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Wege

von Gabi

1

Auf den Straßen rund um den Marktplatz war es leicht zu vergessen, in welcher Situation sich Bajor befand. Das geschäftige Treiben und die lauten Rufe besaßen beinahe die Qualität von Fröhlichkeit. Hier und da war sogar der Ton eines Instrumentes zu hören. Nichts deutete auf die Armut und die Qualen hin, die nur wenig entfernt in den Lagern erduldet werden mussten. Die Angehörigen des Widerstandes konnten sich relativ frei in dieser Menge bewegen. Denn auch wenn ihre Aktionen und Namen bei den Cardassianern aufgelistet waren, so waren es nicht unbedingt die Gesichter. Es musste schon ein großer Zufall sein, wenn sie hier von einem Sympathisanten der Cardassianer erkannt wurden.
Kira verzog ihr Gesicht zu einem gehässigen Grinsen. Für sie waren all diese Leute, die sich in relativer Freiheit wähnten und daher die Besatzer gewähren ließen, Feiglinge und Verräter an ihrem Volk. Shakaar hatte ihr oft versucht zu erklären, dass es keinen Sinn hatte, wenn sie alles und jeden hasste, der sich nicht im aktiven Widerstand befand, aber sie ließ sich nicht von der Meinung abbringen, dass Bajor frei wäre, wenn all die schwerfälligen, wohlhabenden Bewohner der Städte sich endlich erheben würden. Sie bewunderte Shakaars Loyalität und akzeptierte ihn völlig als ihren Anführer, aber manchmal fragte sie sich, ob er hart genug war, wenn es wirklich darauf ankam. Er zeigte ihr an manchen Punkten zu viel Verständnis, an denen sie keines mehr aufbringen konnte.
„... und wir könnten es uns nicht leisten, uns so offen auf den Straßen zu bewegen, “ erklärte der blonde Mann gerade einen weiteren der sogenannten Vorteile.
Kira schnaubte lediglich als Antwort, was den Mann zu einem verhaltenen Lachen reizte. Er berührte die Schulter seiner Begleiterin und deutete mit dem Kinn zu einem Hauseingang hinüber.
„Komm mit, Nerys, wir haben noch ein wenig Zeit bis zum Treffen. Ich möchte dir zeigen, warum ich darüber froh bin, dass sich nicht jeder in den Bergen mit Waffen verschanzt hat.“
Er versicherte sich nach allen Richtungen, dass keine der patrouillierenden Cardassianertruppen sie beobachtete. Erst dann berührte er das Türsignal. Die Tür wurde nicht sofort geöffnet, stattdessen konnten sie ein gedämpftes, wenig gastfreundliches „Wer da?“ von innen hören. Die meisten Leute hatten es sich zur Angewohnheit gemacht, nicht mehr anstandslos ihre Wohnungen zu öffnen. Schlechte eigene Erfahrungen oder diejenigen von Bekannten hatten sie vorsichtig gemacht. Die wenigen Sekunden, die man hinauszögern konnte, waren manchmal entscheidend, um die eine oder andere Ware oder Person verschwinden zu lassen, die andernfalls eine unnötige Aufmerksamkeit der Besatzer auf sich gezogen hätte.
„Edon.“
Die Tür öffnete sich und die beiden Widerstandskämpfer traten ein. Im Inneren wurde Shakaar augenblicklich von einer Frau stürmisch begrüßt.
„Shakaar Edon! Es tut gut, dich wiederzusehen. Du warst lange nicht mehr hier.“ Sie hielt sich an seinen Schultern fest, während er sie einmal herum wirbelte.
Kira wartete geduldig, bis die Aufmerksamkeit sich ihr zuwandte. Sie fragte sich, in welchem Verhältnis diese Frau zu ihrem Anführer stand. Ob sie eine seiner zahlreichen Geliebten war? Ein Bajoraner, der nun in den Flur hinaustrat, machte diese Möglichkeit eher unwahrscheinlich.
