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Abriachan Teil I - Am Scheideweg

von Gabi

Kapitel 3

Bashir erwartete die beiden Abriachaner am anderen Morgen im Behandlungszimmer. Nach den Erlebnissen am gestrigen Tag und Kiras Erzählung erwartete er fast, dass dieses Mal eine ganze Einheit zur Bewachung ihrer Herrin auf der Krankenstation auftauchen würde. Doch zu seiner milden Überraschung erschienen Suidhe und Admair alleine. Der Arzt mutmaßte, dass sie das, was sie zu tun gedachten, wahrscheinlich auch nicht den anderen Angehörigen ihrer Rasse anvertraut hatten. Im Prinzip gedachten sie nichts weniger als eine bestehende Ordnung zu zerstören.

„Ich danke Ihnen, dass Sie sich für uns Zeit nehmen wollen, Doktor“, begrüßte Suidhe ihn. Sie trug ein helles langes Kleid, dessen Stoff wirkte, als sei er mit unzähligen kleinen Perlen besetzt, die je nach der Bewegung ihres Körpers im Licht glitzerten und reflektierten. Ihr rotblondes Haar war mit einem Band locker im Nacken zusammengehalten. Ihre grauen Augen sahen dankbar und ein wenig schüchtern zu ihm auf. Es brauchte einen besonders abgehärteten Mann, um nicht den Drang zu verspüren, sie beschützen zu wollen. Bashir war nicht einmal ein wenig abgehärtet.

Er schluckte, als er sie sah und all seine Bedenken verflüchtigten sich. Er verstand nun, warum Kira die Angelegenheit gestern Nacht so emotional verfolgt hatte. Und es fehlte nicht viel, dass er sich vor ihr verbeugt hätte.

Der Kommandant ihrer Leibgarde stand unbeweglich einen Schritt hinter ihr. Das Heft seines Schwertes ragte über seiner linken Schulter hinauf. Er hatte Bashir beim Eintreten begrüßt, doch seitdem folgten seine Augen jeder Bewegung der Frau.

Bashir führte sie in einen Untersuchungsraum und schickte dann das Personal nach draußen, er hatte das Gefühl, das wurde von ihm erwartet.

Admair nahm an der Tür Aufstellung, während Suidhe Bashir zur Diagnoseliege in der Mitte des Raums folgte. Der Arzt versuchte nicht einmal vorzuschlagen, dass der Kommandant draußen warten solle.

„Was soll ich tun, Doktor?“ Suidhe sah ihn unschuldig an. „Soll ich mich ausziehen?“

Bashir schluckte.

* * *


Mondal hatte seinen freien Tag im Quarks begonnen. Der Ferengi öffnete seine Bar gegen 1000 h, und genau so lange hatte der Betazoid auch ausgeschlafen. Er war von der Vielfalt der Rassen auf der Station fasziniert, und es gab keinen besseren Platz, um zu beobachten, als im Spielcasino. Darüber hinaus servierte Quark noch ein recht gutes Frühstück.

Manche seiner Akademie-Mitabgänger hatten ihn bemitleidet, dass er nach der Ausbildung zunächst auf eine Raumstation abkommandiert worden war und nicht auf eine der von allen begehrten Positionen auf einem der Forschungsschiffe. Doch Mondal war zufrieden. Er hatte im Mittelfeld seiner Klasse abgeschlossen, und die Station hatte sich nicht als unspektakulärer Posten an einer abgelegenen Route entpuppt, sondern als DS9. Seine Kameraden flogen hinaus, um nach neuem Leben zu suchen – er musste nur lange genug im Quarks sitzen bleiben, und neues Leben würde zu ihm kommen. Nein, entschied er, es hätte ihn wirklich schlimmer treffen können.

Mit zufriedener Miene nahm er einen großen Schluck von dem Fruchtsaft, den Quark für diesen Morgen gemixt hatte. Dabei fiel ihm eine Strähne in die Augen. An seinen freien Tagen machte er sich nicht die Mühe, seine schwarzen Locken nach Dienstvorschrift mit Gel zu bändigen. Mit der flachen Hand strich er sich das Haar aus der Stirn.

