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Nur eine Hand voll Staub

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Der lange Rock der Frau endete knapp über ihren Knöcheln, die in Stiefeln aus weichem Leder mit hohem Schaft steckten. Die lederne Weste, die sie über einer weitärmeligen Bluse trug, wurde in der Taille von einem breiten Gürtel zusammengehalten, in dem ein Dolch sowie ein matt funkelndes Schwert steckten. Eine prächtige Schärpe war um Rücken und Schulter geschlungen. Daran war ein Bat‘leth befestigt.
Nach Kleidung und Bewaffnung hätte man die Frau für eine Klingonin halten können, doch das Gesicht unter dem langen schwarzen Haar war hell und glatt. Die grünen, leicht schräg gestellten Augen der Frau glichen denen einer Katze. So wie ihre Bewegungen.
Die Bajoraner, denen sie begegnete, wichen ihrer kriegerischen Gestalt aus.
Charis achtete nicht auf sie. Die Bajoraner waren nicht der Grund für ihre Anwesenheit. Wären Bajor und seine Bewohner für sie von Interesse, hätte sie den Planeten und diese Station früher aufgesucht. Bevor das Dominion seinen Machtbereich in den bajoranischen Raum ausgedehnt hatte. Der Krieg gegen die Föderation war es, der Charis hierher geführt hatte. Kämpfe zogen sie beinahe magisch an. Die ständige Gegenwart der Sterblichkeit war es, die Charis faszinierte. Das war etwas, das die Gründer nicht begriffen. Der Anspruch darauf, ein Gott zu sein, vertrug sich schlecht mit dem Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit.
Charis lenkte ihre Schritte nach links und betrat das Kasino von Terok Nor, wie die Station nun wieder hieß. Erstaunlich, welchen Wert Cardassia der Umbenennung beimaß. Dabei waren Namen nichts weiter als Schall und Rauch. Sie kamen und gingen. So wie jene, die sie trugen oder vergaben. Nichts in diesem Universum währte ewig. Das galt auch für das Dominion. Die Gründer glaubten, sie würden alles überdauern. Doch irgendwann würden auch sie vergehen, bis das Dominion nur noch eine Erinnerung war, die nach und nach in Vergessenheit geraten würde.
Charis setzte sich an einen freien Tisch.
Sofort eilte ein Ferengi zu ihr. Er war zu elegant gekleidet, um ein Kellner zu sein. Vermutlich handelte es sich um den Besitzer.
Der Ferengi verbeugte sich diensteifrig vor seinem neuen Gast. "Es ist mir eine Ehre, Sie in meinem bescheidenen Etablissement begrüßen zu dürfen! Was darf ich Ihnen bringen?" Sein Blick glitt über ihre klingonischen Waffen. "Einen Blutwein?"
"Kanar!", antwortete eine männliche Stimme hinter Charis. Ein uniformierter Arm tauchte in ihrem Blickfeld auf. Eine Hand packte die Lehne des Stuhles rechts neben Charis und zog ihn ein Stück zurück.
"Sind Sie taub, Quark?!" Der Cardassianer nahm Platz. "Stehen Sie nicht herum! Bringen Sie eine Flasche Kanar und zwei Gläser!"
"Wer wagt es, sich unaufgefordert zu mir zu setzen?", richtete Charis sich an den Ferengi.
Quarks Blick huschte zwischen der kriegerisch aussehenden Frau und dem Cardassianer hin und her. Der Ferengi versuchte einzuschätzen, wer von beiden gefährlicher war. Schließlich gab die Überlegung den Ausschlag, dass dies wieder eine cardassianische Station war.
"Eine Flasche Kanar und zwei Gläser, wie Sie wünschen, Damar!" Quark drehte sich um und hastete davon.
Langsam wandte Charis ihren Kopf zu ihrem Tischnachbarn und musterte ihn. "Sie sind also Gul Dukats Stellvertreter."
"Sie sind erstaunlich gut informiert!"
"Informationen sind der Schlüssel zum Erfolg!"
Das zumindest hatten die Gründer immer begriffen. Eine der Säulen, auf denen das Dominion aufgebaut war, war ein ausgezeichnet organisiertes Informationssystem.
