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Perfektion

von Froody

Kapitel 1

U.S.S. Enterprise, Sternzeit 2258,24 Heiligabend:
Jim Kirk stand in seinem Quartier vor seinem Spiegel und versuchte bereits seit einer halben Stunde einen autoritären Seitenscheitel in seine Haare zu kämmen. Er trug eine schwarze Anzughose und ein halb zugeknöpftes weißes Hemd, dessen Kragen hochgeschlagen war. Er hatte sämtliche Zivilkleidung, die er mit an Bord genommen hatte, aus seinem Schrank räumen müssen, um den einzigen Anzug zu finden, den er besaß. Infolgedessen sah sein Quartier jetzt noch schlimmer aus, als ohnehin schon. Das störte den Captain allerdings wenig, schließlich hatte er ja selber bestimmt, dass auf der Weihnachtsfeier in der Mannschaftsmesse niemand in Uniform aufkreuzen sollte. Jim fand, dass die Sternenflotte mit all ihren Vorschriften an einem Abend wie diesem nichts verloren hatte und, weil die Enterprise schon zu weit entfernt von der Erde war, wollte er wenigstens dafür sorgen, dass sich seine Crew durch das Ablegen ihrer Arbeitskleidung ein wenig heimischer und entspannter fühlte.
Jim war sich bewusst, dass viele der Personen unter seiner Verantwortung Familie hatten und das erste Mal ohne diese Weihnachten feiern mussten. Er wusste auch, dass er ihnen nicht das selbe Gefühl von Verbundenheit geben konnte, wie es Eltern, Ehepartner oder Kinder taten.
Jims eigene Mutter hatte nie sonderlich viel Zeit für ihn und seinen Bruder Sam gehabt, auch über die Feiertage musste sie meistens arbeiten, um ihren Kindern ein komfortables Leben zu bieten. Daher hatte Jim fast jedes Weihnachten seiner Kindheit auf der Farm seinen misanthropischen Onkels verbracht. Eine Erinnerung an Zeiten, die er nicht sonderlich vermisste.
Später hatte er, während der Feiertage, in irgendeiner Kneipe gesessen, hatte dort irgendein Mädchen aufgegabelt und sich mit ihr dann irgendwo vergnügt. Auf der Akademie hatte er Weihnachten eigentlich immer vollkommen ignoriert und heute schließlich, war es das erste Mal, dass er es als Captain auf einem Raumschiff feierte. Ein seltsames Gefühl.
Entnervt, ließ er von seinen Haaren ab. Die hatten noch nie das gemacht, was er wollte, also würde er es jetzt auch nicht schaffen. Er wollte gerade beschließen, dass er jetzt bereit für die Feier war, als sein Blick auf den Kragen seines Spiegelbildes fiel. Ach ja, da war ja noch was, ging es ihm durch den Kopf.
Sein Blick glitt suchend über den Kleiderhaufen auf seinem Bett, bis er an einer weißen Fliege festhing. Das Ding musste er jetzt noch irgendwie um seinen Hals knoten.

