Perfekt temperiertes Wasser beregnete in kleinen Strahlen Nyotas dunkle Haut und massierte ihre müden Schultern. Bis Weihnachten waren es nur noch zwei Tage. Sie hatte das Gefühl schon seit Wochen nichts anderes zu tun, als Weihnachtsgrüße von der Enterprise zur Erde zu schicken und Nachrichten zu empfangen, die sie wiederum an die vielen hundert Empfänger auf dem Schiff weiterleitete.
Doktor McCoy hatte seiner Familie als einer der ersten eine Nachricht zukommen lassen und fragte seitdem täglich nach, ob nicht auch etwas für ihn angekommen sei. Nyota hatte das Gefühl, dass der Doktor noch keine Botschaft erhalten hatte, weil Jim Kirk eine besondere Überraschung für seinen langjährigen Freund plante. Sicher hatte sie nicht umsonst seit Beginn ihrer Fünfjahresmission in Zusammenarbeit mit Scotty und Chekov Subraumverstärker wie kleine Bojen aufgestellt.
Bei der großen Entfernung war es immer noch schwer, ein stabiles Videosignal zur Erde herzustellen, aber nicht unbedingt unmöglich. Scotty jedenfalls arbeitete mit Keensers Hilfe wie besessen an einer Verbindung, die nicht nur aufgenommene Botschaften transportieren konnte, sondern einen Livestream.
Sie selbst hatte ihren Eltern eine Videobotschaft aufgenommen, da es das erste Weihnachtsfest war, das sie nicht Zuhause verbringen konnte. Damit war sie selbstverständlich nicht allein. Allerdings schien es manchen Leuten kaum etwas auszumachen, gerade jetzt so weit fort von ihren Familien zu sein.
Ein Beispiel für diese bewundernswerte emotionale Gleichgültigkeit war Jim Kirk. Er hatte die große Entfernung zur Erde zum Anlass genommen, einen der Eisplaneten ausfindig zu machen, mit denen dieser Teil des Universums so reichlich gesegnet war, um der Mannschaft dort die Möglichkeit eines winterlichen Landurlaubs zu gönnen. Zusätzlich hatte er den Führungsstab für Heiligabend zum gemeinsamen Essen eingeladen.
Nyota konnte ihre Vorfreude darauf kaum zügeln, wäre da nicht Spock, der von Weihnachten so gar nichts halten konnte. Als er Kirks Einladung postwendend abgelehnt hatte, konnte sie ihn nur fassungslos anstarren. Das war jetzt kaum vierundzwanzig Stunden her. Seitdem war sie ihm aus dem Weg gegangen. Immerhin war er doch zur Hälfte ein Mensch. Wieso also weigerte er sich, den Abend im Kreis seiner Freunde und allen voran mit ihr zu verbringen?
Sie hatte sich so sehr auf die Möglichkeit gefreut, endlich mal ein Weihnachtsfest mit ihm verbringen zu können. In den Jahren, die sie nun schon ihre Beziehung pflegten - immerhin waren sie inzwischen im vierten Jahr - war Spock stets um Weihnachten herum nicht verfügbar gewesen.
Diesmal, da war Nyota sich so sicher gewesen, würde er keine Ausrede haben. Und er hatte auch keine. Nun ja, bis auf die Logik. Die Logik war stets sein Ass im Ärmel. Und er konnte auch ganz einwandfrei ein gutes Duzend logischer Gründe nennen, weshalb es für ihn keinen Anlass gab Weihnachten zu feiern.
„Ich bin kein Christ“, hatte er ihr gesagt.
„Es ist inzwischen viel mehr ein Fest der Liebe, das man mit den Menschen verbringt, die einem wichtig sind. Und die man sonst vielleicht das ganze Jahr kaum sieht“, war ihre Erwiderung gewesen.
Daraufhin hatte er sie einen langen Augenblick angesehen und gemeint: „Ich sehe die Führungsoffiziere jeden Tag. Es ist unlogisch ...“
Sie hatte es versucht. Sie hatte versucht ihn zu verstehen und all die Jahre war es für sie in Ordnung gewesen, auch wenn er ihr zu Weihnachten besonders gefehlt hatte. Aber dieses Jahr wollte er Weihnachten erneut ausfallen lassen, und Nyota war deshalb ... Ja, was war sie? Gekränkt? Verletzt? Traurig? Ein bisschen was von alle dem, überlegte sie und wusch sich Gedanken verloren das lange schwarze Haar.
