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Abriachan Teil I - Am Scheideweg

von Gabi

Kapitel 2

„Störe ich?“ Mondal blieb zögernd an der Tür zum Behandlungsraum stehen.

Die Soldaten unterbrachen ihr Gespräch und wandten sich überrascht zu dem Neuankömmling um. Admair, dessen Körper von einer Regenerationseinheit bedeckt war, erhob sich auf die Ellenbogen, was sofort eine medizinische Angestellte auf den Plan rief.

„Sie können Besuch haben, solange Sie sich ruhig verhalten. Wenn Sie anfangen herumzuturnen, sind die anderen draußen, verstanden?“

Die Soldaten sahen die Bajoranerin überrascht an, Admair nickte jedoch nur und ließ sich wieder auf das Kissen zurücksinken. Der Arzt hatte ihm eine Nacht unter Beobachtung verordnet. Seine Fleischwunden waren stellenweise sehr tief gewesen, die Oberfläche war zwar verheilt, aber die darunter liegenden Schichten brauchten noch einige Zeit, um sich zu erholen. Er hatte die Prozedur des Arztes mit schweigendem Staunen verfolgt. Es war offensichtlich, dass sein Volk keine Technologie besaß, die so weit fortgeschritten war.

Chailleach konnte seinen Arm nach der Behandlung sofort wieder verwenden. Einzig der zerrissene, blutverkrustete Ärmel des Mantels deutete bei dem jungen Mann noch auf den Kampf hin.

Elgin, welcher der Tür am nächsten stand, winkte den Fähnrich heran. „Kommen Sie näher. Ich denke, der Kommandant möchte mit Ihnen sprechen.“ Er sah zu Admair hinunter, der lächelnd nickte.

Mondal trat neben das Krankenbett, immer noch mit dem Gefühl von Respekt, den er den dunklen Soldaten gegenüber empfand. Es faszinierte ihn, dass sie ihn scheinbar so offen annahmen, er musste auf diese Männer doch lediglich wie ein verschüchterter, uninteressanter Junge wirken.

Ein wenig nervös strich er sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sein dunkles Haar hatte er bisher auch mit einer disziplinierten Sternenflottenfrisur nicht bändigen können. „Ich wollte nur sehen, wie es Ihnen geht. Da draußen auf der Promenade sahen Ihre Wunden ziemlich schlimm aus.“

Admair streckte seine Hand aus und ergriff den Unterarm des Fähnrichs. „Ich habe es Ihnen zu verdanken, dass sie nicht noch schlimmer ausgefallen sind.“ Auf den verwunderten Blick des anderen hin erklärte er: „Wie haben Sie gewusst, dass er hinter mir stand, als Sie mich gewarnt haben?“

Jetzt verstand Mondal. Er hatte auf der Promenade ohne nachzudenken reagiert. „Ich bin Betazoid.“ Für den Augenblick vergaß er, dass diese Erklärung für die anderen keine war, doch ihre Blicke erinnerten ihn wieder an den Umstand, dass sie die Rassen des Alpha-Quadranten nicht kannten. „Ich bin empathisch und telepathisch ... normalerweise verwende ich diese Fähigkeiten jedoch nicht“, fügte er rasch hinzu, bevor bei den anderen der Verdacht aufkommen konnte, dass er eine Art Spion war. „Wir folgen einem Ehrenkodex, wenn wir uns außerhalb meines Planeten aufhalten. Wir lernen schon sehr früh, alle äußeren Eindrücke abzublocken. Doch vorhin war ich zu verwirrt von dem, was geschah, und habe die Blockade fallen lassen.“

Der Kommandant lächelte immer noch, anscheinend bereitete ihm Mondals Geständnis keine Sorgen. „Ein Glück für mich. Danke.“

Der Fähnrich sah ihn froh an, das Lob tat ihm gut.

„Ist der Frau mit dem Jungen auch nichts passiert?“ erinnerte sich Admair plötzlich. Sein Gesicht nahm wieder diesen leicht melancholischen Ausdruck an, den Mondal auf der Promenade schon bemerkt hatte. Der harte Mann wirkte ungewohnt verletzlich, so dass der Fähnrich sich beeilte zu versichern: „Außer einem Schrecken fehlt den beiden nichts. Ich war bei ihnen, während Sie gekämpft haben.“

Die Züge des Mannes entspannten sich wieder. „Das ist gut ...“

Die medizinische Assistentin trat an die Gruppe heran. „Es tut mir leid, wenn ich Sie unterbrechen muss, aber Mr. Admair sollte jetzt schlafen, damit die Behandlung über Nacht ihre Wirkung entfalten kann. Ich bitte Sie alle, jetzt zu gehen.“

Der Fähnrich nickte und zog sich mit einem Wort des Abschieds zurück, in der Tür blieb er jedoch stehen, als er sah, dass die beiden Soldaten keine Anstalten machten, ihn zu begleiten.

„Meine Herren, ich bitte Sie“, bemerkte die Bajoranerin mit Nachdruck.

Elgin neigte leicht seinen Kopf. „Bitte verzeihen Sie, wenn wir Ihnen Unannehmlichkeiten bereiten, doch wir können den Kommandanten nicht alleine lassen, solange er verletzt ist.“

„Nun, für diese Nacht werden Sie sich daran gewöhnen müssen. Wir passen auf, dass ihm nichts geschieht“, fügte sie einlenkend hinzu.

Mondal beobachtete überrascht, wie Chailleach sich vom Rand des Krankenbettes erhob, auf dem er die gesamte Zeit über gesessen hatte. Der Fähnrich erwartete, dass der junge Mann sich auf ein Wortgefecht mit der Assistentin einlassen wollte, doch stattdessen trat er vor sie, legte ihr seine Hände auf die Schulter und blickte sie direkt an. Der Ausdruck in seinem Gesicht erinnerte Mondal frappierend an Jossel, das hundeähnliche Haustier seiner Kindheit auf Betazed. Wenn das kleine Geschöpf etwas unbedingt haben wollte, dann konnte es ihn stundenlang mit diesem Blick anstarren, bis man sich so schlecht fühlte, dass man freiwillig nachgab.

Chailleach war in seiner normalen, ein wenig verschlossenen Art schon ein ausgesprochen attraktiver Anblick mit dem feingeschnittenen Gesicht, seinem hellen Haar und den dunklen Augen, doch jetzt wirkte er fast unwiderstehlich. Sogar Mondal fiel es schwer, den Blick abzuwenden.

„Ich flehe Sie an, lassen Sie uns bei ihm bleiben. Keiner von uns wird andernfalls schlafen können. Wir werden uns an die Wand zurückziehen und niemandem im Weg sein. Das verspreche ich Ihnen.“

Die Bajoranerin wirkte ein wenig verwirrt aufgrund dieses Vorstoßes. Doch sie konnte, oder wollte, ihre Augen nicht abwenden und verfing sich hoffnungslos in dem bittenden Blick.

„Aber ich will keinen Ton hören“, bemühte sie sich, nicht die Oberhand in der Situation zu verlieren.

„Keinen Ton“, versicherte er ihr ernst.

„Also, gut.“ Sie seufzte. Chailleach ließ seine Hände sinken.

Sie deutete zu den beiden Wänden in der Nähe des Krankenbetts. „Sie können sich Stühle dort drüben hinstellen.“

Der junge Soldat verneigte sich vor ihr. „Ich danke Ihnen. Wir werden uns auf den Boden setzen und nicht weiter auffallen.“

Er wartete, bis sie sich abgewandt hatte, dann sah er zu den beiden anderen Männern hinüber. Er grinste frech und siegessicher. Die beiden Männer grinsten zurück, es schien, dass sie dieses Spiel nicht zum ersten Mal gespielt hatten. Elgin ging zu der Stelle hinüber, an welcher Admairs Schwert lehnte, ließ sich dort auf den Boden sinken und legte sich die Waffe über den Schoß. Seine Hand ruhte auf dem Griff, jederzeit einsatzbereit. Chailleach nahmen ihm gegenüber Platz.

Mondal wollte sich eben abwenden und sich endlich im Sicherheitsbüro melden, als sich Chailleach zu ihm umdrehte. Er hob die Hand zum Gruß, das Grinsen lag immer noch auf seinen Zügen. Es war kein Ausdruck, der den Fähnrich als Außenstehenden bei einem kleinen Komplott zurückließ, sondern ihn mit einschloss.

Unwillkürlich grinste der Betazoide zurück. Mit einem Winken und einem warmen Gefühl im Bauch machte er sich auf den Weg zur Promenade.

* * *



Am nächsten Morgen war es Colonel Kira, welche gemeinsam mit Commander Benteen als erste die Krankenstation betrat. Der diensthabende medizinische Assistent des ausgehenden Nachtdienstes nickte ihr zu und öffnete auf ihre Bitte die Tür zum Behandlungsraum. Auf beiden Seiten des Raums hoben sich bei dem leisen Zischen der Verriegelung die Köpfe der Männer. Beide waren augenblicklich auf den Beinen, entspannten sich aber, als sie sahen, wer den Raum betrat.