„Edon! Lass sofort meine Frau runter, sonst gibt’s was auf die Finger!“
Shakaar setzte die Frau wieder auf dem Boden ab, um den Mann nun ebenfalls zu umarmen. Schließlich wandte sich die Bajoranerin zu Kira um. „Entschuldigen Sie, wo sind unsere Manieren? Ich bin Daren Vela. Mein Mann Taron und ich sind alte Freunde von Edon“, sie berührte Kira am Arm. „Kommen Sie, wir wollen nicht hier im Flur stehen bleiben.“ Kira spürte den interessierten Blick der Frau, als sie neben ihr zu einem der Zimmer ging. Sie zögerte stets, ihren eigenen Namen ohne weiteres preis zu geben, doch sie wollte nicht unhöflicher als nötig erscheinen. „Ich bin Kira Nerys.“
„Sie sind...?“
Kira wandte den Kopf und sah Daren Velas Blick, der zwischen ihr und Shakaar hin und her glitt. „Oh nein!“ Vehement schüttelte sie den Kopf, als sie verstand. „Ich bin nicht seine Geliebte!“
Hinter ihr lachte Shakaar laut auf. „Das kam jetzt aber etwas heftig. Ich sollte geknickt sein.“ Er beugte sich verschwörerisch zu Daren Vela. „Ich würde es nicht wagen, sie anzufassen, dazu ist mir mein Leben zu lieb.“
Kira wandte sich um, und schenkte ihm einen vernichtenden Blick. Shakaar war aufgeräumt wie selten. Er umarmte sie von hinten. „Nein, unser Verhältnis ist rein professionell. Nerys ist meine Stellvertreterin - und eine der besten, die ich mir vorstellen könnte - wenn ihr auch manchmal ein wenig Humor fehlt“, fügte er grinsend hinzu.
Kira boxte ihm in die Seite. „Du bist albern.“
Er zuckte mit den Schultern. „Dagegen kann ich wohl nichts sagen... Hallo mein Kleiner!“ Sie hatten nun das Zimmer betreten. Ein kleiner Junge saß auf dem Boden und spielte mit Modellraumschiffen - Kira registrierte mit leichter Verachtung, dass es sich um cardassianische Typen handelte. Bei Shakaars Ausruf hob der Junge den Kopf und sprang auf. Der große Mann drängte an Kira vorbei ins Zimmer, nahm den Kleinen, der mit einem begeisterten „Edon!“ auf ihn zu gerannt kam, in den Arm und wirbelte ihn durch die Luft.
„Hast du mich vermisst, Nikai?- Sag jetzt bloß nicht nein!“
Kira konnte ein kleines Lachen nicht unterdrücken. Dass Shakaar einen vielleicht sechsjährigen Freund besitzen könnte, hatte sie sich auch nicht vorgestellt. Sie hatte immer angenommen, ihr Anführer wäre nicht unbedingt der Typ, der mit Kindern gut umgehen konnte. Wenn sie ihn nun so sah, fragte sie sich, wie sie auf diese Idee gekommen war. Sowohl der kleine Junge als auch Shakaar waren voneinander so begeistert, dass sie ihre Umgebung fürs Erste vergaßen. Daren Vela bot Kira am Esstisch einen Stuhl an.
„Die beiden sind erst einmal beschäftigt. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Sie haben doch sicherlich Hunger oder zumindest Durst?“
Kira riss ihren Blick von Shakaar los, der sich nun zu Nikai auf den Boden gesetzt hatte und ihm das neue Spielzeug erklärte, welches er ihm mitgebracht hatte. Es war völlig verrückt, den von den Cardassianern wohl am meisten gesuchten Widerstandsführer so kindlich zu sehen. Sie war versucht, sich von der Heiterkeit anstecken zu lassen und zu lachen. Mit einem gutmütigen Kopfschütteln wandte sie ihre Aufmerksamkeit der Hausherrin zu.
„Wer ist dieser Kindskopf da auf dem Boden?“ fragte sie grinsend, und war im selben Augenblick überrascht über sich selbst. Die lockere Atmosphäre hatte sich unmerklich auch auf sie übertragen. Unter normalen Umständen hegte sie ein tiefsitzendes Misstrauen gegen jeden, der nicht zu ihrer Gruppe gehörte. Stattdessen lächelte sie nun der ihr fremden Frau zu und nahm deren Einladung zum Essen dankend an. Irgendwann gesellten sich auch Shakaar und der Junge zu ihnen an den Tisch. Nikai immer noch mit seinem neuen Schatz in den Händen, bei dem es sich wohl um eine Art Geduldsspiel handelte, wie Kira nun feststellen konnte. Augenblicklich gestaltete sich das Essen lebhafter. Die rothaarige Bajoranerin konnte gar nicht genug davon bekommen, ihren Freund und Anführer so lebendig zu sehen. Es war, als hätte die Gegenwart des Jungen einen Zauber über ihn gelegt, der die gesamte reale Welt für einen Moment ausschloss. Die sonst oft nachdenklichen Züge des großen Mannes lagen kontinuierlich in Lachfalten.