***
Als sie das Badezimmer verließ und in den abgedunkelten Wohnraum ihres gemeinsamen Quartiers kam, saß Spock in meditativer Pose vor einer Kerze auf dem Boden. Er kniete ganz reglos da, hielt die Augen geschlossen, was Nyota die Möglichkeit gestattete ihn zu beobachten. Ungewollt seufzte sie, als sie erneut daran dachte, dass er sie nicht zu dem Essen begleiten würde, und plötzlich öffnete er seine Augen und sah sie direkt an.
„Entschuldige“, flüsterte sie sofort schuldbewusst und presste die Lippen aufeinander. Das kleinste Geräusch vermochte es, Spock aus seiner Meditation zu reißen.
„Ich kann mich nicht konzentrieren“, erwiderte er und klang dabei so stoisch wie immer.
„Ich kann ja nochmal gehen, wenn ich dich störe“, schlug sie vor und deutete bereits hinüber zur Tür. Allerdings war sie schon in ihrer Nachtwäsche und hatte ihr nasses Haar in ein Handtuch gewickelt. Sie würde sich erst umziehen müssen und war eigentlich viel zu erschöpft ...
Spock erhob sich und pustete dabei die Kerze aus. „Es ist nicht deine Schuld.“ Er hielt ihren Blick fest und trat schließlich auf sie zu. „Als du im Badezimmer warst, habe ich einen Anruf von meinem Alter Ego bekommen.“
Nyota forschte in Spocks Blick und erkannte in seinen Augen einen Hauch von Irritation. Wären sie nicht schon so lange ein Paar, hätte sie es vielleicht gar nicht wahrgenommen. Aber inzwischen vermochte sie die winzigen Anzeichen von Gefühlsregungen doch zu erkennen. „Es geht ihm doch hoffentlich gut?“, fragte sie daher besorgt. Irgendetwas musste Spock immerhin so sehr durcheinander gebracht haben, dass ihm die nötige Konzentration für seine abendliche Meditation fehlte.
Spock deutete ein Nicken an.
Nyota legte fragend den Kopf schief. „Was ist es dann?“
„Er wünschte mir ein frohes Weihnachtsfest“, erwiderte Spock, diesmal war seine Stimme so schwach, dass sie am Ende des Satzes kippte. Er räusperte sich.
„Der alte Spock feiert Weihnachten?“ Nyota kam nicht umhin, große Augen ob dieser Offenbarung zu bekommen. Ein Gedankenblitz durchzuckte ihren Verstand; sie könnte mit dem alten Spock Weihnachten feiern, wären sie nicht so weit von Neu Vulkan entfernt.
„Nicht direkt“, verneinte Spock und nahm ihre rechte Hand in seine linke, verflocht ihre dunklen Finger mit den eigenen, die so viel heller waren. „Unsere Beziehung ist ihm bekannt, und es scheint, als wolle er sicher stellen, dass ich dieses Fest mit dir zelebriere.“
Ein angenehmer Schauer durchflutete Nyota, als Spock mit dem Daumen zärtlich ihren Handrücken streichelte, während er ihr die rechte Hand an die Wange legte. „Er sagte, er wäre jetzt sehr gerne bei seiner ... Frau.“
Die Erkenntnis, dass Nyota sich bisher nie Gedanken darüber gemacht hatte, was - oder wen - der alte Spock in seiner Zeitlinie hatte zurücklassen müssen, traf sie mit einem Schlag. Ob sie einander auch in der alternativen Zeit geliebt hatten? „Wer ist seine Frau?“, fragte Nyota instinktiv, ohne in Erwägung zu ziehen, dass ihr die Antwort vielleicht gar nicht gefallen würde.
„Eine Frau namens Saavik“, erwiderte Spock sachlich.