"Sie kleiden sich wie eine Klingonin. Aber", Damar lachte, "Sie reden wie ein Ferengi! Ich kann mich nicht erinnern, Sie hier schon einmal gesehen zu haben. Wie heißen Sie?"
"Charis."
"Ein schöner Name. Passend für eine schöne Frau!"
Damar wollte fortfahren, wurde jedoch von Quark unterbrochen, der mit einem beladenen Tablett wieder an den Tisch kam. "Bitte sehr, Kanar und zwei Gläser." Der Ferengi stellte alles auf die polierte Tischplatte. "Falls Sie weitere Wünsche haben, lassen Sie es mich wissen."
"In der Tat", Charis lächelte den Cardassianer an, "da wäre etwas." Immer noch lächelnd griff Charis die Flasche, die Quark gebracht hatte.
Bevor Damar wusste, wie ihm geschah, krachte die Flasche auf seinen Kopf und zerbrach. Kanar und Scherben ergossen sich über das Gesicht und die graubraune Uniform des Cardassianers, der bewusstlos vom Stuhl sank.
"Setzen Sie den Kanar auf seine Rechnung! Und", mit einer lässigen Bewegung fegte Charis die beiden langstieligen Gläser zu Boden, wo sie zersplitterten, "die Gläser auch!"
Fassungslos starrte Quark auf den besinnungslosen Damar.
Die Gespräche in der Bar waren verstummt.
Charis erhob sich. "Räumen Sie den Tisch beiseite! Ich brauche Platz!"
"Platz?" echote der Ferengi verständnislos. "Wofür?"
"Um denen", Charis nickte mit dem Kopf in Richtung der Tür, von wo sich drei Cardassianer näherten, "eine Lektion zu erteilen!"


***


Weyouns gelangweilte Miene zeigte deutlich, was er von Dukats Ausführungen hielt. Eine Wand hätte dem Cardassianer mehr Aufmerksamkeit geschenkt als der Vorta. Nur Odos Anwesenheit bewirkte, dass Weyoun Dukat nicht einfach unterbrach und die Sitzung des Stationsrates beendete.
Odo war der Gründer. Ihm allein stand die Entscheidung über das Ende einer jeden Sitzung zu, der er beiwohnte.
Der Türmelder summte.
Weyoun sah Odo fragend an, bereit, den Melder zu ignorieren, sollte Odo es wünschen.
Dukat indessen hatte nicht vor, auf eine Reaktion des Sicherheitschefs zu warten.
"Herein!"
Weyoun behielt seine Bemerkung über die Vermessenheit des Cardassianers für sich, als der Erste seiner Einheit eintrat. Kein Jem‘Hadar, nicht einmal sein Erster Omet‘iklan, würde es wagen, in eine Besprechung zwischen einem Vorta und einem Gründer zu platzen, wenn er keinen guten Grund dafür hatte.
"Was gibt es?", fragte Dukat.
Der Jem‘Hadar blickte an dem Cardassianer vorbei auf Weyoun.
Der Vorta seinerseits sah Odo an.
Der Formwandler nahm Dukats unverhohlenen Ärger lächelnd zur Kenntnis. Obwohl Odo die Anbetung seiner Person durch Weyoun und die Jem‘Hadar zuwider war, musste er zugeben, dass es gewisse Aspekte gab, die er durchaus genoss.
Odo ließ einige Sekunden verstreichen, um den Ausdruck auf Dukats Zügen auszukosten. Dann nickte er dem Vorta zu.
Weyouns Blick forderte Omet‘iklan auf, die Unterbrechung zu rechtfertigen.
"Im Kasino haben wir eine Frau festgenommen, die Sie zu sprechen verlangt."
"Deswegen unterbrechen Sie die Sitzung des Stationsrates und belästigen Odo!"
"Ich bitte um Verzeihung, aber die Gefangene erwähnte, dass Sie eine wichtige Information für Sie hätte, die nicht warten kann."
"Was hat Sie getan?", kam Odo dem Vorta zuvor.
"Sie hat Damar mit einer Flasche niedergeschlagen."
