrot. So viel Lob hatte er seit Ewigkeiten nicht mehr gehört!
„Also, Sir“, der Verkäufer schien sich wieder zu beruhigen und lächelte ihn freundlich an. „Womit kann ich Ihnen behilflich sein?“

Die offensichtliche Bewunderung des dünnen Mannes fegte die letzten Unsicherheiten von Scotty beiseite, und konzentriert suchte er das Geschenk für Nyota aus. Die Beratung des Verkäufers war sehr gut, und nach rund einer Stunde hatte Scotty das, was er wollte. Nachdem er bezahlt hatte – er hatte noch einen Rabatt bekommen, mit dem Verkäufer ein Foto gemacht und ihm ein Autogramm gegeben – wandte er sich zur Tür und wollte das Geschäft verlassen. Doch er hielt erschrocken inne: Genau über der Innenstadt türmten sich die schwarzen Wolken auf, die er etwa eineinhalb Stunden zuvor am Stadtrand gesehen hatte, und der vorher schon recht starke Wind hatte noch einmal gehörig an Fahrt gewonnen. Eine Gänsehaut lief über Scottys Rücken, als er sah, wie ein Windstoß die Äste und Zweige eines alten, starken Baumes ohne Mühe fast bis auf den Boden drückte. Eins war klar: Dieser Sturm würde verdammt heftig werden!

„Ich rate Ihnen dringend, hier zu bleiben und den Sturm abzuwarten“, die Stimme des Verkäufers brachte Scotty dazu, sich umzudrehen. Ernst blickte ihn dieser an. „Dieser Sturm wird einer der schlimmsten der letzten Jahre werden, genauso wie die anderen heute.“
„Andere? Welche anderen?“, verblüfft sah Scotty den Verkäufer an. Was meinte er?
„Haben Sie heute noch keine Nachrichten gesehen?“
Scotty schüttelte den Kopf. Plötzlich beschlich ihn ein seltsames Gefühl.
„Na, dann kommen Sie mal mit.“ Der Verkäufer winkte ihn zu sich und gemeinsam gingen sie in einen Raum hinter der Ladentheke. Neben verschiedenen Schmuckstücken auf einem Tisch, die offensichtlich zur Reparatur dort lagen, war in einer Wand ein Bildschirm eingelassen, auf dem ein Nachrichtensender lief. Dieser zeigte furchtbare Bilder von zerstörten und brennenden Häusern, umgeknickten Bäumen, überschwemmten Straßen und verzweifelten Menschen, die ihr Hab und Gut verloren hatten.
„In ganz Schottland wüten heute Stürme mit heftigen Gewittern oder haben gewütet, wie man hier sieht“, erklärte der Verkäufer. „Das hier ist Glasgow. Die Stadt hat es als erstes und auch wohl am schlimmsten erwischt.“
„Ich muss ehrlich sagen, dass ich davon nichts mitbekommen habe.“ Scotty war ehrlich betroffen. Er hatte in seiner Jugend viele Herbststürme in Schottland miterlebt, doch eine solche Zerstörung hatte er noch nicht gesehen.

Plötzlich wechselten die Bilder auf dem Nachrichtensender den Ort und zeigten einen entgleisten Zug. Die weißen Wagons des Hochgeschwindigkeitszuges lagen kreuz und quer und schwer beschädigt neben dem Gleis, während Rettungskräfte versuchten, mit schwerem Gerät und teilweise auch mit bloßen Händen Menschen zu befreien. Dazu kam die Stimme des Nachrichtensprechers: „Durch den schweren Sturm ist heute ein Zug entgleist, welcher um 12.30 Uhr von Glasgow nach Aberdeen unterwegs war. Nach ersten Erkenntnissen ist ein Blitz in die Oberleitung eingeschlagen und hat den Zug abrupt ausgebremst, sodass dieser entgleiste. Über die Anzahl der Toten und Verletzten können noch keine Angaben gemacht werden, sicher ist nur, dass es bei diesem Unfall bereits einige schwere Verluste gegeben hat.“

