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Eine Lektion in Demut

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Kilanas Gesicht auf dem Bildschirm war ausdruckslos. Doch in der Stimme der Vorta schwangen Bedauern und ein leiser Hauch Trauer: »Es tut mir leid, Kyle. Die Gründerin hat entschieden. Es wird keine Expedition in den romulanischen Raum geben. Zumindest nicht, solange unsere geheimen Verhandlungen mit Prätor Maluk andauern. Eine solche Aktion könnte die Pläne des Dominions gefährden.«
»Es war Weyouns Vorschlag, Kontakt zu Maluk aufzunehmen«, erinnerte der Vorta. »Ohne seine Bemühungen, wäre kein Treffen mit dem Prätor zustande gekommen. Es ist allein Weyoun zu verdanken, dass der Romulaner sich bereit erklärt hat, über unser Angebot überhaupt nachzudenken. Sie und ich wissen, dass wir diesen Waffenstillstand brauchen.«
Ein Schatten flog über Kilanas Züge.
Weyouns Assistent hatte recht. Die unerwartete Kollabierung des Wurmlochs hatte die im Alpha-Quadranten stationierten Truppen des Dominions isoliert. Die Schiffswerften auf Cardassia und den eroberten Welten arbeiteten zwar auf Hochtouren. Doch es würde noch lange dauern, bis die Flotte jene Stärke erreicht hatte, die sie brauchte, um gegen die Kampfverbände der Föderation, des Klingonischen Imperiums und des Romulanischen Reiches auf Dauer eine Chance zu haben.
Ein weiteres Problem waren die Jem’Hadar. Es gab auf Cardassia zwar genügend Geburtskammern, um für jeden gefallenen Jem’Hadar zwei neue zu erschaffen. Aber was nützte dies, wenn die Gegner eine verborgene Ketracel-White-Produktionsstätte nach der anderen aufspürten und zerstörten? Die verbliebenen reichten kaum aus, um den erforderlichen Nachschub für die Truppen zu sichern. Unter diesen Umständen wäre es Selbstmord gewesen, die Truppenstärke mit Hilfe der Geburtskammern zu erhöhen.
In dieser Situation hatte Weyoun der im Alpha-Quadranten gebliebenen Gründerin den Plan unterbreitet, einen Waffenstillstand mit dem Romulanischen Reich auszuhandeln und dadurch den Krieg auf zwei Fronten zu reduzieren.
Kilana stimmte Kyles Auffassung zu. Es war allein Weyouns Verdienst, dass Prätor Maluk als einer der einflussreichsten Männer im romulanischen Senat derzeit ernsthaft erwog, auf der nächsten Sitzung die Frage eines Waffenstillstandes mit dem Dominion zum Gegenstand der Debatte zu machen. Dank Weyouns taktischem und diplomatischem Geschick hatten die Verhandlungen sich für das Dominion, das alle Schiffe aus dem Romulanischen Raum zurückgezogen hatte, gut entwickelt.
Wer hätte ahnen können, dass das Schiff, auf dem Weyoun sich zu einem geheimen Treffen mit Maluk ins Romulanische Reich begeben hatte, auf dem Rückweg in einen Ionensturm geraten und abstürzen würde?
Maluk hatte klargestellt, dass es von seiner Seite aus keinen Suchtrupp geben würde. Das war verständlich. Offiziell wusste der Prätor weder von dem Schiff noch von dem Absturz. Gleichzeitig hatte Maluk deutlich gemacht, dass sämtliche Bestrebungen im Hinblick auf einen Waffenstillstand in dem Moment enden würden, da ein Schiff des Dominions unter Missachtung der Grenze in den Raum des Romulanischen Reiches eindringen sollte.
Dennoch hatte Kilana sich bei der Gründerin für eine Rettungsmission eingesetzt. Sie hätte es auch getan, wenn Kyle sie nicht darum gebeten hätte. Genau wie er hatte die Vorta Weyoun viel zu verdanken. Damals, als die Gründer Kilana mit dem Vorwurf mangelnder diplomatischer Fähigkeiten die Mitschuld am Tod eines der ihren hatten geben wollen, war es Weyoun gewesen, der sie gerettet hatte.
