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Fünf Schritte zur Selbsterkenntnis

von Emony

Schritt Eins - Happy Halloween

Es war an unserem ersten Halloween an der Sternenflotten Akademie, als ich spät am Abend - es war bereits dunkel und die ersten Nebelschwaden krochen von der Bucht aus zum Campus - mit einer frischen Pizza und einem Sixpack auf dem Weg zu meinem besten Freund war. Ich wusste, dass er keine Lust auf die große Halloween-Party hatte, zu der praktisch der gesamte Campus kam.

„Ich bin zu alt, um mich zu verkleiden und mich als jemand auszugeben, der ich nicht bin“, hatte Bones gesagt, als ich ihm vor einigen Tagen von der Party erzählte. Dabei hatte er mir seinen patentierten ‚Keine-Chance-Blick‘, nebst erhobener linker Augenbraue geschenkt. Spätestens ab da war mir klar, dass ich keine Aussicht hatte ihn umzustimmen.

Ohne Bones hatte ich allerdings auch keine große Lust zu der Party zu gehen. Wie es dazu kam, ist mir noch immer ein Rätsel. Ich bin früher ständig allein auf Partys gegangen und hab mich bestens amüsiert. Seit ich Bones kenne, hat sich in dieser Hinsicht allerdings so Manches verändert. Er hat mich verändert. Und das innerhalb weniger Wochen! Das macht mir ein bisschen Angst, wenn ich ehrlich bin.

Während ich zum Wohnheim der Mediziner hinüber lief, kamen mir ständig Kadettengruppen in allen erdenklichen Verkleidungen entgegen. Sie waren selbstverständlich auf dem Weg zur Party, zu der ich nicht gehen würde. Und ein bisschen bedauerte ich es doch, als ich die Hexen in hautengen Kleidern und weiten Ausschnitten sah, die Vampir-Ladies und die Krankenschwestern mit blutigen Schürzen und kurzen Röcken ...

„Boo!“

Erschrocken machte ich einen Satz zur Seite und hätte dabei beinahe die Pizza fallen lassen. Ich starrte fassungslos in das grinsende Gesicht eines Sensenmanns, der mit einer altmodischen Sichel bewaffnet einen erneuten Schritt auf mich zu machte.

„Haha, sehr witzig.“ Ich fragte mich, wer unter der Kutte steckte, die das stark geschminkte Gesicht praktisch bis auf den Mund und Kinnbereich verbarg. Ich konnte nur das Grinsen sehen, weiter nichts.

Dann streifte mein Gegenüber sich die Kutte etwas zurück und ich erkannte Gary Mitchell. „Blödmann!“, schimpfte ich ihn und schüttelte lächelnd den Kopf. Es hätte sich auch um Finnegan, meinen Zimmergenossen, handeln können, der mir schon seit Wochen auf die Nerven ging und mir andauernd Streiche spielte, von denen ich keinen auch nur ansatzweise lustig fand.

„Wo ist deine Verkleidung, Mann?“, fragte Gary und deutete auf mich.

Ich zuckte die Schultern. „Ich komme nicht zur Party. Bones hat keine Lust.“

„Und wenn schon, dann komm einfach ohne ihn. Soll er doch in seiner Bude sitzen und lernen bis ihm das Wissen aus den Ohren läuft. Komm schon, Jim, lass mich nicht hängen.“ Gary schob die Unterlippe vor und setzte seinen schönsten Bettelblick auf.

Ich schüttelte jedoch den Kopf. „Nein, ich kann nicht. Ich will Bones mit einer Pizza überraschen.“

„Der hat dich ganz schön im Griff, Jim.“

„Er ist mein Freund. Er hat mich nicht im Griff. Ich hab ihn die ganze Woche kaum gesehen und hänge dann heute lieber ganz entspannt bei ihm ab.“

Gary musterte mich einige Momente aus verengten Augenschlitzen und zog sich dann die Kutte wieder halb ins Gesicht. „Dein Verlust, Mann. Du bist mein bester Flügelmann. Wir hätten heute sicher beide Erfolg gehabt.“

„Wir ziehen ein anderes Mal wieder zusammen los“, bot ich Gary an, welcher jedoch nur ein halbherziges „Ja, schon gut“ zur Antwort gab.
Ich konnte die Enttäuschung hören. Gary brauchte mich jedoch nicht. Er war ziemlich beliebt in seinem Jahrgang. Er war mir ein Jahr voraus und hatte sich an der Akademie in jeder Hinsicht einen Namen gemacht. Für gewöhnlich verbrachte ich gern meine Zeit mit ihm. Er war ein guter Typ und ich konnte viel von ihm lernen.

Aber er war eben nicht Bones.

Als ich am Wohnheim der Mediziner ankam, rauschte eine umwerfende Blondine mit einem Dolch im Hals und Blut verschmiertem Kleid an mir vorbei. Ich kannte sie durch Bones. Sie war eine der Krankenschwestern im ersten Jahr. Unglücklicherweise hatte ich ihren Namen vergessen und sie schien mich gar nicht zu bemerken. Ich nahm an, sie sei spät dran, so eilig wie sie an mir vorbei eilte.

Die dunklen Korridore wirkten wie ausgestorben. Als ich versuchte das Licht zu aktivieren, flackerte es lediglich. Überall standen kleine Zierkürbisse mit geschnitzten Fratzen vor den Türen, Spinnen hingen hier und da von der Decke oder über den Türen in Netzen. Süß, wie sich alle Mühe gaben die Akademie gruselig wirken zu lassen. Ich ging davon aus, dass irgendwer sich an den Lampen in den Korridoren zu schaffen gemacht hatte, so dass sie flackerten.