Kira blickte sich überrascht um, als sie sah, dass Chailleach und Elgin die Nacht anscheinend an der Wand kauernd verbracht hatten.

„Ist mit unseren Quartieren irgendwas nicht in Ordnung?“

Beide Männer sahen zu Kiras Begleiterin hinüber. Die dunkelhaarige Terranerin musterte sie mit einer leicht spöttischen Miene.

„Mein erster Offizier, Commander Benteen“, stellte Colonel Kira die Frau vor.

Beide Männer nahmen Haltung an und neigten ihre Köpfe. „Ich bin mir sicher, dass die Quartiere ausgezeichnet sind, Commander“, bemerkte Elgin, als er den Blick wieder hob. „Doch unser Platz ist bei unserem Kommandanten, wenn er verletzt ist. Ich bin sicher, Sie verstehen das.“

Benteen warf ihrer eigenen Befehlshaberin einen Blick zu, der aussagte, dass dies nicht unbedingt der Fall war. „Dann kann ich nur hoffen, Sie hatten eine angenehme Nacht hier auf dem Boden.“

Der medizinische Assistent war an ihnen vorbeigegangen und las nun die Werte auf dem Display des Regenerators ab, der sich immer noch über Admairs Körper spannte. Er nickte zufrieden. „Das sieht schon wieder ganz wunderbar aus. Ihr Körper ist sehr gut mit den Verletzungen zurecht gekommen. Ich denke, wir können es jetzt abnehmen.“

Er schwenkte das Instrument zur Seite.

„Das heißt, ich darf mich wieder bewegen?“ Admair richtete sich auf, sichtlich erleichtert darüber, der Untätigkeit zu entkommen.

Benteen und Kira tauschten Blicke beim Anblick seines bloßen Oberkörpers aus. Der Kommandant hielt seinen Körper ganz offensichtlich in ausgezeichneter Form. Benteen schnitt eine anerkennende Grimasse, die Kira mit einem Grinsen erwiderte.

„Ihr besitzt eine faszinierende Fähigkeit als Heiler“, bemerkte der Soldat anerkennend. „Ich habe mir sagen lassen, dass meine Wunden keine Kleinigkeit gewesen waren. Und doch fühle ich mich schon heute wieder als würde mir nichts fehlen.“ Er strich sich über die linke Körperseite, welche die schwersten Schwertstreiche abbekommen hatte, und auf deren Haut nun nicht einmal mehr eine Narbe zu erkennen war. „Ich danke Euch.“

Kira nickte. „Der Dank gebührt unserem Arzt, Dr. Bashir, der sich gewiss bald hier einfinden wird. Er ist ein Genie auf seinem Gebiet.“

„Ja, ich hatte gestern das Vergnügen, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Ein sehr angenehmer Mann.“

Chailleach trat an die Diagnoseliege heran, legte Admair eine Hand auf die Schulter, wie um ihn in der Welt der Beweglichen willkommen zu heißen, und reichte ihm das Hemd. Admair bedeckt die Finger des jungen Mannes mit seiner eigenen Hand und lächelte ihn an. Dann betrachtete er das Kleidungsstück. Es war an etlichen Stellen zerrissen und zeigte getrocknete Blutspuren, die den glänzenden schwarzen Stoff matt erscheinen ließen.

Chailleach folgte seinem zweifelnden Blick und nahm ihm dann das Hemd wieder mit einem Grinsen ab. „Ich werde dir ein Neues holen.“

„Ich denke, das wäre in der Tat eine gute Idee.“

Der junge Mann nickte, ließ seine Hand noch einmal über den Hals des Kommandanten streichen und verließ dann die Krankenstation.

Kira sah ihm kurzzeitig nach, verwundert über die offene Vertraulichkeit gegenüber seinem Vorgesetzten.

„Ist er Ihr Sohn?“ hörte sie Benteen fragen und wandte sich wieder um.

Admair lächelte mit einem Anflug von Traurigkeit. „Nein, leider nicht. Aber ich bin wahrscheinlich so stolz auf ihn, wie ich es auf einen Sohn wäre. Er ist sehr loyal und ein extrem guter Schwertkämpfer.“

Kira nickte. „Ich habe ihn auf der Promenade kämpfen gesehen.“

„Was ist denn das für ein Auflauf hier auf meiner Station?“ war hinter ihnen nun die Stimme Bashirs zu vernehmen. „Der lockeren Atmosphäre entnehme ich, dass unser Patient die Nacht überlebt hat.“

Grinsend schob sich der terranische Arzt an den beiden anderen Offizieren vorbei. „Guten Morgen, Colonel, Commander.“

„Guten Morgen, Julian. Ich habe mir die Freiheit genommen, unseren Gast als geheilt zu erklären“, neckte Kira ihn.

„Das werden wir doch gleich sehen.“ Mit gespielt empörtem Gesichtsausdruck wandte sich der Arzt dem Terminal zu, auf welchem noch die Beobachtungswerte Admairs aufgerufen waren. „Lasst den Fachmann ran.“

Er überflog die Datenkolonnen und nickte zufrieden, dann griff er nach einem Hand-Scanner und untersuchte Admair noch einmal.

Kira und Benteen traten ein paar Schritte zurück, um dem Arzt Raum zu geben. Sie beobachteten, wie er auch hier wieder bestätigend nickte und dem Kommandanten erklärte, dass er sich noch ein wenig schonen sollte, sonst aber das Bett verlassen könne. Admair dankte ihm mit ähnlichen Worten, die er zuvor auch an Kira gerichtet hatte, dann hob er die Arme hinter den Kopf, um die Spange um seinen Zopf zu richten, der über Nacht verlegen war.

Benteen zischte leise durch die Zähne. „Es müsste Gesetze dafür geben, dass jemand wie er nur mit Hemd herumlaufen darf.“

Kira sah sie verwundert an. Das Gesicht ihres ersten Offiziers wirkte ernst wie immer, doch in den Mundwinkeln war ein verräterisches Zucken zu erkennen.

Mit demselben Pokerface gab die Colonel zurück: „Ich dachte immer, Sie interessieren sich nicht so sehr für Männer.“

Benteen bedachte sie mit einem Blick unter hochgezogenen Augenbrauen. „Wer hat denn das behauptet? Es gibt ein paar Männer - wenige allerdings - die auch ich interessant finde.“

„Ah ja.“

„Admair hat diesen Effekt auf andere.“

Beide Frauen wirbelten herum, um sich Elgin gegenüber wiederzufinden. Der dunkelhaarige Mann war ebenfalls aus dem Betätigungsfeld des Arztes getreten. Er wirkte nicht so, als wollte er sich über die Frauen lustig machen. Die Bemerkung war als neutrale Tatsache hervorgebracht worden.

„Sie meinen, er macht das mit Absicht?“ wollte Benteen wissen, die nicht vorhatte, sich anmerken zu lassen, dass er sie überrascht hatte.

Elgin schüttelte den Kopf. „Nein, überhaupt nicht. Doch leider fühlt sich jeder, der ihn sieht, zu ihm hingezogen.“

Kira wollte nachhaken, was er mit dieser Bemerkung gemeint hatte, doch sie wurden von Chailleach unterbrochen, der mit einem frischen Hemd zurück kam. Elgin ging mit ihm zu Admair zurück, bevor die Bajoranerin ihn weiter hätte fragen können.

Als Admair sich angezogen hatte, trat er vor die beiden Frauen. Er deutete eine Verneigung an. „Ich bin mir sicher, dass Ihr mich nicht nur besucht habt, um zu sehen, wie es mir geht, dazu sind Eure anderen Aufgaben zu wichtig. Womit kann ich Euch dienen?“

Erneut sahen Kira und Benteen sich an.

„Sie haben recht.“ Colonel Kira lächelte. „Auch wenn es uns natürlich immer ein Anliegen ist, dass es Besuchern unserer Station gut geht. Wir wollten Sie fragen, ob Sie mit uns frühstücken könnten. Wie Sie sicherlich verstehen werden, gibt es nach dem gestrigen Abend noch einiges, was ich gerne mit Ihnen besprechen würde. Wenn Sie jedoch zuerst in Ihr Quartier gehen möchten, um sich frisch zu machen ...?“

„Wenn unsere Gegenwart ohne eine Dusche Euer Frühstück nicht verdirbt, werden wir gerne jetzt mit Euch sprechen.“ Seine Augen zwinkerten charmant, und Kira ahnte, was Elgin vorhin gemeint hatte. Admair war groß und kräftig, er trug ein scharfes Schwert auf dem Rücken und sie hatte gesehen, dass er damit ausgezeichnet umgehen konnte, darüber hinaus war sie sich keineswegs sicher über die Beweggründe, die ihn auf die Station gebracht hatten – und dennoch fühlte sie sich nicht einen Augenblick von ihm bedroht. Sie würde mit ihm einen dunklen, abgelegenen Sektor der Station entlang laufen und sich dabei sicher sein, dass er keine Gefahr war. Nicht, weil sie sich auf ihr eigenes kämpferisches Geschick verließ, sondern weil sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wusste, dass er ihr nichts tun würde. Sie las Respekt in seinen Augen und sie glaubte ihm.

