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Abriachan Teil I - Am Scheideweg

von Gabi

Kapitel 1

Anmerkung: diese Geschichte spielt in einer Post-TV-DS9-Zeit. Ich ignoriere dabei irgendwelche offiziellen Buch-Fortführungen der Serie. In meiner DS9-Version hat Commander Erika Benteen den Posten des 1. Offiziers inne und Lieutenant Nog denjenigen des Sicherheitschefs.



„... nothing has to be true for ever.
Just for long enough to tell you the truth.“


(Terry Pratchett – The Truth)




Erika Benteen, Erster Offizier der Raumstation Deep Space Nine, ließ sich in den Sessel fallen. Sie war den gesamten Weg von ihrem Quartier bis zur OPS zu Fuß gegangen, hatte alle Turbolifte links liegen lassen und stattdessen die mühsamen Leitern von Sektion zu Sektion verwendet. Sehr viel besser fühlte sie sich dadurch jedoch auch nicht.

Seit sie auf diesen Posten versetzt worden war, strafversetzt, wie sie sich sicher war, hatte sie nichts mehr von ihrer Liebhaberin gehört. Bis sie heute Morgen eine fröhliche Subraumnachricht von ihr auf dem Terminal vorgefunden hatte, worin diese ihr erklärte, dass sie ein neues Leben begonnen und eine neue Partnerin gefunden habe.

Natürlich, sie waren übereingekommen, dass keine von beiden an ihre Beziehung gebunden war. Benteen war vom Sternenflottenkommando nach Ende des dominischen Krieges auf diese Raumstation im bajoranischen Sektor versetzt worden. Ein Schiff oder gar ein eigenes Kommando waren seit ihrer Teilnahme am Putschversuch Admiral Laytons in unerreichbare Ferne gerückt. Diese Station war so weit von der Erde entfernt, dass eine Fernbeziehung sinnlos war, und Minja hatte sich geweigert, sie hierher zu begleiten – was Benteen ihr nicht verübeln konnte.

Sie hatten sich ohne Treuegelöbnisse verabschiedet, dennoch hätte die Commander nicht erwartet, dass Minja so rasch einen Ersatz finden würde. Benteen hielt nicht viel von Männern, doch Frauen schienen keinen Deut besser zu sein. Immer mehr gelangte sie zu der Ansicht, dass Gefühle etwas für andere waren. Bisher hatte ihr weder Loyalität noch Liebe etwas anderes als Enttäuschung gebracht.

Sie drehte ihren Sessel zur Tür, an der sich nun eine Gestalt näherte. ... Und dass sie hier auf dieser Station festsaß, hob ihre Stimmung nicht im Geringsten.

Kira Nerys betrat ihr Büro. „Guten Morgen, Commander.“

„Guten Morgen, Colonel.“ Benteen legte das Padd mit den Personaldateien vor sich auf den Tisch. Ihre Vorgesetzte war nicht einmal eine Sternenflottenoffizierin. Zwar hatte sie mit der Zeit ihre anfängliche Abneigung gegen die Bajoranerin in etwas Ähnliches wie Respekt verwandelt, doch es fiel ihr schwer, ihr dieselbe Loyalität entgegenzubringen, wie sie das einem Captain der Sternenflotte gegenüber gekonnte hätte. Colonel Kira stand zwischen ihrem Planeten Bajor, dessen Militär sie angehörte, und der Sternenflotte, unter deren Aufsicht sie diese Station befehligte. Und Commander Benteen stand zwischen der Sternenflotte und Colonel Kira. Ihre Aufgabe war es, immer und immer wieder darauf zu achten, dass die Bajoranerin nicht vergaß, nach welchen Regeln in der Föderation gespielt wurde. Wobei sie sich sicher war, dass die Admiralität sie, Benteen, intensiv beobachtete, ob sie sich einen erneuten Fehler leistete.

An manchen Tagen schien es, als ob die Colonel und die Commander ihre Arbeit gegenseitig behinderten, anstatt sich zu helfen.

Heute jedoch versprach ein ereignisloser Tag zu werden.

Benteen schob Kira die Aufzeichnungen hinüber. „Wir haben vier Akademie-Abgänger für ein halbes Jahr zugewiesen bekommen. Es ist für alle die erste Stelle, auf der sie Erfahrung sammeln sollen.“

Die Bajoranerin nickte. Sie überflog die Namen, prägte sich jedoch keinen davon ein. Auf einer so großen Station wie DS9 würde sie schwerlich mit den jüngsten der Sternenflottenoffiziere näher zu tun haben.

* * *



In der Passagierkontrolle der Andockschleuse am oberen Pylonen 2 betrachtete Daviot Mondal die Kontrollen vor ihm. Lieutenant Tugwandé, die diensthabende Offizierin, beugte sich zu ihm hinüber. „Das hier bedeutet, dass eine Andockerlaubnis von der OPS übermittelt wird.“

Der junge, dunkelhaarige Betazoid hatte das aufblinkende Signal bereits bemerkt. „Ja, Sir, ich kenne die Schematik aus den Vorlesungen.“

„Gut.“ Die dunkelhäutige Terranerin nickte. Diese Geste brachte nicht die geringste Bewegung in ihr kurzgeschnittenes, krauses Haar. „Wie wird weiter vorgegangen, Fähnrich?“

Mondal berührte eines der in einer Linie angeordneten Sensorfelder. „Ich rufe die Transporterdaten auf, die hoffentlich von dem Schiff übermittelt werden.“

Ein weiteres Nicken.

Nach einer kurzen Pause erhellte sich das Display der Konsole und einige allgemeine Spezifikationen über den Schiffstyp erschienen, gefolgt von einer Passagierliste.

Mondal atmete unmerklich aus. In der Theorie wusste er über die Vorgänge an der Eingangskontrolle einer Raumstation Bescheid, doch es war immer etwas anderes, wenn man sich dann einer Vorgesetzten gegenüber sah und das Gelernte anwenden sollte. DS9 war die erste Stationierung des jungen Akademieabgängers, und gerade auf dieser eher unkonventionellen Station gab es für einen Sternenflottenangehörigen einiges zu lernen, was nicht in Vorlesungen behandelt wurde.

Passagierkontrollen gehörten zwar unbestritten zu den langweiligsten Posten, doch für seine ersten Tage war der Betazoid gar nicht enttäuscht darüber, eine wenig aufregende, dafür aber sehr gut erfüllbare Aufgabe zu erhalten.