"Tatsächlich?" Odo gestattete sich ein weiteres kleines Lächeln. "Warum?"
"Laut Aussage des Ferengi-Wirts gab es offenbar eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob sie mit Damar Kanar trinken wollte."
"Lassen Sie mich raten. Damar wollte. Sie wollte nicht." Odos Lächeln vertiefte sich, als der Jem‘Hadar nickte. "Meines Erachtens nach handelt es sich um einen klaren Fall von Notwehr! Die Frau sollte freigelassen werden."
Weyouns Blick erstickte Dukats Protest. "Sie haben den Gründer gehört", wandte der Vorta sich an Omet‘iklan.
Der Jem‘Hadar zögerte.
"Worauf warten Sie?", fragte Weyoun.
"Nachdem sie Damar niedergeschlagen hat, wurde sie von drei Cardassianern in einen Kampf verwickelt. Sie hat zwei von ihnen getötet und den dritten schwer verletzt. Außerdem hat sie sich ihrer Festnahme widersetzt und einen meiner Männer umgebracht, bevor es den anderen gelang, sie zu überwältigen."
"Wenn das so ist, muss sie bestraft werden!", ließ Dukat sich vernehmen.
In Anbetracht der Spannungen zwischen dem Cardassianer und Weyoun rechnete Odo mit Widerspruch von Seiten des Vorta. Doch wider Erwarten blieb Weyoun stumm. Das Schweigen des Vortas konnte nur bedeuten, dass er Dukat ausnahmsweise zustimmte.
"Ich will mit der Frau sprechen!", erklärte der Formwandler.
"Bei allem Respekt", wandte Weyoun ein, "solange ihre Unschuld nicht feststeht, könnte ein solches Verhalten als Parteinahme gewertet werden. Wenn sich nun herausstellt, dass diese Frau eine Verbrecherin ist?"
"Ich schlage vor, dass wir alle einen Blick auf diese Gefangene werfen", sagte Dukat. "Um zu garantieren, dass ihr Gerechtigkeit widerfährt."
Und um nebenbei zu erfahren, was für eine Information sie für Weyoun hat, ergänzte Odo in Gedanken. Der Constable kannte den Cardassianer lange genug kannte, um ihn zu durchschauen. Er war sicher, dass Weyoun sich über die wahren Motive Dukats ebenfalls im klaren war.
"Einverstanden", sagte Odo und kam damit jeglicher Form von Widerspruch Weyouns zuvor.
Der Vorta verneigte sich mit abgewinkelten Armen. "Wie Sie wünschen, Gründer."


***


Charis stand auf, als Odo den Arrestbereich betrat, gefolgt von Weyoun, Dukat und Omet‘iklan. Ihr Blick glitt über die Ankömmlinge, vor denen die beiden Jem‘Hadar-Wachen sich verneigten.
"Sieh an, welch hoher Besuch!" Ihre Mundwinkel zuckten spöttisch. "Ein trauriger Gott, der keiner sein will. Ein Möchtegern-König ohne Krone. Sie befinden sich in interessanter Gesellschaft, Weyoun. Die Zusammenarbeit mit Ihren beiden Freunden dürfte eine echte Herausforderung an Ihre Fähigkeiten als Diplomat und Lügner darstellen!"
"Sie haben um ein Gespräch mit mir gebeten", sagte der Vorta gelassen.
"Gebeten?" Charis lachte. "Ich bitte niemals um etwas! Ich habe nach Ihnen verlangt!"
Noch immer zeigte Weyouns Miene kein Zeichen von Ärger. "Sie sind nicht in der Position, Forderungen zu stellen!"
"Sie meinen", Charis deutete mit dem Kopf auf das schimmernde Energiefeld, das die Zelle vom Arrestbereich trennte, "ich sollte anfangen, mich wie eine Gefangene zu benehmen?" Sie lachte erneut. "Denken Sie wirklich, dieses Kraftfeld könnte mich festhalten? Niemand hält uns, Weyoun! Sie sollten das wissen!"
Bei diesen Worten zerfloss der Körper von Charis, wurde zu einer goldfarbenen Masse, die durch die Ritzen des Lüftungsgitters glitt, um auf der anderen Seite des Kraftfeldes wiederum durch ein Lüftungsgitter zu fließen.