„Dann bitte ich Sie, sich uns anzuschließen.“

Admair winkte den beiden Soldaten zu, ihnen zu folgen, dann ließen sich die drei Männer den Weg zum Besprechungsraum zeigen.

Dort war schon ein reichhaltiges Frühstücksbuffet aufgebaut worden, und die Soldaten schafften es erneut, die Stationsoffizierinnen zu verblüffen. Admair blieb neben dem ihm zugewiesenen Stuhl stehen, während Chailleach und Elgin die Stühle der beiden Frauen zurechtrückten. Erst als diese sich gesetzt hatten, ließ sich auch der Kommandant nieder, als letztes die beiden Soldaten.

Kira bedeutete mit der Hand, dass sie sich bedienen sollten. „Eines muss ich Ihnen wirklich lassen, Sie haben ausgezeichnete Umgangsformen“, bemerkte sie, während sie sich eine Tasse Raktajino einschenkte. „Ich hoffe, wir erscheinen Ihnen nicht als unhöflich. Doch bei vielen Rassen, die diese Station bevölkern, existieren keine geschlechterspezifischen Verhaltensnormen oder, wenn sie bestanden haben, sind sie vor Jahrhunderten abgeschafft worden.“

Admair nickte. Er sah sich interessiert in dem Angebot auf dem Tisch um. „Das haben wir in unserer relativ kurzen Zeit der Weltraumerforschung schon bemerkt, dass wir andere Rassen niemals mit den Maßstäben messen dürfen, mit denen wir uns selbst messen.“ Er hob seinen Blick von der Frühstücksauswahl. „Jedoch versuchen wir unsere sozialen Strukturen auch auf längeren Missionen beizubehalten, wenn wir andere damit nicht in deren Schicklichkeitsempfinden stören.“ Seine Augen suchten ihren Blick, ein Anflug von Unsicherheit trübte das dunkle Blau. „Wir verletzen doch nicht etwa einen Kodex Eurer Rassen?“

Die Bajoranerin schenkte ihm ein offenes Lächeln. Sie merkte, dass es ihr schwer fiel, in seiner Gegenwart nicht zu lächeln. „Nein, da müssen Sie keine Angst haben. Mir würde im Augenblick keine Rasse hier auf der Station einfallen, deren weibliche Angehörige sich nicht von Ihrer Aufmerksamkeit geschmeichelt fühlen würden. Oder wie sehen Sie das, Commander?“ wandte sie sich an Benteen.

Die Terranerin setzte ihre Tasse ab. „Wenn von mir nicht verlangt wird, dass ich mich wie ein unterdrücktes Frauchen verhalte, habe ich keine Einwände.“

Admair blickte sie entsetzt an. „Das würde uns im Traum nicht einfallen.“

Benteen lachte – Kira erinnerte sich nicht daran, ihren ersten Offizier schon einmal in Gesellschaft lachen gesehen zu haben – und machte eine beschwichtigende Geste. „Das denke ich auch nicht. Aber Sie müssen verzeihen, Ihr Erscheinen, Ihre Kleidung, Ihre Waffen und Ihr Verhalten erinnern mich an eine sehr patriarchalisch geprägte Epoche meines eigenen Volkes, in welcher Frauen zwar geehrt und besungen wurden, aber sonst nirgendwo ein Mitspracherecht hatten.“

Neben ihr ertönte leises Lachen. Elgin prostete ihr mit seiner Kaffeetasse zu. „Darüber müsst Ihr Euch keine Sorgen machen, Commander. Wir ehren die Frauen nicht nur, wir hören auch auf sie.“

Kira konnte sich nicht zurückhalten, Benteen zuzuzwinkern. „Klingt nach Utopia.“

Die andere Frau nickte, dann wechselte sie das Thema. „Aber das war eigentlich nicht das, worüber wir sprechen wollten.“

„In der Tat.“ Kira war froh, dass Benteen sie daran erinnerte. Es war zu leicht, sich in der charmanten Gesellschaft zu verlieren. Sie dachte kurzzeitig an Jadzia Dax zurück. Dies hier wäre ihr Spielfeld gewesen. Die lebenslustige Trill hätte wahrscheinlich keinen der drei Männer wieder von ihrer Seite gelassen.

„Mein Sicherheitschef hat die gesamte Station auf der Frequenz gescannt, mit welcher ich den Schutzschild Ihres Angreifers auf der Promenade durchdringen konnte. Er hat soweit nichts Verdächtiges entdeckt.“

Admair nickte nachdenklich. „Danke, dass Ihr das getan habt.“

„Es ging nicht nur um Ihre Sicherheit, sondern auch um die meiner Station.“

„Richtig. Doch ich bin mir sicher, dass sie ihre Schildfrequenz ebenfalls ändern, wenn sie herausbekommen, dass Ihr es geschafft habt, sie mit einer Energiewaffe zu enttarnen.“

„Sie denken, dass sich noch weitere Unsichtbare auf DS9 aufhalten?“ wollte Benteen wissen.

Der Kommandant schüttelte den Kopf. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht einmal damit gerechnet, dass der Eine sich hier her wagen würde. Andernfalls hätte ich nicht so schnell zugestimmt, dass Ihr uns unsere Waffen abnehmt.“

„Richtig, die Schwerter.“ Kira runzelte die Stirn. „Wieso können Sie mit einer so – verzeihen Sie, wenn ich das sage – primitiven Waffe gegen einen Schutzschild angehen? Nach dem, was Elgin mir gesagt hat, und von dem Umstand, dass Sie Überlichtgeschwindigkeit in der Raumfahrt beherrschen, gehe ich davon aus, dass Ihre Rasse ebenfalls über Energiewaffen verfügt.“

„Das tun wir in der Tat“, bestätigte Admair. „Doch so wie Ihr mit Eurer Waffe die Frequenzen moduliert habt, das können wir nicht, und daher sind diese Waffen für uns nutzlos. Unsere Schwerter, die Ihr als primitiv bezeichnet, hingegen sind wesentlich elegantere Waffen ...“

Kira machte ein wenig überzeugtes Gesicht. „Ich habe die ersten 25 Jahre um mein Leben und die Freiheit meines Volkes kämpfen müssen. Glauben Sie mir, Eleganz ist eine Eigenschaft, die sehr schnell bedeutungslos wird.“

Admair tauschte bei ihren letzten Worten rasch einen Blick mit Elgin aus. Es lag etwas Undefinierbares darin: Wehmut, aber auch Hoffnung. „Es tut mir sehr leid, dass Ihr eine solch grausame Jugend durchleben musstet, Colonel.“

Sie tat die Angelegenheit mit einer Handbewegung ab. „Das liegt hinter mir und mein Planet ist seit Jahren frei. Zurück zu Ihren Schwertern – warum können Sie damit den Schutzschild durchdringen?“

„Die Klingen sind im Stande, die Energie abzuleiten, die Griffe sind aus isolierendem Material. Im Prinzip ziehen wir punktweise Energie ab und schwächen damit den Schild, bis er die Schläge durchlässt.“

Benteen hörte interessiert zu. „Aber Sie müssen doch die aufgeladenen Klingen entladen, damit sie einen Sinn haben.“

Admair nickte. „Unsere Kampftechnik benötigt sowohl Berührung mit dem Feind als auch mit dem Boden, um die Energie abzuleiten.“ Er lächelte leicht. „Das Kunststück ist, beides im richtigen Moment zu tun, um nicht verletzbar zu sein.“

„Und das alles, während Sie Ihren Gegner nicht einmal sehen können?“ wollte Benteen skeptisch wissen.

„Nun, Ihr habt gesehen, was passiert, wenn einer alleine gegen einen von ihnen antritt“, bemerkte er schulterzuckend. „Wir sind realistisch genug zu wissen, dass wir ihnen nicht im Mann-zu-Mann-Kampf gewachsen sind.“ Er wandte sich zu dem jungen Soldaten um, der auf seiner anderen Seite saß. „Wenn Chailleach nicht eingesprungen wäre, hätte ich vielleicht keine Chance gehabt. Daher greifen wir nie alleine an.“

„Gut, die Erklärung leuchtet mir ein“, bemerkte Kira. Sie fixierte Admair und zwang ihn so, ihr bei ihrer nächsten Frage ins Gesicht zu sehen. „Jetzt möchte ich aber endlich wissen, wer das war. Da er leider getötet wurde, können wir ihn nicht selbst danach fragen.“

Der Kommandant hielt ihrem Blick stand, nur kurz zuckten seine Augen zu Elgin hinüber, bevor er ruhig antwortete: „Wir werden von Sklavenjägern verfolgt. Ich glaube, Elgin hat Euch das schon berichtet.“

„Das hat er.“ Sie sah misstrauisch von einem Mann zum anderen. „Doch leider hat er vergessen zu erklären, woher der Mann kam, weswegen er Sie verfolgt, warum ein Sklavenjäger mit einem Schwert und eindeutigen Tötungsabsichten auf jemanden losgeht, den er doch als Sklaven fangen möchte, und warum Sie mich angelogen haben, als ich Sie an der Schleuse gefragt habe, ob Sie eine bestimmte Bedrohung hier erwarteten!“

Das Geräusch eines rückenden Stuhls war zu hören. Aller Augen wandten sich Chailleach zu, der aufgestanden war und die Bajoranerin anfunkelte. Kira maß ihn abschätzend. Sie glaubte den Männern gerne, dass sie Frauen achteten und auf sie hörten, doch bei dem blonden Soldaten lag die Grenze der Achtung eindeutig an seiner Loyalität dem Kommandanten gegenüber. Kira würde ihn im Auge behalten. Sie fühlte sich von den beiden älteren Männern nicht bedroht, doch sie schätzte den jungen Mann als gefährlich ein.