Als er die Hand wieder senkte sah er Chailleach am Eingang der Bar stehen. Der Soldat blickte sich suchend um, und Mondal ertappte sich dabei, dass er sich wünschte, er würde nach ihm suchen. Chailleach trug heute nicht die schwarze glänzende Uniform, doch seine ‚Zivilkleidung’ ließ ihn keineswegs unauffälliger erscheinen. Über weichen Stiefeln und einer schwarzen Hose trug er eine hellrote Tunika, deren Ärmel mit dunkleren Stickereien abgesetzt waren. Eine über der Taille gegürtete Weste aus dunkelrotem samtartigem Stoff und ein kurzer dunkelgrauer Umhang über eine Schulter geworfen, rundeten seine auffällige Erscheinung ab. Sein silberblondes Haar trug er im Nacken zusammengebunden. Seine Augen suchten den Raum ab. Dabei ignorierte er die Blicke, die ihm von überall zugeworfen wurden, sowie die Gestalt des Ferengi, der sich ihm näherte, um zu sehen, ob man an den Mann nicht ein Frühstück loswerden konnte.

Schließlich bemerkte er den betazoidischen Fähnrich an einem Ecktisch. Indem er beinahe Quark umstieß setzte er sich in Bewegung.

Mondal stellte sein Glas beiseite, als klar wurde, dass Chailleach tatsächlich nach ihm Ausschau gehalten hatte. Auf gewisse Weise genoss er die Aufmerksamkeit der Soldaten. Er hatte bemerkt, dass sie sich ansonsten nicht unter die Bewohner von DS9 mischten, sondern unter sich blieben. Es war ihm nicht klar, warum die Männer zu ihm eine Verbindung aufgebaut hatten, doch es erfüllte ihn mit einem gewissen Stolz.

Chailleach lächelte, als er den Ecktisch erreichte. Es war ein Lächeln, das vielleicht sogar Quarks Herz erweicht hätte – falls der Ferengi eines besaß. Mondal fragte sich unwillkürlich, wie viele junge Mädchen ihm wohl schon zum Opfer gefallen waren. Er selbst hatte bisher kein Glück beim anderen Geschlecht gehabt, er war zu schüchtern, um mit den Kadetten-Stars auf der Akademie mitzuhalten.

„Guten Morgen, Daviot. Dich habe ich gesucht.“

„Guten Morgen ... und weswegen?“

Der Soldat ließ sich ihm gegenüber nieder. Seine Augen überprüften den Teller des Fähnrichs, dann ließ er ein Stück Rührei erst zwischen seinen Fingerspitzen und dann im Mund verschwinden. „Schmeckt gut.“

Mondal grinste, er schob seinen Teller in die Tischmitte, damit der andere besser zugreifen konnte. „Soll ich dir ein Frühstück bestellen?“

Chailleach schüttelte dankend den Kopf, bediente sich jedoch noch einmal von dem Ei. „Ich hoffe, ich erscheine dir jetzt nicht zu unhöflich ... ich möchte nicht, dass du denkst, ich suche deine Freundschaft nur wegen deiner ... Fähigkeiten. Doch ich könnte deine Hilfe gebrauchen.“

Mondal legte die Stirn in Falten. Unwissentlich hatte Chailleach ihm seine Frage beantwortet, was ihn von allen anderen unterschied, mit denen die Soldaten keinen Kontakt pflegten: Seine Fähigkeiten. Sein eben noch erfreuter Ausdruck wurde misstrauischer.

