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Scrooooge

von Jana

Kapitel 2

Das Schiffschronometer sprang auf 0.00 Uhr.
Kathryn Janeway war auf der Couch eingeschlafen. Ein Padd lag auf ihrem Bauch. Ihre Glieder waren entspannt ausgestreckt und ihr Atem war flach.
Ein kalter Luftzug ging durch ihren Bereitschaftsraum.
"Aufwachen, Kadett!" donnerte eine markerschütternde Stimme.
Erschrocken fuhr sie hoch, wobei das Padd zu Boden fiel. "Admiral Paris?" Es dauerte eine Schrecksekunde, "Wie kommen Sie auf die Voyager?" Diesmal rief sie Tuvok erst gar nicht. Sie ahnte schon, wer hinter dem ganzen Theater steckte.
"Oh, ich bin nicht Ihr Admiral Paris. Ich bin der Geist der vergangenen Weihnacht. Aber er...", der grauhaarige Mann lächelte und deutete nach oben, "... hielt es für eine gute Idee, wenn ich in dieser Gestalt erscheine. Er war der Ansicht, dass Sie sich von Autoritätspersonen eher belehren lassen."
Verschlafen rieb sich Janeway die Augen und ging zurück zu ihrem Schreibtisch, wo sie Platz nahm. Sie schlug die Beine gelassen übereinander und meinte sarkastisch, "Nun, dann richten Sie ihm...", sie deutete wie eben der angebliche Admiral Paris gen Himmel, "...aus, dass ich weder an ihn noch irgendetwas anderes glaube."
Der Admiral stützte sich mit beiden Händen auf ihre Schreibtischplatte und beugte sich näher zu ihr, "Genau deshalb bin ich hier, Captain Janeway, genau deshalb. - Weil Sie jeglichen Glauben verloren haben."
"Hören Sie, ...", Kathryn seufzte entkräftet, "Ich habe keine Lust auf diese albernen Spielchen. Richten Sie Q aus, dass ich heute nicht dafür in der Stimmung bin!"
"Sie halten das hier für ein Spiel, Kadett?!" ertönte die strenge und laute Stimme des Admirals, die Kathryn zusammen fahren ließ. Er betonte den niedrigen Rang absichtlich scharf, um sie herab zu setzen. "Kadett, Sie haben weder das Recht irgendwelche Vermutungen zu äußern, noch steht es Ihnen zu in seinem solchen Ton mit mir zu reden."
Für einige Augenblicke fühlte sie sich in die Zeit auf der Akademie zurück versetzt und die Verblüffung stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Dann fing sie sich wieder, "Ich bin schon lange kein junger Kadett mehr, den man nach Belieben einschüchtern kann, Admiral."
Der angebliche Geist lachte, "Diese Reaktion habe ich von Ihnen erwartet, Captain Janeway." Seine Miene wurde wieder ernst, "Genug des Austauschs von Nettigkeiten. Kommen wir zum Grund meines Besuches."
"Lassen Sie mich raten: Sie wollen mich über die Bedeutung des Weihnachtsfestes aufklären", machte sie sich lustig.
"Genau Kadett!" donnerte der Admiral und zeigte damit seine Missbilligung ihres Tonfalls. Gewichtig klopfte er auf seinen Communicator, "Jetzt."
Janeway spürte ein leichtes Kribbeln in sich. Es erinnerte sie an die wenigen Sekunden im Transporterstrahl. Als sich das Gefühl legte, befand sie sich nicht länger in ihrem Bereitschaftsraum.

Ehrfürchtig schaute sie sich in dem Raum um, in dem sie nun mit dem Admiral stand. Ihr Magen ballte sich zusammen. "Das ist meine Wohnung auf der Erde."
"Sie mögen vorlaut geworden sein in all den Jahren, aber Ihr Gedächtnis hat Sie nicht im Stich gelassen."
Sie vernahm ein melodisches Summen hinter sich und drehte sich um. Ein Mann in einem dunkelgrünen Pullover, den man nur von hinten sehen konnte, hockte vor dem Kamin und legte einige Scheite Holz nach, damit das Feuer nicht erlosch.