Schließlich befand Daren Vela aber doch, dass es für Nikai an der Zeit war, schlafen zu gehen. Shakaar ließ es sich nicht nehmen, den Jungen selbst zu Bett zu bringen.
„Ich komme dich bald wieder besuchen, versprochen.“ Er packte ihn gut in die Decke ein. Dann zwinkerte er ihm zu und deutete auf die im Türrahmen stehenden anderen Erwachsenen. „Und dass du mir ja gut auf deine Eltern aufpasst, bis ich wieder komme.“ Er beugte sich noch ein letztes Mal hinunter und küsste ihn. Nikai umarmte Shakaars Nacken mit fröhlichem Lachen, er wisperte sein Versprechen in das Ohr des Mannes.
Bald darauf verabschiedeten sich die Widerstandskämpfer auch von Daren Vela und ihrem Mann. Wieder auf der Straße fühlte sich Kira fast entspannt. Auch sie musste zugeben, dass sie die Unbeschwertheit dieses Besuches genossen hatte.
Shakaar sah sie erwartungsvoll an. „Und? Verstehst du nun, warum ich sehr glücklich bin, dass sich Bajor nicht streng in Kollaborateure und aktiven Widerstand geteilt hat? Irgendwo muss es eine kleine Zone des Scheinfriedens geben, in welcher unsere Kinder aufwachsen können.“ Er sah zum Himmel auf, an dem sich die ersten Sterne zu zeigen begannen. Sie mussten sich beeilen, um den Informanten noch rechtzeitig zu treffen. „Ich kämpfe sehr gerne für ein Dutzend dieser Bajoraner mit, wenn ich weiß, dass sie für unsere Kinder sorgen.“
Kira knuffte ihn freundschaftlich in die Seite. „Du hast ihn sehr gerne, diesen Nikai. Du hast fast geleuchtet in seiner Gegenwart.“
Er senkte den Blick wieder zu ihr. Mit einem wehmütigen Lächeln gestand er: „Er ist mein Sohn, Nerys. Natürlich liebe ich ihn.“
Sie blieb einen Moment stehen. Dann rannte sie ein paar Schritte, um den Mann wieder einzuholen, der nicht innegehalten hatte.
„Dein Sohn?“
„Ich wollte seine Mutter nicht schwängern... Irgendwie haben wir beide gedacht, der andere wird schon vorsichtig sein...“ Er schüttelte den Kopf. Die Fröhlichkeit war nun aus seinen Zügen verschwunden.
„Daren Vela...?“ fragte Kira vorsichtig.
Shakaar schüttelte abermals den Kopf. „Nein, sie ist bei der Geburt gestorben. Wir waren in den Bergen auf der Flucht - keiner von uns hatte die nötigen Kenntnisse... Der Widerstand ist kein Platz, um ein Kind zur Welt zu bringen...“
Kira hielt ihn sanft an der Hand fest, bis er stehenblieb. Dann umarmte sie ihn. „Ich erinnere mich daran. Ich wusste nicht, dass es von dir war… Es tut mir leid, Edon. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen, ich hatte keine Ahnung...“
Shakaar erwiderte ihre Zuneigung dankbar. „Es ist schon gut. Wir hatten es niemandem gesagt.“ Er zauberte ein kleines Lächeln für sie in seine Mundwinkel. „Niemand weiß davon außer dir jetzt. Ich habe Nikai zu den beiden gebracht, damit er eine Chance hat. Sie sind seit sechs Jahren seine Eltern und der Junge kennt mich nur als Onkel, der ihn besuchen kommt. Auf diese Weise hat er eine reelle Chance, die ich ihm niemals bieten könnte. Und er ist sicher vor den Cardassianern...“
Kira nickte verstehend. „Die Hunde würden ihn sofort gegen dich einsetzen, wenn sie das wüssten.“
Shakaar beendete das Gespräch über sein Privatleben, indem er mit der Hand auf einen der Stände wies, an dem wie auf dem Rest des Marktes die Waren für die Nacht zusammengepackt wurden. „Dort ist Ronanur.“
Ronanur Balen war einer der Informanten der Shakaar. Sie hatten dem Händler schon etliches an interessanten Neuigkeiten zu verdanken. Der kleine Mann schaffte es immer wieder, an Informationen aus den cardassianischen Reihen heranzukommen, die sonst niemand bekam. Den letzten Überfall auf einen Transporter, bei dem sie wertvolle neue Detonationskörper erbeuten konnten, hatten sie auch diesem Mann zu verdanken gehabt.