Kilanas Bitte, nach dem Botschafter suchen zu lassen, war bei der Gründerin auf taube Ohren gestoßen. Weyoun war nur ein Vorta. Seine DNA war in den Labors des Dominions gespeichert. Er konnte so oft geklont werden, wie die Gründer es wünschten. Für den Moment war dies zwar nicht möglich, da die entsprechenden Daten sich im Gamma-Quadranten befanden. Doch es gab andere Vorta, die Weyouns Platz einnehmen konnten, bis das Wurmloch wieder passierbar war. Insgeheim vermutete Kilana sogar, dass dieser Unfall der Gründerin alles andere als ungelegen kam.
In letzter Zeit hatte Weyoun mehr als einmal eine Meinung vertreten, die er streng genommen gar nicht hätte haben dürfen, da sie von derjenigen des Dominions abwich. Der Botschafter hatte Fragen gestellt, Einwände erhoben, und manche seiner Bemerkungen konnte man durchaus als versteckte Kritik an der Ordnung der Dinge auffassen.
»Es tut mir leid, Kyle«, wiederholte Kilana. »Bevor über die Waffenruhe entschieden ist, wird es keine Rettungsmission geben.«
»Bis dahin könnte Weyoun tot sein!«
»Möglicherweise ist er es längst. Wie auch immer, es steht uns nicht zu, die Weisungen einer Gründerin in Frage zu stellen! Bis auf weiteres übernehmen Sie Weyouns Pflichten auf Cardassia. Erweisen Sie sich dieses Vertrauens als würdig.«
Kilana beugte sich vor und berührte ihr Terminal.
Die Transmission war beendet.
Einige Sekunden starrte Kyle stumm auf den dunklen Bildschirm. Dann drehte er sich zu den beiden Jem’Hadar um, die schweigend hinter ihm standen.
Die echsenhaften Mienen des Ersten und des Zweiten waren ausdruckslos.
Doch Kyle wusste, dass diese Gelassenheit nur äußerlich war. Omet’iklan und Belat’aklan dienten ihrem Vorta Weyoun mit einer Loyalität, die weit über das geschuldete Maß hinaus ging. Früher einmal war Belat’aklan der Erste von Kyles Einheit gewesen. Damals, als Kyle noch den Oberbefehl über das besetzte Betazed gehabt hatte. Die Gedanken des Vortas glitten zurück in die Vergangenheit. Zu jenem Tag, der alles verändert hatte.
»Ich wurde abgelöst. Mein Nachfolger ist bereits auf dem Weg nach Betazed.«
Ohne Weyoun wären Kyle und auch sein Erster verloren gewesen.
»Mangelnder Gehorsam bedeutet den Tod. So wie Loyalität das Leben bedeutet.«
Weyoun hatte sie beide gerettet. Und nun sollten sie keinen Finger rühren, um ihm zu helfen. Natürlich könnte der Botschafter bereits tot sein. Aber solange es nicht sicher war, gab es immer noch Hoffnung. Im Nachhinein wäre es besser gewesen, sich gar nicht erst an die Gründerin gewandt, sondern auf eigene Verantwortung eine Rettungsmission gestartet zu haben. Nun war es zu spät. Der Befehl der Gründerin verurteilte sie alle zur Untätigkeit.
