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Lasset die Spiele beginnen

von Nerys

Kapitel 1

Lasset die Spiele beginnen


Das Lager tötet. Manchmal den Körper, aber fast immer das pagh. Was bleibt, ist eine Hülle ohne Hoffnung. Es ist zwei Jahre her, dass mein Bruder sterben musste, weil er Hunger hatte. Ich konnte ihn nicht retten, obwohl es meine Aufgabe gewesen wäre. Pohl war erst acht Jahre alt, als er in meinen Armen zu den Propheten ging. Ich war zehn, doch in diesem Moment hörte ich auf ein Kind zu sein. Meinen zweiten Bruder werde ich beschützen, auch wenn es mich das Leben kostet. Unser Vater schuftet Tag für Tag in der Nahrungsmittelverarbeitung, aber was er dafür erhält, reicht nicht, um sich und zwei Heranwachsende zu versorgen. Wir müssen uns selbst darum kümmern, dass unsere Mägen gefüllt werden. Die Jugendlichen tragen Wettkämpfe um Lebensmittel aus. Ein Stück Brot, eine Hand voll Katterpod. Selbst das wenige kann den Unterschied zwischen leben und sterben bedeuten. Ich habe schon oft dabei zugesehen. Obwohl die meisten von ihnen gut drei oder vier Jahre älter als ich sind, rechne ich mir Chancen aus. Der überlegenen Kraft kann ich mit Schnelligkeit begegnen. Gerade duellieren sich zwei vielleicht sechzehn oder siebzehnjährige Burschen. Im Topf liegen Trockenfrüchte und ein Beutel Mehl. Die Kämpfenden werden nach Kräften angefeuert. Reon neben mir ergreift für den großen dunkelhaarigen Keiras Partei. Der andere Junge liegt nach ein paar gezielten Schlägen im Staub. Unter begeisterten Zurufen holt sich Keiras seinen Preis von dem Burschen, der den Topf verwaltet.
Artan blickt in die Runde. "Hat noch jemand etwas einzusetzen?"
"Ja!" rufe ich und trete vor. Aus meiner Tasche befördere ich einen überreifen Moba, den ich für diese Gelegenheit aufgehoben habe.
"Nein, tu das nicht, Nerys!" beschwört mich Reon. Ich schüttle seine Hand ab und sehe zu Artan auf, der mich fast einen Kopf überragt. Er vollführt eine wegwerfende Geste.
"Das ist nichts für Kinder. Geh wieder spielen", antwortet er amüsiert grinsend.
Wütend knirsche ich mit den Zähnen. "Ich bin kein Kind und ich kann kämpfen!"
Erneut taucht Reons ruhiges Gesicht vor mir auf. Er ist so sehr wie unser Vater. Sein pagh sucht den Frieden, verabscheut die Gewalt. Einzig um sich oder mich zu verteidigen, würde er die Hand gegen jemanden erheben. Er drängt mich zu gehen, doch diesmal werde ich nicht weglaufen.
"Lass mich kämpfen, Artan!" fordere ich.
Er rollt mit den Augen, nickt aber schließlich. "Gut, wenn jemand gegen ein Kind antreten will."
Ich lege den Moba in den Topf und mustere abwartend die Gesichter um mich herum. Ein kräftiges rotblondes Mädchen, das bestimmt mindestens fünfzehn ist, tritt vor. Siegessicher lächelnd wirft es eine große trockene Jumja neben meinen Einsatz. "Leicht verdientes Essen soll man sich nicht entgehen lassen."
Wir stellen uns einander gegenüber auf und taxieren den Gegner, bis Artan seine Hand nach oben und wieder hinunter reißt. Das Zeichen. Langsam lauernd beginnen wir einander zu umkreisen, darauf wartend, dass die Andere den ersten Schlag ausführt. Jemand ruft etwas hinter mir. Den Augenblick der Ablenkung nutzt das Mädchen und stürmt auf mich zu. Ich werfe mich gerade noch rechtzeitig zur Seite, vollführe eine Rolle und komme wieder auf die Beine. Blitzschnell weiche ich mehreren Fausthieben aus. Es gelingt mir, meiner Gegnerin auf die Zehen zu treten. Sie keucht und ich treffe ihr zweites Bein in Kniehöhe. Der Schmerz lässt sie zurück taumeln. Ich werfe mich mit meinem ganzen Gewicht auf sie und wir stürzen gemeinsam zu Boden. Meine Hand drückt gegen ihre Kehle. Es ist entschieden. Die anderen Jugendlichen rufen noch immer ihren Namen. Devi. Schweigend erhebe ich mich und nehme meinen Gewinn in Empfang.
Von diesem Tag an bin ich in Artans Augen kein Kind mehr. Er lässt mich weiter kämpfen, obwohl Reon protestiert. Vater erzähle ich nichts davon, er hätte es nicht toleriert. Mein zweiter Gegner ist ein drahtiger blonder Bursche namens Menelos. Sein Griff ist hart wie ein Schraubstock, heißt es, aber er erwischt mich nicht. Eigentlich ist es nur ein Spiel, doch wenn der Hunger einen quält, wird bitterer Ernst daraus. Ich besiege ihn, indem ich seine eigene Kraft gegen ihn wende. Es ist immer noch viel Glück dabei, doch ich beginne auch, mir Taktiken zu überlegen. Sofern Zeit bleibt, übe ich mit Reon. Es hat eine Weile gedauert, ihn zu überzeugen. Als nächstes schlage ich ein großes Mädchen, das sogar Artan überragt. Es ist kräftig, ja, aber ich bin schneller. Ein paar Blutergüsse ertrage ich leicht. Die Wut ist meine Begleiterin, sie schenkt mir Stärke und Ausdauer. Gegen einen Jungen names Rito verliere ich beinahe. Nur mit Mühe kann ich ihn noch überlisten, wofür ich ein Säckchen kostbares Salz erhalte. Ein paar cardassianische Soldaten beobachten uns zu ihrer Unterhaltung. Erneut gewinne ich gegen einen weit älteren Burschen. Es sehen jetzt immer uniformierte Cardassianer zu. Vielleicht war es nie anders. In der Hitze unserer Duelle habe ich sie bisher nicht beachtet.
