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Das Geschenk

von Nerys

Kapitel 1

Das Geschenk


Das Geräusch der sich am Strand brechenden Wellen und das Geschrei von Möven waren die ersten Dinge, die Joss hörte, wenn sie erwachte. Jeden Morgen. Mit geschlossenen Augen lauschte sie der Stimme des ihr so vertrauten Meeres. Sie genoss diesen Moment des Friedens, aus dem sie Kraft für den Tag zehrte, der vor ihr lag. Um sie herum knarrte das Holz des Schiffsrumpfes vertraut. Im Inneren des Wracks war es feucht, zugig und es stank nach Fisch, doch es war das einzige Zuhause, das sie hatte. Sie stellte sich gerne vor, wie stolz das Boot einstmals ausgesehen haben musste, auf See mit vom Wind geblähten Segeln. Verträumt lächelte sie in sich hinein. Ihr Wunsch war es, eines Tages zu erleben, dass die Fischer wieder aufs Meer hinaus fuhren, wie es hier in Musilla so lange Tradition gewesen war. Etwas bewegte sich neben ihr und sie schreckte je aus ihrer Traumwelt. Es war kein Krebs oder ein anderes Tier, die am Strand und zwischen den Felsen nach Nahrung suchten. Ein Paar hellblauer Augen blickte sie aufmerksam an.

„Guten Morgen“, sagte Atreias melodische Stimme. „Ich habe dich doch nicht geweckt?“

Verblüfft schüttelte Joss den Kopf. „Nein, aber was bei den Pah-Geistern tust du noch hier? Du müsstest längst wieder zu Hause sein, damit dein Vater nichts bemerkt!“

„Mir wird schon eine geeignete Ausrede einfallen, mach dir keine Sorgen. Weißt du welcher Tag heute ist?“ Die junge Frau lächelte breit.

Joss zuckte nur mit den Schultern. Nur zweimal im Jahr spielte das Datum überhaupt eine Rolle. Zum Dankbarkeits- und zum Neujahrsfest. Sie kam nicht umhin zu grinsen, als sie spürte, wie Atreias Finger mit einer Strähne ihres hellen Haares spielten.

„Es ist genau ein Jahr her, dass wir uns auf dem Markt getroffen haben, du erinnerst dich?“

„Du meinst, als ich dich auf der Flucht vor ein paar Soldaten beinahe über den Haufen gerannt hätte? Ja, das weiß ich noch genau. Du hast mir den Hals gerettet.“

„Ich konnte schließlich nicht zulassen, dass sie dich wegen einem gestohlenen Moba lynchen.“ Atreia richtete sich auf, um in einem Stoffbündel zu wühlen, das am Fußende der aus Decken auf dem Schiffsboden bestehenden Schlafstatt lag. Verstohlen beobachtete Joss sie dabei. Sie waren beide noch nackt, wie sie am Vorabend der Schlaf übermannt hatte. Das lange schwarze Haar floss über Atreias Schultern herab wie Mitternachtsregen. Ihre Haut wirkte im schwummrigen Licht dunkel. In Gedanken zeichnete Joss jede ihrer Rundungen nach.

„Extra für dich, damit du mir ja nicht wieder auf dumme Ideen kommst.“ Atreia präsentierte ihr grinsend zwei glänzende dunkelgrüne Früchte.

Überrascht riss Joss die Augen auf. „Frische Mobas!“

Rasch durchsuchte sie ihre verstreut herumliegenden Sachen nach dem kleinen klappbaren Messer, das sie stets bei sich zu tragen pflegte, um die Früchte aufzuschneiden. Diesmal war es Atreia, die dabei jeder ihrer Bewegungen folgte. Schließlich hatte sie eine der Früchte sauber zerteilt und reichte ihrer Freundin eine Hälfte. Genießerisch biss sie in ihr eigenes Moba-Stück. Der rote Saft rann ihr über die Lippen und die Hand. Auf der milchig weißen Haut sah er beinahe aus wie Blut. Das Fruchtfleisch schmeckte saftig und süß. Joss verzehrte es bis zum letzten Rest. Etwas so Köstliches hatte sie schon lange nicht mehr gegessen.

„Du bist ja ganz rot um den Mund“, stellte Atreia neckisch fest.

Weiche Lippen erstickten jedes Widerwort in einem unendlich zärtlichen Kuss. Joss spürte, wie ihre Freundin sie an sich zog. Es erregte sie, deren warmen nackten Körper so dicht an ihrem eigenen zu fühlen. Atreias sanfte Finger glitten über ihren Hals zum Nacken. Dann unterbrach sie den Kuss und sah ihr Gegenüber abwartend an. Verwundert blickte Joss an sich herunter. Um ihren Hals hing jetzt ein ledernes Band mit einem schwarzen tropfenförmigen Anhänger, in dessen Mitte ein rötlicher Stein eingefasst war.

„Womit habe ich denn das verdient?“

„Bei uns auf Cardassia ist es Tradition, jenen Tag zu feiern, auf dem alle weiteren aufbauen, wenn man jemanden liebt. Ganz gleich, ob es die erste Verabredung ist, oder die erste Unterhaltung. Man feiert den Moment, der alles verändert hat. Für mich ist es der, als du mich fast umgerannt hättest.“ Atreia lächelte sie an. „Ich liebe dich, Joss.“

Erneut versanken sie in einen langen innigen Kuss, der ihnen fast den Atem raubte. Sie ließ ihre Hände langsam über Atreias Rücken gleiten und zeichnete die schuppig verstärkte Wirbelsäule nach, was ihrer Freundin ein genießerisches Seufzen entlockte. Einem jähen Gedanken folgend, wich sie zurück, um die dunkelhaarige Frau anzusehen.

„Aber ich habe nichts für dich“, bemerkte sie enttäuscht.

Doch Atreia lachte silberhell. „Du hast mir das Wertvollste schon gegeben. Dich.“

Ein Grinsen huschte über Joss’ Gesicht, als ihr bajoranischer Ohrring zwischen den Fingern ihrer Freundin klimperte. Diesmal gab es keine weitere Unterbrechung. Sie wollte jede Erhebung der cardassianischen Haut Atreias erkunden. Und sie wollte ihr zeigen, wie sehr sie sie liebte. In dieser von Hunger und Gewalt geprägten Zeit war ehrliche tiefe Liebe tatsächlich das kostbarste Gut, das man besitzen konnte. Sie dankte den Propheten an jedem einzelnen Tag dafür.
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