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Durch meine Finger rinnt die Zeit

von Nerys

Kapitel 1

Durch meine Finger rinnt die Zeit


Der große Druadan-Baum stand in leuchtend gelber Blüte. Selbst hier in den Bergen hatte der Frühling letztendlich Einzug gehalten und mit diesen ersten milden Tagen kehrte das Leben in die Widerstandskämpfer zurück. Shakaar hasste den Winter, weil Kälte und Schnee die an seiner Seite kämpfenden Bajoraner, die Entbehrungen gewöhnt waren, jedes Jahr wieder auf eine harte Probe stellte. Er dankte den Propheten dafür, dass diesmal niemand erfroren oder verhungert war. Eine leichte Brise fuhr durch das Blattwerk um ihn herum, das sanft rauschte, und trug ihm den wohltuenden Blütenduft des Druadan zu. Gierig sog er die frische klare Luft ein, die noch nach dem Regen der vergangenen Nacht roch. Warme Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die Krone des Baumes und kitzelten seine Nasenspitze. Von seinem verborgenen Sitzplatz in einer breiten Astgabel konnte er durch eine Lücke im Blattwerk weit über das Land sehen. Der mächtige alte Druadan überragte die anderen Bäume in der Umgebung deutlich. Momente wie diese halfen Shakaar neue Kraft für die Kämpfe zu sammeln, die noch vor ihm und seiner Gruppe lagen. Der Vogel, der unermüdlich auf dem Nachbarbaum gesungen hatte, verstummte, als leise Stimmen hörbar wurden. Auch ohne sie zu sehen, wusste Edon, dass Lupaza und Nerys dem schmalen Pfad durch das Waldstück folgten. Ein leichtes Lächeln fand den Weg auf sein Gesicht, als die beiden Frauen schließlich auf der anderen Seite zwischen den Bäumen hervor und in seine Sichtweite kamen. Der klare Gebirgsbach bildete an dieser Stelle ein Becken, das tief und breit genug war, dass ein Erwachsener ganz darin einzutauchen vermochte. Freilich war das Wasser um diese Jahreszeit noch eiskalt, doch auch ihn hatte das vorhin nicht davon abgehalten, ein rasches Bad zu nehmen.

Die resolute Bajoranerin mit den wilden roten Locken ging in die Knie, um ihre Hand in den Bach zu tauchen. Ein Flusskrebs, der sich zwischen einigen Steinen niedergelassen hatte, suchte eilig das Weite, woraufhin es in Lupazas grauen Augen diebisch aufblitzte. „Den erwische ich schon noch ein anderes Mal für den Kochtopf.“

„Du denkst auch nur ans Essen“, kommentierte Nerys mit einem leichten Grinsen.

Shakaar richtete sich ein wenig in seiner Astgabel auf. Er hatte das junge Mädchen schon viel zu lange nicht mehr lächeln sehen. Dabei sah Nerys so hübsch aus, wenn sie es doch tat. Die beiden Frauen hatten damit begonnen, sich zu entkleiden, was ihn keineswegs dazu veranlasste, den Blick zu senken. So etwas wie Scham gab es nicht, wenn man in beengten Höhlen Seite an Seite überleben musste. Lupazas weibliche Rundungen waren ihm außerdem nicht fremd. Seine Aufmerksamkeit galt jedoch mehr ihrer Begleiterin. Er begann sich zu fragen, wann es eigentlich geschehen war. Wann war das magere dreizehnjährige Mädchen, das sich damals seiner Zelle angeschlossen hatte, zur Frau herangewachsen? Bis vor nicht allzu langer Zeit hatte er in ihr noch das Kind gesehen, das wie eine kleine Schwester für ihn war. Sein Blick blieb auf ihrem Körper ruhen, der immer noch so dünn war, dass sich unterhalb der kleinen festen Brüste die Rippen durch die im Sonnenlicht hell schimmernde Haut abzeichneten. Nichts deutete mehr darauf hin, dass sie erst vor Kurzem ein Baby geboren hatte. Seit sie ohne das Kleine zur Zelle zurückgekehrt war, taten ihm seine harten Worte über ihre Nachlässigkeit furchtbar leid. Es war schließlich keine Sünde, sich das erste Mal Hals über Kopf zu verlieben, wenn man so jung war. Zu gerne hätte er gewusst, wer der Bursche war, dem sie ihre Unschuld geschenkt hatte. Er verspürte einen eifersüchtigen Stich in der Brust, obwohl ihm sein Verstand sagte, dass er nicht auf diese Weise empfinden durfte. Sie war siebzehn, noch keine erwachsene Frau, auch wenn das Kind in ihren nachtdunklen Augen längst verschwunden war. Für immer.