"Mark", flüsterte sie kaum wahrnehmbar und ihre Stimme vibrierte. Sie stützte sich an der Wand ab. "Mark", raunte sie erneut und bedeckte ihren Mund mit der Hand.
Der Mann am Kamin erhob sich und schritt näher auf Kathryn Janeway zu. Sie streckte eine Hand nach ihm aus, wollte ihn in die Arme schließen. Doch er ging durch sie hindurch. Verwirrt drehte sie sich um. "Was...?"
"Hier kann uns weder jemand hören, noch sehen und berühren erst recht nicht." Sprang der Admiral erklärend ein.
"Was machen wir dann hier, wenn ich nichts ausrichten oder ändern kann?"
"Ich habe Sie hierher gebracht, weil es Zeiten gab, in denen Sie wussten, was Weihnachten bedeutet oder wie man es feiert. Sehen Sie und erinnern Sie sich."
Bevor sie weiter sprechen konnten, öffnete sich die Haustür und Kathryn Janeway aus vergangenen Jahren trat ein. Ein Lächeln formte sich in ihrem Gesicht, als sich ihr Verlobter vom Esstisch abwandte und auf sie zu ging.
"Hallo schöne Frau", raunte er, legte seine Hände um ihre Hüften und zog sie ganz dicht zu sich, für einen innigen Willkommenskuss.
Nach einer Weile trennten sich ihre Lippen wieder voneinander, "Begrüßt du alle Ankömmlinge auf diese Weise?" fragte sie schelmisch.
Er machte eine Denkermiene und blickte schmunzelnd an die Decke, "Gelegentlich." Dann wurde er wieder ernst und sah ihr tief in die Augen, "Ich habe dich vermisst."
"Ich dich auch!"
Langsam schob er sie rückwärts zur Couch. Sich gegenseitig küssend sanken sie darauf nieder. Er löste den Knoten ihrer Haare und lockerte diese. Es beinah bedauernd beendeten sie ihren Kuss.
"Ich möchte dir eine Kleinigkeit geben", meinte er und holte ein flaches Geschenk hinter ihr hervor.
"Ich habe auch etwas für dich", sagte sie und griff nach ihrem Koffer.
Sich vielsagende Blicke zuwerfend tauschten sie die liebevoll in Geschenkpapier eingewickelten Überraschungen. Kathryn hatte das Papier als erste entfernt und öffnete nun die Schachtel. Ihr Blick verklärte sich leicht, als sie derselben einen Bilderrahmen entnahm. Darin befand sich ein Bild mit Mark, ihr und ihrer Hündin Petunia. Gerührt legte sie ihre Hand darauf, "Es ist wunderschön. Ich danke dir."
Nun war auch er so weit, das er die kleine Packung öffnen konnte. Mit einem glitzernden Gesichtsausdruck entnahm er ihr einen Füllfederhalter.
"Das ist doch nicht...", begann er.
"Die Nachbildung des Füllfederhalters von Jean-Paul Sartre. Doch ist es", sagte sie glücklich darüber, dass ihr die Überraschung gelungen war. "Du warst so in seinem Bann, als wir die Ausstellung großer Philosophen besucht haben... Ich hoffe, er inspiriert dich."
Bewegt riss er sich vom Anblick des Federhalters los und betrachtete sie verträumt, "Du inspirierst mich."
Während er sich erneut zu ihr hinab beugte, um sie zu küssen, legte er das Geschenk beiseite. Unbeholfen tastete er nach den Verschlüssen ihrer Uniform und streifte ihr wenig später die Jacke ab. Sie schob ihm den Pullover über den Kopf. Erneut begannen sie Zärtlichkeiten auszutauschen. Im Hintergrund knisterte der brennende Kamin und spendete Wärme und ein angenehmes Licht.
"Er war immer so furchtbar romantisch. Für ihn waren solche Abende unglaublich wichtig." Berichtete die Kathryn Janeway, die neben Admiral Paris stand in einem Anflug von Wehmut und Nostalgie. Das Bild vor ihr verschwamm leicht. Sie musste mehrere Male blinzeln, um die Tränen zurück halten zu können. Mit ansehen zu müssen, wie der Mann, dem einst all ihre Liebe galt, sie verführte, schmerzte sie. Sie sog die Luft scharf ein, als Mark den Hals ihrer Doppelgängerin aus der Vergangenheit mit Küssen benetzte und diese ihren Kopf so weit wie möglich zurücklehnte. Es war das letzte Weihnachten, das sie zusammen verbracht hatten und an diesem Abend hatten sie sich auf der Couch vor dem brennenden Kamin geliebt. Die Bilder rissen tiefe Wunden wieder auf.
