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Das Bildnis deiner Seele

von Martina Bernsdorf

Kapitel 2

M
ulliboks kleines Haus lag inmitten einer Obstplantage, ein Schuppen daneben, lehnte sich windschief gegen eine mächtige Eiche.
„Ich hoffe, du brennst diesmal nichts nieder!“ In Mulliboks Stimme war unter dem gutmütigen Spott auch ein anderes Gefühl zu erahnen, eine Spur von Bitterkeit.
Kira blickte den alten Farmer an. „Hast du mir das je verziehen, Mullibok?“
Der alte Mann hob leicht die Schultern an. „Ich hatte mit meinem Leben abgeschlossen, ich wollte nicht noch mal anfangen. Ich habe in meinem Leben zu oft neu beginnen müssen und dachte, ich sei zu alt, um es wieder zu tun.“
Er schwieg eine Weile und blickte auf sein Haus. „Ich habe mich geirrt!“
„Warum wolltest du dann nicht gefunden werden? Ich habe mich bei den Behörden nach dir erkundigt, aber niemand konnte sagen, wo du abgeblieben bist!“
Mullibok öffnete die Tür und lud Kira mit einer schwungvollen Geste ein. „Darüber reden wir bei einer Tasse Tee, du darfst das Wasser dafür aufsetzen!“ Kira lächelte leicht. „Darf ich das?“
Mullibok zeigte ein breites Grinsen. „Ich bestehe darauf!“
Kira schüttelte den Kopf. „Eine Tasse Tee, und dann werde ich gehen!“
Der alte Mann gab ein brummendes Geräusch von sich. „Kaum auf der Erde, zieht es dich schon wieder zu dieser kalten Raumstation?“
Kira schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe einige Tage frei genommen, aber...“ Mullibok unterbrach sie mit einer schroffen Geste, die im Widerspruch zu dem warmen Leuchten in seinen Augen stand.
„Du bleibst hier, ich bin ein altes Ekel, aber da dein Temperament auch gemeingefährlich ist, passen wir gut zusammen!“
Kira sah ihn an. „Willst du mich wieder wütend machen?“ Mullibok grinste breit. „Muß ich mich dazu etwa anstrengen?“
Kira suchte nach dem Teekessel. „Ich werde auf eine Tasse Tee bleiben!“ Mullibok brummte. „Es ist Sikaltee, er muß zwei Stunden ziehen, bis er genießbar wird!“
Kira ließ den Teekessel auf die Wärmplatte krachen und maß Mullibok mit einem langen Blick. „Zwei Stunden?“
Mullibok nickte. „Besser drei! Und bis dahin ist es stockfinster! Willst du von Nachtwölfen gefressen werden, wenn du im Dunkel durch diese unwegsame Gegend schleichst?“
Kira setzte sich auf einen Stuhl. „Ich bin hier aufgewachsen, ich kenne jeden Stein in Dakhur! Dies ist meine Heimatprovinz, in den Bergen sind wir während der Widerstandszeit herumgekrochen und haben gegen die Cardassianer gekämpft! Und was die Nachtwölfe angeht, nun, da könnte ich dir Geschichten erzählen, Mullibok!“
Der alte Farmer setzte sich ebenfalls. „Nun, schuldest du einem alten Mann, den du zusammengeschlagen und dessen Haus du niedergebrannt hast, nicht ein wenig Zeit? Fürsorge? Freundlichkeit?“
Kira lachte. „Fürsorge? Ich fürchte, dazu eigne ich mich nicht!“
Mullibok hob eine Augenbraue. „Ich dachte, eher, Freundlichkeit würde dir schwerfallen!“
Kira blickte den alten Farmer an, sie wußte nicht, warum, aber sie mochte ihn. Hatte ihn schon auf Jerrado gemocht. Seiner Sturheit und seinem bissigen Humor konnte sie nur schwer widerstehen.
„Nun gut, dann bleibe ich, vorerst!“
Mullibok klatschte in die Hände. „Sehr gut! Die Äpfel müssen geerntet werden!“
Kira starrte ihn an. „Ich dachte an Urlaub, nicht an Arbeit!“
Der alte Farmer grinste sie an. „Arbeit hält den Geist ruhig, und das scheinst du sehr nötig zu haben!“
„Danke“, erklärte Kira zynisch.