„Gut.“ Während der Fähnrich die sich abspulenden Daten intensiv studierte, genügte Tugwandé ein knapper Blick, um die nötigen Einzelheiten zu erfassen. „Was machen Sie, wenn keine Daten übermittelt werden?“

Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, Lehrbuchwissen: „Ich verriegele die Durchgangsschleusen und gebe Meldung zur OPS.“

„Und wenn jemand versucht, mit Gewalt durch die Schleusen zu brechen?“

„Dann . . .“

Eine Handbewegung gebot ihm Einhalt. Die Schleusen öffneten sich und die ersten Passagiere betraten den Abfertigungsraum. „Wir machen nachher mit der Theorie weiter.“

Die übliche Prozedur für Neuankömmlinge auf DS9 bestand aus einem Abgleich mit der Namensliste, einem Retina-Scan und der Überprüfung auf Waffen. Letzteres versprach die meiste Abwechslung dieses Routine-Jobs. Tugwandé hatte aufgehört zu zählen, wie viele Auseinandersetzungen sie schon mit Leuten gehabt hatte, die aus diesem oder jenem Grund verdächtige Gegenstände nicht in Gewahrsam geben wollten – und sie hatte auch aufgehört zu zählen, wie oft Colonel Kira schon Sondergenehmigungen erlassen hatte, die das Tragen mancher Waffen dann doch wieder erlaubten. Vor allem Klingonen war nicht beizubringen, warum sie sich von dem einen oder anderen Messer trennen sollten.

Fähnrich Mondal bediente die Waffenüberprüfung, während Tugwandé das Display beobachtete, auf welchem der Vergleich des Retina-Scans angezeigt wurde, der oft lediglich das Wort „keine Daten gespeichert“ erbrachte. Auch hier schien heute nichts Aufregendes zu geschehen. Der Transporter kehrte von einem Routineflug von der wieder aufgebauten Kolonie Neu-Bajor im Gammaquadranten zurück.

Dann jedoch kam ein wenig Bewegung in den Strom der Passagiere. Unter den bajoranischen Geschäftsreisenden, besuchenden Familienangehörigen und Sternenflottenpersonal stach die Gruppe, die nun die Kontrolle betrat, augenblicklich hervor. Die Männer, drei an der Zahl, waren in schwarz gekleidet mit hohen Stiefeln und oberschenkellangen Umhängen. Schönheit lag bekanntlich im Auge des Betrachters, doch es gab eine Art von Attraktivität, die unabhängig von den beobachtenden Personen existierte. Die Männer besaßen nicht die gleichartigen, jedoch leblosen Züge, die sich nach dem einen oder anderen Schönheits- oder Modeideal richteten. Es waren Gesichter voller Leben, völlig unterschiedlich und doch alle von einer gleichen inneren Attraktivität erfüllt. Ein großer, dunkelblonder Mann führte die Gruppe an, sein Haar trug er im Nacken zusammengebunden, seine blauen Augen blickten sich interessiert im Raum um. Ihm folgte ein dunkelhaariger Mann im selben Alter – Mondal schätzte beide auf Anfang 40 – mit kurzgeschnittenem Bart und sanften, hellgrauen Augen. Vollendet wurde die Gruppe von einem schlanken jungen Mann, knapp über zwanzig, dessen langes silberblondes Haar und die runden, dunkelblauen Augen in einem scharfgeschnittenen Gesicht ihm etwas Unschuldiges verliehen.

Tugwandé bemerkte erst, dass sie die Gruppe anstarrte, als der Anführer an ihre Konsole trat und sie freundlich ansprach: „Wir sind nicht vertraut mit Euren Regeln. Welcher Prozedur sollen wir folgen?“

Der Mann neigte seinen Kopf leicht vor ihr, sein Zopf fiel ihm dabei über die Schulter.

„Entschuldigung, dass ich Sie angestarrt habe“, fand Tugwandé ihre Stimme wieder, und fügte etwas unbeholfen hinzu: „Jemanden wie Sie habe ich noch nie hier gesehen.“ Mit Gewalt brachte sie ihren Blick dazu, sich von dem Mann ab- und dem Display zuzuwenden.

„Ich weiß, was Sie meinen. Ich hatte ein ähnliches Gefühl, als ich vorhin Eure stattliche Erscheinung sah, wenn Ihr mir erlaubt, das zu sagen.“ In seiner Stimme lag kein Spott, sondern Bewunderung.

„Nennen Sie mir Ihren Namen und sehen Sie bitte dort hinein.“

„Admair von Rossa.“ Er berührte den Scanner.

Mondal betrachtete die Männer fasziniert. Er konnte sehen, dass seine Vorgesetzte ebenfalls beeindruckt war, sie betrachtete den perfekt trainierten Körper, während der Neuankömmling in den Scanner blickte. Es musste sich bei den Männern um ausgebildete Soldaten handeln. Einer nach dem anderen ließen sie den Retina-Scan über sich ergehen.

Die Überprüfung des letzten der Männer war abgeschlossen. Tugwandé nickte und gab einen Kommentar bezüglich der Neuankömmlinge auf ihrem Terminal ein.

„Was führt Sie nach Deep Space Nine?“

„Neugierde.“

Ihr Blick begegnete einem entwaffnenden Lächeln.

„Wir suchen Kontakt zu neuen Völkern und möglichen Handelspartnern.“

Geschäftsreisende gab sie als abschließende Anmerkung ein. Dann winkte sie die Gruppe zur Ausgangsschleuse und zwang ihre Aufmerksamkeit den nächsten Passagieren zu, froh aus dem Bann der verzaubernden Augen entlassen zu sein.

Ein alarmierendes „Sir!“ ließ sie jedoch wieder herumfahren. Mondal, den sie mitsamt der Waffenkontrolle völlig vergessen hatte, hatte sich vor die Schleuse gestellt. Der junge Betazoid wirkte recht verloren, wie er versuchte, den größeren Soldaten den Zugang zu versperren.

So sehr war sie vom Benehmen und den Gesichtern der Männer abgelenkt gewesen, dass ihr etwas Offensichtliches entgangen war . . .

Mit zwei großen Schritten war sie hinter ihrem Terminal hervor und bei der Gruppe.

„Halt! Mit diesen Schwertern können Sie nicht auf die Station!“

* * *


„Wo liegt das Problem?“ Colonel Kira Nerys betrat den kleinen Aufenthaltsraum, der an die Passagierkontrolle grenzte. Sonst nur von einer oder zwei Personen benutzt, waren jetzt alle Stühle besetzt. Mit einem Blick nahm sie die Szene in sich auf. An der hinteren Wand standen Lieutenant Tugwandé und ein junger, dunkelhaariger Fähnrich, der wahrscheinlich zu den Akademieabgängern gehörte, an dessen Namen sie sich aber nicht erinnern konnte. Die großen schwarzen Augen zeichneten ihn als Angehörigen von Betazed aus. An der linken Wand befand sich ein in schwarz gekleideter Mann, der wirkte, als hätte er dort Aufstellung genommen. Seine Augen ruhten aufmerksam auf der kleinen Gruppe am Tisch, die aus zwei weiteren schwarzgekleideten Männern, Lieutenant Nog und zweien seiner Sicherheitsleuten bestand. Auf dem Tisch zwischen den Parteien lag ein großes Schwert mit kunstvoll verziertem Griff, wie es zwei der drei Männer auf dem Rücken trugen.