Chailleach sah die Veränderung im Gesicht des Betazoiden und legte ihm eine Hand auf den Arm, diejenige Hand, die nicht damit beschäftigt war, sich um das Frühstück des anderen zu kümmern. Es war eine warme, feste Berührung. Chailleach sah ihm in die Augen. Verschwörerisch zwinkerte er ihm zu. „Du bist etwas Besonderes, Daviot. Und deswegen mag ich dich – glaub mir.“

Mondal schob seinen aufkeimenden Zweifel beiseite. War es nicht gleichgültig, weswegen dieser faszinierende junge Mann seine Freundschaft suchte – solange er es nur tat? „Was brauchst du?“

Chailleach stand auf. „Komm mit.“

Mondal folgte ihm aus der Bar hinaus und über die Promenade bis zur Krankenstation. Dort standen weitere Soldaten, unter ihnen auch Elgin. Zwar waren sie alle unbewaffnet, dennoch strahlten sie eine so kampfbereite Aura aus, dass sich Mondal sicher war, dass das medizinische Personal heute wenig Kundschaft haben würde.

Chailleach führte ihn zu den Männern hinüber.

„Was soll ich hier?“ flüsterte der Betazoid, dem nicht ganz wohl unter den beobachtenden Blicken war.

Der blonde Mann wandte sich ihm zu. Aus seinem Blick war nun die jungenhafte Keckheit verschwunden, die er meist an den Tag legte. Er schien besorgt zu sein. „Würdest du dich einfach mit mir zusammen für einige Zeit hier an die Wand setzen, und deine ... Fähigkeit benutzen?“ Er wusste nicht, wie er es anders ausdrücken konnte.

Mondal sah ihn irritiert an. „Wie bitte?“

„Du hast doch erzählt, dass du den Mann mit dem Tarnschild gespürt hast, obwohl ihn niemand sehen konnte. Könntest du das wieder?“

Der Fähnrich blickte alarmiert auf. „Meint ihr, es sind noch mehr auf der Station?“

„Wir wissen es nicht. Aber unsere Herrin ist im Augenblick bei eurem Arzt und wir wollen nicht, dass ihr etwas passiert ... bitte!“

Mondal nickte. Er wusste nicht, inwieweit der andere ihn zu manipulieren versuchte, doch seine Sorge schien ehrlich zu sein. Es war seltsam, den jungen Mann in Sorge um jemanden zu sehen, der nicht sein Kommandant war. „Ich denke schon, dass ich eine ähnliche Gegenwart wieder spüren würde“, gestand er. „Aber ich muss dich vorwarnen, ich kann nicht selektieren, ich werde die Gefühle von dir und den anderen ebenfalls wahrnehmen.“

Das Lächeln kehrte auf Chailleachs Gesicht zurück. „Das macht nichts, wir haben nichts zu verbergen.“

Mondal zuckte mit den Schultern und ließ sich dann neben dem Soldaten an der Wand nieder. Er war froh, dass er in Zivil war. Er hatte bei seinem Gespräch mit Colonel Kira ohnehin schon den Eindruck gehabt, dass sie es etwas misstrauisch beäugte, dass er sich mit den Soldaten so gut verstand. Er wollte seine Pflicht der Sternenflotte gegenüber nicht in Frage gestellt sehen – doch außerhalb des Dienstes war es sicherlich frei gestellt, wie er seine Zeit verbrachte. Der junge Fähnrich lehnte seinen Kopf gegen die Wand zurück und schloss die Augen. Es fiel ihm leichter, sich auf Eindrücke um ihn herum zu konzentrieren, wenn er nicht die Gesichter der Personen sah. Allzu oft existierte ein gravierender Unterschied zwischen dem, was jemand nach außen projizierte und dem, was unter seiner Oberfläche lag. Vorsichtig ließ er seinen Geist hinaus tasten, darauf bedacht, seine telepathischen Fähigkeiten zu unterdrücken. Noch bevor er nach Terra zur Akademie gegangen war, hatte er trainiert, Telepathie und Empathie zu trennen. Er wäre nicht zugelassen worden, wenn er diese Kontrolle über seinen Geist nicht hätte vorweisen können. So aufgeschlossen die meisten Völker der Föderation waren, es gab eine Grenze, die man nicht überschreiten durfte – und das war stets das eigene Innere. Das Misstrauen, welches Angehörigen seiner Rasse entgegengebracht wurde, nur weil sie sich nicht von Mimik und Gestik täuschen ließen, nahm manchmal unangenehme Formen an. Dennoch bediente sich die Sternenflotte in diplomatischen Situationen gerne betazoidischen Mitarbeitern, wobei Wert auf die Verwendung der empathischen Fähigkeiten gelegt wurde. Telepathie war mehr oder weniger gebannt.