„Ahh kalt! Eiskalt!“, keuchte Lupaza, während sie eilig wieder ins Trockene flüchtete und sich eine schäbige Decke als Badetuch überwarf. „Bleib nicht zu lange da drinnen, Mädel, du wirst dir sonst noch den Tod holen.“

Nerys, die immer noch bis zum Kinn im Wasser verharrte, blickte irritiert auf. Sie entschied sich, dem Rat der Freundin zu folgen, und watete langsam zurück ans Ufer. Der im Druadan hockende Bajoraner schnappte nach Luft bei dem Anblick, der sich ihm nun bot. Die an ihrer milchig hellen Haut herabperlenden Wassertropfen funkelten im Sonnenlicht wie winzige Kristalle. Vor seinem inneren Auge begann sich ein Tagtraum abzuspielen, in dem seine Hände diesen Körper zärtlich erforschten. Eine angenehme Wärme durchwanderte seinen Körper. Er ertappte sich dabei, es beinahe zu bedauern, nicht dieser erste Mann gewesen zu sein, der sie berühren durfte. Als vermochte sie seine Blicke zu spüren, hob Nerys misstrauisch den Kopf in Richtung der Baumkrone, woraufhin sich Shakaar reflexartig ein wenig in seiner Astgabel duckte.

„Was hast du?“ Die ältere Bajoranerin folgte ihrem Blick interessiert, ohne dort jedoch etwas Verdächtiges zu entdecken.

Kira zuckte kaum merklich mit den Schultern. „Ich hatte eben das Gefühl beobachtet zu werden. Nichts als Einbildung, außer uns ist niemand hier.“ Sie sah ihre Freundin betrübt an. „Ich will nicht mehr! Es ist Monate her, aber immer noch überkommt mich die Angst bei jeder flüchtigen Bewegung und jedem unbekannten Geräusch. Es war wohl nur ein Vogel in dem Baum. Kann ich nicht einfach vergessen?“

„Manche Dinge kann man nicht vergessen, Nerys. Man kann sie für eine Zeit lang verdrängen, vielleicht sogar über Jahre, aber am Ende holen sie einen wieder ein.“ Lupaza ergriff behutsam die Hände der jüngeren Frau, die sich eiskalt anfühlten und zitterten. Nicht wegen des Wassers. „Du musst lernen damit zu leben.“

„Ich weiß nicht wie…“ Ihre Stimme war so leise, dass sie im Wind verklang, der sanft durch das Blattwerk der umstehenden Bäume strich.

Shakaar fühlte sich äußerst unbehaglich dabei, diese vertraulichen Worte zu hören. Das war etwas ganz anderes, als nur den Anblick eines schönen Körpers zu genießen. Die beiden Frauen trockneten sich nun stillschweigend ab und zogen sich wieder an. Es tat ihm weh, Nerys so unglücklich zu sehen. Ihr Baby musste gestorben sein, das war der Grund ihrer überraschenden Rückkehr und ihres stillen Kummers. Nein, sie sollte nicht zu einer weiteren seiner vielen Bettgeschichten werden. Seine Lebensphilosophie, die so etwas wie Liebe oder Bindung nicht vorsah, war nicht gut für sie. Alles was er zu geben vermochte, war das Vergnügen einer Nacht, doch sie verdiente so viel mehr. Sie verdiente es, geliebt zu werden. Nachdenklich lehnte er sich in seiner Astgabel im Druadan zurück, als Lupaza und Kira langsamen Schritts das Flussufer verließen. Auf dem Weg, der sie zurück zum Versteck der Zelle brachte, gerieten sie rausch außer Sicht zwischen den Bäumen. Edon hatte schon vor langer Zeit seine eigene Wahl getroffen. Er hatte sich entschieden, allein zu sein. Für immer.
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