Admair berührte ihn am Arm und veranlasste ihn damit, sich wieder zu setzen. „Vergebt ihm, Colonel. Seine Liebe zu mir lässt ihn manchmal etwas übereilt reagieren.“

Chailleach wandte sich ärgerlich zu ihm um, aber das Lächeln, das Admair ihm schenkte, ließ seine Züge wieder weich werden.

„Es lag nicht in meiner Absicht, Euch zu belügen, Colonel. Wie ich zuvor schon ausgeführt habe, habe ich nicht wirklich daran geglaubt, dass uns jemand auf diese bevölkerte Station folgen würde. Warum ich nicht darüber gesprochen habe ...? Nun, wir besitzen eine lange Tradition in der Kampfeskunst, wir sind stolz darauf, sowohl mit als auch ohne Waffen Körper und Geist jederzeit unter Kontrolle zu haben. Wir sind Soldaten. Es ist uns eingestandenermaßen unangenehm ... ja, wahrscheinlich sogar peinlich ... dass wir in die Aufmerksamkeit von Sklavenhändlern geraten sind. Das ist ein Umstand, den wir unter uns selbst nicht oft ansprechen – umso weniger gegenüber Fremden. Vielleicht ist es falsch verstandener Stolz, das kann schon sein.
Die Verfolgungen fingen ein paar Jahre, nachdem wir den Überlichtflug gemeistert hatten, an. Die Bewohner eines nahen Sonnensystems müssen dadurch auf uns aufmerksam geworden sein. Und als sie das erste kleine Forschungsschiff geentert hatten, müssen sie uns wohl als benutzbar eingestuft haben.“ Es war ihm anzusehen, dass ihm nicht wohl dabei war, über diese Dinge zu sprechen. Er zwang sich zu Blickkontakt mit Kira, seine Augen wanderten aber immer wieder auf die Tischplatte hinunter, wo sie seine verschränkten Finger betrachteten. „Seitdem treffen wir immer wieder auf sie, wenn wir uns nur weit genug von unserem Planeten entfernen.“ Er sah wieder auf. „Doch davon werden wir uns nicht einschüchtern lassen. Wir sind ihnen gewachsen.“

„Das mag sein“, entgegnete Kira nachdenklich. „Ich möchte Ihnen nicht noch einmal zu nahe treten, aber weswegen hat ein Sklavenjäger versucht, Sie umzubringen?“

„Das ist doch einsichtig“, kam Chailleach dem anderen zuvor. Ihm war deutlich anzusehen, dass er es nicht zulassen wollte, dass sein Kommandant noch weiter in ein Kreuzverhör genommen wurde. In Anbetracht der Bitte Admairs zügelte er jedoch sein Temperament. „Es war ein Missgeschick, dass er überhaupt entdeckt wurde. Er befand sich auf der Promenade, um uns zu beobachten, und er hätte wahrscheinlich überhaupt nicht angegriffen, wenn nicht ein kleiner Junge aus Versehen gegen ihn gerannt wäre. Das hat ihn seiner Deckung beraubt und uns alarmiert. Er hatte keine andere Chance als zu kämpfen.“

Kira wog die Erklärung ab. Die Worte des jungen Mannes stimmten mit dem überein, was ihr Lieutenant Nog gestern Nacht von der Aussage Fähnrich Mondals berichtet hatte. Es schien in der Tat alles nur ein Zufall gewesen zu sein, dass der Mann mit dem Tarnschild entdeckt worden war.

Schließlich nickte sie. „Ihre Erklärung klingt vernünftig, Chailleach.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Dann bräuchte ich nur noch eine gute Antwort auf die Frage, warum der Getötete genetisch nahezu mit Ihrer Rasse übereinstimmt.“

* * *


Nachdem sie ihre Schicht begonnen hatten, traf sich Colonel Kira mit ihrem ersten Offizier in ihrem Büro wieder. Sie hatten das Frühstück auf einer einigermaßen freundlichen Basis beendet. Admair hatte auch die letzte Frage der Bajoranerin so beantwortet, dass sie ihm keinen Strick daraus drehen konnte. Er gab offen zu, dass er keine Ahnung hatte, warum andere Planeten mit Rassen bevölkert waren, die ihnen glichen. Er hatte Benteen als Beispiel herangezogen, dass sogar in zwei Quadranten, die über 70.000 Lichtjahre voneinander entfernt waren, verblüffende Ähnlichkeiten auftraten. Dem hatte Kira nichts entgegenzusetzen gehabt.

Falls dies eine Schlacht der versteckten Absichten gewesen war, hatten Admair und seine Soldaten die erste Runde gewonnen, doch sie waren gewarnt, dass Kira nicht jede Ungereimtheit einfach hinnehmen würde.

„Was ist Ihr Eindruck, Benteen?“ Sie ließ sich in den Sessel hinter ihrem Schreibtisch fallen.

Die Terranerin stand vor dem Aussichtsfenster und betrachtete die Sterne. „Ich bin mir nicht sicher“, gestand sie. „Der Jüngere scheint mir gefährlich zu sein. Ich würde ihm zutrauen, jemanden hinterrücks zu beseitigen, wenn er denkt, damit seinem Hauptmann dienen zu können.“

Kira nickte. „Das ist auch mein Eindruck. Ich habe ihn beim Kämpfen gesehen. Er wirkt nicht wie jemand, der schlaflose Nächte verbringt, wenn er tötet. Und die anderen?“

Benteen wandte sich um. Sie lehnte sich gegen das breite Sims des Aussichtsfensters, ihre Hände stützte sie hinter sich ab, während ihr Blick keinen bestimmten Fleck in der Raumluft betrachtete. „Ich denke, da geht es mir ähnlich wie Ihnen, Colonel. Etwas in mir möchte ihnen unbedingt glauben, weil ich mich in ihrer Gesellschaft gut fühle. Doch gleichzeitig schrillt eine Alarmglocke, dass das alles doch auch eine wunderbare Täuschung ist, um uns in Ahnungslosigkeit zu lullen. Man wünscht sich, dass sie real wären, weil doch irgendwie in jedem die Sehnsucht nach dem Ritter schlummert.“

Kira betrachtete die Commander grinsend. Die Terranerin mit ihren streng zurückgeflochtenen dunklen Haaren ließ selten Verwundbarkeit erkennen. Ihr schönes Gesicht wirkte meist so emotionslos wie das einer Vulkanierin und nur an ihren oft sarkastischen Bemerkungen konnte man erahnen, wie viel Wut und Unzufriedenheit dahinter verborgen lagen. Im Augenblick wirkte sie jedoch beinahe zugänglich. Die Gesellschaft der Soldaten veränderte sie tatsächlich.

„Ich hätte nicht gedacht, dass in Ihnen eine Romantikerin schlummert, Benteen.“

Die Commander wandte ihr das Gesicht zu. Sie schnitt eine zynische Grimasse. „Da gibt es vieles, was Sie von mir nicht wissen, Colonel. Und sicherlich auch nicht wissen wollen.“ Dabei warf sie Kira einen Blick zu, welcher der Bajoranerin unter die Haut fuhr. Benteen hatte recht, sie wollte es nicht wissen!

Rasch bemerkte sie: „Was ich vorhin nicht erwähnt habe, um die Atmosphäre nicht noch weiter aufzuheizen, war eine Beobachtung, die Fähnrich Mondal gegenüber Lieutenant Nog geäußert hat. Mondal hat gesehen, wie der Kampf auf der Promenade angefangen hat. Und nach seiner Aussage war es Admair, der zuerst angegriffen hat, nicht der unsichtbare Gegner.“

Benteen hob die Augenbrauen. „Interessant, dass der Kommandant vergessen hat, uns das mitzuteilen.“

* * *



Am späten Nachmittag traf das Forschungsschiff ein, dessen Vorhut die drei Soldaten gebildet hatten.