Endlich erreichte ich Bones‘ Tür, die - wie könnte es auch anders sein? - kein bisschen dekoriert war. Ich betätigte den Türmelder und wartete, doch niemand öffnete. Dabei war ich mir sicher, dass Bones heute Abend keinen Dienst in der Krankenstation schieben musste. Er hätte es mir gesagt, wenn ... Ich seufzte und klingelte erneut. Wieder vergebens.

Da ich wusste, wie unkreativ Bones war, wenn es darum ging sich einen geheimen Pin auszudenken, gab ich kurzerhand Joannas Geburtstag ein. 4062249. Und tatsächlich sprang das Verriegelungssignal seiner Tür von rot auf grün und die Tür glitt beiseite. Vielleicht sollte ich Bones mal sagen, dass er sich zumindest einen alphanumerischen Code ausdenken sollte.

Die Tür schloss sich hinter mir, kaum dass ich den Sensorbereich wieder verlassen hatte. „Bones?“ Keine Antwort. „Hey, alter Mann, ich hab Pizza und Bier. Bist du beim Lernen eingepennt, oder was?“ Als ich Richtung Schlafzimmer ging, allzu viele Räume hatten die Unterkünfte an der Akademie nicht, hörte ich Wasser rauschen.

Da Bones ganz offenbar duschte, beschloss ich zu warten und setzte mich einfach auf den Boden vor dem Badezimmer, wobei ich mich an die Tür lehnte. Ich klopfte an selbige, um auf mich aufmerksam zu machen. Ich hatte nicht vor, Bones zu erschrecken, wenn gleich das an Halloween natürlich ein besonderer Spaß gewesen wäre. „Hey, Bones, beeil dich. Die Pizza wird kalt und das Bier warm.“

Es vergingen Minuten und langsam wurde ich doch ungeduldig. „Bones, alles okay da drin?“ Ich stand auf und klopfte erneut. Wieder vergebens. Es kam keine Reaktion.

„Bones?!“

Nichts.

Ich klopfte erneut. Energischer diesmal, so dass mir die Faust beinahe weh tat.

Nichts.

„Ich komm jetzt rein.“

Geschwind öffnete ich die Tür und erschrak beinahe zu Tode, als ich Bones in der Duschkabine liegen sah. Er blutete stark am Kopf, das Kinn lag auf seiner Brust. Er war ganz offensichtlich bewusstlos. „Bones! Oh mein Gott.“ Ich rannte zu ihm, fiel vor der Duschkabine auf die Knie wollte mir die Wunde ansehen, als er mich plötzlich anstarrte und „Boo!“ rief.

„Du Penner!“ Mein Herz blieb fast stehen als ich zurück strauchelte, nur um danach doppelt so schnell zu schlagen. „Bist du von allen guten Geistern verlassen, mir so einen Schrecken einzujagen? Was soll der Scheiß?!“

„Happy Halloween“, grinste Bones, stand auf und hielt sein Blut verschmiertes Gesicht unter den Duschstrahl.

Ich konnte ihn nur fassungslos anstarren. „Wieso tust du mir so was an? Ich dachte, du kannst Halloween nicht leiden?“

„Kann ich auch nicht“, erwiderte er und verlangte dann ein Badetuch von mir. „Aber du stehst drauf und ich dachte du freust dich, wenn ich dir etwas entgegen komme. Allerdings hatte ich keinen Schimmer, dass du so verdammt lang brauchen würdest, um endlich zu kommen. Ich hab sicher zwei Stunden auf dich gewartet.“

„Unter der Dusche?“

„Nein, du Trottel. Am Fenster, selbstverständlich“, erwiderte er und trocknete sich rasch ab. „Bekomm ich jetzt Pizza und Bier, anstatt Süßes?“

„Du kannst mich mal, du Blödmann!“ Ich war stinksauer. Für den Bruchteil eines Moments hatte ich geglaubt, dass ihm tatsächlich etwas zugestoßen war. Wie konnte er jetzt an Essen denken?

Bones band sich das Badetuch um die Hüfte und sah mich unverwandt an, ich starrte eisern zurück. „Es war nur ein Scherz, Jim. Entspann dich.“ Er stieg aus der Duschkabine und legte mir die Hände auf die Schultern.

„Ich finde es überhaupt nicht lustig, wenn ich meinen besten Freund bewusstlos und blutend in seinem Bad finde, verdammt!“ Ich wusste, dass ich viel zu aufgebracht war. Und ich begriff nicht, wieso ich nicht darüber lachen konnte. Bei jedem anderen hätte ich vermutlich lachen können, aber nicht bei Bones. Er war mir einfach zu wichtig und der Scherz eine Spur zu makaber. „Tu mir sowas nie wieder an!“

Bones nickte langsam, während sich seine Züge von verwirrt mürrisch zu verwirrt bedauernd wandelten. „Okay. Tut mir leid. Ehrlich. Ich dachte, du fändest das komisch.“

„Kein bisschen.“ Die Erkenntnis, dass ich Bones irgendwann verlieren könnte, war plötzlich dermaßen präsent, dass ich eine Gänsehaut bekam. Ich wollte ihn nicht verlieren. Niemals ...
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