»Sie haben Kilana gehört«, sagte Kyle leise. »Wir können lediglich hoffen, dass die Romulaner sich rasch zu einem Waffenstillstand bereit erklären und Botschafter Weyoun dann noch lebt.«
Omet’iklan trat einen Schritt vor. »Es gibt einen anderen Weg.«
Kyle hob eine Braue. »Die Anordnung der Gründerin ist unmissverständlich und erlaubt keine Interpretation. Sie verbietet uns, etwas zu Weyouns Rettung zu unternehmen.«
»Das ist richtig«, stimmte der Jem’Hadar zu. »Doch hindert die Weisung der Gründerin uns auch daran, uns an jemanden zu wenden, den ihr Befehl nicht bindet?«

***


Glühende Hitze. Eine endlose Sandwüste. Weyoun hoffte, dass man auf Cardassia seinen Notruf empfangen hatte, bevor das Schiff auf dieser unwirtlichen Welt abgestürzt war, auf der es nichts gab außer Sand. Die Kommunikationseinheit war beim Absturz irreparabel zerstört worden. Innerhalb weniger Stunden hatte das Wrack sich derart aufgeheizt, dass der Vorta sich gezwungen sah, es zu verlassen, wenn er darin nicht bei lebendigem Leib gebraten werden wollte.
Weyoun kniff die Augen zusammen und versuchte, irgendetwas am Horizont auszumachen, das ihm Schatten bieten konnte. Der Vorta wünschte, sein Erster wäre bei ihm. Wie alle Jem’Hadar hatte Omet’iklan scharfe Augen. Im Gegensatz zu Weyoun, der selbst dann Schwierigkeiten gehabt hätte, einen entfernten Baum oder Felsen zu erkennen, wenn die Atmosphäre des Planeten nicht vor Hitze geflimmert hätte.
Aber Prätor Maluk hatte einem Treffen mit dem Botschafter des Dominions nur unter der Bedingung zugestimmt, dass Weyoun allein kam.
Der Vorta fragte sich, wie lange er bei dieser Temperatur ohne Wasser überleben konnte. Die Schiffe des Dominions waren ausschließlich für den Kampf im All konzipiert. An Bord gab es weder Nahrungsreplikatoren noch Notrationen. Nahrung war dabei weniger das Problem. Ein Vorta konnte eine ganze Weile auf Essen verzichten. Theoretisch galt das auch für Wasser. Jedoch nur bei halbwegs normalen Temperaturen. Nicht bei dieser Hitze.
Wohin sollte er sich wenden? Ganz gleich, in welche Richtung Weyoun blickte, überall sah er dasselbe. Nichts als Sand.
Zögernd setzte der Vorta sich in Bewegung.
Heißer, trockener Wind wehte Weyoun ins Gesicht und füllte die Luft mit feinem Sand, der in seinen Haaren hängenblieb und sich in seiner Kleidung sammelte.
Getragen vom Wind deckte der feine Sand allmählich das Wrack des Schiffes zu. Und Weyouns Fußspuren, die von der Absturzstelle fortführten.

***

Die Halle des Ruhmes auf Qo’nos erbebte förmlich unter dem lauten Gesang klingonischer Kehlen. Vor einigen Tagen war es einem Kampfverband des Imperiums gelungen, die Schiffe des Dominions einmal mehr zum Rückzug zu zwingen. Die anschließende Siegesfeier war noch in vollem Gange. Der Blutwein floss in Strömen. Zur Belustigung der Anwesenden kämpfte auf Anregung von Kanzler Gowron ein klingonischer Kommandant in der Mitte der Halle gegen einen Jem’Hadar, der bei einem der letzten Gefechte in Gefangenschaft geraten war.
Gowron hatte bei seiner Ehre geschworen, dem Jem’Hadar Leben und Freiheit zu schenken, wenn es ihm gelang, den Klingonen zu besiegen.
Der Gefangene hätte dieser Motivation vermutlich nicht bedurft. Doch es war mit dem klingonischen Ehrbegriff unvereinbar, einen Krieger für nichts in eine Schlacht zu schicken. Und ungeachtet dessen, dass die Jem’Hadar zum Feind gehörten, wurden sie im Imperium als Krieger geachtet.
Die Freunde und Zechgefährten des klingonischen Kommandanten hatten einen Kreis um die Kämpfenden gebildet und feuerten den Klingonen lautstark an.