„Gott, wie schrecklich“, murmelte der Verkäufer, während der ehemalige Chefingenieur der Enterprise wie hypnotisiert auf den Bildschirm starrte. Erinnerungen an das Gespräch mit Nyota gestern Abend tauchten plötzlich in seinem Kopf auf.
„Ich fahre morgen mit dem 5-Uhr-Zug nach Glasgow und werde am frühen Mittag wieder da sein. So zwischen 13 und 14 Uhr.“
Zwischen 13 und 14 Uhr. Ja, das hatte sie gesagt. Mit einem Mal wusste Scotty nicht nur wieder, wann Nyota welchen Zug wohin nehmen wollte und wann sie zurück wollte, sondern hatte sogar ihre genauen Worte im Kopf. Und Scotty kannte sich nicht nur mit der Geschwindigkeit von Raumschiffen, sondern auch mit der von Zügen aus. Diese Dinger waren verdammt schnell geworden in den letzten Jahrhunderten und schafften die Strecke zwischen Glasgow und Aberdeen locker in 30 bis 45 Minuten. Und Nyota wollte zwischen 13 und 14 Uhr wieder zu Hause sein. Und es war verdammt noch mal gut möglich, dass sie den Zug um 12.30 Uhr von Glasgow nach Aberdeen genommen hatte. Den Zug, dessen Einzelteile jetzt überall auf dem Gleis verstreut waren ...

„Mr. Scott?“ Scotty zuckte zusammen.
„Ja … ist was?“ Sein verwirrter Blick traf den des Verkäufers.
„Sie sehen auf einmal so blass aus … geht es Ihnen gut?“ Leichte Besorgnis schwang in der Stimme des dünnen rothaarigen Mannes mit.
„Mir? Mir … geht’s gut, keine Sorge. Ich … äh … ich muss nur mal kurz telefonieren, entschuldigen Sie mich.“ Mit einem gequälten und falschen Lächeln drängte sich der ehemalige Chefingenieur an dem Mann vorbei und ging raus in den Verkaufsraum.
Dort kramte er sein Mobiltelefon aus der Manteltasche. Es war nicht das neueste Modell, aber es erfüllte normalerweise seinen Zweck und Scotty hoffte sehr, dass es diesen jetzt auch trotz des beginnenden Sturms erfüllen würde. Mit leicht zitternden Fingern wählte er Nyotas Nummer.
Er hatte Glück, das Freizeichen ertönte!
Erleichtert seufzte er auf.

Doch Nyota nahm nicht ab. Scotty wusste nicht, wie oft er es hatte klingeln lassen, aber es dauerte lange, bevor er auflegte. Allerdings gab er nicht so leicht auf und probierte es gleich erneut. Sie nahm wieder nicht ab. Als er zum dritten Mal versuchen wollte, sie zu erreichen, hatte er keinen Empfang mehr.
„Verdammt.“ Scotty murmelte den Fluch erst nur vor sich hin, doch plötzlich überfielen ihn Verzweiflung und Angst. Nyota ging nicht an ihr Handy. Dass hieß, dass sie aus irgendeinem Grund nicht rangehen konnte. Doch sie ging normalerweise immer ran. Zumindest hatte er sie bis jetzt immer erreichen können. Und das konnte nur eins bedeuten: Sie war in diesem Zug gewesen, der durch den Sturm entgleist war.
„Oh verdammt!“, fluchte er diesmal lauter. „Verdammt, verdammt, verdammt!“
Von seinem Gefühlsausbruch aufgeschreckt, kam der Verkäufer in den Laden zurück.
„Mr. Scott, was ist los? Kann ich Ihnen helfen?“

Der ehemalige Chefingenieur der Enterprise stand mit dem Rücken zu dem Mann, sodass er sein Gesicht nicht sehen konnte. „Ja, können Sie“, Scottys Stimme klang zittrig. Er drehte sich um. Sein Gesicht war noch blasser geworden und in seinen braunen Augen standen Tränen. Er schluckte. Dann fragte er: „Haben Sie Scotch da? Ich könnte grad echt ein Glas gebrauchen ...“