Er hatte das nie ganz verstanden. Es würde überhaupt keine Probleme geben, wenn manche Rassen nicht einen solchen Unterschied machten zwischen dem, was sie dachten und dem, was sie sagten.

Mondal atmete tief durch und entspannte sich. Er war der einzige registrierte Betazoid auf der Station, niemand würde spüren, was er machte. Es war angenehm, die selten verwendeten Fähigkeiten zu aktivieren. Er streckte und dehnte die geistigen Bahnen wie er Muskeln gedehnt hätte. Er seufzte wohlig, dann verzog er seine Lippen zu einem Grinsen. Chailleachs Ausstrahlung neben ihm zeigte erst deutlich Überraschung, dann wandelte sie sich in Belustigung. Mondal spürte einen sanften Schlag gegen seine Schulter. Er unterbrach die Sondierung und öffnete die Augen. Der Soldat hatte ihm das Gesicht zugewandt. „An was denkst du?“ wollte Chailleach wissen. „An Sex?“

Mondal bemühte sich, aufgrund der flapsigen Bemerkung des anderen nicht rot zu werden. „Nein!“ beteuerte er bestimmt.

Chailleach ließ seinen Kopf wieder gegen die Wand zurück sinken. „Und weswegen hast du dann gerade gestöhnt?“

Jetzt war es an dem Betazoiden, seinem Nachbarn die Faust gegen den Oberarm zu knuffen. „Weil es ein angenehmes Gefühl ist, wenn ich meine geistigen Kontrollen lockern kann, du ...“

„Besser als Sex?“

Mondal brauchte seine Fähigkeiten nicht einzusetzen um festzustellen, dass es dem jungen Soldaten einen diebischen Spaß machte, ihn in Verlegenheit zu bringen. Immerhin hielt er seine Stimme so leise, dass es der Rest der Abriachaner nicht mitbekam. Daher nahm der Betazoid es ihm nicht übel.

„Woher soll ich das wissen?“ Er machte es sich wieder an der Wand gemütlich und schloss erneut die Augen. „Darin hast du ja sicherlich genügend Erfahrung.“

„Das mag schon sein.“ Chailleachs Ausstrahlung wurde wieder ernster. „Doch ich habe keinerlei Vorstellung davon, wie sich deine empathischen Fähigkeiten anfühlen.“

„Gut“, flüsterte Mondal. Er öffnete sich wieder den Eindrücken um sich herum.

„Ist jemand hier, der nicht hier sein sollte?“ Die Stimme des Soldaten war ebenfalls auf ein Flüstern gesenkt, sein Atem kitzelte angenehm an Mondals Ohr.

„Nein, bisher nicht.“

Er spürte das Nicken des anderen.

Die Promenade war angefüllt mit den zu erwartenden Eindrücken von geschäftiger Dringlichkeit und entspannter Sorglosigkeit. Hin und wieder nahm er Traurigkeit wahr, wenn jemand Probleme wälzend an ihnen vorbeiging, manchmal erreichte ihn das besonders klare Strahlen von ehrlicher Fröhlichkeit. Ein paar missgünstige Empfindungen huschten vorbei, die entweder Vorgesetzten oder Geschäftspartnern galten. Nichts, was Mondal alarmiert hätte.

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Abriachaner um sich herum. Die angespannte Konzentration der Soldaten galt uneingeschränkt der Krankenstation, außer bei Chailleach, bei dem er zusätzlich auch Neugierde wegen der empathischen Fähigkeiten des Betazoiden spürte. Mondal hielt sich davon ab, seine telepathischen Fähigkeiten einzusetzen. Er war nicht hier, um durch das Verletzen anderer Leute Privatsphäre seinen eigenen Wissensdurst zu stillen.