„Liebe Jocelyn, liebe Joanna, ich wünsche euch frohe Weihnachten. Auch, wenn ich nicht bei euch sein kann und vielleicht auch gar nicht erwünscht bin. Ich… Nein! Computer, löschen!
Liebe Familie, in euren Augen gehöre ich vielleicht nicht mehr zu euch, aber ich bin nun mal dein Vater, Joanna, und deshalb wünsche ich euch ein frohes Fest, ob es euch passt oder… Das ist doch Schwachsinn! Computer, löschen!
Hallo ihr zwei, ich hoffe ihr habt es gut. Ich habe lange nichts mehr von euch gehört, doch ich vermute, das ist ein gutes Zeichen. Ich wünsche euch ein schönes Weihnachtsfest und hoffe, dass ihr ein wenig an mich denkt, obwohl ich das höchstwahrscheinlich gar nicht verdient habe…“
Bones seufzte tief. Was machte er sich eigentlich vor? Seine Exfrau und seine Tochter hatten heute sicherlich besseres zu tun, als eine vor Selbstmitleid triefende Nachricht von ihm anzusehen. Seine letzte Begegnung mit Jocelyn war nicht gerade harmonisch ausgegangen und er wollte auch nicht in alten Wunden herumstochern. Sein Blick wanderte zu der Flasche Brandy, die in seinem Regal stand.
„Computer, löschen!“
Bones erhob sich langsam aus seinem Schreibtischstuhl, ergriff die Flasche und schenkte sich ein Glas ein. Seit er sich von seiner Frau getrennt hatte, hatte Weihnachten für ihn an Bedeutung verloren. Für ihn waren die Feiertage nichts weiter als Tage, die ihn ein bisschen mehr an seine Einsamkeit erinnerten, als gewöhnliche Tage. Er nahm einen großen Schluck Brandy und spürte das bekannte Kribbeln in seiner Kehle. Würde Jim ihn nicht zwingen auf diese idiotische Weihnachtsfeier zu gehen, hätte er sich womöglich das Glas gespart und die komplette Flasche an diesem Abend geleert, aber er wollte nicht schon zu Beginn der Feier durch Trunkenheit auffallen.
Sein Blick fiel auf einen Spiegel an der Wand. Von dort aus starrte ein äußerst übellaunig dreinblickender Mann zurück, in dessen Stirn sich schon erste Falten gegraben hatten. Ein Mann in einem schlecht sitzenden Uraltanzug, der dringend gebügelt werden musste. McCoy starrte ebenso grimmig zurück.
„Was willst du?“, fragte er sein Spiegelbild, das provozierend sein Kinn gehoben hatte. „Kann ein Mann nicht einmal in Ruhe seinen Drink genießen?“
Nachdem er diese Frage ausgesprochen hatte, kam Bones sich sofort albern vor. Jetzt fing er schon an mit sich selbst zu reden. Mein Gott, Mann! Was für eine erbärmliche Figur er doch abgab. Sein Spiegelbild kniff feindselig die Augen zusammen. Er wollte schon zu einer weiteren Beschimpfung ansetzten, als das Kommsignal ertönte.
„Meine Güte, was ist denn jetzt schon wieder!“, stöhnte der Arzt stattdessen, war aber eigentlich ganz froh, dass er dadurch abgelenkt wurde.
„McCoy hier, was los?“
„Boooones, ich brauche deine Hilfe“, jammerte ihm Jims Stimme entgegen.

Zügig eilte Spock durch den Korridor. Er war einer der wenigen Crewmitglieder gewesen, die heute tatsächlich ihre volle Schicht gearbeitet hatten. Die Weihnachtsfeier begann in vierzehn Minuten und er musste sich noch angemessen kleiden.
Der Vulkanier betrachtete die Festlichkeiten eher als Verpflichtung. Er musste daran teilnehmen, da er zum Offiziersstab gehörte und dies von ihm erwartet wurde. Außerdem tat er es Nyota zu liebe. Sie freute sich schon seit Wochen auf diesen Abend und sprach von nichts anderem mehr.
Schließlich betrat er sein Quartier. Es war leer. Halb hatte er gehofft, sie hier anzutreffen, aber er wusste ja, dass sie eine Überraschung geplant hatte und aus diesem Grund höchstwahrscheinlich schon in der Mannschaftsmesse war. Nyota hatte versucht, es vor ihm zu verbergen, doch dem Vulkanier war schon seit längerem aufgefallen, dass sie etwas vor ihm verheimlichte.
Spock trat an sein Bett heran. Er hatte bereits heute Morgen raus gelegt, was er zur Feier anzuziehen gedachte. Rasch entledigte er sich seiner Uniform und zog eine schlichte schwarze Stoffhose, sowie ein schwarzes Hemd mit goldenem Muster an den Ärmeln an. Er hatte sich bewusst für Kleidung im vulkanischem Stil entschieden, um auszudrücken, dass er sich beiden Kulturen zugehörig fühlte.
Sein Blick wanderte zu seinem Nachtisch. Dort stand ein Bild seiner Mutter, welches ihn fröhlich anlächelte. Sie hatte früher zu Weihnachten immer das ganze Haus entsprechend dekoriert. Ihr Haus war vermutlich das einzige Gebäude auf Vulkan, in dem man einen Weihnachtsbaum finden konnte. Heute amüsierte Spock dieser Gedanke, doch damals hatte er das Treiben seiner Mutter eher skeptisch und verständnislos betrachtet. Sein Vater hatte ihm erklärt, dass er es akzeptieren müsse, auch wenn es ihm unlogisch erschien. Mittlerweile wusste er, dass Sarek aus Liebe zu seiner Frau so nachsichtig gewesen war.
Jetzt war sie nicht mehr da und das versetzte Spocks Magengegend einen unangenehmen Stich. Und, als er so schweigend das Bild seiner Mutter betrachtete, fasste er für sich selbst einen Entschluss. Er würde Weihnachten nicht nur begehen, weil es seine Verpflichtung war, oder weil er Nyota einen Gefallen tun wollte, sondern weil er das Gefühl hatte, Amanda auf diese Weise näher zu sein. Sofort fühlte er sich besser.
Mit einem kurzen Blick in den Spiegel überprüfte er, ob seine äußere Erscheinung korrekt war, dann wandte er sich zum gehen. Er wollte gerade sein Quartier wieder verlassen, als sein Blick auf den Schreibtisch fiel. Da lag etwas, das er nicht selbst dort deponiert hatte. Er trat an seinen Schreibtisch heran und betrachtete es genauer. Daneben lag eine kurze Notiz von Nyota.
Spocks Mundwinkel zuckten, während er sie las. Dann nahm er Nyotas Geschenk in die Hand und machte sich auf den Weg zum Quartier des Captains.

