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Der Weg der Propheten

von Martina Bernsdorf

Kapitel 1

Die Dunkelheit kann nur siegen, wenn das Licht im Herzen erlischt. (Bajoranisches Sprichwort)

Der Wind trieb sein launisches Spiel mit dem hohen Gras der Halkanebene, erzeugte ein Rascheln und Rauschen, welches einen harmonischen Kontrapunkt zu den disharmonischen Klängen des Belaklavions setzte. Ein schriller Akkord ließ eine kleine Gruppe Tekeli aufgeschreckt aufsteigen, und Valris fand sich mitten in dem winzigen Sturm, den die Flügel der kleinen Insekten erzeugten. Unwirsch wedelte sie mit der Hand und vertrieb damit die farbenfrohen Flattergeister mit den schillernden, viergeteilten Flügeln.
Einer der Tekeli landete auf dem Belaklavion, schien die Fühler auf seinem Kopf missbilligend in ihre Richtung zu krümmen, peitschte mit seinem langen Schwanz gegen die Saiten des Instruments und erzeugte damit winzige Töne.
„Das klingt besser, als alles was ich hinbekomme!“ Valris betrachtete den Tekeli mit einem Lächeln, ihr Zorn war schon wieder verraucht, vielleicht war sie einfach nicht talentiert, egal was alle anderen auch sagen mochten.
D’jarra hin, D’jarra her, egal wie sehr sie es versuchte, sie schien nur Disharmonien erzeugen zu können. Valris stützte den Kopf in die Hand. „Weißt du, ich habe die Musik genau hier“, sie tippte auf ihre Stirn, der Tekeli schien lauschend den Kopf leicht zur Seite zu neigen, und Valris lachte erneut über das kleine Insekt. „Nur, was nützt es, in meinem Kopf die Musik zu hören, wenn ich sie nicht in meine Fingerspitzen fließen lassen kann?“
Der Tekeli zirpte leise, einer Antwort gleich. Valris hätte gerne gewusst, was der kleine Flattergeist ihr wohl erzählen wollte? Solange er nicht damit kam, dass alles nur eine Sache des Übens sei, alles nur gelernt werden musste. Oh ja, sie konnte spielen, die alten Lieder, die neuen Lieder, aber es war kein Feuer darin, kein Leben. Es waren nur Töne, ohne die Magie darin, die aus den Fingern ihres Vaters geflossen war.
Valris dachte an ihren Vater, die Grippeepidemie des letzten Winters hatte ihn dahingerafft, eigentlich war diese Krankheit nur gefährlich für die Alten und Kleinkinder, doch ihr Vater schien nur auf so einen Moment gewartet zu haben, auf den Moment, in dem er eine Möglichkeit sah, zu gehen. Er hatte nicht mehr auf dem Belaklavion gespielt, seit ihre Mutter gestorben war, er hatte sie auch nicht mehr unterrichtet, und vermutlich hatte er nur darauf gewartet, dass eine Krankheit kam, die er als Weg nehmen konnte, um ihr zu folgen.
Ihre Mutter, immer so wild wie der Wind, mit einer herrlichen Singstimme, einem aufbrausenden Temperament und einer Leidenschaft für die Rakana, die schnellen Pferde der Ebene. Und diese Leidenschaft hatte sie auch zurück zu den Propheten gerufen, ein Sturz wie so viele zuvor, doch diesmal war sie nicht wieder lachend auf die Beine gesprungen, sich den Staub vom Hosenboden klopfend, sondern war liegengeblieben, mit einem Lächeln auf den Lippen und nur ein paar Tropfen Blut an der Nase. Doch ihre Augen hatten nicht mehr in diese Welt gesehen.
Im Dorf bemitleidete man sie. Mutter und Vater in nur einem Jahr zu verlieren erschien manchen als eine allzu harte Prüfung der Propheten für eine Frau, die gerade alt genug war, um sich so nennen zu dürfen.
„Autsch“, ein kleiner Erdbrocken landete an ihrer Schulter, der Tekeli, der auf dem Belaklavion gesessen war, schwirrte erschreckt davon, und Valris sah sich finster um. Wo war die kleine Göre? Ein weiterer Dreckklumpen nahm seinen Weg in ihre Richtung, und Valris wich geschickt aus.
„Winn, du kleine Kröte, wenn ich dich erwische, werde ich dir den Hintern versohlen!“ Valris sprang auf die Beine und sah sich um. Wo war die kleine Pest? Im ganzen Dorf war dieses Kind als Plage bekannt, aber anscheinend war Valris ihr bevorzugtes Opfer, sie fragte sich, womit sie diese zweifelhafte Ehre verdient hatte. Vielleicht weil ihr Vater, Vedek Kailan, der das Dorf in geistlichen Dingen betreute, sich besonders um Valris sorgte.
Valris entdeckte einen rötlichen Haarschopf zwischen dem hohen Gras und grinste. Sie schlich sich leise um den flachen Erdhügel herum, hinter dem sich Winn versteckte, und packte das Mädchen.