Wenige Minuten später war der Sturm über Aberdeen in vollem Gang. Starke Windböen fegten nur so durch die Straßen der Innenstadt und nahmen alles mit, was nicht niet- und nagelfest war. So flogen beispielsweise Tische und Stühle eines Cafés an den Ladenfenstern vorbei - ihr Besitzer hatte wohl vergessen, sie reinzustellen oder schlicht die Stärke des Sturms unterschätzt. Weiter prasselten dicke Regentropfen gegen die Fenster, zuckten Blitze über den schwarzen Himmel gefolgt von tiefen Donnerschlägen, wie sie Scotty seinen Lebtag noch nicht gehört hatte.
Der ehemalige Chefingenieur wusste, dass ihn das Chaos draußen nicht so kalt lassen sollte, dass er auch ängstlich und besorgt nach draußen schauen sollte, wie der Verkäufer neben ihm, der sogar schon irgendwoher Kerzen und Streichhölzer aufgetrieben hatte für den Fall, dass der Strom ausfiel. Aber die Wahrheit war, dass es ihn kalt ließ. Sollte doch der Sturm auf irgendeine Art seine Wohnung verwüsten. Sollte doch der Blitz einschlagen oder der Keller volllaufen oder sonstwas passieren. Es war ihm einfach scheißegal, denn irgendwo, Kilometer entfernt, lag die Frau, die er liebte, schwerverletzt in einem Trümmerhaufen von Zugteilen und kämpfte ums Überleben. Oder war in irgendeinem Krankenhaus, wenn sie Glück hatte. Aber hey, der heutige Tag war ja anscheinend sowieso nicht „sein Tag“, also wie hoch standen denn da bitte schon die Chancen, dass es Nyota wenigstens einigermaßen gut ging?!
„Mr. Spock könnte das bestimmt ausrechnen“, murmelte Scotty und hickste. Die drei Gläser Scotch, die er schon intus hatte, machten sich bemerkbar. Der Verkäufer hatte tatsächlich eine Flasche Scotch irgendwo hinten im Laden versteckt gehabt – nicht, dass das Scotty irgendwie gewundert hätte, denn jeder richtige Schotte hatte immer irgendwo eine Flasche Scotch.

„Und Sie sind ganz sicher, dass sie in dem Zug saß?“, mitfühlend blickte ihn der Verkäufer an. Scotty hatte ihm in seiner Not alles erzählt.
„Hundertprozentig. Von der Zeit her passt es genau … leider.“
Ohne, dass er es wollte, wanderte seine rechte Hand zu der Manteltasche, in die er das Geschenk für Nyota getan hatte. Deutlich konnte er durch den Stoff die kleine quadratische Verpackung ertasten und mit einem Mal brannten erneut Tränen in seinen Augen. 'Ich werde sie nie fragen können', dachte er. 'Ich werde sie nie fragen können, ob …', er schloss die Augen. Ein schmerzhaftes Ziehen breitete sich in seiner Brust aus und er hatte Angst, einen Herzinfarkt zu bekommen, wenn er den Gedanken zu Ende dachte. 'Obwohl ja eigentlich egal ist, ob ich einen Herzinfarkt kriege oder nicht', dachte er. 'Ich Idiot verdiene es nicht anders. Warum nur habe ich so lange gezögert, sie zu fragen? Warum? Warum bin ich nur ein so verdammter Feigling gewesen?!'
Ein lauter Donnerschlag ließ den Verkäufer neben Scotty zusammenzucken. „Das war sehr laut“, kommentierte er mit zitternder Stimme, während der ehemalige Chefingenieur ihm sein leeres Glas hinschob. „Könnten Sie mir bitte noch einen einschenken?“