Shakaars Blick wurde von der Person neben Ronanur angezogen. Sie ließ ihn das zurückliegende Gespräch sehr schnell vergessen. Die Bajoranerin war groß und schlank. Ihr langes schwarzes Haar trug sie offen, es umrahmte ein elegant geschnittenes Gesicht, in welchem besonders die hellen Augen und die dunklen Augenbrauen die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Der Widerstandsanführer vergaß für einen Moment, dass es Kira war, die neben ihm ging. Er wandte ihr den Kopf zu, ohne den Blick von der Frau neben Ronanur zu lassen und zischte verschwörerisch durch die Zähne: „Nicht übel!“
Kira sah kopfschüttelnd zu ihm auf. „Sie hat zwei lange Beine und einen großen Busen - okay, und?“
Shakaar nahm nun doch seinen Blick von der dunkelhaarigen Bajoranerin. Überrascht blickte er seine Stellvertreterin an. Ein Grinsen huschte über seine Züge, als er sich überlegte, dass Kira wahrlich nicht die Richtige war, um Männerphantasien mit ihr auszutauschen. „Du hast keinen Sinn für Schönheit“, rügte er.
„Oh, entschuldige“, Kira hob in einer unschuldigen Geste die Hände. „Ich wusste nicht, dass das dort Schönheit ist...“
Er warf ihr einen strafenden Blick zu, dann waren sie vor dem Stand des Händlers angekommen. Die Frau, die Ronanur dabei geholfen hatte, seine Gefäße bruchsicher zu verpacken, sah auf. Kira glaubte zu erkennen, dass sich ihre Miene beim Anblick Shakaars kaum merklich veränderte, sie wurde härter, entschlossener. Auch Ronanur hatte nun die Besucher bemerkt. Mit einer erfreuten Geste schlug er Shakaar auf die Schulter - wozu sich der kleine Händler reichlich in die Höhe recken musste.
„Edon! Schön, dich wieder zu sehen. Nerys, ich hoffe, bei dir steht alles bestens“, erweiterte er sein Schulterklopfen auf die junge Frau.
„Uns geht es ausgezeichnet, danke“, versicherte Kira freundschaftlich, ließ aber ihren Blick dabei deutlich fragend auf der Dunkelhaarigen ruhen.
Ronanur folgte den Augen der rothaarigen Frau, es schien ihm erst jetzt wieder aufzugehen, dass er nicht alleine war. „Ja natürlich, wie unaufmerksam von mir.“ Er grinste seiner Begleiterin zu, bevor er sich mit einem verschwörerischen Zwinkern, welches Kira zutiefst missfiel, an Shakaar wandte. „Darf ich vorstellen, Pagan Sara. Sie wollte dich kennenlernen, Edon.“
Der große Widerstandsanführer hob in freudiger Überraschung die Augenbrauen - was Kira noch sehr viel mehr störte - und nickte ihr zu. „Und welchem Umstand verdanke ich diese Ehre?“ Zur Erleichterung seiner Stellvertreterin fügte er mit einem unmissverständlichen Funkeln an Ronanur gewandt hinzu. „... dass du herumerzählst, du würdest mich kennen?“
Der Händler hob abwehrend die Handflächen. „Ich bin verschwiegen, Edon, das weißt du. Doch sie kommt von der Bentarein aus der nördlichen Talmash-Ebene - die Details, die sie mir darüber berichten konnte, haben mich davon überzeugt, dass sie uns nicht etwas vormachen wollte. Sie musste wegen eines Zwischenfalls, bei dem sie von den dortigen Truppen erkannt wurde, für einige Zeit aus der Umgebung fort...“
„Und es liegt mir nicht, untätig herumzusitzen, bis Gras über die Angelegenheit gewachsen ist“, übernahm die dunkelhaarige Frau. „Es ist bekannt, dass die Shakaar hier in Dahkur das Kommando hat.“ Sie neigte ihren Kopf ein ganz kleines wenig. „Ich würde mich geehrt fühlen, wenn ich mich als nützlich erweisen könnte.“ Sie hatte den Kopf wieder gehoben und blickte Shakaar fest und ein wenig herausfordernd in die Augen. „Ich bin gut.“