Erst als ich aufgestellt werde, erkenne ich, dass im Lager noch andere Kämpfe stattfinden. Die Wachen hetzen uns mit scharfen Waffen bis zum Tod gegeneinander. Das sind keine harmlosen Prügeleien mehr. Wer überlebt, wird mit recht großzügigen Vorräten belohnt. Ich will nicht kämpfen, nicht so! Der Bursche, der mir nun mit einem langen Messer gegenüber steht, wird mich töten. Fünf Mal habe ich gewonnen, dieses sechste ist real und ich verliere nicht nur den Kampf. Ich verliere mein Leben. Meine Hände, die Griffe zweier kleiner schmaler Dolche umfassen, schwitzen. Diesmal sind es nur Cardassianer, die zusehen. Nicht einmal Reon darf mich anfeuern. Vielleicht ist das auch besser so. Ich kämpfe gegen Keiras. Die Soldaten plazieren ihre Wetten, ehe es losgeht. Niemand wird auf ein mageres zwölfjähriges Mädchen setzen, wenn sein Gegner schon an der Schwelle zum Mannesalter steht.
"Fangt an!" ruft einer der Cardassianer.
Jeder Muskel in mir ist zum Zerreißen gespannt. Keiras springt vor und sticht mit dem Messer nach mir. Es ist eine gefährliche Waffe, wie ich sie nie gesehen habe. Sie entspricht nicht den Löffelköpfen. Ich weiche ihm aus. Dieses Spiel spielen wir so lange, bis unser Publikum ungeduldig wird. Er greift mich wieder an. Unter der Klinge ducke ich mich hinweg, doch die Faust seiner freien Hand trifft mich hart im Brustkorb. Keuchend falle ich auf die Knie, meine Dolche verzweifelt festhaltend. Erneut treibt er die Waffe auf mich zu. Ich rolle mich beiseite, doch diesmal trifft er meine Schulter. Heißer Schmerz jagt durch meinen Körper und ich spüre das warme Blut auf meiner Haut.
"Töten! Töten!" feuern die Wachen ihn an.
Er wird mich umbringen! Wer wird für Reon da sein? Mein Lebenswille übernimmt die Kontrolle. Ich ramme ihm eine meiner Waffen in den Fuß, woraufhin er mit einem Schmerzensschrei zurückweicht. Hellrotes Blut tropft auf den trockenen sandigen Boden. Jetzt habe ich die Gelegenheit ihn zu attackieren. Erneut treffe ich ihn mit dem Dolch, diesmal am Oberschenkel. Sein Bein knickt unter ihm weg. Er sieht zu mir auf. Da ist Angst in seinen Augen. Die Stimmen des Publikums fordern dröhnend seinen Tod. Ich kann es nicht. Ich will es nicht. Keiras ist von meinem Volk, er ist kein Feind. Mit einem dumpfen Scheppern lasse ich meine Waffen auf den Boden fallen.
"Nein", sage ich laut. "Wenn wir anfangen uns gegenseitig zu erschlagen, nehmen wir denen die Arbeit ab, uns zu vernichten. Das dürfen wir nicht."
Ich strecke Keiras die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen. Seine Verletzung muss behandelt werden, er verliert viel Blut. Er geht erneut auf mich los, aber ich weiche aus und stoße ihn weg.
"Ich bin nicht dein Feind!" schreie ich ihn an.
Keiras' Blick wird unendlich traurig. "Ich weiß. Der Sack Katterpod und die Kavas, die ich gewinne, können meine kleinen Schwestern für eine Weile ernähren. Die Propheten mögen mir vergeben."
Entsetzt und halb panisch lasse ich mich zur Seite fallen, um dem tödlichen Hieb zu entgehen. Auf einmal ist er über mir, bereit zuzustoßen. "Tu das nicht! Eines Tages wird dich jemand besiegen und dich umbringen, weil die es so wollen." Ich weise auf die immer noch rufenden Cardassianer. "Wer kümmert sich dann um deine Schwestern? Was sie brauchen, ist nicht dieser eine Sack voll Katterpod, sondern dich! Und mein kleiner Bruder braucht mich."
Jetzt lässt Keiras seine Waffe sinken. Es ist vorbei. Heute wird niemand sterben. Die Soldaten können uns nichts tun. Einfach so zwei unbewaffnete Jugendliche hinzurichten, würde einen Tumult auslösen. Das wissen sie. Ungehindert verbinde ich Keiras' Bein notdürftig mit einem Streifen meines Hemds und bringe ihn zur Ärztin. Innerlich genieße ich die Enttäuschung der Wachen über das entgangene blutige Spektakel. Mich können die Cardassianer nicht besitzen und wie eine Marionette nach ihrem Willen tanzen lassen. Ich werde ihnen Widerstand leisten und sie mit aller Kraft bekämpfen bis hin zu meinem letzten Atemzug. Sie sind der wirkliche Feind.
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