Bevor Weyoun und die anderen sich von ihrer Überraschung erholt hatten, formte die Masse sich bereits wieder zur Gestalt der Kriegerin.
Charis schüttelte ihren rechten Arm leicht. "Ich bin zu lange nicht mehr durch einen Schacht geflossen. Mir scheint, ich bin ein wenig aus der Übung."
"Vergeben Sie uns, Gründerin!" Weyoun verbeugte sich mit abgewinkelten Armen tief und verharrte in dieser Stellung. "Hätten wir geahnt..."
"Geschenkt!" Charis bedeutete dem Vorta mit einer Handbewegung, sich aufzurichten.
"Wir verdienen Ihre Nachsicht nicht, Gründerin!"
"Gründerin", wiederholte Charis gedehnt. "Es ist lange her, dass ich so angesprochen wurde. Faszinierend, nicht wahr, Odo", wandte sie sich an den anderen Formwandler. "Der Name unseres Volkes klingt ungemein friedlich. Dabei sind wir so kriegerisch veranlagt! Nun ja", ein leiser Hauch Verachtung schimmerte in dem Blick, mit dem sie Odo musterte, "zumindest einige von uns!"
Dukat drängte sich vor. "Ich begrüße Sie auf Terok Nor! Ich bin..."
"Gul Dukat", kam Charis ihm zuvor. Diesmal war die Verachtung mehr als ein Hauch. "Als Kommandant sollte die Disziplin Ihrer Truppen Ihnen wichtiger sein, als es offenbar der Fall ist. Ihr Erster Offizier Damar verbringt seine Zeit lieber damit, im Kasino Frauen zu belästigen, anstatt sich mit der Beseitigung des Minenfeldes zu beschäftigen. Im Übrigen lassen seine Kampfkraft und die Ihrer Männer sehr zu wünschen übrig!"
Fassungslos starrte Dukat die Gründerin an. "Sie haben zwei meiner Leute getötet!"
"Sie haben sich in Dinge eingemischt, die sie nichts angingen! So etwas ist immer gefährlich. Besonders, wenn man in schlechter Form ist! Das betrifft auch Ihre Leute, Weyoun! Ihr Erster sollte seine Männer härter trainieren. Für Jem‘Hadar haben die Mitglieder der Patrouille eine äußerst bescheidende Leistung geboten. Von Ausnahmen", Charis berührte ihr Kinn, während ihr Blick zu einer der Wachen wanderte, "einmal abgesehen!"
Charis hatte ihren Satz noch nicht beendet, da war der Jem‘Hadar-Soldat bereits auf die Knie gefallen. "Ich verdiene den Tod!"
"Unsinn! Nennen Sie mir Ihren Namen und Ihren Rang!"
"Neunter Rejet‘iklan."
"Welchen Rang hatte der Mann, den ich getötet habe?"
"Sechster."
"So sei es! Stehen Sie auf, Sechster Rejet‘iklan und erweisen Sie sich als würdig!"
Weyoun und der Erste Omet‘iklan tauschten einen verstohlenen Blick. Eine Gründerin, die gegen Jem‘Hadar kämpfte, die einen Jem‘Hadar dafür, dass er sie niedergeschlagen hatte, um drei Ränge beförderte. Das war mehr als nur ungewöhnlich.
Es widersprach der Ordnung der Dinge.


***


Odo hatte Charis in sein Quartier eingeladen, nachdem sie sein Angebot abgelehnt hatte, sich von ihm die Station zeigen zu lassen. Charis hatte deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie auf Odos Gesellschaft weniger Wert legte als es umgekehrt der Fall war. Trotzdem sehnte der Formwandler sich danach, mit ihr zu reden. Zu erfahren, weshalb sie gekommen war, und einfach nur mit einem Angehörigen seines Volkes zusammen zu sein.
Widerstrebend hatte Charis ihn schließlich begleitet. Nun musterte die Gründerin stumm die Einrichtung. Sie hatte noch kein Wort gesprochen, seit sie das Quartier betreten hatten.
"Gefällt es Ihnen?", fragte Odo.