Nachdem sie den kleinen Schock überwunden hatte, dass der andere Spock nicht mit der Nyota der alternativen Zeitlinie verheiratet gewesen war, brauchte sie einige Momente, um ihre Sprache wieder zu finden. „Saavik. Das hört sich nach einer Vulkanierin an.“
Spock nickte lediglich andeutungsweise und streichelte ihre Wange.
„Wenn wir nicht ... Ich meine, wenn sie nicht ...“ Sie schluckte und spürte, wie sich ungewollte Tränen in ihren Augen bildeten. Ein kleiner naiver Teil in ihr hatte geglaubt, dass sie für immer zusammen sein würden. Dass sie in jedem möglichen Universum zusammen sein würden. Für immer. „Hat er erwähnt, wen ... Wer mein ...?“ Sie brachte es nicht fertig den Satz zu vollenden.
„Dein Alter Ego ist mit Mr. Scott verheiratet“, beantwortete er ihre unvollendete Frage.
Nyota spürte wie ihre Beine drohten nachzugeben. „Scotty?“ Sie blinzelte verwirrt.
„Ich habe ihm dieselbe Frage gestellt, als ich erfuhr, dass wir in seinem Universum keine romantische Beziehung hatten. Ich war ... neugierig“, gestand er.
Sie konnte nicht verhindern, dass sich eine Träne von ihren Wimpern löste und ihre Wange hinab rann. Spock trocknete sie schlicht mit dem Daumen und legte seine Stirn an ihre.
„Der Gedanke hat auch mich erschreckt, Nyota. Unvorstellbar, dass er ohne deine Liebe leben konnte, und sie bei einer Anderen fand.“
Sie schloss die Augen und verharrte für einen gedehnten Moment. Das war ein vollkommen unerwartetes Geständnis und barg eine Liebeserklärung, wie Nyota sie nie zu vor von Spock gehört hatte. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, ehe sie sich von Spock löste, um ihn wieder anzusehen. Überschattet wurden seine Worte allerdings dennoch von der Möglichkeit, dass ihre Liebe nicht ausreichend war. „Was bedeutet das für uns, Spock? Denkst du, wir haben trotzdem eine Chance?“ Wenn er in der alternativen Zeitlinie eine Vulkanierin zur Frau genommen hatte und sie selbst einen Menschen - Scotty, sie konnte es noch immer kaum glauben! - bedeutete das nun das Aus für sie? War dies ein Hinweis darauf, dass ihre Liebe zum Scheitern verurteilt war?
„Ich denke“, sagte er vollkommen ruhig und sah ihr dabei fest in die Augen, „dass es Zeit wird, mich ganz auf dich einzulassen.“ Nyota schluckte. „Bis zu diesem Anruf war ich tief in meinem Innern immer unsicher. Ich kann mich an die vielen Auseinandersetzungen meiner Eltern erinnern und daran, wie oft meinte Mutter weinte, weil mein Vater sich stets verschloss. Weil er ihre Herkunft und ihre Traditionen ablehnte. Er fand es unlogisch Weihnachten zu feiern, und ich tat dies bislang ebenso. Ich wollte stets nur, dass er stolz auf mich war. Aber durch diesen Anruf habe ich erkannt, dass es sehr viel unlogischer ist, eine menschliche Frau zu lieben und sich dann allem zu verschließen, das sie so menschlich macht, das ein Teil von ihr ist. Und ich möchte nicht, dass du meinetwegen unglücklich bist oder dass du dich innerhalb unserer Beziehung einsam fühlst. Ich möchte dich genauso glücklich machen, wie du mich glücklich machst.“
Nyota schluckte und versuchte das Gehörte zu verarbeiten. Sie spürte ganz deutlich, dass dies ein entscheidender Moment in ihrer Beziehung war. Dass alles, was jetzt folgte, ein Resultat dieses Gesprächs sein würde. „Ich mache dich ... glücklich?“, fragte sie dann beinahe ungläubig.