„Du hast gefragt, ob ich dir verziehen habe, daß du mein Leben auf Jerrado gerettet hast,“ Mullibok sah sie ernst an. „Ja, das habe ich! Aber es fällt mir altem Narr nicht leicht zuzugeben, daß ich Unrecht hatte!“
„Warum hast du keine Hilfe von mir angenommen und dafür gesorgt, daß ich dich nicht finden konnte?“ Kira erinnerte sich an die Zeit nach Jerrado, dem kleinen Mond, den man zur Energiegewinnung genutzt hatte und deshalb die Bevölkerung umsiedeln mußte.
Sie hatte sich schuldig gefühlt, diesem Mann alles genommen zu haben, was er sich aufgebaut hatte, und er hatte sich ihr entzogen.
Kira wußte nicht, wie er die Behörden umgangen hatte, aber sein Weg hatte sich verloren.
„Ich wollte nicht, das du versuchst, deine Schuldgefühle über mich auszuleben! Du hättest versucht mir zu helfen und wärst mir damit gehörig auf die Nerven gefallen!“
Kira starrte Mullibok perplex an.
„Ich habe recht, Nerys! Denk darüber nach!“ Mullibok stellte Tassen auf den Tisch und schnupperte an den Teeblättern. „Du hast nie gelernt, dich Schuld und Trauer zu stellen, Nerys!“
Wütend sprang Kira auf die Beine und funkelte Mullibok an. „Du hast kein Recht, mich wie ein Kind zu behandeln!“
Mullibok ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. „Oh doch! Denn alle Antwort, die du auf deine Trauer kennst, ist Wut! Jede Antwort ist bei dir Wut, und ehe du diese Dinge nicht änderst, kannst du niemals dein inneres Gleichgewicht finden!“
Kira starrte ihn mit offenen Mund an, ihr fiel keine passende Erwiderung ein. „Du hast Narkorn geschlagen, weil dies ein Ventil für die Gefühle war, denen du dich nie wirklich gestellt hast!“
Mullibok deutete bestimmend auf den Stuhl, und Kira setzte sich. Hatte er Recht mit seinen Vorwürfen?
„Ich war auch einmal so, ehe ich gelernt habe, daß man Trauer nicht mit Wut bannen kann, daß man seine Trauer ausleben, daß man sich diesen Gefühlen stellen muß! Man muß loslassen, Nerys! Und wer immer dieser Mann auch war, den du verloren hast, du hast ihn nie wirklich losgelassen und du hast nicht zugelassen, daß du wirklich um ihn trauerst! Du zwingst die Trauer in falsche Kanäle, setzt sie in Wut um, das ist ein Fehler!“
Kira konnte Mullibok nicht einmal widersprechen, so sehr sie sich auch wünschte, es zu können. Der alte Mann goß das inzwischen kochende Wasser auf und schüttete großzügig Teeblätter hinein.
„Ich wollte niemals schwach sein!“ Kira brachte diese Worte trotzig hervor. „Trauer ist keine Schwäche! Es erfordert mehr Mut, sich ihr zu stellen, als davor wegzurennen! Du bist gerannt, Nerys, und du rennst noch immer. Habe ich nicht Recht?“
Kira blickte auf ihre Hände, die sie fest ineinander verschränkt hatte. Sie zwang sich, die Finger zu lösen. Hatte sie je gelernt, loszulassen?
Ihr ganzes Leben hatte sie versucht, Dinge festzuhalten, ihr Leben vor allem, in den bitteren Zeiten des Widerstandes.
Nach Bareils Tod hatte sie sich in ihre Arbeit vergraben. Mullibok hatte Recht. Sie hatte sich ihrer Trauer nie wirklich gestellt.
Der alte Mann brauchte keine Antwort auf seine Frage, er kannte sie, er selbst war lange Zeit denselben Weg gegangen.
„Gibt es einen anderen Mann in deinem Leben, Nerys?“
Kira dachte an Shakaar. War es unfair gewesen, den Trost seiner Arme anzunehmen? Sie dachte an ihre erste Liebesnacht, daran, daß sie ihre Augen geschlossen und sich vorgestellt hatte, Shakaar sei Bareil.
Sie erinnerte sich daran, wie nahe sie daran gewesen war, Bareils Name atemlos in Shakaars Ohr zu flüstern, als sie dem sexuellen Höhepunkt ihres Liebesspieles entgegentrieb.
„Ja, Shakaar, aber...“ Kira brach ab. Reichte es nicht, ihn mit Gedanken zu verraten, mußte sie es auch noch mit Worten tun?
„Aber, was? Es ist nicht dasselbe?“ Mullibok sah sie fest an. Etwas Zwingendes war an seinem Blick, dem sich Kira nicht entziehen konnte. Sie hatte mit niemandem darüber geredet, nicht einmal mit Jadzia.