"So viele verschiedene Formen", Charis strich über einen der Gegenstände. "Nimm die Form einer Sache an und erfahre ihre Existenz. Sie kann sehr überzeugend sein, wenn Sie etwas will!"
"Wer?"
"Die namenlose Gründerin." Charis lächelte. "Sie alle sind ohne Namen. Ohne Individualität. Ohne Identität. Kennen Sie die Borg?"
"Ich habe von Ihnen gehört."
"Ein Volk, bei dem der Einzelne nichts und die Gesamtheit alles ist. Genau wie bei uns!"
"Sie vergleichen die Gründer mit den Borg?"
"Warum nicht?" Charis‘ Lächeln vertiefte sich. "Das Dominion unterwirft andere Völker und gliedert es in seine Hierarchie ein, in seine Ordnung. Worin liegt der Unterschied zur Assimilierung durch die Borg?"
"Sie sind anders als die Gründer, denen ich bisher begegnet bin!"
"Genau wie Sie! Doch falls Sie daraus eine Art von Gemeinsamkeit ableiten wollen, befinden Sie sich im Irrtum! Das Einzige, was Sie und mich verbindet, ist die Tatsache, dass wir beide es vorziehen, als Individuen zu existieren. Wir haben eine eigene Identität. Einen Namen! Aber das ist auch schon alles!"
"Es könnte ein Anfang sein!"
"Für was?" Charis lachte. "Sie mögen anders als die Gründer sein, Odo. Doch was haben Sie gewonnen? Schauen Sie sich an! Sie sind schwach! Sie könnten über diese Station herrschen. Statt dessen lassen Sie Dukat und Weyoun gewähren, wie es den beiden beliebt! Sie wollen, dass das Dominion wieder geht. Doch Sie tun nichts dafür. Sie wollen hier sein - und zugleich wollen Sie ein Teil der großen Verbindung sein. Sie wissen nicht, was Sie wollen, Odo!"
"Im Gegensatz zu Ihnen?"
"Allerdings! Es war meine freie Entscheidung, die große Verbindung zu verlassen. Ich bin keines der Kinder, die man ausgesetzt hat. Ich wuchs in der Verbindung heran. Trotzdem strebte ich nach Individualität. Ich wusste immer, was ich wollte!"
"Die Gründer haben Ihnen erlaubt, einfach zu gehen?"
"Nichts ist einfach, wenn man nur ein Teil des großen Ganzen ist. Natürlich gab es Widerstand. Doch am Ende habe ich mich durchgesetzt. Mein Geist war zu rebellisch, zu stark. Die anderen fürchteten, meine Gedanken und Ideen würden die Einheit innerhalb der Verbindung zerstören, sollte ich zum Bleiben gezwungen werden. Außerdem brauchte das Dominion einige Gründer, die bereit waren, die Verbindung zu verlassen, um auf anderen Welten geheime Informationen zu sammeln. Ich bin sehr viel herumgekommen. Ich war auf Cardassia, auf der Erde, ja sogar eine Weile auf Bajor. Aber am meisten hat mich die klingonische Lebensweise beeindruckt. Die Klingonen sind stolz und glorreich. Sie verstehen es zu kämpfen und zu sterben. Ich wäre gerne auf Qo‘nos geblieben."
"Warum sind Sie dann hier?"
"Ich habe meine Gründe, Odo. Genau wie Sie."


***

Aufmerksam lauschte Charis Dukats Bericht über den Verlauf des Krieges. Ihr Blick hing förmlich an den Lippen des Cardassianers, was diesen veranlasste, seinen ersten Eindruck zu revidieren.
Diese Gründerin erkannte Dukats Verdienste an und würdigte ihn und seine Meinung derart offensichtlich, dass der Gul bereit war, Charis‘ Benehmen im Arrestbereich zu vergessen. Es tat gut, zu sehen, wie Weyoun von Charis auf den Platz verwiesen wurde, der ihm nach Dukats Meinung gebührte. Die Gründerin hatte den Vorta zwar aufgefordert, ebenfalls an dieser Lagebesprechung im Konferenzraum teilzunehmen. Doch kaum, dass Weyoun seinen Mund geöffnet hatte, war ihm von Charis das Wort abgeschnitten worden. Weyouns erstem Einwand zu Dukats Ausführungen war von der Gründerin in einer Weise begegnet worden, die verdeutlicht hatte, dass Charis von Seiten des Vortas keinerlei weitere Kritik an Dukat dulden würde.