„Colonel Kira Nerys, Kommandantin dieser Station“, stellte sie sich vor, und bevor jemand etwas erwidern konnte, fuhr sie fort: „Sagen Sie nichts: Sie wollen Ihre Waffen nicht abgeben, weil sie eine religiöse, zeremonielle oder sonstige Bedeutung besitzen.“

Ihre Stimme war die Stimme einer Frau, die zu oft dieselben Geschichten gehört hatte.

Der große blonde Mann, dem offensichtlich das auf dem Tisch liegende Schwert gehörte, erhob sich von seinem Stuhl. Die Verbeugung, die er nun zeigte, war um einiges tiefer als vorhin in der Passagierkontrolle. Er hielt den Kopf geneigt, während er sprach: „Kommandant Admair zu Euren Diensten, Colonel. Ich entbiete Euch Grüße von den Abgesandten von Abriachan, die morgen eintreffen werden. Meine Männer und ich sind vorausgereist, um sicherzustellen, dass alle Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, um den Aufenthalt der Abgesandten nicht zu gefährden. Wir können die uns zugedachte Aufgabe nicht ausführen, wenn wir waffenlos sind.“

Kira bedachte Nog mit einem irritierten Blick, doch dieser hob nur die Schultern und deutete eine von den Schwarzgekleideten abgewandte Grimasse an.

„Setzen Sie sich wieder.“ Die Bajoranerin nahm auf dem Stuhl Platz, den ihr ein Offizier freigemacht hatte. „Ich bin mir sicher, dass mein Sicherheitschef, Lieutenant Nog, Sie schon ausführlich darauf hingewiesen hat, dass diese Station über die modernsten Überwachungstechniken verfügt und über genügend geschultes Personal, so dass wir zu jeder Zeit für die Sicherheit der sich an Bord befindlichen Personen garantieren können.“ Mit einem Blick auf das Schwert fügte sie hinzu. „Nicht zu vergessen das Waffenverbot, welches ebenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil dazu beiträgt, dass es hier friedlich ist.“

„Sie können sicher sein, dass ich das getan habe, Sir“, ließ sich Nog vernehmen. „Und nicht nur einmal.“ In seiner Stimme schwang kaum unterdrückt verletzter Stolz mit.

Kira schenkte ihm ein Lächeln. Sie wusste, dass er einen schweren Stand hier auf der Station hatte. Seine kleine Körperstatur und seine Rasse machten es ihm trotz seines Sternenflottenrangs nicht einfach, von anderen immer akzeptiert zu werden. Dennoch – oder gerade deswegen – machte er seine Arbeit ausgezeichnet. Es war sehr schwer, in Odos Fußstapfen zu treten, doch Nog bemühte sich redlich.

Admair, der sich wieder gesetzt hatte, hob den Blick. Respektvoll entgegnete er: „Ich möchte in keiner Weise an der Effektivität Eurer Soldaten zweifeln, Colonel. Bitte verzeiht mir, wenn ich diesen Eindruck vermittelt habe. Jedoch bitte ich Euch zu bedenken, dass es uns unmöglich sein wird, unserer Aufgabe nachzukommen, wenn wir die Schwerter abgeben müssen. Auch wir haben eine Verantwortung übernommen, die wir nicht leichtfertig auf die Schultern anderer abwälzen wollen. Selbst wenn,“ und damit wandte er sich Nog zu, „die Schultern einem noch so fähigen Mann gehören.“

Der Ferengi ließ einen missfälligen Laut vernehmen.

„Ich kann verstehen, dass Sie sich von der Sicherheit der Station überzeugen wollen, wenn Sie noch nie hier waren. Das ist Ihr gutes Recht.“ Kira blickte zu Nog hinüber. „Lieutenant, wäre es möglich, Kommandant Admair und seinen Leuten eine Inspektion der Einrichtungen anzubieten, ohne damit die Sicherheit zu beeinträchtigen? Wenn sie sehen, wie gut unsere Station bewacht wird, hilft das sicherlich, ihr Misstrauen abzubauen.“

Nog überdachte die Frage kurz, dann nickte er. „Ja, ich denke, das ließe sich machen.“

„Nun?“ Kira wandte sich wieder dem Kommandanten zu. „Wären Sie damit einverstanden?“

„Ein großzügiges Angebot, das wir mit Freuden annehmen werden.“

Sie erhob sich mit einem erleichterten Seufzen. „Dann wäre das also geklärt. Lieutenant,“ sie winkte Tugwandé heran. „Sie können die Waffen jetzt in ...“

Admairs Hand berührte diejenige Kiras, die sich auf den Knauf des Schwertes gelegt hatte, um es der Lieutenant zu reichen. Es war eine warme, kraftvolle Berührung, welche die Bajoranerin zurückzucken ließ. Ihr Blick traf sich mit demjenigen des Mannes. Sie konnte darin deutlich das Unbehagen, ihr widersprechen zu müssen, lesen. Der Kommandant war hin und her gerissen zwischen dem Respekt, den er ihr ganz offensichtlich zollte, und der Aufgabe, derentwegen er auf die Station geschickt worden war.

„Ich kann nicht erlauben, dass uns die Waffen abgenommen werden.“

Kira ließ sich auf ihren Stuhl zurückfallen. Demonstrativ schlug sie sich auf den Kommunikator an ihrer Brust. „Kira an OPS. Commander Benteen? Es wird noch eine Weile dauern, bis ich meinen Dienst wieder aufnehmen kann. Wir scheinen hier unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten zu haben.“

Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Admair zu. „Und was schlagen Sie vor, das wir tun sollen, damit wir unsere Vorgaben nicht verletzen? Denn das können Sie ebenso wenig verlangen.“

Der bärtige Mann, der neben ihm saß, legte Admair die Hand auf die Schulter.

Der Kommandant blickte sich zu ihm um. „Elgin?“

„Vielleicht lässt sich Colonel Kira darauf ein, wenn nur du dein Schwert behältst und wir unsere abgeben. Dein Ehrenwort, niemandem damit Schaden zuzufügen, wird ihr sicherlich Pfand genug sein.“

Kira betrachtete den Sprecher misstrauisch. Sie war in einer ehrlosen Zeit aufgewachsen. Wann immer jemand mit Ehrenworten kam, fragte sie sich unwillkürlich, welches Leben die entsprechende Person wohl gelebt haben mochte. Sie hatte während ihrer Zeit auf DS9 gelernt, dass es Rassen gab, denen ihr Wort mehr wert war als ihr Leben. Doch es fiel ihr nach wie vor schwer zu entscheiden, wann sie jemanden vor sich hatte, der mit Worten von Ehre spielte, und wann nicht.