Behutsam wanderte seine Aufmerksamkeit weiter, durchdrang die Wände der Krankenstation und fand sich unvorbereitet einem gefühlsmäßigen Tumult ausgesetzt. Sofort zog Mondal sich wieder zurück. Da war Hoffnung gewesen, so verzweifelt hochgepeitscht, dass ihre Nichterfüllung Existenzen zerschmettern konnte. Was immer hinter den Türen vor sich ging fühlte sich an wie eine Entscheidung über Leben oder Tod. Er war verwirrt. War die Herrin hierher gekommen, weil sie an einer Krankheit litt, welche die Medizin ihres Volkes nicht heilen konnte? Er überlegte, ob er seinen Geist noch einmal in diese Richtung öffnen sollte, doch er tat es nicht. Was immer vor sich ging, es war nicht für seine Neugierde bestimmt.

Wieder wandte er sich der Promenade zu, um seine durch das Erlebte aufgewühlten Gefühle mit dem wogenden Vielerlei zu beruhigen. Es funktionierte fast augenblicklich. Das gleichmäßige Geplätscher von Eindrücken brandete gegen die Mauern seines Geistes ohne einzudringen. Er ließ sich davon einlullen, während seine Gedanken sich noch mit dem beschäftigten, was er in der Krankenstation empfunden hatte.

Er wusste nicht, wie lange er auf diese Weise an der Wand gesessen und seinen Geist hatte wandern lassen. Als er die Gegenwart spürte, war es als ob er aus einer Meditation erwachte. Die Gefühle hoben sich so deutlich von dem restlichen Emotionsteppich ab wie ein weißer Strich auf einer schwarzen Wand. Sie waren zielgerichtet, scharf und ... bedrohlich? Nein, bedrohlich waren sie eigentlich nicht. Da war Neugierde, jedoch stark maskiert von Vorsicht und tiefem Misstrauen. Jemand wollte dringend wissen, was hinter den Türen der Krankenstation vor sich ging.

Mondal hielt die Augen geschlossen. Einerseits wollte er nicht durch eine zu rasche Reaktion dem Beobachter verraten, dass er erkannt worden war – und andererseits war er sich sicher, dass er ohnehin niemanden sehen würde. Jetzt wäre es ausgesprochen hilfreich gewesen, wenn er sich telepathisch verständigen könnte. Stattdessen ließ er seine Hand über den Boden wandern, bis die Finger den Oberschenkel Chailleachs berührten. Die Aufmerksamkeit des Soldaten war sofort auf ihn gerichtet. Erneut spürte Mondal den Atem des anderen. „Wo?“

So natürlich wie möglich antwortete er: „Ich würde sagen, uns gegenüber auf der anderen Seite der Promenade – nicht hinsehen“, reagierte er auf die erspürte Absicht des Soldaten. „Er wird versuchen, ungesehen in die Krankenstation zu gelangen.“

Chailleach ließ ein leises humorloses Lachen vernehmen. „Nicht so lange ich aufrecht stehe.“

Mondal öffnete die Augen und wandte den Kopf. „Du bist nicht bewaffnet, was willst du tun?“

„Hast du das Gefühl, er will angreifen?“

Der Betazoid schüttelte den Kopf. „Es wirkt nicht so. Aber wenn er merkt, dass du weißt, dass er da ist, kann sich das ändern.“

Chailleach erhob sich. Er beugte sich noch einmal hinunter, um Mondal an der Schulter zu berühren. „Danke. Du hast uns einen großen Dienst erwiesen.“ Dann schlenderte er zum Zugang zur Krankenstation hinüber, lehnte sich mit dem Rücken gegen den Türrahmen, stützte seine Füße auf der anderen Seite ab und blockierte somit den Durchgang.

Mondal sah ihm nach, sah, dass Elgin auf der anderen Seite ebenfalls aufmerksam wurde und nach einem Blick zu dem Betazoiden mit den Soldaten neben ihm sprach. Von innerhalb der Krankenstation diskutierte ein medizinischer Assistent leicht verärgert mit dem blonden Abriachaner und versuchte diesen vom Eingang zu verscheuchen. Doch Chailleach argumentierte mit entnervend gelassener Stimme und bewegte sich nicht.