Colonel Kira und Commander Benteen gesellten sich zu den wartenden Soldaten. Es war weniger eine Respektbezeugung gegenüber der Delegation, sondern eine Vorsichtsmaßnahme, da keine der beiden Offizierinnen mit noch mehr Unbekanntem konfrontiert werden wollte. Dennoch hatte die Colonel darauf bestanden, dass sie Galauniformen trugen. Dieser Umstand wurde von Admair mit erfreutem Ausdruck quittiert.

„Ich danke Euch, dass Ihr meiner Herrin Euren Respekt erweist.“

Herrin?

„Die Andockprozedur ist abgeschlossen“, meldete Fähnrich Mondal von seiner Station neben Lieutenant Tugwandé. Es gefiel ihm, dass das Forschungsschiff an dem Pylonen andockte, an welchem er Dienst hatte. Auf diese Weise hatte er wieder auf die Soldaten treffen können ohne den Eindruck zu erwecken, hinter ihnen her zu rennen. Chailleach, dessen Blick nun ebenso unbeweglich auf die Schleusentür gerichtet war wie derjenige der anderen, hatte ihn vorher begrüßt und ein paar Worte mit ihm gewechselt. Mondal mochte den jungen Mann, er fühlte eine gewisse Verbundenheit wegen ihrer beider Jugend. Und es schien, dass der andere dieses Gefühl erwiderte.

„Öffnen Sie die Schleusen.“

Nachdem die zahnradartigen Türen beiseite geglitten waren, betraten weitere Soldaten die Passagierkontrolle. Sie grüßten Admair mit einem Kopfnicken und stellten sich dann in zwei Reihen zu beiden Seiten der Schleuse auf. Jeder von ihnen trug auf dem Rücken ein langes Schwert. Kira flehte schweigend zu den Propheten, dass sie sich ihre Waffen ohne erneute Grundsatzdiskussionen würden abnehmen lassen.

Als keine Bewegung mehr in den Reihen der Soldaten zu verzeichnen war, betrat die eigentliche Delegation den Raum. Es handelte sich um neun Frauen, die eine ähnliche Wirkung wie die Soldaten hatten. Auch sie strahlten eine Schönheit aus, die zeitlos schien. Ihre langen Gewänder und offenen Haare unterstrichen noch den epochalen Eindruck, den Benteen schon von den Soldaten gewonnen hatte.

Vorneweg ging eine zierliche Frau mit langen rotblonden Locken, die mit einem silbernen Band aus ihrem Gesicht gehalten wurden, das sie wie eine Krone trug. Ihr fester Schritt und der klare Blick ihrer hellgrauen Augen machten deutlich, dass man sie nicht ihrer Körpergröße wegen unterschätzen sollte.

Sie trat auf Admair zu, welcher sich auf ein Knie hinunterließ und den Kopf vor ihr beugte. „Meine Herrin, ich bin glücklich zu sehen, dass Ihr die Fahrt auch ohne mich gut überstanden habt.“

Kira bemerkte interessiert, dass er der einzige war, der auf die Knie gegangen war. Die anderen Soldaten standen aufrecht mit nach vorne gerichtetem Blick.

Auf jeden Fall wusste sie jetzt, worauf Elgins Bemerkung abgezielt hatte. Von einem patriarchalischem System konnte nicht die Rede sein.

„Deine Soldaten haben ihre Arbeit gut gemacht.“ Die Frau berührte Admairs Schulter, woraufhin dieser sich wieder erhob. Er drehte seinen Körper ein wenig zur Seite, so dass der Blick auf die Stationsoffiziere frei war.

„Herrin, dies sind Colonel Kira, die Kommandantin dieser Station, und Commander Benteen, ihr erster Offizier. Hier drüben sind Lieutenant Tugwandé und Fähnrich Mondal, die beide darauf achten, dass niemand unerlaubterweise die Station betritt.“ Dann drehte er sich so, dass er neben der Frau stand, sie wirkte wie ein Kind neben seiner großen Gestalt. Kira sah seinen Blick, sah die Entschlossenheit darin und ihr wurde klar, dass er, wie auch Chailleach, nicht zögern würde zu töten, wenn jemand der Person seiner Loyalität zu nahe kam. „Dies ist Suidhe von Rossa, Erste Wissenschaftlerin der Shasuinn.“

Die Frau nickte den vier Offizieren im Raum freundlich zu. Sie deutete auf ihre Begleiterinnen und nannte deren Namen.

Kira trat vor sie. „Suidhe von Rossa, ich freue mich, Sie auf meiner Station begrüßen zu dürfen.“

Die Frau legte die rechte Hand auf das Brustbein. „Ich freue mich hier zu sein, Colonel Kira. Wir haben von Ihrer Station auf der anderen Seite des Wurmlochs gehört, und unsere Neugierde hat uns hierher geführt. Noch niemand unseres Volkes war so weit von zu Hause fort. Ich bin froh darüber, dass wir hier willkommen sind.“

Die Bajoranerin imitierte die Geste. „Deep Space Nine heißt Besucher stets willkommen. Ich freue mich darauf, Ihre Kultur kennen zu lernen und Ihnen die verschiedenen Kulturen näher zu bringen, die hier auf der Station vertreten sind.“

Suidhe lächelte. „Ich sehe, schon jetzt hat sich das Kommen gelohnt.“

Kira blickte zu Admair hinüber. „Kommandant Admair hat für Sie und Ihre Begleiterinnen bereits Quartiere ausgesucht. Wenn Sie sich erst einmal zurückziehen wollen ...?“

„Ja, das wäre angenehm. Unsere Forschungsschiffe sind nicht sehr bequem, was die Unterbringung angeht.“ Sie sah zu Admair hinauf. Der Kommandant nickte leicht. Sie wandte den Blick wieder zurück zu Kira. „Ich würde mich freuen, wenn Sie heute Abend ein wenig von Ihrer kostbaren Zeit erübrigen und mich auf einen Drink und eine Kleinigkeit zu essen besuchen könnten.“

„Ich werde da sein“, versprach die Bajoranerin, dann sah auch sie zu Admair hinüber. „Ich denke, Sie werden Ihren Leuten die Quartiere zeigen, Kommandant.“

Er neigte den Kopf. „Wenn Ihr erlaubt, Colonel.“

Sie hob die Hand Richtung Ausgang. „Nur zu.“

„Eines noch.“ Commander Benteen trat einen Schritt vor. „Wir erlauben keine Waffen auf der Station. Im Fall von Kommandant Admair hat Colonel Kira eine großzügige Ausnahme gemacht. Ich möchte Sie bitten, dass alle anderen Ihre Schwerter für die Dauer des Aufenthalts in Gewahrsam geben.“

Kira quittierte Benteens Aufmerksamkeit mit einem anerkennenden Blick.

Die Soldaten sahen zu ihr hinüber, dann wandten sich ihre Augen zu Admair. Der Kommandant nickte. „Tut, was sie sagt. Wir können ihnen vertrauen.“

Ohne weitere Kommentare zogen die Männer ihre Waffen und legten sie in der Mitte des Raumes auf einen Haufen.

Tugwandé und Mondal sahen sich an und machten sich dann an die Arbeit, die Schwerter einzusammeln und zu inventarisieren.

* * *


Als Kira sich an diesem Abend den Gästequartieren im Habitatring näherte, war sie schon voller Neugierde auf die bevorstehende Begegnung. Sie erhoffte sich ausführlichere Antworten von der Wissenschaftlerin. Da sie nun das Verhältnis der Soldaten zur eigentlichen Forschungscrew kannte, vermutete sie, dass Admair nicht über viel sprechen konnte oder wollte, ohne seine Herrin zu Rate zu ziehen. Herrin! Das Wort klang seltsam in Kiras Ohren. Sie hielt nichts von Abhängigkeitsverhältnissen jedweder Art. Ihre Freiheit und Selbstbestimmung waren für sie immer das oberste aller erstrebenswerten Ziele gewesen. Sie glaubte zwar nicht, dass Männer wie Admair – oder gar Chailleach – sich einer anderen Person gegen ihren Willen unterwerfen würden, dennoch hatte sie ein komisches Gefühl dabei. Sie grinste, als sie in den letzten Korridor bog, Nerys, gib es einfach zu, du bist neidisch darauf, dass du nicht so viele gutaussehende Männer zum Herumkommandieren hast. Immer noch belustigt über ihre eigenen Gedanken erreichte sie das Quartier, welches Suidhe bezogen hatte. Links und rechts der Tür sah sie zwei bekannte Gesichter.

„Guten Abend, Elgin, Chailleach. Ich hoffe, Sie halten hier nicht Wache, weil Sie dem Besuch Ihrer Herrin nicht trauen?“

Elgin lächelte. „Guten Abend, Colonel. Nein, wir halten Wache für den Besuch.“

Als Kira auf das ‚Herein’ eintrat, erkannte sie, dass nicht sie mit dem Besuch gemeint war. Auf dem Sofa, welches der Tür gegenüberstand, saß Admair. Er hatte seine schwarzen Gewänder gegen einen Bademantel aus dem Stationsreplikator getauscht. Sein Haar fiel ihm offen auf die Schultern und war noch feucht von der Dusche. Ein paar Strähnen hingen ihm in die Stirn und verliehen ihm ein verwegenes Aussehen. Mit einem Weinglas in der Hand erhob er sich bei ihrem Eintreten. „Colonel.“ Er neigte wie gewohnt den Kopf.