Admair wandte sich mit fragendem Blick zu ihr um und in diesem Augenblick entschied die Bajoranerin sich, ihm zu vertrauen. Es lag etwas in diesen Augen, das sie glauben machte, dass ihr Träger nichts willentlich gegen sie unternehmen würde.

Erneut stand sie auf, erneut legte sie ihre Hand auf den Schwertknauf. Dieses Mal rührte sich Admair nicht. Nachdenklich hob sie die Waffe an. Einen Moment wog sie deren Gewicht in ihrer Hand. Sie gönnte sich einen bewundernden Blick auf die spiegelnde Klinge und das detailliert gearbeitete Heft, dann reichte sie das Schwert dem Kommandanten.

„Sorgen Sie dafür, dass ich meine Entscheidung nicht bereuen werde.“

Er nahm die Waffe aus ihrer Hand entgegen und verneigte sich erneut vor ihr. „Darauf habt Ihr mein Wort, Colonel.“

Mit einer fließenden Bewegung steckte er die Waffe wieder in die Scheide auf seinem Rücken. Er gab seinen Männern ein Zeichen, woraufhin diese ihre Schwerter zogen. Knauf zuerst streckten sie die Waffen Tugwandé und Mondal entgegen.

Kopfschüttelnd nahm der Lieutenant sie entgegen und bedeutete dem Fähnrich, ihr beim Tragen zu helfen.

Kira schob ihren Stuhl an den Tisch zurück und zeigte damit, dass die Angelegenheit erledigt war. Sie bedeutete Admair, sie hinauszubegleiten, während die anderen hinterher kamen.

„Können Sie mir verraten, welchen Feind Sie glauben, nur mit Ihrem Schwert und nicht mit unseren Sicherheitsvorkehrungen fernzuhalten?“ wollte sie wissen, als sie den Korridor zu den Turboliften einschlugen.

Er mied ihren Blick. „Keinen bestimmten. Es geht nur um die allgemeine Sicherheit, Colonel.“

Im Aufenthaltsraum zuckte Mondal zusammen. Wie jeder Betazoid außerhalb seines Heimatplaneten hatte er sich dem strengen Kodex verschrieben, sich gegen die Empfindungen und Gedanken anderer abzuschirmen. Doch für einen kurzen Augenblick war ein so starkes Gefühl von Täuschung auf ihn eingestürmt, dass seine mentale Barriere gefallen war.

Es hatte nur einen Augenblick gedauert.

Jetzt war da nichts mehr.

Überrascht blickte er zu seiner Vorgesetzten hinüber, als erwarte er, sie habe es ebenfalls verspürt. Doch Tugwandé war unberührt mit den Schwertern beschäftigt.

Er schüttelte seinen Kopf und schalt sich einen Narren.

In der nun verlassenen Passagierkontrolle öffneten und schlossen sich die Schleusen.

* * *


Es war nicht zu vermeiden, dass die Soldaten Blicke auf sich zogen, als sie über die Promenade gingen. Nachdem sie sich von Lieutenant Nog die Sicherheitseinrichtungen der Station hatten vorführen lassen, hatten sie die Quartiere inspiziert, die sie für die morgige Gesandtschaft gebucht hatten. Als auch das zu ihrer Zufriedenheit ausgefallen war, hatten sie sich entschieden, die Promenade zu besuchen. Man ging ihnen aus dem Weg, wenn sie sich einem Geschäft oder einer Auslage näherten. Auch ohne das große Schwert auf Admairs Rücken strahlten die dunkel gekleideten Männer eine Aufmerksamkeit aus, der man sich lieber entzog. Eine gewisse herrschaftliche Aura bahnte ihnen den Weg durch die bunten Massen der Station.

Die Soldaten betrachteten interessiert die Auslagen. Sie schienen über das, was sie sahen, zu diskutieren, so als wäre alles neu für sie. Stets jedoch war einer der Gruppe damit beschäftigt, die Umgebung zu beobachten, so als wolle er verhindern, dass sich jemand ihnen ungesehen nähern konnte.

In einiger Entfernung von ihnen standen auffällig zwei Sicherheitsleute. Lieutenant Nog hatte seine eigene Ansicht über die Besucher.

Der junge betazoidische Fähnrich kam die Promenade entlang. Etwas zögernd trat er auf die Gruppe zu, als er von einem der Schwarzgekleideten aufgefordert wurde, näher zu kommen. Offensichtlich hatten sie eine Frage bezüglich eines der ausgestellten Objekte.

„Fähnrich . . . Mondal, richtig?“ Elgin hob die Hand zum Gruß. „Haben Sie ein wenig Zeit für uns?“ Er deutete auf einen Gegenstand, über den sich die anderen unterhielten. „Wir wären Ihnen verbunden, wenn Sie uns einen kurzen Überblick über diese Kunstwerke aus Ihrer Kultur geben könnten.“

Der Betazoide näherte sich zögernd. Ihm saß noch die Erinnerung an das unangenehme Gefühl aus der Passagierkontrolle in den Knochen. Vorsichtig lockerte er seine mentalen Kontrollen. Nur ein wenig, nur soweit, dass er keine präzisen Gedanken auffangen konnte, nur so weit, dass er nicht in die Privatsphäre anderer eindrang ...

Der erwartete Ansturm blieb aus. Mit Ausnahme desjenigen, der Wache hielt, schien die Aufmerksamkeit der anderen einzig auf die Ausstellungsstücke gerichtet zu sein.

Mondal blickte auf die kleine Statue, die Admair in der Hand hielt. „Es tut mir leid, das ist bajoranische Kunst, darin kenne ich mich noch nicht gut genug aus. Ich bin erst seit gestern in diesem Sektor im Dienst.“

Der Kommandant hob überrascht die Augenbrauen. „Ich habe vergessen, dass sich hier so viele verschiedene Völker auf der Station befinden.“ Ein fast verlegenes Lächeln huschte über seine Lippen. „Es ist alles noch so neu für uns. Unser Volk beherrscht erst seit einem Jahrzehnt die interstellare Fortbewegung.“ Er machte eine ausladende Handbewegung. „Was für Sie alltäglich ist, ist für uns aufregend und spannend.“

Der Betazoid lächelte scheu. „Für mich ist das meiste, dem ich hier begegne, ebenfalls noch aufregend“, gestand er. „Letzte Woche war ich noch auf der Akademie.“

Die Hand Admairs legte sich ihm auf die Schulter und drückte ihn. „Dann haben wir in Ihnen eine verständige Seele gefunden, junger Freund.“

Mondal spürte, wie er sich allmählich in der Gegenwart der Soldaten entspannte. Etwas Einnehmendes lag in der Art des Kommandanten. Ein Teil des Betazoiden wünschte sich, zu den schwarzgekleideten Gestalten gehören zu können. Sie schienen aus dem Stoff gemacht zu sein, aus dem die abenteuerlichen Träume kleiner Jungen bestanden.