Als Bones durch die Tür kam, hatte Jim es schon fast geschafft sich mit seiner Fliege selbst zu erwürgen. Sein Gesicht war vor Anstrengung rot angelaufen und er versuchte verzweifelt den Knoten wieder zu lösen, der ihm die Luft abschnürte. Er gab ein so hilflos-komisches Bild ab, dass der Arzt gar nicht anders konnte als laut loszulachen.
„Hey Jim“, prustete er, „Du bist echt atemberaubend!“
„Sehr witzig!“, krächzte Jim ärgerlich zurück. „Würdest du mir BITTE helfen?“
„Keine Panik, der Arzt waltet sofort seines Amtes.“
Immer noch vor sich hin grinsend, begann Bones damit Jims äußerst abenteuerlichen Knoten zu lösen.
„Wie zur Hölle hast du das hingekriegt?“
„Frag lieber nicht.“
Es dauerte eine Weile, doch schließlich hielt Bones triumphierend die Fliege in seinen Händen.
„Soll ich sie dir vernünftig binden?“, fragte er versöhnlich.
Er erntete ein dankbares Nicken. Bones lächelte schief und legte Jim erneut die Fliege um den Hals.
„Und hast du eine feurige Rede an die Crew vorbereitet?“, fragte Bones, während er begann die Fliege in korrekter Art und Weise zu binden.
Jim zog eine Grimasse. „Sehe ich so aus? Was soll ich der Crew denn sagen? Tut mir Leid, dass ihr alle hier draußen festhängt und eure Familien ohne euch auskommen müssen?“
„Du vergisst, dass alle freiwillig an der Fünf-Jahres-Mission teilnehmen.“
„Ja, aber…“, Jim unterbrach sich selbst und schnupperte demonstrativ in die Luft. „Sag mal hast du getrunken?“
McCoy senkte den Blick. „Ein Glas Brandy… Ich wollte eigentlich noch eine Nachricht an Jocelyn und Joanna schicken, aber…“
„Du hast ihnen noch keine Weihnachtsgrüße geschickt?!“
„Ist halt nicht so einfach“, nuschelte Bones.
Die blauen Augen des Captains schienen ihn auf einmal zu durchbohren. „Aber du musst ihnen unbedingt noch eine Nachricht schicken!“
„Ja, mach ich doch, sobald mir eingefallen ist, was ich sagen soll. Ich bin Arzt und kein Poet!“
Energisch zupfte Bones Jims Fliege zurecht, bis er mit dem Endergebnis zufrieden war.
„So, jetzt siehst du einigermaßen vernünftig aus“, sagte er ein wenig zerknirscht.
„Danke, Bones, du hast mich wirklich gerettet“, antwortete Jim grinsend.
„Wir jetzt wirklich sollten losgehen, Jim, oder willst du auf deiner eigenen Weihnachtsfeier zu spät kommen?“