Wo ein Mensch gelächelt hätte, glitzerte es lediglich in Spocks Augen als er erneut seine Stirn an ihre legte. So viel körperliche Nähe war für ihn höchst ungewöhnlich, aber Nyota genoss sie viel zu sehr, als dass sie es wagte ihn darauf anzusprechen. „Das tust du“, erwiderte er schlicht und küsste sie – flüchtig, aber deswegen nicht weniger zärtlich. „Und mir ist bewusst, dass ich dich nicht im gleichen Maße glücklich mache.“ Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber Spock ließ sie nicht zu Wort kommen. „Es muss manchmal schwer für dich sein. Das tut mir leid. Auch wenn ich es dir oft nicht so zeige, wie du es zweifellos verdienst. Es gibt in meinem Leben niemanden, der mir so wichtig ist wie du. Und ich weiß, dass dir viel an Weihnachten liegt. Daher werde ich dich zu dem gemeinsamen Essen begleiten. Ich denke, dass auch meiner Mutter gefallen hätte, dass ich dieses Fest nicht gänzlich aus meinem Leben ausschließe.“
„Das hätte es ganz bestimmt“, stimmte Nyota ihm zu, als sie endlich wieder zu Wort kam. „Das hätte ihr sogar sehr gefallen. Und mir bedeutet es sehr viel, dass du für mich über deinen Schatten springst, Spock.“
„Ich hoffe nur“, sagte er dann und fixierte einen Punkt an der Wand hinter Nyota, „dass mich niemand dazu nötigen wird Weihnachtslieder zu singen.“
Nyota konnte nicht anders als darüber zu lachen. „Das kann ich dir nicht versprechen ...“ Spock hob daraufhin eine Augenbraue, und sie wusste, dass er in diesem Moment einigermaßen um Fassung ringen musste. Nicht etwa, weil er ebenso amüsiert war wie sie, sondern weil ihm der Gedanke tatsächlich ein Graus war. Als sie ihn jedoch küsste, entspannte er sich zunehmend. Sie würde ihn verteidigen, wenn es sein musste. Immerhin war er bereit mit ihr zu der Feier zu gehen, da wollte sie ihr Glück nicht überstrapazieren.
In ein paar Jahren, überlegte sie, während sie Spock zu seinem Meditationsplatz zurück führte und die Kerze wieder anzündete, war er vielleicht soweit, dass er die Weihnachtslieder zumindest mit seiner vulkanischen Laute begleiten würde. Ein Schritt nach dem anderen ... Sie hatten schließlich noch sehr viel Zeit.
Doktor McCoy hatte seiner Familie als einer der ersten eine Nachricht zukommen lassen und fragte seitdem täglich nach, ob nicht auch etwas für ihn angekommen sei. Nyota hatte das Gefühl, dass der Doktor noch keine Botschaft erhalten hatte, weil Jim Kirk eine besondere Überraschung für seinen langjährigen Freund plante. Sicher hatte sie nicht umsonst seit Beginn ihrer Fünfjahresmission in Zusammenarbeit mit Scotty und Chekov Subraumverstärker wie kleine Bojen aufgestellt.
Bei der großen Entfernung war es immer noch schwer, ein stabiles Videosignal zur Erde herzustellen, aber nicht unbedingt unmöglich. Scotty jedenfalls arbeitete mit Keensers Hilfe wie besessen an einer Verbindung, die nicht nur aufgenommene Botschaften transportieren konnte, sondern einen Livestream.
Sie selbst hatte ihren Eltern eine Videobotschaft aufgenommen, da es das erste Weihnachtsfest war, das sie nicht Zuhause verbringen konnte. Damit war sie selbstverständlich nicht allein. Allerdings schien es manchen Leuten kaum etwas auszumachen, gerade jetzt so weit fort von ihren Familien zu sein.
Ein Beispiel für diese bewundernswerte emotionale Gleichgültigkeit war Jim Kirk. Er hatte die große Entfernung zur Erde zum Anlass genommen, einen der Eisplaneten ausfindig zu machen, mit denen dieser Teil des Universums so reichlich gesegnet war, um der Mannschaft dort die Möglichkeit eines winterlichen Landurlaubs zu gönnen. Zusätzlich hatte er den Führungsstab für Heiligabend zum gemeinsamen Essen eingeladen.