Die Rufe verstummten, als der Jem’Hadar seinem Gegner einen Schlag versetzte, der ihn von den Füßen riss. Der Jem’Hadar warf sich auf den Klingonen, packte den Kopf des Kommandanten und brach ihm mit einem Ruck das Genick.
Gowron stand auf und trat in den Kreis seiner Krieger, der sich für ihn öffnete. Der Blick des Kanzlers wanderte von der reglosen Gestalt des Kommandanten zu den echsenhaften Zügen des Jem’Hadar. »Bei Kahless, das war ein guter Kampf.«
»Dann stehen Sie zu Ihrem Wort«, verlangte der Jem’Hadar.
Gowron ignorierte die hasserfüllten Blicke der Freunde des Toten. Hierbei ging es um seine Ehre. Der Kanzler nickte. »Das werde ich. Schafft ihn an Bord des nächsten Schiffes, das Richtung Cardassia fliegt!«, befahl er seinen Wachen. »Man soll ihn auf der ersten bewohnbaren Welt jenseits der Grenze laufen lassen.«
»Das hieße, einen schnellen Tod, durch einen langsamen zu ersetzen«, durchschnitt eine helle Stimme die Stille. »Halten Sie das für ehrenvoll?«
Gowrons Hand fuhr zum Griff seines Schwertes. »Wer wagt es?!«
Eine Klingonin drängte sich durch die zurückweichende Menge nach vorne. Bei ihrem Anblick entspannte der Kanzler sich.
Shakura war nicht nur schön, sondern darüber hinaus eine der stolzesten und tapfersten Kriegerinnen des Reiches.
Gowron war nicht der einzige, der sich Hoffnungen machte, ihr Herz und ihre Hand zu erringen. Der Kanzler begehrte Shakura, wie er nie zuvor eine Frau begehrt hatte. Shakura stelle keine Gefahr für seine Position dar. Als Frau konnte sie noch nicht einmal einen Sitz im Rat beanspruchen.
In Anbetracht all dessen fiel es Gowron leicht, Shakuras Dreistigkeit anstatt mit dem Schwert mit einem lauten Lachen zu begegnen, in das nach und nach die anwesenden Krieger einfielen.
»Was schlagen Sie vor, Dame?«, fragte der Kanzler, als das Gelächter verebbt war.
»Ich werde diesen Jem’Hadar an Bord meines Bird of Prey persönlich auf Cardassia abliefern. Ich werde ihn direkt in Damars Büro beamen. Zusammen mit einer Botschaft an seinen intriganten Vorta-Freund Weyoun, dass Kanzler Gowron es nicht über sein mitleidiges Herz gebracht hat, dem Dominion einen seiner letzten Krieger wegzunehmen. Jetzt, da die Gründer jeden Jem’Hadar, den sie haben, dringend brauchen, um sich und ihre Göttlichkeit gegen uns Klingonen zu verteidigen.«
Bei Shakuras Worten brachen Gowron und die anderen Anwesenden erneut in lautes, beifälliges Lachen aus.
Der Kanzler befahl seinen Wachen, den Jem’Hadar, der sich nicht wehrte, zu packen und zu Shakura zu führen.
»Er gehört Ihnen, Dame«, bestimmte Gowron. »Bringen Sie ihn nach Cardassia.«


***

Die Wachen schlugen sich respektvoll mit ihren rechten Fäusten an ihre Brustpanzer, als Shakura den Arrestbereich betrat. Diese Dame war im Imperium hoch geachtet. Niemand wusste, aus welchem Haus sie stammte. Eines Tages war Shakura einfach so aufgetaucht. Scheinbar aus dem Nichts. Sie hatte erklärt, dass ihre Familie tot und ihr Haus ausgestorben war. Und sie hatte darum gebeten, auch ohne einen Namen gegen die Feinde des klingonischen Reiches kämpfen zu dürfen. Es hatte eine Weile gedauert. Doch schließlich hatte Shakura sich durch ihre Tapferkeit genug eigene Ehre erworben, um die Aufmerksamkeit einer der ersten Damen des Reiches auf sich zu ziehen.
