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Erwerbsregel Nr. 125: Wenn du tot bist, dann machst du keine Geschäfte

von Oriane

Kapitel 1

Kapitel 1


Luzia Pawlow kniete sich mit versteinertem Gesicht auf dem Boden, nahm eine Probe von etwas, das sich an der Ohrmuschel des toten Ferengi vor ihr befand und reichte es ohne Worte nach hinten zu ihrem betazoidischen Assistenten Barim, der sie beschriftete und mit stoischer Ruhe einordnete. Mikael Hood beobachtete die Szene, nachdem er sein Team losgeschickt hatte, um den Tatort weiträumig abzusuchen. Einzig Baqh, der etwas pummeligen Bolianer, hatte die ehrenvolle Aufgabe mit leuchtend gelben holografischem Band den Tatort abzusperren und so gleichzeitig ein Kraftfeld darum zu errichten. Als er damit fertig war, griff er nach der Kamera um seinen Hals und machte umfangreiche Holobilder von jedem Detail, um diese hässliche Straßenecke in einer zwielichtigen Gegend von San Francisco nachbilden zu können.
Gerade reichte Barim Luzia eine weitere Phiole, in der sie etwas verstaute, was sie an den Füßen des Ferengi gefunden hatte, als Mikael zu ihr trat.
„Sie sollten das Blut nicht vergessen. Oder finden Sie nicht genügend?“
„Das ist wirklich nicht witzig, Mikael“, schnaubte die Frau und rieb ihre behandschuhten Finger gegeneinander. Das Material triefte nur so vor blauem Blut und der gesamte Körper des Opfers war damit übersät. Teilweise war es bereits halb getrocknet und halb gefroren, doch der Ferengi war noch nicht lange tot, höchstens ein paar Stunden, schätzte Luzia.
„Bevor ich hier unten zu einem Eiszapfen werde, könnten Sie mir auch helfen“, sagte sie, ohne den Blick von den leeren, weit offen stehenden Augen des Opfers zu nehmen.
„Danke, ich muss ablehnen.“ Mikael hatte noch keinen Blick nach unten geworfen. Er starrte auf die graue Hauswand eines leer stehenden Gebäudes und vermied es weiterhin tunlichst, Luzia bei ihrer Arbeit zuzusehen. Stattdessen beobachtete er scheinbar seinen Atem, der in der kalten Januarluft kondensierte.
„Ach, ich vergaß, Sie haben ja ein kleines Problem mit Leichen.“ Die Russin schmunzelte und reichte Barim endlich eine Blutprobe. Mikael zog es vor, nicht darauf zu antworten. Er hatte tatsächlich Probleme damit, wenn jemand jeden Zentimeter eines Toten untersuchte, ihn aufschnitt und seine Organe einzeln herausnahm. Nicht das Blut ekelte ihn und auch nicht der Tod, sondern nur die Tatsache, dass man an Leichen herumschnippelte. Trotz moderner Technik war es noch immer nicht möglich eine Autopsie ohne einen einzigen Schnitt durchzuführen und Mikael erwartete sehnsüchtig den Tag, an dem es so weit sein würde.
Lieber ließ er seinen Blick noch einmal über den mittlerweile recht sauberen Tatort schweifen. Hie und da war eine Blutspur übrig geblieben, besonders dort, wo der Ferengi lag und ein paar Meter weiter, wo das Team ein blutiges Messer gefunden hatte. Eine altmodische und dennoch schöne Waffe. Trotz allem war dies nicht der Ort, wo der Ferengi ermordet worden war. Dazu fehlte hier eine ganze Menge Blut.
Als Mikael eilige Schritte hörte, drehte er sich wieder zu dem grauen, unbewohnten Gebäude um und sah Lynna zh'Thels direkt auf sich zulaufen. Ein beinahe unsichtbares Lächeln huschte über sein Gesicht, als er ihren grummeligen Gesichtsausdruck sah und beschloss, lieber nicht nachzufragen, ob sie etwas gefunden hatte, um einer Explosion seiner Andorianerin aus dem Weg zu gehen.
Die Hände in den Taschen und den Schal nur locker um den Hals gehängt, gesellte sie sich zu ihm. Ihr als Andorianerin machte die Kälte wenig aus. „Nichts“, knurrte sie. „Rein gar nichts ist dort, was irgendwie verdächtig wirken könnte.“
Mikael schmunzelte, sagte aber nichts.
„Haben die anderen etwas gefunden?“, fragte Lynna stattdessen.
„Noch nicht. Luzia sammelt noch Proben, bevor sie die Leiche ins Hauptquartier beamen und sie von schädlichen Substanzen befreit wird. Die anderen sind noch nicht zurück.“
„Ich verstehe nicht, warum wir das Beamen nicht einfach so organisieren können, dass jeder noch so kleiner Erreger und meinetwegen auch jedes Schmutzteilchen mittransportiert wird?“, mischte sie Luzia ein, die aufgestanden war und, natürlich erst nachdem sie die blutverschmierten, leider nicht allzu warmen Gummihandschuhe losgeworden war, die Hände ebenfalls tief in den Taschen ihrer Jacke vergrub. Es war eine rhetorische Frage. Natürlich war ihr klar, dass die Bestimmungen das nicht zuließen, zu viel Angst hatte man vor Krankheiten oder Schädlingen. Zurecht, fand Mikael, aber er musste schließlich auch nicht in dieser Mordskälte auf dem Boden herumkriechen und alles an Proben einsammeln, was er kriegen konnte.
Als Barim die Proben ordnungsgemäß verstaut hatte, gesellte er sich ebenfalls zu der kleinen Gruppe. Gleichzeitig trafen Maurizio und Baqh ein.
„Was gefunden, Casado?“, sprach Mikael den schlaksigen, blonden Mann an.
„Hier wohnt niemand im Umkreis von ein paar Kilometern. In der nächsten bewohnten Straße sollten wir vielleicht mal eine Razzia durchziehen, wenn wir Langeweile haben. Legal ist dort das wenigste. Alles, was ich finden konnte, war eine kleine Überwachungskamera an dem Hauseingang dort“, er wies auf ein Haus, etwa fünfzig Meter vom Tatort entfernt. „Sie ist noch in Betrieb, aber ich konnte den Winkel nicht genau erkennen, den sie aufnimmt. Vielleicht hat sie den Mord beobachtet. Und ich wäre stark dafür, dass wir uns zurück transportieren lassen und alles weitere im Hauptquartier besprechen, weil ich meine Zehen nicht mehr spüren kann. Wenn die es einem so schwer machen wollen, warum können die sich nicht im Sommer gegenseitig umbringen, dann müssten wir uns wenigstens nicht den Arsch abfrieren.“
„Gut, ich gebe Samak wegen der Kamera Bescheid“, antwortete Mikael und wandte sich ab.
„Was hast du denn Maurizio? Du frierst doch nicht etwa?“ Grinsend wickelte Lynna ihren Schal zusätzlich zu Maurizios um seinen Hals.
„Du sei mal ganz schnell still, sonst verübe ich demnächst einen Mord auf Vulcan“, knurrte er.
Der Andorianerin entwich nur ein leises „Pah!“, doch dann war sie still.
Mikael hatte derweil Verbindung zum Hauptquartier aufgenommen und ließ erst die Leiche und dann die kleine Gruppe zurück ins Warme beamen.