Als hätte der Geist ihre Gedanken gelesen, meinte er, "Keine Angst, wir werden rechtzeitig gehen."
Doch dies tröstete sie wenig. Unfähig zu einer einzigen Bewegung beobachtete sie das Geschehen weiter und schien in ihren Erinnerungen zu forschen, wie es sich anfühlte von ihm berührt zu werden. Wie es sich überhaupt anfühlte, von einem Mann berührt zu werden. Dann wurde ihr bewusst, dass diese Zeiten vergangen waren und dass sie körperliche Liebe nie wieder verspüren würde. Etwas in ihr erkaltete noch mehr.
"Sie waren einmal imstande, Liebe zu empfinden und zu erwidern. Ich bin erstaunt, Captain."
"Das ist lange her. - Und der Mann, dem diese Gefühle galten, hat sich einem anderen Menschen zugewandt", gab sie emotionslos zurück.
"Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten: Er ist nicht der einzige Mann im Universum. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah", säuselte der Geist.
"Genug! Ich habe genug gesehen! Bringen Sie uns fort von hier!"
"Wie Sie wünschen", gab der Admiral zurück und klopfte wieder leicht auf seinen Communicator.

Wenige Sekunden später standen die beiden wieder im Bereitschaftsraum der Voyager. Die Sterne zogen Schweife hinter sich wie eh und je, als sei nichts geschehen.
Starr stand Kathryn Janeway vor dem Fenster, "Es wäre nicht notwendig gewesen, mir dies zu zeigen", sagte sie mit kühler Stimme.
"Ich wollte nur, dass Sie wissen, was Sie sich selbst versagen."
Ihr Gesicht war inzwischen aschfahl, mit einem leeren, gläsernen Blick drehte sie sich zu ihm, "Glauben Sie mir, das weiß ich sehr wohl. - Wenn Sie mich jetzt bitte allein lassen würden!"
"Es tut mir leid, diesen Wunsch kann ich Ihnen noch nicht erfüllen. Erst muss ich Ihnen ein weiteres vergangenes Weihnachtsfest zeigen." Der Communicator des Admirals zirpte leicht, als er ihn berührte.

Kathryn Janeway schaute sich um. Sie befand sich im weihnachtlich geschmückten Casino. Es herrschte eine heitere Stimmung. Alle Führungsoffiziere standen in einem Kreis, selbst ihr Abbild war anwesend. Tom versuchte gerade das Lachen aller um ihn herum zu übertönen, um mit seiner Geschichte fortzufahren.
"Wartet", meinte er enthusiastisch und konnte sich dabei selbst das Lachen kaum verkneifen, "Das Beste kommt doch noch." Er bezog eine bessere Position und machte seine Erzählung mit wilden Gestikulationen anschaulich. "Als Harry also aus dem Schlammloch stieg, konnte er nichts sehen und stolperte prompt."
Harry grinste in Erinnerung an die damalige Außenmission und hielt sich eine Hand vor das Gesicht.
"Aber er fiel nicht nur, nein, er fiel in einen Haufen aufgetürmtes Laub, das natürlich an dem ganzen Schlamm kleben blieb."
Alle lachten herzhaft.
"Und als er schließlich wieder aufstand, hatte er die Arme erhoben und tapste wie ein Monster auf den Rest des Außenteams zu." Tom ahmte Harry nach und watschelte einige Male mit hoch erhobenen Armen hin und her, was nur noch mehr zur allgemeinen Belustigung beitrug.
"Die anderen hatten natürlich nichts von Harrys Missgeschick mitbekommen und so zog Tuvok im Glauben auf eine heimische, feindselig gestimmte Spezies getroffen zu sein seinen Phaser."