„Mr. Scott? Sir? Mr. Scott?“, ein Rütteln an seiner Schulter schreckte Montgomery Scott auf. Kurz blinzelte er und sah sich verwundert um. Er hatte leichte Kopfschmerzen.
„Wissen Sie, wo Sie sind?“, lächelnd blickte ihn ein leicht blasser, dünner Mann mit gescheiteltem rotem Haar an.
'Das Geschäft. Der Verkäufer. Der Sturm', diese drei Worte waren die ersten, die in Scottys leicht benebelten Gehirn auftauchten und die Erinnerung zurückbrachten. Doch dann fiel ihm noch ein weiteres ein und ihm würde fast übel. „Nyota“, murmelte er schwach und sein Kopf sank zurück auf die Ladentheke.
„Ich habe leider keine Neuigkeiten gehört“, die Stimme des rothaarigen Mannes klang betrübt. Scotty sagte nichts darauf und eine Weile beherrschte Stille den Raum – zu viel Stille, wie dem ehemaligen Chefingenieur plötzlich auffiel.
„Der Sturm hat aufgehört, nicht wahr?“ Er hob den Kopf.
„Ja“, der Verkäufer nickte. „Ich war gerade kurz draußen, es ist wirklich grauenhaft. Ein Bild der Verwüstung – umgeknickte Bäume, aufgewirbelte Erde, die Straßen stehen teilweise ein wenig unter Wasser. Aber der Laden ist zum Glück unversehrt geblieben, bis auf die Tatsache, dass der Strom ausgefallen ist.“ Er wies auf die beiden Kerzen, die auf der Ladentheke brannten.
„Wie lange habe ich geschlafen?“
„Ungefähr eine Stunde. Ich wollte Sie nicht wecken und musste eh noch die Rollläden vor den Fenstern runterlassen, weil der Sturm mit der Zeit noch heftiger wurde.“
Der Verkäufer machte eine kurze Pause, bevor er weiter sprach: „Sie haben die ganze Flasche Scotch geleert“, ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Und zwar in einer Geschwindigkeit, wie ich sie noch nie gesehen habe.“
„Tja, da können Sie mal sehen, dass ich nicht nur ein fantastischer Ex-Ingenieur, sondern auch ein guter Schotte bin“, trotz seines Kummers musste Scotty lächeln, wurde jedoch schnell wieder ernst. „Ich ersetz Ihnen die Flasche natürlich“, beteuerte er. „Ich musste nur irgendwas … ich brauchte einfach nur was zu Trinken wegen Nyota und der Verzweiflung und ...“
Der dünne rothaarige Mann winkte ab.
„Sie müssen mir die Flasche nicht ersetzen und mir auch nichts erklären. Ich kann Ihre Gründe gut verstehen, Mr. Scott. Die Flasche geht aufs Haus.“

Montgomery Scott wollte sich gerade bedanken, als er urplötzlich zusammenzuckte. Es vibrierte in seiner Manteltasche und er brauchte einige Sekunden, um zu verstehen, dass es sein Handy war. Sein Handy klingelte!
„Nyota“, dieses Wort kam wie automatisch über seine Lippen und mit überraschend ruhiger Stimme nahm er den Anruf an: „Scott.“
„Hallo Scotty, ich bin´s“, erst der Klang von Uhuras Stimme brachte Scotty Erleichterung. Einige Sekunden lang verschlug es ihm die Sprache, er konnte einfach nicht glauben, dass es wirklich sie war, die er da hörte. Doch dann ließen unbändige Freude und Erleichterung sein Herz vor Freude hüpfen und Tränen traten in seine Augen.

„Hallo, Nyota“, er schluckte, um seine zittrige Stimme so gut wie möglich zu verbergen.
„Wie geht es dir, wo bist du?“
„Ich bin immer noch an der Universität in Glasgow und mir geht’s den Umständen entsprechend gut. Gott, dieser Tag ist einfach nur total verrückt“, sie lachte kurz auf, bevor sie fortfuhr. „Ich weiß nicht, ob du das mitbekommen hast, aber hier in Glasgow hat es heute einen furchtbaren Sturm gegeben. Die halbe Stadt ist verwüstet und es hat viele Tote und Verletzte gegeben. Der Sturm hat mitten in meinem Vortrag angefangen und plötzlich sind einige Studenten reingekommen und haben erzählt, dass das Dach von dem Wissenschaftsbereich der Uni undicht ist und der ganze Regen dabei ist, wichtige Experimente zu zerstören. Sie haben Hilfe gebraucht, um ihre Versuche und empfindlichen Instrumente an einen trockenen Ort zu schaffen. Tja, und da haben dann natürlich alle mitgeholfen, ich auch.“ Sie lachte wieder kurz auf. „Ich habe alle möglichen seltsamen Experimente mit den Studenten durch die Gegend geschleppt und dabei richtig Spaß gehabt – dafür tun mir jetzt alle Knochen weh, ich bin klatschnass und sehe furchtbar aus. Aber die jungen Leute waren so verzweifelt, da konnte ich einfach nicht anders.“