Sofort verabschiedeten Luzia sich und ihr beatzoidischer Assistent und machten sich auf den Weg in den Keller, wo die Autopsieräume lagen. Die Wärme hatte ihre fröhliche Seite sofort wieder aufleben lassen und als sie sich kurz umdrehte um Baqh zuzuzwinkern, lief der Bolianer sofort tiefblau an. Lynna und Maurizio sahen sich vielsagend an, Mikael tat so, als würde er es nicht bemerken. Er nahm sich vor, bei Gelegenheit einmal mit Luzia darüber zu reden und ihr einzutrichtern, dass sie gefälligst davon absehen sollte, dem Bolianer den Kopf zu verdrehen.

Angekommen im kreisrunden Büro des Teams, riss Lynna sich ihre Jacke vom Leib und lümmelte sich in ihren Schreibtischstuhl. Der Vulkanier ihr gegenüber, Samak, zog zwar missbilligend die Augenbrauen hoch, überließ den Kommentar aber Mikael.
„Lynna, versuch dich zumindest ein kleines bisschen zusammenzureißen. Was haben wir?“, fragte er dann, an die gesamte Gruppe gewandt.
„Wir haben einen mit einem Messer ziemlich übel zugerichteten, toten Ferengi in einer leeren und zwielichtigen Gegend“, fasste Baqh die Situation zusammen.
„Gut, warten wir ab, was Luzia uns sagen kann. Samak, haben Sie etwas über die Gegend in Erfahrung bringen können?“
Der Vulkanier erhob sich und legte mit ein paar Handgriffen ein freundlich wirkendes Bild auf den großen Bildschirm an der Wand über seinem Schreibtisch. Die Häuser schienen bewohnt, nicht allzu luxuriös, aber dennoch als kümmerten sich liebevolle Bewohner um sie. Mikael erkannte den Tatort ausschließlich an der schmucklosen grauen Hauswand wieder, die im Vordergrund des Bildes herausstach.
„Vor ein paar Jahren noch war die Gegend, wo der Mord stattgefunden hat, ein bewohntes Viertel“, begann Samak.
„Es sieht sehr menschlich aus“, warf Maurizio ein.
„Gut beobachtet. Tatsächlich lebten hier ausschließlich Menschen, bevor sie alle nach und nach auszogen. Aus welchen Gründen dies geschah, ist nicht bekannt. Manche vermuten die unangenehme Nähe zum Rotlichtviertel, aber niemand hat die Leute je befragt. Seitdem ist die Gegend ausgestorben.“
„Irgendetwas Auffälliges? Banden, Verstecke für Verbrecher?“, fragte Mikael, doch Samak schüttelte den Kopf. „Nichts dergleichen.“
Noch einmal tippte er auf der Konsole für den Bildschirm herum. Jetzt zeigte er das verwackelte Bild einer Überwachungskamera. „Diese Bilder stammen von einer Kamera, die sich an einem der verlassenen Häuser befindet und noch immer dessen Eingang bewacht“, erklärte Samak. „Hier in der Ecke“, er zoomte stark an das Bild heran und navigierte in die rechte obere Ecke, „erkennt man drei Gestalten. Mindestens zwei von ihnen sind augenscheinlich Ferengi. Der Mord ist nicht aufgezeichnet worden. Man sieht die drei Gestalten kommen, dann verschwinden sie aus dem Bild. Später fährt ein Transporter vorbei, dann sieht man zwei der Gestalten in eine Seitenstraße flüchten. Die eigentliche Tat ist also nicht sichtbar.“
„Dann hatte ich mal Recht mit einer Vermutung!“, flüsterte Maurizio, allerdings zierte sein Gesicht ein triumphierendes Grinsen.
„Schön, dass wir das geklärt haben, Casado. Wer sind die beiden Ferengi?“, fragte Mikael.