Er wollte etwas erwidern, bemerkte aber, dass Admairs Blick jetzt über ihn hinweg ging. Ein seltsam trauriger Ausdruck hatte sich in die Augen des Mannes gelegt. Mondal wandte den Kopf, um zu sehen, was die Aufmerksamkeit des Soldaten so fesselte.

Eine junge bajoranische Mutter spazierte mit ihrem kleinen Sohn auf der Promenade entlang. Mondal fragte sich, was Admair in diesem Bild sah, das seinen Blick so veränderte. Er wollte sich eben wieder umwenden, als sich der kleine Junge von der Hand seiner Mutter losriss, um übermütig auf die Auslage eines Ladens auf der gegenüberliegenden Seite der Promenade zu zu tollen. Die Mutter lachte und wollte ihm eben nachsetzen, als das Kind scheinbar gegen die leere Luft prallte und rückwärts zu Boden fiel.

Für einen Augenblick waren alle, welche die Szene beobachtet hatten, wie gelähmt, dann ließ Mondal instinktiv seine Barrieren fallen. Die Gegenwart flutete wie ein dunkler Bach über ihn hinweg. „Da ist jemand!“ schrie er, unfähig zu sagen, woher seine plötzliche Panik stammte. Doch dann begriff er es: Im gleichen Augenblick war er für die Gefühle der ihn umgebenden Personen empfänglich, und die Soldaten an seiner Seite strahlten äußerste Alarmbereitschaft aus. Was immer sich vor ihnen befand, es war den schwarzgekleideten Männern nicht unbekannt.

Admair hatte unter den verblüfften Ausrufen vorbeiströmender Passanten sein Schwert gezogen.

„Bring sie in Sicherheit!“

Mondal spürte, dass der Schrei ihm gegolten hatte. Da er immer noch mental offen war, begriff er die Anweisung, bevor er die Worte verstand. Ohne nachzudenken rannte er los, packte Mutter und Kind und riss sie zur gegenüberliegenden Wand hinüber.

Admair hatte damit begonnen, mit weit ausholenden Schlägen scheinbar auf die Luft einzuschlagen. Seine beiden Begleiter hatten sich waffenlos in Abwehrstellungen begeben, die sowohl dem Unsichtbaren als auch dem nun heraneilenden Sicherheitspersonal galten.

„Stecken Sie sofort die Waffe weg!“ rief einer der Sicherheitsleute. Sie hatten den Vorfall mit dem Kind nicht mitbekommen, für sie wirkte es so, als ob der Fremde ohne ersichtlichen Grund auf unbewaffnete Stationsbewohner losging.

Die Sicherheitsleute zogen ihre Phaser und richteten sie auf die Soldaten.

* * *


Colonel Kira hatte ihre Schicht beendet und war auf dem Weg in den Replimaten, um sich dort mit Dax und Bashir zu einem gemeinsamen Abendessen zu treffen. Seit ihre Freunde nach dem Ende des Krieges die Station verlassen hatten, war dies zu einem liebgewonnen Ritual geworden, das die Übriggebliebenen stärker zusammenschweißte. Ihr erster Offizier, Commander Benteen, war hin und wieder ebenfalls dazu zu bewegen, sich zu ihnen zu gesellen. Doch die Terranerin sah ihre Stellung hier immer noch zu sehr als Bestrafung an, um ihren Offizierskollegen mit mehr als oberflächlicher Freundlichkeit zu begegnen. Kira war nicht bewandert im Umgang mit schwierigen Menschen. Sie war es gewohnt, all diejenigen links liegen zu lassen, die ihr nicht zusagten. Doch als Befehlshaberin der Station konnte sie sich nicht mehr dieselben Freiheiten erlauben, wie sie es als erster Offizier getan hatte. Ihr fehlte die Erfahrung, um sich Commander Benteen zu nähern – welche sich höchstwahrscheinlich genauso benahm, wie Kira selbst sich vor Jahren Sisko gegenüber benommen hatte.

Die Bajoranerin seufzte. Dabei glaubte sie, dass sie sogar Freundinnen werden konnten, wenn die Terranerin dies nur zuließe. Die regelmäßigen Springballspiele, die sie gegeneinander ausfochten, zeigten ihr, dass Benteen durchaus andere Seiten hatte.

Sie hoffte einfach, dass die Zeit für sie arbeiten würde ...

Als sich die Turbolifttüren zur Promenade öffneten, vergaß sie jeden Gedanken an ihren ersten Offizier. Mit einem Fluch sprang sie hinaus, ungehalten darüber, dass sie keine Waffe trug.

Admair von Rossa kämpfte verbissen auf der Promenade ohne dass auszumachen war, gegen wen oder was er sein Schwert führte. Lediglich ein gelegentliches Aufleuchten der Klinge deutete darauf hin, dass sich nicht nur leere Luft um ihn befand. Energiezungen schlängelten sich den Stahl hinunter, so als ob er einen Schutzschild träfe.

Die anderen Soldaten hielten die Stationssicherheit in Schach, die sich offensichtlich unschlüssig war, ob sie schießen sollte – und, wenn ja, auf wen.

Kira drängte ihren ersten Impuls zurück, mit dem sie der Sache durch einen lauten Befehl Einhalt gebieten wollte. Die Chance, dass sie damit die falschen Personen ablenkte, war zu groß. Während sie den kämpfenden Mann nicht aus den Augen ließ, rannte sie zur Sicherheit hinüber. Admair drehte und wandte sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Er führte das Schwert wie eine organische Verlängerung seines Armes, und dennoch war er eindeutig im Nachteil gegenüber einem Gegner, dessen Position er nicht genau feststellen konnte. Immer rascher kamen seine Paraden, immer häufiger züngelte die blaue Energie die Klinge entlang. Schließlich verzog er schmerzerfüllt das Gesicht, gleichzeitig erschien durch einen Riss im Stoff seines Oberarms ein Stück helle Haut, das sich rasch blutrot färbte.

Der Jüngste der Soldaten, Chailleach, zuckte zusammen, als sei er selbst getroffen worden. Es war ihm anzusehen, dass er im Begriff war, sich auch ohne eine Waffe in den Kampf zu stürzen, um seinem Kommandanten beizustehen.

„Hinter Ihnen!“ Der Schrei erscholl von der anderen Seite der Promenade, wo Kira einen Sternenflottenfähnrich mit einer Bajoranerin und einem kleinen Jungen stehen sah.

Admair reagierte augenblicklich, indem er das Schwert über seinen Kopf zurück riss. Erneut leuchtete es auf. Der Körper des Soldaten wirbelte seiner Waffe hinterher als er wieder den Kontakt mit seinem Gegner spürte.

Kira hatte ihre eigenen Leute erreicht. „Schießen Sie, auf was immer da vor ihm steht!“ befahl sie ihnen augenblicklich.