Nyota konnte ihre Vorfreude darauf kaum zügeln, wäre da nicht Spock, der von Weihnachten so gar nichts halten konnte. Als er Kirks Einladung postwendend abgelehnt hatte, konnte sie ihn nur fassungslos anstarren. Das war jetzt kaum vierundzwanzig Stunden her. Seitdem war sie ihm aus dem Weg gegangen. Immerhin war er doch zur Hälfte ein Mensch. Wieso also weigerte er sich, den Abend im Kreis seiner Freunde und allen voran mit ihr zu verbringen?
Sie hatte sich so sehr auf die Möglichkeit gefreut, endlich mal ein Weihnachtsfest mit ihm verbringen zu können. In den Jahren, die sie nun schon ihre Beziehung pflegten - immerhin waren sie inzwischen im vierten Jahr - war Spock stets um Weihnachten herum nicht verfügbar gewesen.
Diesmal, da war Nyota sich so sicher gewesen, würde er keine Ausrede haben. Und er hatte auch keine. Nun ja, bis auf die Logik. Die Logik war stets sein Ass im Ärmel. Und er konnte auch ganz einwandfrei ein gutes Duzend logischer Gründe nennen, weshalb es für ihn keinen Anlass gab Weihnachten zu feiern.
„Ich bin kein Christ“, hatte er ihr gesagt.
„Es ist inzwischen viel mehr ein Fest der Liebe, das man mit den Menschen verbringt, die einem wichtig sind. Und die man sonst vielleicht das ganze Jahr kaum sieht“, war ihre Erwiderung gewesen.
Daraufhin hatte er sie einen langen Augenblick angesehen und gemeint: „Ich sehe die Führungsoffiziere jeden Tag. Es ist unlogisch ...“
Sie hatte es versucht. Sie hatte versucht ihn zu verstehen und all die Jahre war es für sie in Ordnung gewesen, auch wenn er ihr zu Weihnachten besonders gefehlt hatte. Aber dieses Jahr wollte er Weihnachten erneut ausfallen lassen, und Nyota war deshalb ... Ja, was war sie? Gekränkt? Verletzt? Traurig? Ein bisschen was von alle dem, überlegte sie und wusch sich Gedanken verloren das lange schwarze Haar.
***
Als sie das Badezimmer verließ und in den abgedunkelten Wohnraum ihres gemeinsamen Quartiers kam, saß Spock in meditativer Pose vor einer Kerze auf dem Boden. Er kniete ganz reglos da, hielt die Augen geschlossen, was Nyota die Möglichkeit gestattete ihn zu beobachten. Ungewollt seufzte sie, als sie erneut daran dachte, dass er sie nicht zu dem Essen begleiten würde, und plötzlich öffnete er seine Augen und sah sie direkt an.
„Entschuldige“, flüsterte sie sofort schuldbewusst und presste die Lippen aufeinander. Das kleinste Geräusch vermochte es, Spock aus seiner Meditation zu reißen.
„Ich kann mich nicht konzentrieren“, erwiderte er und klang dabei so stoisch wie immer.
„Ich kann ja nochmal gehen, wenn ich dich störe“, schlug sie vor und deutete bereits hinüber zur Tür. Allerdings war sie schon in ihrer Nachtwäsche und hatte ihr nasses Haar in ein Handtuch gewickelt. Sie würde sich erst umziehen müssen und war eigentlich viel zu erschöpft ...
Spock erhob sich und pustete dabei die Kerze aus. „Es ist nicht deine Schuld.“ Er hielt ihren Blick fest und trat schließlich auf sie zu. „Als du im Badezimmer warst, habe ich einen Anruf von meinem Alter Ego bekommen.“
Nyota forschte in Spocks Blick und erkannte in seinen Augen einen Hauch von Irritation. Wären sie nicht schon so lange ein Paar, hätte sie es vielleicht gar nicht wahrgenommen. Aber inzwischen vermochte sie die winzigen Anzeichen von Gefühlsregungen doch zu erkennen. „Es geht ihm doch hoffentlich gut?“, fragte sie daher besorgt. Irgendetwas musste Spock immerhin so sehr durcheinander gebracht haben, dass ihm die nötige Konzentration für seine abendliche Meditation fehlte.