Er betrachtete sie mit einem Stirnrunzeln. Es war nicht zu leugnen, dass sie ihm von ihrer Art und besonders ihrem Aussehen imponierte. Er fühlte sich von ihr angezogen. Aber er hatte es immer vermieden, seine Leidenschaft für Frauen Entscheidungen für die Gruppe treffen zu lassen. „Ich kenne die Bentarein“, bemerkte er. „Es ist ein sehr weiter Weg bis hierher.“
Sie hielt seiner Musterung stand. „Es war das Sicherste, eine möglichst große Strecke zwischen mich und die Gruppe zu bekommen, damit die Cardassianer nicht auf deren Fährte gelockt wurden.“
„Aber auf unsere...“
Pagan winkte ab. „Sie haben die Spur schon längst verloren. Doch ich möchte nicht sofort zurückkehren.“ Für einen Sekundenbruchteil verschwand die Mimik der starken Einzelgängerin und machte einem fast mädchenhaften Ausdruck Platz, der jedoch sogleich wieder ersetzt wurde, als sie neutral erklärte: „Ich wollte die Shakaar kennenlernen.“
Kira warf einen Seitenblick auf ihren Anführer und stöhnte innerlich auf. Ihm wie ihr war die kurzzeitige Veränderung im Gesicht der Bajoranerin nicht entgangen. Damit hatte die Fremde ihn natürlich. Kira kannte ihren Freund gut genug, um sich der Wirkung eines solchen Blickes auf ihn bewusst zu sein. Und sie verdächtigte die andere Frau, dies ebenfalls zu ahnen.
Shakaar blieb äußerlich unbewegt, doch innerlich hatte er schon seine Entscheidung gefällt. Ihn interessierte die Frau zu sehr, als dass er sie hätte einfach so abweisen wollen. Und wenn Ronanur davon überzeugt war, dass sie die Wahrheit sprach, dann sollte er seinem langjährigen Freund und Informanten vertrauen. Er wandte seinen Blick Kira zu, um in deren Gesicht eine Meinung zu lesen.
Sie schenkte ihm einen „Es ist deine Entscheidung“-Blick, der aber einen deutlichen Untertitel trug: „Ich würde es nicht tun.“
Shakaar klopfte ihr gutmütig auf die Schulter, bevor er seine Worte an Pagan richtete: „In Ordnung, Ronanur ist ein guter Beobachter - du kannst mitkommen. Aber hier gelten unsere Regeln, verstanden?“
„Verstanden.“ Pagan Sara bückte sich nach dem Bündel Habseligkeiten, die sie bei sich hatte, und schloss sich dann den beiden anderen Bajoranern an.

Kira saß auf dem vorspringenden Ast, auf den sie sich gerne zurückzog, wenn sie ihre Messer schliff. Es war ein mächtiger Baum. Wenn sie den Rücken an seinen Stamm lehnte, fühlte sie sich geborgen und in Sicherheit. Und ihr Sitzplatz war der Abendsonne entgegen gereckt, was sie einerseits angenehm wärmte, und auf der anderen Seite liebte Kira die Lichteffekte, welche die schrägen Strahlen auf dem polierten und geschliffenen Metall hervorriefen. Es war nur reiner Zufall, dass der Ast außerdem noch über den Rand eines kleinen Talausschnittes hinausragte, in welchem sich das Wasser eines Wasserfalls vor dem Ablauf in einen schmalen Bach als See sammelte. Ebenfalls nur zufällig war Kira auf ihrem Sitzplatz von unten nicht zu sehen, hatte aber selbst eine ausgezeichnete Sicht. Was dem dritten Zufall, dass der See manchen ihrer Kollegen - vor allem ihrem Anführer - zum Baden diente, zugutekam.