Die Dame B’Torja stammte aus einem der stolzesten und ältesten Häuser des Reiches. Sie war nicht nur die Schwägerin von General Martok sondern zugleich auch die Gattin von General Keras, einem Mitglied des hohen Rates. Damit war sie eine mächtige Fürsprecherin. B’Torja förderte ihren Schützling, und als die Zeit reif war, kam General Keras dem Wunsch seiner Gattin nach und nahm Shakura in sein Haus auf.
Nach Ausbruch des Krieges gegen das Dominion hatte Shakura zunächst unter dem Befehl ihres Adoptivbruders an Bord eines der von der Familie gestellten Bird of Prey gekämpft. Später war ihr dann ein eigenes Kommando übertragen worden. Seitdem hatte Shakura schon viele Schlachten geschlagen und sich und dem Haus Keras große Ehre eingebracht.
Shakura nahm die Respektbekundungen der Wachen ohne sichtliche Regung zur Kenntnis. Sie trat an das Kraftfeld der Zelle, in der sich der gefangene Jem’Hadar befand.
»Der Mann, den Sie getötet haben, war mein Freund. Lasst uns allein!«, befahl Shakura den Wachen. »Ich wünsche nicht gestört zu werden. Von niemandem!«
Die Klingonen gehorchten.
»Der Kommandant war mein Freund«, wiederholte Shakura. »Und er war ein tapferer Krieger. Er hätte Sie auch herausgefordert, hätte er vorher gewusst, dass er keine Chance gegen Sie hat. Denn es gehört mehr als Mut dazu, um den Ersten Omet’iklan zu besiegen.«
»Hätte ich geahnt, dass Ihnen am Schicksal dieses Klingonen etwas liegt, wäre er am Leben geblieben.« Der Jem’Hadar verneigte sich. »Ich bitte um Vergebung, Gründerin.«
Charis fragte nicht, woher Omet’iklan ihre wahre Identität kannte. Sie hatte bereits in dem Moment, da sie den Arrestbereich betreten hatte, gewusst, dass der Jem’Hadar ihretwegen gekommen war. Charis war sicher, dass die große Verbindung nicht ahnte, wer sie war. Zu sorgfältig hatte sie alle Spuren hinter sich verwischt. Doch Omet’iklan war Weyouns Erster. Bei ihrem Besuch auf DS9 hatte Charis dem Vorta absichtlich versteckte Hinweise gegeben, um festzustellen, ob Weyoun die große Verbindung informieren würde. Der Vorta hatte es nicht getan. Aber Charis war überzeugt, dass Weyoun sie in all der Zeit, die inzwischen vergangen war, nicht aus den Augen gelassen hatte.
»Eine Entschuldigung ist unangebracht«, erklärte sie. »Er hat Sie herausgefordert. Es war Ihr Recht, sich Ihr Leben zu erkämpfen. Hätten Sie ihn geschont, wäre er entehrt worden und hätte diese Schande durch rituellen Selbstmord tilgen müssen. Und nun verraten Sie mir, wieso Weyoun Sie zu mir geschickt hat.«
»Weyoun hat mich nicht geschickt.«
In wenigen Sätzen erzählte Omet’iklan, was geschehen war.
»Sie sind die einzige, die meinem Vorta jetzt noch zu helfen vermag, Gründerin«, schloss der Jem’Hadar. »Sie könnten mit diesem Bird of Prey getarnt in den romulanischen Raum fliegen und Weyoun retten.«
»Das ist durchaus möglich«, stimmte Charis nach kurzer Überlegung zu. »Allerdings hätte ich wohl Schwierigkeiten, meiner Crew das Ziel dieser Mission zu erklären.« Angesichts der Verblüffung in Omet’iklans Miene warf Charis den Kopf in den Nacken und stieß ein lautes Lachen aus. »Meine Mannschaft besteht nicht aus Vorta und Jem’Hadar. Ich kommandiere dieses Schiff. Diese Position macht mich für meine Untergebenen nicht zu einer Göttin, deren Befehle ausgeführt werden, ohne sie zu hinterfragen. Das klingonische Imperium funktioniert ein wenig anders als das Dominion. Sollte einer meiner Offiziere den Eindruck gewinnen, dass ich mit dem Feind paktiere, würde er versuchen, mich zu töten.«
»Wenn das so ist, stellt bereits meine Anwesenheit eine Bedrohung für Sie dar.«
»In gewisser Weise trifft dies zu.«
»Töten Sie mich! Dann wird niemand hier an Bord an Ihrer Identität zweifeln.«
»Es gibt keinen Grund, Sie zu töten«, wehrte Charis ab.