Kira ertappte sich dabei, dass sie ihn anstarrte. Sie wusste nicht warum, aber sie hatte ihn nicht hier erwartet, nicht so.

„Guten Abend, Colonel.“ Suidhes Stimme lenkte sie ab. Die Frau trat aus dem angrenzenden Raum, der als Schlafzimmer diente. Sie trug leichtere Gewänder, die aber denjenigen ähnelten, die sie bei ihrer Ankunft auf der Station getragen hatte. Sie wirkte wie eine Feengestalt. „Ich freue mich, dass Sie es möglich machen konnten zu kommen.“

Admair ging um das Sofa herum zu Suidhe. „Ich werde gehen, damit Ihr Euch in Ruhe unterhalten könnt. Ich wünsche Euch eine Gute Nacht, Colonel.“

Kira nickte nur, noch immer verwundert über den Anblick. Sie beobachtete, wie Suidhe ihre Handfläche zum Ausschnitt von Admairs Bademantel hob und sie auf seine nackte Brust legte. „Du kannst dich beruhigt zurückziehen. Mir droht keine Gefahr von Colonel Kira.“

„Das weiß ich.“ Er verschwand im Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.

Suidhe wandte sich wieder Kira zu. „Bitte setzen Sie sich doch, Colonel.“ Sie deutete auf das Sofa, auf welchem Admair kurz zuvor noch gesessen hatte. Die Bajoranerin sah erst jetzt, dass der kleine Tisch davor mit Gläsern, Getränken und verschiedenen Nahrungsmitteln angerichtet war. „Ich hoffe, es ist etwas darunter, das Ihnen zusagt. Ich habe aus Ihrem Replikator und Vorräten von unserem Schiff gemischt.“

Kira ging zum Sofa hinüber, setzte sich und wollte gerade etwas sagen, als ihr Blick auf die Wand gegenüber fiel, die Wand vor der sie eben noch gestanden hatte. Ihr Satz blieb unausgesprochen. Mit großen Augen starrte sie den Wandteppich an, der dort neben der Eingangstür angebracht war. Für einen Augenblick fehlten ihr die Worte. Er war aus edlem Material gewebt, das war auf den ersten Blick zu sehen. Die Lebendigkeit der Figuren zeugte von großer Kunstfertigkeit, das stand außer Frage. Doch das war es nicht, was ihr die Sprache verschlug.

„Das ist ...“, flüsterte sie schließlich.

„Das ist Admair.“ Die tiefe Traurigkeit hinter den Worten zwang sie, ihren Blick abzuwenden.

Suidhe hatte sich neben sie gesetzt und betrachtete nun ebenfalls den Wandteppich. Kira glaubte, in den Augen der Frau Tränen glitzern zu sehen.

Sie sah zurück zu dem Kunstobjekt. „Was hat das für eine Bedeutung?“ fragte sie leise, denn sie spürte, dass mehr dahinter stand als das Offensichtliche nahe legte. Ein Mann war in verschiedenen Szenen dargestellt. Er war stets unbekleidet und die Szenen immer erotisch. Der Mann stellte eine fast lebendig wirkende Abbildung des Kommandanten dar. Kira fühlte sich, als ob sie ihn durch ein Guckloch beobachtete, in seine Privatsphäre eindrang. Obwohl jede Szene ästhetisch und keineswegs vulgär wirkte, fühlte sie sich nicht wohl dabei.

„Es ist ein Asketch. Er darf von einem Auserwählten angefertigt werden. Jeder Faden ist von Hand gewebt, er dauert ein Jahr in der Fertigstellung. Kurz vor unserer Expedition habe ich ihn erhalten. Er ist wunderbar geworden, nicht wahr?“

„Es ist eine sehr schöne Arbeit“, bestätigte Kira zögernd. „Doch korrigieren Sie mich, wenn ich das Gefühl habe, dass da noch etwas anderes dahinter steckt ...?“

Suidhe nahm ihren Blick von dem Wandteppich. Sie schüttelte den Kopf, wie um ihn von melancholischen Gedanken frei zu bekommen. Ihr langes Haar wogte ihr dabei um das Gesicht. Als sie sich danach Kira zuwandte, waren ihre Augen trocken und es lag das freundliche Lächeln darin, mit welchem sie die Bajoranerin schon an der Schleuse begrüßt hatte.

„Es tut mir leid, ich bin unaufmerksam. Bitte bedienen Sie sich doch.“ Sie deutete auf die angerichteten Platten. „Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten?“

Die Bajoranerin war etwas irritiert von dem plötzlichen Stimmungsumschwung der anderen Frau. Sie hob ihr Glas, um es sich füllen zu lassen. „Wenn Sie hellen Wein haben ...?“

Suidhe entkorkte eine Flasche und goss Kira und sich selbst ein. „Ich war sehr neugierig auf Ihre Station, Colonel. Ich weiß nicht, ob Admair es Ihnen erzählt hat, aber wir sind als Volk noch nicht sehr weit herumgekommen. Für uns erscheint so vieles, was für Sie sicherlich alltäglich ist, noch so neu und aufregend. Ich muss mich daher jetzt schon entschuldigen, wenn wir Ihnen bisweilen naiv erscheinen.“

Kira hob die Hand zum Zeichen, dass das Glas für ihren Geschmack voll genug war. „Ich habe Ihre ... Leibwache? ... kennen gelernt, ich komme sicherlich nicht auf die Idee, Sie als naiv zu betrachten.“

Die rotblonde Frau hob ihr eigenes Glas zum Gruß, bevor sie einen Schluck nahm. „Ja, Leibwache ist eine gute Bezeichnung. Admair und seine Männer sind für die Sicherheit der Besatzung verantwortlich.“

Kira merkte, dass die andere sie vom Thema des Wandteppichs fortführen wollte, und sie ließ es zu, doch sie würde zu einem späteren Zeitpunkt ohne Frage darauf zurückkommen.

„Sie scheinen ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zu Ihnen zu haben, wenn ich das bemerken darf.“

Suidhe nickte. „Wir haben gelernt, dass unsere Gesellschaftsstruktur auf manche Rassen ungewöhnlich wirkt. Bei uns sind die Zugehörigkeiten zu einer bestimmten ... Klasse, wenn Sie so wollen, fest definiert. Das mag Ihnen wenig fortschrittlich erscheinen, doch es hat uns gute Dienste geleistet. Männer sind Soldaten, sie werden von frühester Jugend darauf trainiert, keine von uns Frauen würde jemals kämpfen. Ich habe als Beste meiner Stufe die Universität abgeschlossen und habe mir damit das Recht erarbeitet, eine eigene Einheit zu gründen. Ich durfte Wissenschaftlerinnen und Helferinnen einstellen, eine eigene landwirtschaftliche Versorgung begründen, kunsthandwerkliche Stätten und anderes Gewerbe. Und ich erhielt das Recht, eine eigene Armee-Einheit zu unterhalten, die ich bei Angriffen auf die Stadt natürlich dem städtischen Militär unterstelle.“

Kira hob die Augenbrauen. „Sie verlassen sich zur Verteidigung auf die Männer? Wie kommt es dann, dass Sie die Macht haben, wenn die Männer die Kampfkraft besitzen? In meiner Erfahrung wird die Kontrolle immer von denen ausgeübt, welche die Waffen führen.“

„Nein“, Suidhe schüttelte den Kopf. „Es war bei uns noch nie anders. Jede Person kennt ihren Platz, niemand käme auf die Idee, etwas anderes sein zu wollen. Das gäbe keinen Sinn.“

„Sie haben keine freie Wahl? In welche Klasse Sie hineingeboren werden, dort haben Sie zu leben?“ Sie rümpfte die Nase, was ihren Rippen eine besondere Betonung verlieh. „Das erinnert mich an eine frühere Zeit meines Volkes. Wir hatten ebenfalls ein strenges Kasten-System, die D’jarras.“

Die Augen der anderen leuchteten erfreut. „Ich wusste, dass Sie mich verstehen würden. Ich wollte diese Station besuchen, weil ich gehört habe, dass sie von einer Frau kommandiert wird. Verstehen Sie mich nicht falsch, Colonel, ich akzeptiere vollkommen, dass bei anderen Völkern auch Männer das Sagen haben. Doch es ist mir mehr als einmal passiert, dass ich das Gefühl bekam, ein männlicher Kommandant hält sich für etwas Besseres. Ich nehme sehr schlecht Anweisungen von einem Mann entgegen.“ Sie lächelte beinahe scheu. „Vielleicht bin ich arrogant, aber ich bin das nicht gewohnt. So bin ich erfreut, hier mit Ihnen sprechen zu können, von Frau zu Frau. Und jetzt erfahre ich, dass Sie ebenfalls ein Klassensystem kennen ... wir haben viele Gemeinsamkeiten.“

Kira betrachtete sie nachdenklich. Suidhe wirkte begierig darauf, mit ihr Freundschaft zu schließen – etwas zu begierig. Die Bajoranerin war von Natur aus keine Person, die leicht Freundschaften schloss. „Ich habe gesagt, dass wir dieses Kastensystem in unsere Vergangenheit hatten. Es existiert nicht mehr und ich muss sagen, dass ich sehr froh darüber bin. Der Gedanke, dass man nicht die Freiheit hat, sich zu entscheiden, was man mit seinem Leben machen möchte, behagt mir nicht.“

„Nein?“ Suidhe sah sie an. In ihren hellen Augen lag etwas anderes als die erwartete Enttäuschung bei dieser Eröffnung. Doch bevor Kira den Ausdruck hätte deuten können, war er wieder von dem unschuldigen Lächeln verdrängt worden.