Also beschränkte Weyoun sich zur ungeheuren Genugtuung des Cardassianers darauf, mit demütig gesenktem Blick zu schweigen.
"Das Minenfeld wird in weniger als einer Woche beseitigt sein", versicherte Dukat gerade.
"Ausgezeichnet! Das Dominion braucht mehr Männer wie Sie! Nicht wahr, Weyoun?"
"Ja, Gründerin."
"Sie haben großes Glück, einem Mann wie Gul Dukat über die Schulter schauen zu dürfen. Ich bin sicher, dass Sie in den vergangenen Monaten sehr viel von ihm gelernt haben!"
Mit ausdrucksloser Miene bejahte Weyoun.
Charis lächelte Gul Dukat an. "Ich danke Ihnen für diesen ausführlichen und aufschlussreichen Bericht. Ich denke, ich habe Sie lange genug von Ihren Pflichten ferngehalten. Wenn Sie uns jetzt entschuldigen würden?"
"Natürlich", der Cardassianer erwiderte das Lächeln. "Und falls Sie wider Erwarten noch eine Frage haben sollten, zögern Sie nicht, sich an mich zu wenden."
"Ein bewundernswerter Mann!", stellte Charis fest, während die Tür sich hinter Dukat schloss.
"Ja, Gründerin", stimmte Weyoun zu.
Ohne Vorwarnung wirbelte Charis herum und versetzte dem Vorta eine Ohrfeige, die so hart war, dass sie ihn zu Boden schleuderte.
Diese Aktion kam für Weyoun so unvorbereitet, dass er für den Bruchteil einer Sekunde die Kontrolle über seine Gesichtszüge verlor. Unverständnis blitzte in den hellen Augen des Vortas auf. Gepaart mit einem Hauch Vorwurf. Beides verschwand indessen so schnell, wie es gekommen war, als Weyoun den Blick wieder senkte.
"Warum geben Sie mir recht, obwohl Sie genau wissen, dass Dukat ein eitler Dummkopf ist?" fragte Charis.
"Ich verstehe nicht..."
"Nein, offenbar nicht!" Charis musterte den Vorta, der immer noch reglos vor ihr auf dem Boden lag, ohne Anstalten zu machen, sich zu erheben. "Stehen Sie auf!"
Weyoun gehorchte.
Charis trat so dicht an den Vorta heran, dass sie ihn fast berührte. "Warum blicken Sie mich nicht an, wenn ich mit Ihnen rede?"
"Es wäre respektlos. Aber wenn Sie wünschen, dass ich Sie ansehe, dann..."
"Oja, ich weiß! Wenn ich es wünsche, dann stellen Sie sich mitten auf das Promenadendeck und verkünden jedem, der es hören will, dass Gul Dukat ein bewundernswerter Mann ist! Ohne den geringsten Protest! Wie oft muss ich Sie schlagen, Weyoun, um Ihren Widerstandsgeist zu wecken? Einmal? Zweimal? Hundertmal? Vielleicht sollte ich Sie Dukat überlassen! Nur um festzustellen, wie weit Ihr demütiger Gehorsam reicht!"
"Ich bitte um Verzeihung dafür, dass ich Ihr Missfallen erregt habe. Es geschah ohne Absicht."
"Davon bin ich überzeugt!" Charis seufzte leise. "Gehen Sie! Wir werden diese Unterhaltung später fortsetzen. Noch eine Sache", hielt die Gründerin den Vorta an der Tür zurück. "Was haben Sie empfunden, als ich Sie geschlagen habe? Keine Lügen! Ich will die Wahrheit hören! Also!"
Weyoun kämpfte mit sich. "Ich fühlte mich..."
"Ungerecht behandelt?"
Das zögernde Nicken des Vortas entlockte Charis ein Lächeln, das er nicht deuten konnte.
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