»Ich habe Sie in Gefahr gebracht.«
»Das geschah ohne Absicht. Selbst wenn es anders wäre. Ich habe mein Wort gegeben, Sie nach Cardassia zu bringen.«
»Zusammen mit einer Nachricht für Weyoun«, wagte Omet’iklan zu erinnern. »Bei allem Respekt, Gründerin, aber auf Cardassia wird ihn Ihre Botschaft nicht erreichen.«
Charis musterte den Jem’Hadar schweigend. Die Erfüllung seiner Bitte war gefährlich. Sie riskierte, alles zu verlieren, was sie sich so mühsam aufgebaut hatte. Andererseits war Weyoun nicht irgendein Vorta. Er war das Korn der Rebellion, das Charis im Dominion gesät hatte. Mehr als das. Hier und jetzt wurde die Formwandlerin sich erstmals bewusst, dass sie Weyoun mochte. Sie wäre bereit gewesen, ihn ohne zu zögern mit eigener Hand zu töten, wenn es dazu geführt hätte, dass das Dominion diesen Krieg verlor. Doch es widerstrebte ihr, den Vorta irgendwo dort draußen allein auf einer feindlichen Welt sterben zu lassen.
Weyoun nicht zu helfen, hieße im Ergebnis so zu handeln, wie die Gründerin, deren Haltung gegenüber den Solids von Charis abgelehnt wurde. Für die anderen Gründer mochte das Leben eines Vortas unwichtig und Weyouns Schicksal nicht weiter von Belang sein.
Jedoch nicht für sie.
»Es ist die Pflicht eines jeden Ersten, das Leben seines Vortas zu schützen. Allerdings bezweifle ich, ob ein anderer Erster an Ihrer Stelle so weit gegangen wäre, eine Gründerin an ihre Pflichten zu erinnern.« Charis lächelte. »Weyoun hat eine gute Wahl getroffen.«

***


Der Tropfen fiel auf Weyouns Stirn und rann langsam über das rechte Augenlid zur Wange. Von dort rollte er zu den trockenen Lippen des besinnungslosen Vortas und blieb an einem Mundwinkel hängen. Weitere Tropfen folgten dem ersten. Bis der in jedem Wesen tief verwurzelte Überlebensinstinkt reagierte und Weyouns Bewußtsein zurück an die Oberfläche holte.
Der Vorta wusste nicht, woher das Wasser kam, das ihm kühl und nass über das Gesicht lief. Stunde um Stunde war Weyoun durch die Sandwüste geirrt. Die Hoffnungen des Vortas, die Sonne dieser Welt würde irgendwann einmal untergehen und die Hitze des Tages der Frische der Nacht weichen, hatten sich nicht erfüllt. In der Eintönigkeit der Landschaft, die nur aus Sand bestand, hatte Weyoun bereits nach kurzer Zeit die Orientierung verloren. Der Vorta hatte sich nicht aufgegeben. Sein Körper hatte ihn im Stich gelassen.
Weyouns Erinnerungen endeten an einem Punkt irgendwo zwischen seinen zahllosen Schritten durch den glühend heißen Sand.
Es gab keine Erklärung für die Existenz des Wassers, von dem der Vorta so viel wie möglich mit seiner Zunge aufzufangen versuchte.