„Nein, nicht schießen . . .!“ Der Ruf Elgins, der sich noch vor den Sicherheitsleuten befand, kam zu spät. Er sprang nach vorn und riss den Wachmann sowie die Colonel zu Boden.

Der Phaserstrahl traf den leeren Bereich vor dem kämpfenden Soldaten – und wurde augenblicklich reflektiert.

„Er trägt einen Schutzschild, der mit Strahlenwaffen nicht zu durchdringen ist“, zischte der dunkelhaarige Mann. „Nur unsere Schwerter können ihm Schaden zufügen.“

Kira rollte sich zur Seite. „Räumen Sie den Bereich!“ rief sie sowohl ihren eigenen Leuten als auch den fremden Soldaten zu. Dann griff sie nach dem Phaser eines Sicherheitsmannes. „Selbst Schilde funktionieren nur auf einer gewissen Frequenzbreite, die wir finden müssen. Gehen Sie in Deckung!“

Sie begann damit, den Phaserstrahl zu modulieren, und schoss, während sie sich abwechselnd nach rechts und nach links warf, um sich aus der Bahn des reflektierten Strahls zu bringen.

Sie sah, dass sich Admair nicht mehr lange würde halten können, und veränderte in immer größerer Hast die Frequenzen.

Aus ihrem Augenwinkel bemerkte sie, wie Chailleach aufsprang und auf seinen Kommandanten zu rannte. Der junge Mann hielt sich in respektvollem Abstand von ihrem Phaserstrahl, als er den anderen mit der Schulter rammte. Admair, der auf diesen Ansturm nicht vorbereitet war, verlor das Gleichgewicht und kippte zur Seite weg. Im Fallen zog er seinen Körper zusammen, rollte sich über die Schulter ab und kam schwer atmend auf einem Knie wieder hoch. Er blutete aus mehreren Wunden. Chailleach hatte ihm im Fallen mit einer raschen Drehbewegung das Schwert abgenommen, welche dem Gegner keine Gelegenheit gab, die Situation zu seinem Vorteil zu nutzen. Noch bevor dieser seinen nächsten Schlag setzen konnte, hatte der junge Mann den Kontakt zu dem Unsichtbaren hergestellt.

Der Kommandant verharrte in seiner gebückten Haltung und beobachtete den Kampf. In seinen Augen spiegelte sich Stolz auf den jungen Soldaten.

Chailleach wirbelte in einem Tanz aus silberblondem Haar und blauleuchtendem Stahl ohne den Kontakt zu seinem Gegner zu verlieren und bevor dieser ihm die erste Wunde schlagen konnte, begann sich die Promenade mit Bluttropfen zu bedecken. Es war als weinte die Luft rote Tränen.

Die Spuren verrieten nun den Aufenthaltsort des Gegners, der nicht mehr ungesehen die Position wechseln konnte.

Als der Unbekannte Chailleach den Unterarm entlang schrammte, begann die Luft zu flirren. Kira hatte die Frequenzlücke im Schild gefunden. Ein weiterer Schuss und der Schild, der den Gegner bis dahin in Unsichtbarkeit gehüllt hatte, fiel.

Ohne zu zögern holte Chailleach aus und hieb dem nun sichtbaren Mann zwischen Schulter und Hals. „Nicht!“ Kiras Befehl kam zu spät, der Gegner sackte lautlos zusammen und blieb auf der Promenade liegen. Der Boden unter dem gefallenen Mann färbte sich rasch rot.

„Räumen Sie die Promenade!“ Der Befehl erklang von Lieutenant Nog, der mit Verstärkung den Korridor entlang gerannt kam. Seine Leute schoben Schaulustige höflich, jedoch bestimmt aus dem Weg und bildeten routiniert eine Abschirmung um einen weiteren Bereich.

Kira nickte dem Ferengi zu und betätigte im Aufstehen ihren Kommunikator. „Krankenstation, wir benötigen ein Notfallteam auf der Promenade, Sektion 17. Schuss- und Schnittverletzungen.“ Sie ließ ihren Blick über den nun geräumten Bereich gleiten. Sobald sicher war, dass der Getroffene nicht mehr aufstehen würde, hatte sich Chailleach zu seinem Kommandanten umgedreht, dem Elgin schon zu Hilfe geeilt waren. Admair verharrte immer noch auf einem Knie und sprach leise auf seine Soldaten ein.

Die Bajoranerin bahnte sich ihren Weg durch die Sicherheitsleute und reichte dabei den Phaser seinem eigentlichen Besitzer zurück. Die schwarzgekleideten Soldaten wandten sich bereitwillig zur Seite, als sie sich dem Kommandanten näherte. Admair hob seinen Kopf.

„Colonel, ich danke Euch für Eure Hilfe. Ich hoffe, es ist niemand sonst zu Schaden gekommen.“

Kira schüttelte den Kopf, ihr Ausdruck war hart. „Nein, glücklicherweise nicht. Doch das hätte leicht der Fall sein können.“ Sie wandte ihren Körper halb zurück. „Wer war das und warum haben Sie es nicht für nötig gehalten, mich über diesen möglichen Angriff zu informieren?“

„Ihr habt mir versichert, dass Eure Sicherheitsvorkehrungen genügen, so dass wir unsere Waffen nicht benötigen. Dem habe ich vertraut.“

Sie funkelte ihn an, er hielt ihrem Blick mit derselben Entschlossenheit stand. Sie wurde sich der Blicke der anderen Soldaten bewusst, die sich fast beschützend vor ihren Kommandanten stellten und sie herausfordernd ansahen. Keiner sprach ein Wort.

Sie wollte ihre Frage wiederholen, als die Reihen der Sicherheitsleute das Notfallteam hindurch ließen.

Ezri Dax begleitete Dr. Bashir und zwei medizinische Helfer. Die beiden Offiziere hatten sich beim Abendessen befunden, als der Ruf Bashir erreicht hatte.

Der Arzt stutzte kurzzeitig, als er die Art der Wunden und die Leiche sah, dann gewann jedoch seine Professionalität die Oberhand und er erteilte seinen Leuten Befehle.

Dax sah zu Kira hinüber, eine stumme Frage in ihren Augen. Die Kommandantin zuckte als Antwort lediglich mit den Schultern und folgte ihr in die Krankenstation. Sie wandte sich noch einmal um.

Nog wies einen seiner Leute gerade an, den Fleck, an welchem die Leiche gelegen hatte, bis zum Erscheinen des Putzkommandos zu bewachen, die anderen stellten die Ordnung auf der Promenade wieder her.

„Lieutenant! Kommen Sie bitte mit.“

Nog nickte seinen Leuten zu, dann folgte er der Colonel zur Krankenstation.