„Lass mich los!“ Die empörte Stimme des Kindes hatte ein erstaunliches Volumen und war ungefähr so disharmonisch wie das, was Valris vorher auf ihrem Belaklavion erzeugt hatte. Valris dachte gar nicht daran, die kleine, sich windende Göre loszulassen. Sie wich den Tritten gegen ihre Schienbeine mit einiger Mühe aus und holte mit der Hand aus, um ihr einige Klapse auf den Hosenboden zu verpassen.
Für ihre sechs Jahre war Winn recht hochgewachsen und kräftig, so dass Valris Mühe hatte, das Kind soweit zu bändigen, um es zu bestrafen.
„Ich werde meinem Vater sagen, dass du mich geschlagen hast! Dann wirst du ins Kloster gesperrt und musst den ganzen Tag blöde Gebete sprechen, und dein Belaklavion nehmen sie dir auch weg. Du kannst ohnehin nicht spielen!“
Valris’ Hand klatschte auf den Hosenboden des Kindes. „Im Gegenteil, dein Vater wird dich ins Kloster sperren! Zur Strafe wirst du in der Bibliothek die Bücher abstauben müssen, und die fetten, dicken Spinnen, die dort hausen, musst du einsammeln!“
„Nein!“ Die grauen Augen des Kindes füllten sich mit Tränen, und Valris taten ihre Worte leid. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass der Gesang der Ebene verstummt war. Sonst hörte man hier das Zirpen der Tekeli, den Wind, der das Gras bewegte, hin und wieder die Schreie der Raubvögel, die Ebene hatte immer ihren eigenen Gesang gehabt, und dieser war nun verflogen. Valris fühlte eine Gänsehaut auf ihren Armen, sie merkte kaum, dass Winn ihr gegen das Schienbein trat, sie ließ das Kind los. Winn wischte sich trotzig die Tränen ab und starrte zu der jungen Frau auf, für die ihr Vater immer so viel Zeit hatte. Für sie hatte er nie Zeit! Und wenn, dann sprach er immer nur von den Propheten und dem Weg der Propheten, und dass sie eines Tages Vedek werden würde, und nichts erschien Winn schrecklicher, als in den alten Klöstern zu leben!
Doch trotz ihrer Wut merkte Winn nun, dass etwas nicht stimmte, es war so ruhig. Sie drehte sich um die eigene Achse, nirgendwo schien sich etwas zu rühren, keine Springer spielten im Gras, auch die Tekeli schienen verschwunden.
„Was passiert hier, Valris?“ Winns Stimme zitterte, es erschien ihr seltsam, nichts zu hören als ihre eigene Stimme. Der Boden unter ihren Füßen begann zu vibrieren, mit einem kleinen Aufschrei des Schreckens krallte sich Winn an Valris.
Valris umarmte Winn instinktiv schützend, Wind kam auf, aber kein Wind, wie Valris oder Winn ihn je erlebt hatten. Er peitschte hart und feindselig durch das Gras, zerrte an ihren Haaren und Kleidern. Die Sonne, die über die Ebene geherrscht hatte, schien sich zu verdunkeln, ein Schatten, zu groß, um eine Wolke zu sein, zog seinen Weg über die Ebene, gefolgt von weiteren Schatten.
Valris’ Herz schlug ein rasendes Stakkato vor Angst, und langsam hob sie die Augen zum Himmel, umtost von einem Sturm, der nicht auf Bajor geboren worden war, auf einem Boden, der unter der Macht, die den Himmel verfinsterte, zu erschauern schien.
Raumschiffe.
Valris erinnerte sich an einen Ausflug in die Stadt, damals hatte ihr Vater sie mitgenommen in das Raumfahrtmuseum, und sie hatte die eleganten Sonnengleiter gesehen, die dort ausgestellt waren. Sie waren anders gewesen als diese Raumschiffe, die den Himmel verfinsterten. Klein, elegant, fast so, als hätten die Ingenieure an Tekeli gedacht, als sie die Form entwarfen. Selbst die modernen, leistungsfähigen Raumschiffe, die man heute benutzte, waren noch immer elegant und in manchen Schwüngen nahezu filigran, so als hätte die Kunst ihre Inspiration in die Technik eingefügt.
Was den Himmel über Bajor nun einnahm, war nicht klein, war nicht elegant, sondern mächtig, groß, mit schroffen Strukturen und fremdartigen Schwüngen.
„Was ist das, Valris?“ Winns Stimme zitterte vor Furcht, und Valris konnte die Augen nicht von diesen Raumschiffen lösen.
„Fremde, Winn!“ Sie starrte weiter zum Himmel empor, so viele Schiffe, so viele Fremde, was führte sie nach Bajor? Es gab keine Handelsbeziehungen zu anderen Planeten, Bajor fand alles, was es brauchte, auf diesem Planeten, den ihnen die Propheten in ihrer Güte geschenkt hatten.
Die Raumschiffe beschleunigten, mit einem furchtbaren Krach durchbrachen sie die Schallmauer. Winn und Valris pressten die Hände auf die Ohren, doch selbst dann noch konnten sie den Donner hören. Es klang bedrohlich. Wie ein Zeichen der Propheten schien der Donner anzukündigen, dass ein Gewitter über Bajor aufzog.
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