Mondal bereute es nun doch, dass er in Zivil war. Es wäre das Einfachste gewesen, wenn er über seinen Kommunikator die Sicherheit verständigen könnte. Er überlegte, ob er ebenfalls aufstehen sollte, um dies von der Krankenstation aus zu machen, doch noch blieb er sitzen. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die gegenüberliegende Seite der Promenade und dieses Mal konnte er sich nicht zurückhalten. Er löste alle Kontrollen über seine mentalen Fähigkeiten.

Der Hass, der jetzt zu spüren war, irritierte ihn. Es war der Hass eines Menschen, der davon überzeugt war, dass ihm von jemandem Unrecht getan worden war. Das Gefühl war auf Chailleach gerichtet, der nun in den Fokus des anderen geraten war. Doch Mondal erspürte auch etwas Berechnendes. Der unbekannte Beobachter dachte ganz deutlich darüber nach, was er mit dem jungen Soldaten machen würde, wenn er seiner habhaft wurde. Er dachte daran, welchen Gefallen wohl sein Auftraggeber an dem Mann finden würde, welche Abartigkeiten ...

Mondal ließ die Kontrolle auf seine telepathischen Fähigkeiten wie eine materielle Schranke hinunterfallen. Er wollte nicht wissen, was die Person weiter dachte. Erschrocken sah er zu Chailleach hinüber, der immer noch mit dem Mediziner diskutierte. Er dachte an die Geschichte über Sklavenhändler und begann sie zu glauben. Hastig erhob er sich. Es war ihm gleichgültig, ob er damit Aufmerksamkeit erregte, er wollte nicht, dass Chailleach etwas passierte, wollte nicht, dass ihm das passierte, was er in den Gedanken des Unsichtbaren gesehen hatte.

„Lass mich durch.“

Der Soldat und der Mediziner sahen ihn überrascht an, als er vor dem Eingang zur Krankenstation auftauchte. Dem entschlossenen Gesicht des Betazoiden gehorchte Chailleach sofort. Er richtete sich auf und nahm dabei seine Füße vom Türrahmen.

„Was ist los?“ flüsterte er.

Mondal ging zum nächsten Kommunikationsterminal hinüber. „Fähnrich Mondal an Sicherheit ...“ Er gab durch, dass er eine weitere Person mit Tarnschild vor der Krankenstation vermutete, die den internen Scannern entgangen sein musste.

Die körperlose Stimme des Sicherheitsbeamten wies ihn an, sich weiter unauffällig zu verhalten, bis ein Trupp geschickt wurde.

Mondal schloss die Verbindung und wandte sich um. Irritiert sah er sich dem ärgerlichen Gesicht Chailleachs gegenüber.

„Das hätten wir auch alleine klären können“, fauchte der andere.

Der Betazoid trat einen Schritt zurück, verunsichert durch die Feindseligkeit in der Stimme des Soldaten. Hatte er ihn in seinem Stolz verletzt, hatte er erwartet, dass er, ein Angehöriger der Sternenflotte, zuerst ihm gegenüber loyal sein sollte? Nein, da war mehr dahinter. Mondal hielt seine Schranken jedoch unten. Jemandem, den er als einen Freund betrachtete, wollte er nicht mental ‚nachspionieren’.

„Was ist denn los?“ fragte er stattdessen leise.

„Das verstehst du nicht ...“ Chailleach wandte sich zur Tür um.

„Nein, das tue ich auch nicht. Erklär es mir doch!“ Seine Stimme war lauter geworden. Er hatte das Gefühl, von dem Soldaten wie ein kleiner Junge behandelt zu werden. Nach allem, was er für ihn getan hatte, erfüllte ihn das mit einem Gefühl von Ungerechtigkeit.

Der schlanke Mann wirbelte herum, packte ihn an den Schultern und drückte ihn in einer Nische gegen die Wand, so dass der Mediziner aus ihrer Hörweite kam. „Das ist unser Kampf, verstehst du das?“ Seine dunklen Augen blitzten Mondal an, sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von demjenigen des Betazoiden entfernt.