* * *



„Der Rest wartet draußen, wenn Sie unbedingt warten müssen.“ Bashirs Stimme ließ keine Widerrede gelten. „Colonel, Sie können den Patienten befragen, wenn ich ihn versorgt habe ...“

Kira nickte und zog sich mit Nog in den äußeren Beobachtungsraum zurück.

„. . . und Sie können Ihre Wache ebenfalls vor der Tür halten.“

Elgin war eindeutig zögerlicher darin, seinen Kommandanten alleine zu lassen. Er suchte Blickkontakt zu Chailleach. Der junge Mann nickte ihm zu. Die Armwunde, die ihm in der letzten Phase des Gefechts beigebracht worden war, musste ebenfalls medizinisch versorgt werden, so dass er in der Nähe Admairs bleiben konnte.

Als der bärtige Soldat den Behandlungsbereich verließ, empfingen ihn die auffordernden Blicke der Kommandantin und des Sicherheitschefs.

„Setzen Sie sich, mein Herr.“ Kira deutete auf Stühle am Besprechungstisch Bashirs. „Ich möchte jetzt ein paar Antworten.“

Elgin tat wie ihm geheißen.

Kira musterte ihn nachdenklich. Ihr war der Blick nicht entgangen, den er Chailleach zugeworfen hatte. Eine unausgesprochene Vereinbarung, nicht die Wahrheit zu sagen, dessen war sie sich sicher. Sie kniff die Augen zusammen, um zu signalisieren, dass sie nicht bereit war, Spiele zu spielen, doch der Mann begegnete ihr mit scheinbar offenem Gesicht. Seine hellen, großen Augen wirkten sanft und freundlich.

Sie deutete mit dem Arm auf ihren Sicherheitschef, dann setzte sie sich ebenfalls und beobachtete.

Nog förderte ein Padd zutage, das er vor sich auf dem Tisch aktivierte. „Colonel Kira hat mir mitgeteilt, dass Sie ...“ er nickte in Elgins Richtung, „ihr gesagt hätten, sie solle nicht den Phaser verwenden, weil der Fremde auf der Promenade einen Schutzschild trüge. Daher gehe ich davon aus, dass Sie wissen, um wen es sich handelt. Leider war Ihr Kollege ja nicht davon abzuhalten, den Mann zu töten, bevor wir ihn hätten festnehmen können. Ich hoffe, dass es sich dabei nicht um den Versuch gehandelt hat, eine Vernehmung zu verhindern.“

Elgin strich sich mit den Fingern über den kurzgeschnittenen Bart. „Ich denke, Colonel Kira“, er neigte seinen Kopf respektvoll in Kiras Richtung, wie sie es auch schon bei Admair beobachtet hatte, „wird Ihnen ebenfalls erzählt haben, dass es sich um reine Selbstverteidigung gehandelt hat.“

Nog nickte nachdenklich. „Das steht außer Frage. Es erklärt aber immer noch nicht, gegen wen Sie sich verteidigt haben.“

Elgin schien zu überlegen. Als er lange genug mit sich gerungen hatte, antwortete er: „Sie haben ein Recht, es zu erfahren.“

„Dem kann ich nur zustimmen“, bekräftigte der Sicherheitschef der Station missmutig.

„Also, gut ... Es war ein Sklavenhändler, der uns schon seit geraumer Zeit verfolgt ...“

„Ein Sklavenhändler?“ Kira lehnte sich ungläubig auf ihrem Stuhl nach vorne.

Elgins Blick war alles andere als glücklich. „Es ist uns ... nun ja, peinlich, davon zu sprechen. Es gibt weit edlere Gründe zu kämpfen als denjenigen, nicht als Objekt verkauft zu werden.“

Kira schüttelte den Kopf. „Nein, für die eigene Freiheit zu kämpfen ist immer einer der edelsten Gründe ... doch erlauben Sie uns, dass wir ein wenig verwundert reagieren.“

Nog aktivierte die Aufzeichnung an seinem Padd. „Am besten, Sie beginnen von vorne.“

Elgin schien wieder nachzudenken, dann sprach er weiter: „Wir sind nicht sicher, wo sie herkommen. Seit wir mit unseren Forschungsschiffen die Grenze unseres Sonnensystems überschritten haben, lauern sie uns immer wieder auf. Deswegen werden auch keine Forschungsschiffe ohne eine Gruppe Soldaten entsandt.“ Er schlug die Lider nieder. „Wir sind gut trainiert und kräftig – ich schätze, das gibt einen wertvollen ...“ Er seufzte. „Entschuldigen Sie, aber es ist mir unangenehm darauf einzugehen. Die Fakten sind: Sie verfolgen uns, sie tragen Körperschilde, die sie tarnen – womit sie wahrscheinlich auch durch die Kontrollen gelangt sind – aber wir können es mit den Schwertern mit ihnen aufnehmen, wenn wir in der Überzahl sind ...“

Bashirs Kopf erschien im Rahmen der Verbindungstür. „Ich wäre jetzt soweit.“

Elgin erhob sich erleichtert und trat rasch an ihm vorbei in den Behandlungsraum. Als Kira zu Bashir hinüberging konnte sie sehen, dass Chailleach auf dem Rand des Behandlungstischs saß, auf welchem Admair noch unter dem Regenerator lag. Der dunkelhaarige Mann gesellte sich zu ihnen. Dem Grinsen des jungen Soldaten nach zu urteilen, begrüßte sie ihr Gefährte mit einer scherzhaften Bemerkung.

Die Kommandantin betrachtete die Gruppe für ein paar Sekunden, dann wandte sie sich an Bashir. „Julian, hast du schon einen Blick auf den Getöteten werfen können?“

„Das ist der nächste Punkt auf meiner Liste“, nickte er. „Willst du mit hinüber kommen?“

„Sehr gerne.“ Sie folgte Bashir, der den Behandlungsraum zu einem kleineren Zimmer durchquerte, welches er – wenn nötig – in eine Pathologie verwandelte. Bei ihrem Eintreten hob die an einem Pult sitzende Ezri Dax den Kopf.

„Deine beratende Tätigkeit füllt dich wohl nicht aus?“ grinste Kira die junge Trill an.