Spock erreichte das Quartier des Captains gerade rechtzeitig, denn dieser betrat soeben, gemeinsam mit dem Doktor, den Korridor.
„Captain“, sagte der Vulkanier halblaut, um auf sich aufmerksam zu machen.
Beide drehten sich zu ihm um.
„Spock!“, rief Jim schelmisch grinsend. „Wo haben Sie Ihre Freundin gelassen?“
Spock schloss zu den beiden auf und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Mannschaftsmesse. Der Erste Offizier überging Jims Frage und reichte ihm stattdessen Nyotas Geschenk. Es war eine Weihnachtsmütze.
„Lieutenant Uhura, hatte dies in meinem Quartier deponiert, mit der Bitte, es Ihnen auszuhändigen und darauf zu achten, dass Sie sie auch aufsetzen.“
Jim starrte den Vulkanier ungläubig an, dann machte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit.
„Na gut, aber ich mache das nur, weil ihr so viel daran liegt und ich schönen Frauen nichts ausschlagen kann.“
„Spock, ich wusste gar nicht, dass Sie so unter ihrer Fuchtel stehen“, warf McCoy süffisant ein.
Spock hob lediglich eine Augenbraue zur Antwort.
Mittlerweile waren sie in den Turbolift getreten und Jim zog sich die Mütze über den Kopf, nachdem er angegeben hatte, auf welches Deck sie wollten.
„Und? Wie sehe ich aus?“, fragte er in die Runde.
„Akzeptabel“, sagte Spock.
„Affig“, entgegnete Bones.
Jim grinste. „Irgendwas dazwischen, schätze ich.“
Der Turbolift machte Halt und alle drei traten hinaus. Mittlerweile war Jim schon ein wenig nervös geworden, doch er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen. Schließlich war er der Captain und der Held jeder Party! Naja, zumindest Captain.
Die Mannschaftsmesse lag direkt zu ihrer linken. Jim warf seinen beiden Freunden einen letzten Blick zu, dann trat er an die Tür heran, die daraufhin sofort zur Seite glitt. Jim hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit dem Anblick, der sich ihm bot. Die Messe war geschmückt mit roten Schleifen und Lichterketten. In der Ecke stand ein beachtlicher Weihnachtsbaum und sämtliche Crewmitglieder hatten sich bereits versammelt und sahen ihn in freudiger Erwartung an. Der Captain war sprachlos.
An der gegenüberliegenden Wand war eine kleine Bühne aufgebaut worden, auf der einige Crewmen mit Musikinstrumenten saßen. Davor stand, in all ihrer Schönheit, Uhura. Sie trug ein langes grünes Paillettenkleid, das ihr an den Beinen herunterfloss wie Wasser. Sie warf ihnen ein umwerfendes Lächeln zu und lud sie mit einer Geste ein, auf die Bühne zu kommen.
Jim drehte sich zu Spock um. „Hast du davon gewusst?“
Der Vuklanier schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich hatte es vermutet.“
Der Captain strahlte ihn an. „Sie ist unglaublich!“
„In der Tat“, antwortete der Vulkanier und deutete ein Lächeln an. „Sie sollten ihr Folge leisten und auf die Bühne gehen, Jim.“
Der Captain zögerte nur für einen Augenblick, dann durchquerte er den Raum und stieg die kleine Treppe zu Uhura hoch. Lächelnd wurde er empfangen.
„Du bist unglaublich!“, wiederholte Jim seine Worte. „Hast du das alles organisiert?“
Sie nickte. „Ja, aber ohne die Hilfe der Crew hätte ich das nie geschafft.“
Jim wurde warm ums Herz, als er sich den Frauen und Männern zuwandte, mit denen er mittlerweile schon so viel erlebt hatte.
„Ich weiß gar nicht was ich Ihnen sagen soll, um meinen Dank auszudrücken“, sagte er wahrheitsgemäß. „Aber ich weiß genau, dass ich die beste Crew in der ganzen Flotte vor mir stehen habe und auch, wenn ich vielleicht nicht perfekt, vielleicht nicht mal ein sonderlich guter Captain bin, habe ich mehr, als ich mir jemals erträumt hätte. Ich habe eine Familie gefunden. Vielen Dank dafür und jetzt… lasst uns feiern!“
Nach seinem letzten Satz brach tosender Applaus, begleitet von Jubelrufen, aus. Und auf einmal fühlte Jim sich vollkommen. All seine Befürchtungen waren wie weggewischt. Hinter ihm begann das kleine Orchester „Let it Snow“ zu spielen und zu seiner Überraschung stieg Nyota mit ein und sang mit einer glockenklaren Engelsstimme den Text dazu.
Diskret stieg Jim wieder von der Bühne und mischte sich unter seine Crew.

Die Feier ging bis tief in die Nacht, nach Standartbordzeit und niemand der Teilnehmer würde jemals die Wärme und Verbundenheit, die über allem lag, vergessen.

„Liebe Jocelyn, liebe Joanna, ich hoffe ihr hattet einen ebenso schönen Heiligabend, wie ich ihn erleben durfte. Ich möchte euch sagen, dass ich euch tatsächlich vermisse und zwar nicht nur dich, Joanna. Ihr seid meine Familie und ich möchte, dass ihr wisst, dass ich euch lieb habe. Ich weiß, dass es nie mehr so sein wird, wie früher und das ist vielleicht auch gut so. Ich möchte, dass ihr wisst, dass es mir gut geht und ich… glücklich bin. Naja, ihr wisst ich bin kein Mann großer Worte, deswegen werde ich mich jetzt verabschieden. Macht’s gut ihr Beiden…“
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