Die junge Bajoranerin hatte nicht das Gefühl, in die Privatsphäre der anderen einzudringen. Es ließ sich bei der Enge, in welcher sie manchmal leben mussten, ohnehin nicht verhindern, dass man den einen oder anderen ohne Kleidung sah. Aber es waren immer leicht beschämte Bewegungen, ein hastiges Umziehen, ein rasches zur-Wand-Drehen. Hier am See waren sie freier - es ahnte ja niemand, dass Kira ihren Beobachtungsposten dort oben eingerichtet hatte - und sie mochte die Selbstverständlichkeit, mit welcher ihre Gefährten sich hier gaben.
Wenn die Bajoranerin sich selbst als Voyeuristin gesehen hätte, wäre sie augenblicklich von ihrem Posten verschwunden. Sie mochte keine Heimlichkeit und Unehrlichkeit. Nein, sie sah sich eher als Wächterin, denn wenn Gefahr drohen sollte, dann würde sie das von ihrem Platz aus früh erkennen können. Heute Abend saß sie hier, weil sie sich sicher war, dass Shakaar auftauchen würde, und ein kleiner eifersüchtiger Teil von ihr befürchtete, dass auch Pagan Sara sich einstellte. Sie traute ihr nicht und sie wollte auf keinen Fall, dass ihr Anführer der Frau alleine ausgeliefert war.
Die Bajoranerin befand sich nun schon seit zwei Monaten in ihrer Gruppe und für Kira waren es zwei Monate zu viel. Die dunkelhaarige Frau legte eine natürliche Arroganz an den Tag, die sie immer wieder mit Kira aneinandergeraten ließ. Pagan hatte es sich auch nicht nehmen lassen, sich das eine oder andere Mal mit Shakaar anzulegen, wenn es um Kompetenzfragen ging. Jedoch überspannte sie den Bogen nicht. Was Frauen anging legte der Anführer eine beträchtliche Geduld an den Tag - Kira musste sich eingestehen, dass ihr selbst diese Eigenschaft Shakaars des Öfteren zum Vorteil gereicht hatte. Doch ein besonderer Dorn im Auge war ihr das Interesse, welches Pagan Sara vor allem auch durch ihre Art bei dem Mann weckte. Sie schien mit vollster Absicht Shakaars Jagdinstinkt herauszufordern. In der Gruppe wurde schon darüber getuschelt, wie lange es noch dauern würde, bis Shakaars Interesse eindeutig sexuell wurde - und ob Pagan dies zuließe. Wie es Kiras Freundin Lupaza ähnlich sah, hatte diese schon begonnen, Wetten darauf anzunehmen.
Leider hatte sich Pagan Sara bei den bisherigen Einsätzen geschickt angestellt, so dass Kira auch das Vergnügen genommen war, wenigstens hier eine Kerbe gegen die arrogante Frau zu schlagen. Im Augenblick konnte sie nur hoffen, dass die Dunkelhaarige recht bald in ihre Heimatprovinz zurückkehren würde.
Mit diesen Gedanken beschäftigt brauchte Kira nicht lange zu warten, bis sie den großen Bajoraner auf dem Weg, der neben dem Wasserfall hinunter führte, sah. Er hatte eine kleine Decke, die er als Handtuch benutzte, über die Schulter geworfen und schien sich in bester Laune zu befinden. Bevor er die Decke auf einen Stein in die Sonne legte, ließ er seinen Blick prüfend über den Rand des Einschnittes gleiten. Wie erwartet bemerkte er Kira nicht auf ihrem Platz, sondern machte sich mit einem zufriedenen Nicken daran, seine Kleidung abzulegen.
Die Bajoranerin schob ihre Messer ein wenig beiseite, um sich bäuchlings auf den Ast zu legen. Ein kleines Grinsen huschte über ihr Gesicht. Sie verspürte keine Leidenschaft oder etwas Ähnliches für Shakaar, dafür kannten sie sich schon viel zu gut und zu lange. Er war eher wie ein Bruder für sie - aber ein Bruder, an dem sie sehr hing und dessen Aufmerksamkeit für sie unendlich wichtig war. Auch ohne sich zu wünschen, seine Geliebte zu sein, konnte sie problemlos Eifersucht auf andere empfinden, die das zu gewissen Zeiten waren. Ganz besonders, wenn es sich um Frauen handelte, die sie nicht ausstehen konnte - und davon gab es bei Kiras Temperament nicht wenige.
Aber sie genoss es immer wieder, seinen trainierten Körper zu betrachten. Sie schob das auf das Erbe ihrer künstlerischen Mutter: Ästhetik ging nicht unbeachtet an ihr vorüber.