»Trinken Sie nicht so hastig. Sonst wird Ihnen am Ende noch schlecht.«
Beim Klang der dunklen Stimme riss Weyoun die Augen auf.
»Dukat!«
»Überraschung.« Der Cardassianer lachte leise.
Hinter Dukat erkannte der Vorta die Umrisse eines kleinen Shuttles.
»Was machen Sie hier?«
»Wie sieht es denn für Sie aus?«, antwortete Dukat mit einer Gegenfrage. »Ich sitze hier neben Ihnen und opfere einen Teil meines kostbaren Wasservorrates, um Sie selbstlos vor dem Verdursten zu bewahren. Im Hinblick auf Ihre Arroganz halte ich das für überaus großzügig. Bei genauer Betrachtung eigentlich sogar für zu großzügig.« Der Cardassianer zog die Flasche zurück, verschloss sie wieder und verstaute sie in einer kleinen Kühltasche.
Instinktiv wollte Weyoun sich in die Richtung der Tasche bewegen, in der sich das Wasser befand, nach dem jede Faser seines ausgedörrten Körpers lechzte. Dabei musste der Vorta feststellen, dass seine Handgelenke von etwas festgehalten wurden.
In einer Mischung aus Erstaunen und dunkler Vorahnung starrte Weyoun die metallenen Schellen an, mit denen er an zwei Stahlpflöcke gefesselt war, die links und rechts von ihm aus dem Boden ragten, und zwischen denen er kniete.
»Was hat das zu bedeuten?«
Dukat ignorierte die Frage. »Stellen Sie sich nur einmal meine Überraschung vor«, meinte er im Plauderton. »Da fange ich rein zufällig ein verschlüsseltes Notsignal aus dem Romulanischen Raum auf. Um wenig später zu erfahren, dass es von Ihnen stammt. Sie ahnen ja gar nicht, wie sehr ich befürchtet habe, Sie nicht mehr lebend vorzufinden. Es wäre doch wirklich zu schade gewesen, um diese wundervolle Möglichkeit sämtliche Missverständnisse zwischen uns klären zu können. Seien wir ehrlich, wann hatten wir beide in der Vergangenheit je die Gelegenheit zu einer offenen Aussprache? Oh, nicht etwa, dass ich Ihnen das vorwerfe. Es war schließlich nicht Ihre Schuld, dass Sie ständig von Jem’Hadar umgeben waren, die einer vernünftigen Unterhaltung im Wege standen. Das ist eben die Ordnung der Dinge. Aber hier«, Dukat machte eine allumfassende Geste, »wird uns niemand stören. Keine Gründer und keine Jem’Hadar. Sie und ich sind ganz allein.«
»Was immer Sie vorhaben, Dukat, es wird nicht funktionieren. Es wird nicht mehr lange dauern, bis ein Suchtrupp des Dominions auf dieser Welt eintrifft.«
»Sie irren sich«, widersprach der Cardassianer sanft. »Das Dominion hat nicht die Absicht, die Verhandlungen mit Prätor Maluk wegen eines einzelnen Vortas zu gefährden. Sie sollten anfangen, sich der Realität zu stellen. Niemand wird kommen, um Sie zu retten. Das Dominion interessiert sich nicht für Ihr Schicksal. Im Gegensatz zu mir.«
Weyoun verbarg seine Gefühle hinter einer ausdruckslosen Miene. Der Vorta wusste nicht, was ihn mehr erschreckte. Die Neuigkeit, dass Dukat über die Verhandlungen mit Maluk informiert war. Oder die Erkenntnis, dem Cardassianer wehrlos ausgeliefert zu sein.
»Diese Welt gefällt mir«, unterbrach Dukat den Gedankengang des Vortas. »Ich denke, ich werde meinen Aufenthalt hier sehr genießen. Zumal«, der Cardassianer lächelte, »Sie und ich endlich ausreichend Zeit für eine dringend erforderliche Lektion haben.« Dukats Lächeln vertiefte sich. »Eine Lektion in Demut.«
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