„Ich hatte keine große Lust, ein ruiniertes Abendessen alleine im Replimat zu verbringen“, konterte diese lächelnd. „Julian hat mir schon ein paar Mal gezeigt, wie ich ihm helfen kann.“

„Und, wie sieht es aus?“

„Ich habe eine genetische Analyse durchgeführt“, erklärte die Trill. „Sie sieht ähnlich aus wie bei Admair. Die Grundstruktur ist terranisch.“

Kira zog die Stirn in Falten. „Sie sehen für mich auch äußerlich so aus, als ob sie von Terra stammten.“

Bashir nickte. „Sie stammen nicht von der Erde, aber unsere Vorfahren waren sicherlich dieselben.“

„Wie ist das möglich?“

Bevor Bashir antworten konnte, erklärte Dax: „Die Enterprise ist im Jahr 2369 in einen Zwischenfall verwickelt worden, bei dem längst vergangene Wesen erklärt haben, dass sie den Grundstock für die Entstehung humanoider Rassen überall im Universum gleich verteilt hätten. Es kann sein, dass so etwas Ähnliches in diesem Fall ebenfalls geschehen ist.“

Der Arzt nickte. „Der Getötete weist allerdings eine genetische Struktur auf, die nicht sehr verschieden von der unserer Besucher ist. Ich würde sagen, dass sie vom gleichen Planeten stammen.“

„Hmmm“, sagte Kira. „Elgin hat uns eine Geschichte von Sklavenhändlern erzählt, die aus einem anderen System stammen.“

„Um dies zu bestätigen, müsste ich die Daten gründlicher vergleichen. Soll ich das machen?“

Die Bajoranerin nickte, fügte beim Anblick von Dax’ wenig begeistertem Gesicht jedoch hinzu: „Aber das muss nicht heute Abend geschehen. Das kannst du auch morgen erledigen. Nog lässt jetzt gerade die Station mit den Daten der Schildfrequenz des Getöteten überprüfen, ob sich noch mehr von seiner Sorte hier aufhalten. Und er versucht herauszufinden, wie es möglich war, dass der Mann überhaupt auf die Station gekommen ist ohne bemerkt zu werden.“

„Heißt das ‚Abendessen’?“ fragte Ezri Dax hoffnungsvoll im Aufstehen.

Kira grinste. „Ja, das heißt ‚Abendessen’.“

Sie hielt ihre beiden Offiziere an den Armen zurück. Mit dem Kinn nickte sie zum Behandlungsraum hinüber. „Was haltet ihr von ihnen?“

Bashir blieb stehen. „Ich kann nicht viel sagen. Ich habe während der Behandlung nur ein paar Worte mit dem Kommandanten gewechselt. Er macht einen aufgeschlossenen und unkomplizierten Eindruck. Der Jüngere scheint ein starkes Verantwortungsgefühl für seinen Anführer zu besitzen. Ich hatte das Gefühl, dass er jeden einzelnen meiner Handgriffe mit Falkenaugen verfolgt hat. Doch auch er ist mir nicht unsympathisch aufgefallen.“

Kira nickte. „Er hat draußen auf der Promenade Admair praktisch aus dem Angriffsfeld geworfen, um selbst zu kämpfen.“

„Gesteigertes Geltungsbedürfnis?“ schlug Dax vor.

„Das glaube ich nicht. Er tat es erst, als abzusehen war, dass der Kommandant wegen seiner Verletzungen nicht die Oberhand gewinnen konnte. Es war ein mutiger Vorstoß.“ Kira betrachtete die kleine Gruppe noch eine Weile länger. „Irgendetwas ist an ihnen, das es mir schwer macht, ihnen zu misstrauen. Ich glaube, sie erinnern mich zu sehr an die Gemeinschaft, die ich während meiner Zeit im Untergrund kennen gelernt habe.“

Ein schelmisches Lächeln huschte über Dax’ Züge. „Und du meinst nicht, dass es etwas damit zu tun hat, dass sie alle drei recht gut aussehen?“

Die Kommandantin wandte sich halb um und boxte der kleineren Frau spielerisch in die Rippen. „Nein, damit hat es nichts zu tun. Ich sehe schon, von der Stationscounselor werde ich heute Abend keine vernünftigen Anmerkungen erhalten.“

„Nicht auf hungrigen Magen.“

Bashir hob beide Hände, um Kira anzudeuten, dass sie keine Chance hatte, auf diesem Schlachtfeld zu gewinnen. „Der Replimat.“

„Der Replimat!“

Bashir erteilte dem medizinischen Personal der Nachtschicht noch ein paar Anweisungen, dann verließ er mit den beiden Frauen die Krankenstation. Am Eingang trafen sie auf den betazoidischen Fähnrich, den Kira während des Kampfes ebenfalls auf der Promenade bemerkt hatte.

Er räusperte sich und nahm unwillkürlich beim Anblick der drei Offiziere Haltung an. „Ist es erlaubt, Kommandant Admair zu besuchen, Sir?“

„Fähnrich Mondal!“ Dax kannte den jungen Mann offensichtlich. „Wie haben Sie sich auf der Station eingelebt?“ Bevor er antworten konnte, fügte sie für Kira erklärend hinzu: „Fähnrich Mondal ist vor zwei Tagen auf DS9 angekommen. Es ist sein erster Posten nach der Akademie.“

Die Kommandantin nickte ihm freundlich zu und machte sich eine innere Notiz, dass sie sich mehr darum kümmern musste, wenn neues Personal eintraf. Dies war zwar eine Arbeit, die in den Aufgabenbereich ihres ersten Offiziers fiel, doch als Kommandantin sollte sie zumindest den Gesichtern des Stationspersonals Namen und Rang zuordnen können. „Ich hoffe, Ihnen gefällt Ihre bisherige Arbeit hier“, bemerkte sie.

„Ja, Sir. Alle waren sehr freundlich zu mir, Sir.“

„Gut.“ Kira war schon wieder im Begriff zu gehen, als ihr einfiel, dass der junge Mann etwas gefragt hatte. Sie wandte sich noch einmal um. „Fähnrich? Kennen Sie unsere Besucher näher?“

Er schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht, Sir. Aber ich war vorhin bei ihnen, als der Kampf ausbrach.“

„Sie waren ...?“ Kira schien abzuwägen, wie dringend sie den Vorfall einstufen sollte, entschied sich dann aber, dass sie fähige Leute hatte, deren Abendessen ohnehin schon ausfiel. „In dem Fall möchte ich Sie bitten, sich bei Lieutenant Nog zu melden und Ihre Aussage zu Protokoll zu geben.“

Er stand noch ein wenig strammer als befürchte er eine Rüge, weil er nicht von selbst auf diese Idee gekommen war. Aber Mondal waren die Ereignisse zu nah gegangen, als dass er daran gedacht hatte, dass er der einzige Sternenflottenangehörige gewesen war, der gesehen – oder in diesem Fall eher nicht gesehen – hatte, wie alles angefangen hatte. Als die erwartete Zurechtweisung der Kommandantin ausblieb, entspannte er sich wieder ein wenig. „Natürlich, Sir.“

Er wagte es nicht, seine Frage erneut zu formulieren, doch Kira sah seinen Blick.

„... nachdem Sie Ihren Patientenbesuch hinter sich gebracht haben“, erlaubte sie.

Mit einem „Danke, Sir“ schlüpfte der schwarzhaarige Fähnrich an ihnen vorbei.

„Ich denke, ich werde morgen mit ihm sprechen“, sinnierte Kira. „Vielleicht gibt es hier auf der Station doch jemanden, der ein wenig besser weiß, wie man unsere Besucher einzuschätzen hat.“
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