Das Lachen wurde noch lauter. Kathryn Janeway beobachtete sich selbst, wie ihr Abbild aus der Vergangenheit sich mit ihrer Crew amüsierte und vor lauter Lachen an ihrem Ersten Offizier abstützte. Auch nachdem sich ihre heitere Stimmung etwas gelegt hatte, verblieb ihre Hand auf seinem Oberarm.
"Ich hielt gewisse Vorsichtsmaßnahmen damals für angebracht", sah sich der Vulkanier mit einer hochgezogenen Augenbraue genötigt sein Verhalten zu rechtfertigen.
Das gerade abebbende Lachen brach wieder in voller Lautstärke aus. Man bog sich geradezu und die meisten bekamen schon feuchte Augen.
"Warum waren Sie damals noch in der Lage zu lachen, Captain?" wurde die jetzige Kathryn Janeway von Admiral Paris gefragt.
Anteilnahmslos beobachtete sie das Geschehen, "Weil ich daran glaubte, diese Crew nach Hause führen zu können. - Inzwischen jedoch habe ich gelernt. Ich habe meine Blauäugigkeit abgelegt und sehe den Tatsachen ins Auge. - Wir werden niemals zurückkehren."
"Ähm... Neelix an den Captain", ertönte es verlegen über Interkom mitten in die aufgeheiterte Atmosphäre.
"Sprechen Sie Neelix", meinte die damalige Janeway immer noch schmunzelnd.
Nur zögernd sprach Neelix weiter, "Ich benötige Hilfe, Captain."
"Was gibt es?"
"Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll...", der Talaxianer druckste herum.
"Raus mit der Sprache, Neelix, wir warten schon alle auf Sie", ermutigte Tom den selbsternannten Moraloffizier.
"Deshalb benötige ich Ihre Hilfe... Ich war auf dem Weg ins Casino, um die Geschenke zu verteilen und... Es ist mir so unangenehm... Ich fürchte, ich bin in der Jeffreysröhre stecken geblieben und nun komme ich weder vor noch zurück."
Das ausbrechende Lachen schlug alle Lautstärkerekorde. "Wir sind schon unterwegs, Neelix."
Nach und nach entfernte man sich aus dem Casino, um Neelix zu Hilfe zu eilen. Bis schließlich nur noch Chakotay und Kathryn zurückblieben. Immer noch berührte ihre Hand seinen Arm. Beide lächelten befreit. Dann sahen sie sich in die Augen und mit der Zeit verstummte das Lächeln. Forschend huschten ihre Augen über sein Gesicht.
Kathryn Janeway konnte sich genau erinnern, welche Emotionen damals in seinen Augen gestanden hatte und genau wie an diesem Weihnachtsfest war sie jetzt wie gelähmt. Seine Anziehungskraft auf sie war schon immer ungeheuer groß gewesen. Und obwohl das Geschehen bereits der Vergangenheit angehörte, fürchtete sie, dass ihr Ebenbild die Kontrolle über sich verlieren könnte.
Fast unmerklich näherte sich Chakotays Kopf ihrem. Im letzten Augenblick verhinderte ihre Doppelgängerin den Kuss und nahm eine sichere Distanz ein. Verlegen strich sie ihre Uniform glatt, "Wir sollten nachsehen, wie es Neelix geht", meinte sie noch, bevor sie gänzlich vor ihm flüchtete und das Casino verließ.
"Aye, Captain", murmelte Chakotay nach einer Weile und folgte ihr mit hängenden Schultern.
"Er sieht recht attraktiv aus, finden Sie nicht auch, Captain?"
Ihre Wangenknochen traten hervor, doch sie ließ sich nicht zu einer Antwort herab.
"Sie wollten ihn", stellte der Admiral unverblümt fest, in der Hoffnung sie damit aus der Reserve zu locken.
"Was ich wollte ist irrelevant. Einzig das Protokoll hat Bedeutung", erwiderte sie nüchtern und ohne im das Gesicht zu zu wenden.
Der Geist der vergangenen Weihnacht seufzte theatralisch, "Ist es nicht schön, wenn man etwas hat, auf das man die Schuld abwälzen kann?"
"Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie das verstehen."
"Nun, dann werde ich Sie jetzt weiter in Ihrem Selbstmitleid baden lassen", sprach der Admiral und kurz darauf verschwammen die Konturen des Casinos vor ihren Augen.
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