„Es ist nicht fair, er ist ein guter Mann, ein guter Freund!“ Kira ballte, frustriert über ihre eigenen Gefühle, die Fäuste.
„Ein Freund? Du kennst ihn schon lange Zeit?“ Mullibok schnippte mit den Fingern, als ihm einfiel, woher er den Namen kannte. „Minister Shakaar, er war ein Widerstandsführer, daher kennst du ihn!“
Kira nickte.
„Liebe kennt nicht nur eine Form, Nerys! Shakaar war zuerst dein Freund, nichts Geheimnisvolles ist an ihm, du kennst ihn zu gut. Bareil hingegen, er hatte seine Geheimnisse, nicht wahr? Du konntest seinen Gedanken nicht immer folgen?“
Kira blickte Mullibok erstaunt an. „Ja, er war ein Vedek, kein Krieger!“
Der alte Mann lächelte. „Das Geheimnisvolle ist sehr anziehend, Gegensätze ziehen sich an, die Funken springen höher, aber verglühen auch schneller, als bei einer Liebe, die auf einer gemeinsamen Basis aufbaut.“
Kira hob leicht die Augenbraue. So hatte sie es nie gesehen, sie hatte ja nie die Chance gehabt, Bareils Seele und Geist bis in den letzten Winkel zu erforschen, dazu hatten sie zu wenig Zeit füreinander gehabt, und dann war er gestorben. Shakaar hingegen kannte sie schon so lange.
„Du kannst erst die Liebe eines anderen wirklich annehmen, wenn du dich der Trauer gestellt hast, wenn du losläßt.“
Mullibok stand auf. „Du mußt versuchen, deine Trauer aus dir fließen zu lassen, und zwar auf einem anderen Weg, als dem des Zornes!“ Er trat neben sie und berührte ihren Ohrring. „Du gehörst zur Ih´valla, der Künstler-D´jarra?“
Kira schüttelte leicht den Kopf, so daß der Ohrring leise an ihrer Wange klirrte. „Die D´jarra bestimmt schon lange Zeit nicht mehr das Leben von uns Bajoranern!“
Mullibok nickte. „Es ist kein Fehler, daß die engen Gesetze der D´jarra zerbrochen wurden. Jedes strenge Kastenwesen hat seine Schattenseiten, aber das ist kein Grund, seine Bestimmungen und Talente zu verleugnen!“
Der alte Farmer trat an seine Regale und suchte darin laut polternd und fluchend. Endlich deutete ein befriedigendes Brummen darauf hin, daß er gefunden hatte, was er suchte.
Er zog den Holzkasten aus dem Regal, trug ihn zum Tisch und blies den Staub so herunter, daß Kira niesen mußte.
„Das wird das Werkzeug zur Bewältigung deiner Trauer sein!“ Mullibok klappte den Kasten auf, Pinsel und kleine Tuben mit Farben wurden sichtbar.
Kira blickte auf die Zeichenutensilien, Erinnerungsfetzen drifteten wie nicht greifbare Schatten durch ihr Bewußtsein. Farben, die ihre Mutter gemischt hatte, die Erinnerung an Wärme, eine Stimme, braunes Haar, Cardassianer, die eine leblose Gestalt wegschleiften.
Kira schüttelte den Kopf. „Ich bin kein Künstler! Ich habe keinerlei Talent dazu!“ Sie klappte heftig den Deckel des Holzkastens herab. „Meine einzigen Talente waren, zu überleben und zu töten!“
Mullibok klopfte mit dem Finger gegen den Kasten. „Wovor hast du Angst, Nerys? Vor der Erinnerung? Davor, endlich stehenzubleiben und nicht mehr wegzulaufen?“
Kira starrte ihn wütend an. Ein Lächeln ließ erahnen, daß es Mulliboks Absicht gewesen war, sie an ihrer Ehre und ihrer Wut zu packen.
„Ich bin kein Künstler! Aber ich werde es versuchen, wenn es dich glücklich macht!“
Mullibok nickte. „Kunst war schon immer ein gutes Medium, um sich selbst kennenzulernen!“ Er seufzte übertrieben. „Ich erinnere mich an meinen Brennofen, den ich auf Jerrado gebaut habe und der leider der Wut einer rothaarigen jungen Frau zum Opfer gefallen ist!“
Kira verzog das Gesicht. „Ich fürchte, ich werde es bereuen, mich darauf eingelassen zu haben!“
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