Spock deutete ein Nicken an.
Nyota legte fragend den Kopf schief. „Was ist es dann?“
„Er wünschte mir ein frohes Weihnachtsfest“, erwiderte Spock, diesmal war seine Stimme so schwach, dass sie am Ende des Satzes kippte. Er räusperte sich.
„Der alte Spock feiert Weihnachten?“ Nyota kam nicht umhin, große Augen ob dieser Offenbarung zu bekommen. Ein Gedankenblitz durchzuckte ihren Verstand; sie könnte mit dem alten Spock Weihnachten feiern, wären sie nicht so weit von Neu Vulkan entfernt.
„Nicht direkt“, verneinte Spock und nahm ihre rechte Hand in seine linke, verflocht ihre dunklen Finger mit den eigenen, die so viel heller waren. „Unsere Beziehung ist ihm bekannt, und es scheint, als wolle er sicher stellen, dass ich dieses Fest mit dir zelebriere.“
Ein angenehmer Schauer durchflutete Nyota, als Spock mit dem Daumen zärtlich ihren Handrücken streichelte, während er ihr die rechte Hand an die Wange legte. „Er sagte, er wäre jetzt sehr gerne bei seiner ... Frau.“
Die Erkenntnis, dass Nyota sich bisher nie Gedanken darüber gemacht hatte, was - oder wen - der alte Spock in seiner Zeitlinie hatte zurücklassen müssen, traf sie mit einem Schlag. Ob sie einander auch in der alternativen Zeit geliebt hatten? „Wer ist seine Frau?“, fragte Nyota instinktiv, ohne in Erwägung zu ziehen, dass ihr die Antwort vielleicht gar nicht gefallen würde.
„Eine Frau namens Saavik“, erwiderte Spock sachlich.
Nachdem sie den kleinen Schock überwunden hatte, dass der andere Spock nicht mit der Nyota der alternativen Zeitlinie verheiratet gewesen war, brauchte sie einige Momente, um ihre Sprache wieder zu finden. „Saavik. Das hört sich nach einer Vulkanierin an.“
Spock nickte lediglich andeutungsweise und streichelte ihre Wange.
„Wenn wir nicht ... Ich meine, wenn sie nicht ...“ Sie schluckte und spürte, wie sich ungewollte Tränen in ihren Augen bildeten. Ein kleiner naiver Teil in ihr hatte geglaubt, dass sie für immer zusammen sein würden. Dass sie in jedem möglichen Universum zusammen sein würden. Für immer. „Hat er erwähnt, wen ... Wer mein ...?“ Sie brachte es nicht fertig den Satz zu vollenden.
„Dein Alter Ego ist mit Mr. Scott verheiratet“, beantwortete er ihre unvollendete Frage.
Nyota spürte wie ihre Beine drohten nachzugeben. „Scotty?“ Sie blinzelte verwirrt.
„Ich habe ihm dieselbe Frage gestellt, als ich erfuhr, dass wir in seinem Universum keine romantische Beziehung hatten. Ich war ... neugierig“, gestand er.
Sie konnte nicht verhindern, dass sich eine Träne von ihren Wimpern löste und ihre Wange hinab rann. Spock trocknete sie schlicht mit dem Daumen und legte seine Stirn an ihre.
„Der Gedanke hat auch mich erschreckt, Nyota. Unvorstellbar, dass er ohne deine Liebe leben konnte, und sie bei einer Anderen fand.“
Sie schloss die Augen und verharrte für einen gedehnten Moment. Das war ein vollkommen unerwartetes Geständnis und barg eine Liebeserklärung, wie Nyota sie nie zu vor von Spock gehört hatte. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, ehe sie sich von Spock löste, um ihn wieder anzusehen. Überschattet wurden seine Worte allerdings dennoch von der Möglichkeit, dass ihre Liebe nicht ausreichend war. „Was bedeutet das für uns, Spock? Denkst du, wir haben trotzdem eine Chance?“ Wenn er in der alternativen Zeitlinie eine Vulkanierin zur Frau genommen hatte und sie selbst einen Menschen - Scotty, sie konnte es noch immer kaum glauben! - bedeutete das nun das Aus für sie? War dies ein Hinweis darauf, dass ihre Liebe zum Scheitern verurteilt war?