Shakaar dehnte sich gerade ein wenig, bevor er mit zwei langen Schritten Anlauf nahm und an einer Stelle in den See köpfte, an welcher das Ufer steil abfiel. Als er wieder an die Oberfläche kam, konnte Kira sehen, wie er sich aufgrund der Kälte schüttelte, aber nach ein paar kräftigen Zügen schien er sich an die Temperatur gewöhnt zu haben. Er begann seine abendlichen Runden zu kraulen, um seine Muskeln von der Anspannung des Tages zu lockern. Kira spielte kurzzeitig mit dem Gedanken, ihren Platz zu verlassen und sich ihm anzuschließen. Doch sie verwarf diese Idee im nächsten Moment wieder. Eine Bewegung am Rand ihres Blickfeldes lenkte Kiras Aufmerksamkeit von dem Mann ab. Wie sie befürchtet hatte, erschien Pagan Sara nun ebenfalls am See. Wussten die Propheten, wie sie das wieder herausbekommen hatte. Augenblicklich spürte Kira ein unangenehmes Gefühl in ihrem Magen, und sie wünschte sich innigst, die andere Frau würde irgendetwas Dummes anstellen, damit ihr eifersüchtiges Misstrauen gerechtfertigt wurde. Doch ein anderer Teil von ihr argwöhnte, dass sie diese Genugtuung nicht erhalten würde.
Shakaar hatte die große Frau ebenfalls bemerkt. Er hatte sein Kraulen eingestellt und bewegte mit den Armen das Wasser nur soweit, dass er auf der Stelle blieb. Sein Blick war aufmerksam - Kira hätte ihn fast als lauernd bezeichnet - auf das Ufer gerichtet. Pagan nahm die unausgesprochene Kampfansage an, indem sie betont langsam begann, ihre Kleidung abzulegen. Es war für Kira nur zu deutlich, wo das enden musste. Die dunkelhaarige Frau reizte den Anführer so sehr, dass dieser das Feld nicht mehr ohne einen Sieg räumen würde. Kira ahnte, dass es der Frau zu gut bewusst war und sie damit spielte, dem Mann zu zeigen, was er nicht von ihr haben konnte. Heute würde Lupaza ihre Wetten wahrscheinlich einlösen können. Unbewusst zog sich die junge Bajoranerin ein wenig weiter auf dem Ast vor. Sie hatte das Gefühl, den Beginn eines Wettkampfes zu verfolgen und sie war eindeutig auf Shakaars Seite.
Pagan stand nun ebenfalls völlig nackt im Abendsonnenlicht. Ihre dunklen Haare hatte sie geöffnet, so dass sie ihr wie eine seidige Woge über die Schulter fielen. Ihre Figur glich einem weiblichen Pendant von Shakaars elastischem Körper. Konnten die Propheten nicht einfach einen Blitz schicken, der sie auf der Stelle traf? Doch ungetroffen von irgendwelchen Naturgewalten, sprang die Frau ebenfalls ins Wasser. Sie kam kurz vor Shakaar wieder hoch und begann nun ihrerseits, sich an der Oberfläche zu halten. Kira konnte nicht verstehen, was sie sprachen, aber sie konnte an den Blicken sehen, dass hier zwei Platzhirsche aufeinandergetroffen waren. Wo beide enden würden, war überhaupt keine Frage, es ging nur darum, wer oben blieb.
Der Kampf war kurz und schmerzlos. Sie hatte sich in ihrem Wasserringkampf länger gehalten, als Kira das vermutet hätte, aber schließlich hatte Shakaar sie an die flach abfallende Seite des Ufers getrieben. Außerhalb des Wassers überwog die schiere körperliche Stärke des Mannes.
Kira beobachtete die Angelegenheit mit Missfallen. Sie hatte den deutlichen Eindruck, dass die Frau halb so sehr unter Shakaars Sieg litt, wie sie das hätte tun sollen. Sie machte viel mehr den Eindruck einer Raubkatze, die ihre Beute genau dorthin manövriert hatte, wo sie das wollte, ohne dass die Beute sich dessen auch nur einen Augenblick bewusst war. Männer konnten sehr kurzsichtig sein, wenn ihre Hormone das Kommando übernahmen. Diesmal genoss Kira nicht einmal den Anblick von Shakaars muskulösem Körper bei der Arbeit.

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