„Auf meinem Planeten gibt es keine Chancenunterschiede zwischen Frauen und Männern, und darauf bin ich stolz.“

„Das können Sie auch sicherlich“, gewährte Suidhe. Sie beugte sich nach einem Häppchen vor, ihre Armreifen klangen dabei hell. „Doch hoffentlich haben Sie nicht den Eindruck gewonnen, dass wir unsere Männer unterdrücken würden.“

Vor dem inneren Auge der Colonel erschien das Bild Chailleachs, wie er sich über ihre Anschuldigung geärgert hatte. „Nein, das kann ich eigentlich nicht behaupten.“

Suidhe breitete ihre Arme aus, in einer Hand das angebissene Häppchen. „Na bitte. Sie brauchen sich keine Sorgen darüber zu machen, dass wir einen Teil unserer Bevölkerung unterdrücken.“

Das erschien der Bajoranerin als guter Ansatzpunkt, um wieder auf den Wandteppich zurückzukommen, von dem sie sicher war, dass er eine Bedeutung hatte. Sie winkte mit dem Arm in dessen Richtung. „Diese öffentliche Darstellung der Privatsphäre Ihres Kommandanten erscheint mir jedoch ein wenig wie eine Bevormundung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er begeistert davon ist, dass Sie diesen Teppich aushängen.“

Die andere Frau schlug die Augen nieder. „Das ist etwas anderes“, bemerkte sie leise. Kira befürchtete schon, dass sie die Wissenschaftlerin ernsthaft beleidigt hatte, doch dann hoben sich die Augen der anderen wieder. Die anfangs beobachtete Melancholie war wieder in ihnen zu lesen. Dieses Mal überdeckte Suidhe sie nicht. „Das ist der Preis für unsere Gesellschaft. Bevor ich Ihnen darüber erzähle und Sie sich moralisch überlegen fühlen mögen, möchte ich, dass Sie bedenken, dass unsere Kultur seit fünfhundert Jahren keine inneren Kämpfe ausgefochten hat, wir kennen keine Bürgerkriege, keine Religionskriege, keine Gebietskriege. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir eine blühende Kultur der Künste und Wissenschaften sind, dass seit fünfhundert Jahren keine äußere Macht imstande gewesen ist, unseren Planeten zu erobern, obwohl es nicht wenige versucht haben. Wir sind sowohl innerlich als auch äußerlich stark, alles, was wir dafür zu geben haben, ist ein kleines Opfer – unbedeutend in der Zahl der Bevölkerung. Dennoch ist es ein Opfer.“

Sie verstummte und betrachtete wieder den Wandbehang. Der Ausdruck in ihren Augen sagte Kira deutlich, dass für Admair das Wort Leibwächter eine andere Bedeutung hatte. Die Bajoranerin wollte gerade mit einer Frage die andere Frau zum weitersprechen bringen, als diese fortfuhr: „Admair hatte sich gerade zum Kommandanten ausgezeichnet und war damit aus seiner bisherigen Einheit ausgeschieden, als ich mich nach einem eigenen Militär umgesehen habe. Er hat mir sofort zugesagt, als ich ihn gesehen habe. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich auf den ersten Blick in ihn verliebt habe, aber es ist bald danach geschehen. Als er meine Gefühle erwidert hat, hatte ich den Eindruck, dass mein Leben perfekt war. Ich kümmere mich in meiner Einheit ebenfalls sehr um Technik und Astronomie, und so war mir als einer der ersten ein eigenes Tiefenraumforschungsschiff, die Shasuinn, zugestanden worden. Mein Leben war angefüllt mit Forschung, Abenteuer und Liebe. Doch vor eineinhalb Jahren hat sich das geändert.“ Sie seufzte, als wollte sie eine Last von ihren Schultern werfen. „Unsere Gesellschaft ist in autonome Bereiche eingeteilt ... Stadtstaaten wäre in Ihrer Sprache vielleicht ein passender Ausdruck dafür. Rossa ist einer von ihnen. Die Einheiten der Wissenschaftlerinnen bilden den Körper und jedem dieser Stadtstaaten steht eine Königin vor. Alle drei Jahre sucht sich die Königin einen Mann aus, mit dem sie ihre Nachkommenschaft gründet. Dazu schickt sie ihre Herolde in die anderen Stadtstaaten, um eine Vorauswahl zu treffen. Noch nie hat sich jemand geweigert, dem Gesuch der Königin nachzukommen. Um das bestmögliche genetische Material für ihre Nachkommen zu erhalten, werden die Männer nach Gesundheit, Kraft und militärischen Erfolgen ausgesucht. Es wird als große Ehre angesehen, unserem Volk auf diese Weise zu dienen.“ Sie senkte den Kopf. Die Finger ihrer einen Hand spielten mit den Armbändern an der anderen.

„Admair ist von der Königin ausgewählt worden“, schloss Kira.

Sie nickte. „Vor eineinhalb Jahren wurde er von der Königin von unserer Nachbarstadt Althena erwählt, in einem halben Jahr werde ich ihn verlieren. Deswegen wurde es mir gestattet, diesen Asketch von ihm anfertigen zu lassen.“ Sie machte eine kurze Pause. „In zwei Jahren wird Chailleach 25, ab diesem Alter müssen die Männer vor den Königinnen erscheinen. Er ist zu einem so schönen und so begabten jungen Mann herangewachsen, dass ich fürchte, auch ihn zu verlieren.“

Die Bajoranerin betrachtete ihre Gastgeberin. Die Frau wirkte im Augenblick zusammengesunken und verloren, Kira kämpfte das Gefühl nieder, sie in die Arme nehmen und trösten zu wollen. „Es gibt wahrscheinlich keine Möglichkeit, sich dieser Ehre zu entziehen?“ fragte sie nach.

Suidhe schüttelte den Kopf. Sie atmete tief durch, dann richtete sie ihren Oberkörper wieder auf. Im Aufrichten schüttelte sie ihre Traurigkeit wie einen Mantel von sich ab, um darunter wieder das strahlende herrschaftliche Wesen hervorzubringen, als welches sie Kira zu Beginn erschienen war. „Es steht mir nicht zu, mich zu beklagen. Sein Tod wird uns Leben schenken ...“

„Einen Augenblick!“ Kira richtete sich nun ebenfalls auf. „Sein Tod? Haben Sie nicht gesagt, er wird die Königin heiraten?“

Suidhe sah sie kurz verständnislos an, dann neigte sie leicht den Kopf. „Entschuldigen Sie, Sie können es natürlich nicht wissen: Die Königin erwählt keinen Mann, der an ihrer Seite leben soll, sie erwählt einen ... Erzeuger ... ihrer Kinder.“

„So?“ Kira hatte das Gefühl, dass ihr immer noch etwas entging.