„Ich denke“, sagte er vollkommen ruhig und sah ihr dabei fest in die Augen, „dass es Zeit wird, mich ganz auf dich einzulassen.“ Nyota schluckte. „Bis zu diesem Anruf war ich tief in meinem Innern immer unsicher. Ich kann mich an die vielen Auseinandersetzungen meiner Eltern erinnern und daran, wie oft meinte Mutter weinte, weil mein Vater sich stets verschloss. Weil er ihre Herkunft und ihre Traditionen ablehnte. Er fand es unlogisch Weihnachten zu feiern, und ich tat dies bislang ebenso. Ich wollte stets nur, dass er stolz auf mich war. Aber durch diesen Anruf habe ich erkannt, dass es sehr viel unlogischer ist, eine menschliche Frau zu lieben und sich dann allem zu verschließen, das sie so menschlich macht, das ein Teil von ihr ist. Und ich möchte nicht, dass du meinetwegen unglücklich bist oder dass du dich innerhalb unserer Beziehung einsam fühlst. Ich möchte dich genauso glücklich machen, wie du mich glücklich machst.“
Nyota schluckte und versuchte das Gehörte zu verarbeiten. Sie spürte ganz deutlich, dass dies ein entscheidender Moment in ihrer Beziehung war. Dass alles, was jetzt folgte, ein Resultat dieses Gesprächs sein würde. „Ich mache dich ... glücklich?“, fragte sie dann beinahe ungläubig.
Wo ein Mensch gelächelt hätte, glitzerte es lediglich in Spocks Augen als er erneut seine Stirn an ihre legte. So viel körperliche Nähe war für ihn höchst ungewöhnlich, aber Nyota genoss sie viel zu sehr, als dass sie es wagte ihn darauf anzusprechen. „Das tust du“, erwiderte er schlicht und küsste sie – flüchtig, aber deswegen nicht weniger zärtlich. „Und mir ist bewusst, dass ich dich nicht im gleichen Maße glücklich mache.“ Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber Spock ließ sie nicht zu Wort kommen. „Es muss manchmal schwer für dich sein. Das tut mir leid. Auch wenn ich es dir oft nicht so zeige, wie du es zweifellos verdienst. Es gibt in meinem Leben niemanden, der mir so wichtig ist wie du. Und ich weiß, dass dir viel an Weihnachten liegt. Daher werde ich dich zu dem gemeinsamen Essen begleiten. Ich denke, dass auch meiner Mutter gefallen hätte, dass ich dieses Fest nicht gänzlich aus meinem Leben ausschließe.“
„Das hätte es ganz bestimmt“, stimmte Nyota ihm zu, als sie endlich wieder zu Wort kam. „Das hätte ihr sogar sehr gefallen. Und mir bedeutet es sehr viel, dass du für mich über deinen Schatten springst, Spock.“
„Ich hoffe nur“, sagte er dann und fixierte einen Punkt an der Wand hinter Nyota, „dass mich niemand dazu nötigen wird Weihnachtslieder zu singen.“
Nyota konnte nicht anders als darüber zu lachen. „Das kann ich dir nicht versprechen ...“ Spock hob daraufhin eine Augenbraue, und sie wusste, dass er in diesem Moment einigermaßen um Fassung ringen musste. Nicht etwa, weil er ebenso amüsiert war wie sie, sondern weil ihm der Gedanke tatsächlich ein Graus war. Als sie ihn jedoch küsste, entspannte er sich zunehmend. Sie würde ihn verteidigen, wenn es sein musste. Immerhin war er bereit mit ihr zu der Feier zu gehen, da wollte sie ihr Glück nicht überstrapazieren.
In ein paar Jahren, überlegte sie, während sie Spock zu seinem Meditationsplatz zurück führte und die Kerze wieder anzündete, war er vielleicht soweit, dass er die Weihnachtslieder zumindest mit seiner vulkanischen Laute begleiten würde. Ein Schritt nach dem anderen ... Sie hatten schließlich noch sehr viel Zeit.
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