„Samak zoomte noch ein Stück näher an das Bild heran. „Leider ist ab hier die Auflösung nicht mehr sehr gut, typisch für diese Art von Überwachungskameras, aber anhand der auffälligen Kleidung ist wohl ersichtlich, dass der eine Ferengi mittlerweile unsere Leiche ist.“
Irritiert wanderte der Blick des Vulkaniers über seine Schulter, als Lynna unvermittelt anfing zu prusten, als sie versuchte, sich das Lachen zu verkneifen.
„Ich weiß nicht, was daran so amüsant ist.“
„Natürlich wissen Sie das nicht“, erwiderte Lynna grinsend, „Sie sind schließlich Vulkanier und Ihr Humor ist verkümmert wie der menschliche Blinddarm.“
Zum Glück beließ sie es dabei und verdeutlichte Samak, dass er seinen Vortrag fortsetzen konnte. Eigentlich heißt es immer, dass Vulkanier und Andorianer sich nicht ausstehen können, was aufgrund ihrer gemeinsamen Geschichte nicht unverständlich ist, doch Lynna und Samak verband eine seltsame Art der Hassliebe. Die junge Andorianerin ließ kaum eine Gelegenheit aus, Samak seinen vulkanischen Charakter vorzuwerfen und er wies im Gegenzug gerne auf ihre emotionalen Ausbrüche hin, doch im Grund verstanden sich die beiden gut.
„Ich konnte den anderen Ferengi leicht identifizieren. Sein Name ist Bog und laut seiner Akte arbeitet er in einer kleinen Bar, die ebenfalls von einem Ferengi geführt wird. Sie nennt sich selber das „Quark's““.
„Quark's?“ Irritiert deutete Baqh auf den Bildschirm. „Seit wann gibt es einen Ableger der Bar von DS9 hier in San Francisco?“
„Gibt es nicht“, antwortete Samak ruhig. „Vermutlich glaubt der Inhaber so mehr Kunden anzuziehen.“
„Dass der Inhaber des echten Quarks nicht längst ein Patent auf den Namen angemeldet hat, ist mir schleierhaft“, murmelte Lynna und stützte sich mit den Armen auf Samaks Schreibtisch ab um das Bild von Bog näher zu betrachten.
„Gut“, seufzte Mikael. „Samak, haben Sie den anonymen Anruf zurückverfolgen können? Wir brauchen unbedingt die Aussage desjenigen, der die Leiche gefunden hat.“
Samak schüttelte ruhig den Kopf. „Bisher nicht. Der Anrufer nutzte einen öffentlichen Kommunikationsterminal in einem Café weit von dem Fundort der Leiche entfernt.“
„Gut. Baqh, Lynna: Findet diesen Bog!“ Er deutete auf den Bildschirm auf dem das schleimig grinsende Gesicht des Ferengi noch immer zu sehen war. „Ich gehe runter zu Luzia, vielleicht hat sie schon etwas. Und später werde ich mir das Café ansehen.“
Kaum merklich hatte sich ein trauriger Ausdruck auf Baqhs rundliches Gesicht geschlichen, als er erfuhr, dass er nicht zu Luzia in den Keller durfte. Es war allgemein bekannt, dass der Bolianer für die temperamentvolle Russin schwärmte, seit er sie vor vier Monaten kennen gelernt hatte, doch weil ihn jeder, bevorzugt Lynna und Maurizio, damit aufzogen, hatte er es nie zugegeben. Auch jetzt wechselten die Andorianerin und der blonde junge Mann einen vielsagenden Blick miteinander, bevor sie sich an die Arbeit machten.
„Und Sie Samak, machen sich ein wenig mit den 285 Erwerbsregeln vertraut. Casado, Sie helfen ihm!“, gab Mikael als letztes durch, bevor er sich auf den Weg in den Keller machte. Maurizios schadenfrohes Grinsen gefror auf seinem Gesicht.
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