„Das versteh ich“, Scotty liefen inzwischen Freudentränen über das Gesicht. Nyota lebte, ihr ging es gut! Verdammt, was für ein Glück! Was für ein gottverdammtes Glück!
Der ehemalige Chefingenieur schluchzte leise, denn er wollte Uhura nicht beunruhigen. Von seiner Sorge um sie konnte er ihr schließlich auch später erzählen.
„Wie geht es dir denn, Scotty? Einer der Studenten hat erzählt, dass es auch in Aberdeen einen Sturm gegeben hat und ich hab gesehen, dass du versucht hast, mich zu erreichen.“
„Ja, das stimmt. Ich war grad in der Innenstadt in einem Geschäft, als es losging, und bin noch dort. Aber mir geht’s gut, es ist alles in Ordnung.“
„Das ist gut. Aber warum bist du denn in die Innenstadt gegangen? Du hasst es doch, einkaufen zu gehen.“ Nyota klang verwundert und Scotty musste lachen. In diesem Moment konnte er deutlich ihr verwirrtes Gesicht vor sich sehen: Die in Falten gelegte Stirn, den überraschten Ausdruck in ihren wunderschönen dunklen Augen …
„Ja, ich...“, er dachte an den Gegenstand in seiner Manteltasche und sein Herz klopfte vor Aufregung und Freude noch ein bisschen heftiger. „Also, ich weiß auch nicht, aber ich hatte heute irgendwie Lust, einkaufen zu gehen“, redete er sich mehr schlecht als recht heraus.
„Ich hatte also recht mit meiner Feststellung, dass heute ein verrückter Tag ist“, Nyota lachte wieder, bevor sie fragte: „Hast du mich eigentlich wegen dem Sturm zwei Mal angerufen?“
„Ja ...“, Scottys Stimme wurde ein wenig leiser und er bekam einen leichten Kloß im Hals. „Und ich habe auch angerufen, weil ich dir einfach mal sagen wollte, dass … dass ich dich liebe.“
Einige Sekunden lang herrschte Stille am anderen Ende der Leitung.
„Dass weiß ich doch, Scotty“, Uhuras Stimme klang gerührt und Scotty konnte nicht anders; erneut traten Tränen in seine Augen.
„Und du weißt doch auch, dass ich dich liebe, oder?“
„Ja...“, der ehemalige Chefingenieur schluckte, um die Tränen zu bekämpfen. Ein sinnloses Unterfangen, denn sie begannen bereits über seine Wangen zu laufen.

„Du klingst ein wenig komisch. Ist wirklich alles in Ordnung bei dir?“ Nyota klang tatsächlich ein wenig besorgt, und Scotty konnte nicht anders als leise zu lächeln. Doch er wollte nicht, dass sie sich sorgte, dies hatte er immerhin heute schon genug getan.
„Nein, ich bin nur ein wenig heiser, es geht mir gut“, sagte er schnell und fügte noch hinzu: „Ehrlich gesagt geht es mir trotz des Sturms und der ganzen Zerstörung hier sogar sehr gut. Es ist irgendwie so, als wäre trotz allem heute mein Glückstag.“
„Tja, und für mich ist es der verrückteste Tag überhaupt“, Scotty konnte Nyota am anderen Ende lächeln hören, bevor sie wieder ernst wurde. „Ich werde wohl den restlichen Tag und die Nacht noch hier verbringen, weil wegen eines Zugunglücks die Strecke zwischen Glasgow und Aberdeen gesperrt ist. Ich kann aber in einem Zimmer der Studentenwohnheime übernachten, das ist kein Problem.“
„Das ist schön. Feier aber nicht so wild, klar?“
„Keine Sorge, das mache ich nicht“, sie lachte wieder laut auf. „Bis Morgen, Scotty. Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch, Nyota. Bis Morgen.“

Scotty legte auf und wandte sich dem Verkäufer zu, der ihn anlächelte.
„Geht es ihr gut?“, fragte er.
„Ja“, Scotty lächelte zurück und umfasste in seiner Manteltasche das kleine Kästchen, welches den Ring mit dem Rubin für Nyota enthielt. Ihr war nichts bei dem schweren Sturm in Glasgow geschehen – deshalb war heute sein Glückstag. Und wenn er morgen noch ein wenig Glück hatte, würde sie „Ja“ sagen, wenn er sie fragte, ob sie ihn heiraten wolle.


ENDE



Diese FF ist von Emony betagelesen worden. Vielen Dank dafür :).
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