„Der entsprechende Mann überlebt den Geschlechtsakt nicht.“

Die Bajoranerin starrte die andere an. „Habe ich Sie gerade richtig verstanden?“

„Das haben Sie, Kira. Sie müssen verstehen, dass die Aufgabe unserer Königin darin besteht, für die Nachkommenschaft unseres Volkes zu sorgen. Alle drei Jahre vollzieht sie eine Begattung, die Tage dauern kann. Sie konserviert den Samen für die folgende Periode. Während des Aktes injiziert sie dem Mann ein Gift, welches die Blutversorgung nicht benötigter Bereiche behindert, darunter auch das Gehirn, damit ...“

„Danke!“ Kira hob entsetzt die Hände. „Ich bekomme das Bild, eine genauere Erklärung wird nicht notwendig sein.“ Sie dachte an Admair, sein kraftvolles Auftreten, seine charmante Art, seine Stärke, seinen Stolz, sie konnte nicht glauben, dass er zu einem willenlosen Objekt degradiert werden sollte. „Das ist ...“

„Effektiv.“ Suidhe sah sie an. Ihre Augen hatten eine neue Härte hinzugewonnen, welche die Bajoranerin ermahnte, nicht herablassend über ihre Kultur zu urteilen. Doch der Blick hielt nicht lange stand, etwas Weiches schlich sich in ihr Gesicht, etwas, das genau so entsetzt war wie die Bajoranerin, etwas, das Hilfe suchte. „Sie gebiert die Embryonen, die von den Kinderfrauen versorgt und großgezogen werden. Jede andere Frau beschäftigt sich der ihr zugewiesenen Aufgabe und wird in ihrer Effektivität nicht von Kindern und Familie abgelenkt, wie Sie das in Ihren Rassen kennen. Wenn die Königinnen nicht wären, würde unser Volk aussterben.“

„Können Sie nicht Kinder zusammen haben?“ fragte Kira fassungslos. „Warum muss das die Königin bewerkstelligen? Ich begreife das nicht.“

Suidhe legte ihr eine Hand auf den Arm, um sie zu beruhigen. „Ich wünschte, wir könnten das“, sagte sie traurig. „Doch außer den Königinnen ist keine Frau fruchtbar.“

Kira zog ihren Arm fort und erhob sich. Sie begann im Raum auf und ab zu laufen. „Ich kann nicht glauben, dass Sie das so einfach hinnehmen. Ich kann nicht glauben, dass es das sein soll.“ Sie blieb stehen. „Ich werde gleich morgen mit dem Stationsarzt darüber sprechen. Wenn jemand Rat weiß, dann er.“

Der Ausdruck, der jetzt auf Suidhes Gesicht lag, als diese Kira vom Sofa aus beobachtete, war leicht zu deuten: Hoffnung. Ihre Stimme zitterte leicht. „Sie denken tatsächlich, dass Sie uns helfen können?“

Kiras dunkle Augen blickten verzweifelt. „Ich muss gestehen, dass ich keine Ahnung habe. Ich kenne mich mit Medizin nicht aus. Aber ich kann nicht einfach still da sitzen, mir Ihre Geschichte anhören und dann wieder zur Tagesordnung übergehen.“ Sie schüttelte heftig den Kopf, wie um sich selbst daran zu erinnern, wer und wo sie war. „Nein, das kann ich nicht. Ich werde gleich morgen früh mit Julian darüber sprechen.“

Mit einem knappen aber höflichen Gute-Nacht-Gruß verabschiedete sich die Colonel von der Wissenschaftlerin. Sie musste das Gehörte in Ruhe verdauen, und sie wollte verhindern, noch mehr Dinge zu erfahren, die sie entsetzten.

Als sich die Tür hinter ihr schloss, hörte sie noch Suidhes gedämpfte Stimme am Durchgang zum Schlafzimmer. „Du hattest recht. Ich denke, sie wird uns helfen, wenn es in ihrer Macht steht.“ Sie war zu sehr in ihre eigenen Überlegungen versunken, um die Bedeutung dieses Satzes wirklich wahr zu nehmen.

* * *



Kira wälzte sich in ihrem Bett herum. Es gelang ihr nicht einzuschlafen. Im Prinzip sollte es ihr gleichgültig sein, wie die sozialen Strukturen einer anderen Gesellschaft aussahen. Nach dem obersten Prinzip der Sternenflotte, der sie zu einem Teil ebenfalls unterstellt war, war es sogar ihre Pflicht gleichgültig zu sein. Doch so sehr sie sich in den Jahren unter dem Kommando Benjamin Siskos geändert haben mochte, nie hatte sie vergessen, was es hieß, in ein System hineingeboren zu werden, das einen unterdrückte.

Sie richtete sich im Bett auf und ließ das Licht anstellen. Es war aussichtslos. Sie würde keinen Schlaf finden, bevor sie nicht mit Bashir darüber geredet hatte.

Es dauerte eine Weile, bis sie eine Reaktion erhielt. Die Tür glitt auf und gab den Blick auf einen verstrubbelten, in Pyjama gekleideten Stationsarzt frei, der sich ungläubig die Augen rieb, als er sah, wer ihn mitten in der Nacht gestört hatte.

„Julian, ich muss mit dir reden.“ Kira trat an ihm vorbei in sein Wohnzimmer.

Bashir stand noch immer an der Tür. „Aber bitte, komm doch herein“, murmelte er, während er ihr hinterher blickte. Er schüttelte den Kopf, um sich wach zu bekommen. „Nerys, ist dir klar, welche Zeit wir haben?“

„Ja, das ist es.“ Sie schenkte ihm einen entschuldigenden Blick und ließ sich dann in einen Sessel fallen. „Es tut mir auch leid, dass ich dich aus dem Bett geworfen habe, aber es geht um eine wichtige Sache.“

Er sah ein, dass sie nicht so rasch wieder aus seinem Quartier hinauszubefördern war und warf sich seufzend in einen der anderen Sessel. „Um was geht es denn? Wenn es einen medizinischen Notfall gegeben hätte, hättest du mich doch wohl nicht persönlich geholt.“

„Nein, es ist eher privater Natur . . .“

Bashir setzte sich auf. Von all den widerstreitenden Gefühlen in ihm bahnte sich Sorge nun einen Weg an die Oberfläche. Die Bajoranerin sprach selten über sich und ihre Probleme. Wenn sie das Gefühl hatte, es tun zu müssen – und das mitten in der Nacht –, dann musste es schwerwiegend sein. „Was ist mit dir?“ wollte er vorsichtig wissen.

„Mit mir?“ Sie sah ihn verwundert an, wurde sich dann aber bewusst, wie ihr Überfall wirken musste. Ihre Hand winkte ab. „Mit mir ist nichts, es geht um unseren Besuch ...“

„Was ist denn hier los?“ Aus der Durchgangstür stakste eine nicht minder müde aussehende Ezri Dax. Sie trug einen viel zu großen Pyjama, die dunklen, kurzen Haare standen ihr nach allen Seiten vom Kopf ab. „Wisst ihr beiden eigentlich, wie viel Uhr es ist?“

„Ja, das wissen wir“, kam die einstimmige Antwort.

Ohne die Augen völlig zu öffnen schlurfte die Trill zum Replikator hinüber und orderte ein Glas Wasser. „Will noch jemand etwas zu trinken?“ fragte sie in den Raum.

Nach einer positiven Antwort kehrte sie mit drei Gläsern zum Couchtisch zurück und setzte sich auf die Lehne von Bashirs Sessel.

„Nerys, was ist so wichtig, dass es nicht ausreicht, wenn es dir den Schlaf raubt?“

„Ich wollte es eben Julian erklären ...“ und so begann sie von ihrem Gespräch mit Suidhe zu berichten. Als sie geendet hatte, blickten sie zwei nachdenkliche, nun jedoch wache, Gesichter an.

„Hm ...“ Bashir setzte sein Glas ab. „Trotz ihrer ähnlichen Genetik haben sie einen völlig anderen Entwicklungsweg beschritten. Das ist hochinteressant. Es klingt für mich wie bei staatenbauenden Insekten wie Ameisen oder Bienen.“ Er strich sich mit der Hand über das Kinn. „Die Königinnen müssen sehr stark in ihrer Physiologie verändert sein, wenn sie dieselbe Rolle spielen wie bei Insekten. Ich hätte nicht gedacht, dass das bei Humanoiden möglich sein könnte. Sie müssen die Nachkommen schon in einem sehr frühen Stadium und größerer Anzahl gebären, anders kann ich es mir nicht vorstellen, dass eine Königin ausreicht, um die Population einer Stadt zu erhalten.“

Kira starrte ihn an. „Ich habe das nicht erzählt, damit du es interessant findest. Mich interessiert, ob man etwas tun kann.“

„Eine Evolution umkehren?“ Dax sah sie nachdenklich an. „Das klingt nach einem Unterfangen, das eine Nummer zu groß ist.“

„Warum?“ Die Bajoranerin beugte sich vor. „Hat nicht die Medizin mittlerweile schon jede Grenze durchbrochen, die ihr gesetzt war? Ist es wirklich so abwegig, einer unfruchtbaren Frau zu einem Kind zu verhelfen? Julian?“

Bashir schüttelte den Kopf. „Ich müsste erst einmal untersuchen, worauf die Unfruchtbarkeit beruht. Vorher kann ich dazu gar nichts sagen.“

„Suidhe wird dich sicherlich gerne aufsuchen.“

„Und dann?“ Dax war immer noch skeptisch. „Was macht es für einen Unterschied, wenn es funktioniert? Was ändert das dann am Schicksal Admairs?“

„Ich weiß es nicht“, reagierte Kira leicht gereizt. Sie hatte sich bisher noch keine Zeit genommen, die Angelegenheit von einem rationalen Standpunkt aus zu durchdenken. Obwohl ihre beiden Freunde mit allem Recht hatten, ärgerte es sie, dass die anderen so vernünftig reagierten. Es ließ sie selbst wenig durchdacht erscheinen. „Ich weiß es nicht! Doch wollen wir das nicht die Betroffenen entscheiden lassen?“
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