Der Fähnrich nickte, seine schwarzen Augen versuchten eine Verbindung herzustellen. „Natürlich verstehe ich das“, erklärte er wieder leise. „Und ich will lediglich helfen.“

Da ging so viel vor hinter dem Blick des anderen, so viel Ungesagtes. Mondal bemerkte, dass der Soldat heftig atmete, dass leichte Feuchtigkeit auf seiner Stirn glitzerte, so als ob er mit einer Entscheidung von größter Wichtigkeit rang.

„Ich weiß“, flüsterte Chailleach schließlich. „Es tut mir leid.“ Er senkte seinen Blick, ließ seinen Griff jedoch nicht locker. „Es ist nur ...“ Er stockte, konnte sich nicht vollständig durchringen weiterzusprechen.

„Vertraust du mir, Daviot?“ fragte er schließlich, indem er seinen Kopf wieder hob.

Mondal schüttelte den Kopf. „Nein.“ Er sah, wie sich der Blick des anderen verschloss. „Doch das ist gleichgültig. Ich werde dir helfen – frag mich nicht, warum.“

Chailleach nickte, als wollte er ausdrücken, dass diese Reaktion nur fair war. „Sie dürfen ihn nicht befragen“, bemerkte er schließlich leise.

„Warum nicht?“

Wieder rang der Soldat mit sich. Es war für Mondal beinahe schmerzhaft mit anzusehen, wie der andere versuchte, einen Ausweg zu finden, wo keiner mehr war. Vorsichtig lockerte er die Kontrolle um seine empathischen Fähigkeiten. Verzweiflung wogte über ihn, gepaart mit unerschütterlicher Loyalität dem Kommandanten gegenüber. Um was immer es ging, Chailleach handelte in der festen Überzeugung, dass er das Richtige tat, und er tat es für Admair. Doch er hatte keine Ahnung, wie er diese Dringlichkeit dem Fähnrich nahe bringen konnte.

„Weil er ihnen Dinge erzählen wird, die er für die Wahrheit hält, und die sie ihm glauben werden.“

„Und es ist nicht die Wahrheit?“

„Es eine verdammte Lüge. Alles ist eine verdammte Lüge!“ Dieses Mal war der Ärger nicht gegen Mondal gerichtet. Er richtete sich gegen die Hilflosigkeit, die Chailleach empfand.

Der Betazoid wusste mit einem Mal, was der junge Soldat machen würde, wenn er eine Waffe hätte.

„Deshalb hast du den anderen getötet?“

Die Hände immer noch an Mondals Schulter senkte Chailleach den Kopf. Sein silberblonder Zopf rutschte über seine Schulter, strich den erhobenen Oberarm entlang und fiel in einem weichen Schleier nach vorn. Schließlich nickte er. „Ja, darum habe ich ihn getötet.“

Der Fähnrich stieß sich von der Wand ab, Chailleach hinderte ihn nicht daran.

„Ich werde sehen, was ich machen kann, aber ich kann nichts versprechen.“ Er ging auf den Ausgang der Krankenstation zu, blieb dann aber noch einmal stehen. Mit einem Stirnrunzeln drehte er sich um. „Und ganz ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht, ob ich nicht ziemlich naiv bin, dir überhaupt zu helfen. Ich enthalte denjenigen, denen ich zu Loyalität verpflichtet bin, Informationen vor.“

Der Soldat stand mit erhobenem Kopf ihm gegenüber. Sein Gesicht war ernst, seine dunklen Augen wirkten älter, so als ob ein Wissen hinter ihnen verborgen lag, das von dem schlanken jungen Körper nur schwer getragen werden konnte. „Danke.“

Mondal senkte seinen Blick. Hätte Chailleach versucht, ihn mit Schmeicheln oder Härte zu überzeugen, er hätte wahrscheinlich gewankt. Doch diesem Ausdruck der Dankbarkeit konnte er nichts entgegensetzen. Der Abriachaner mochte unabhängig, schlagfertig und waffengewandt sein – für diesen Augenblick hatte Mondal das Gefühl, dass er Hilfe brauchte. Und dass er das einzige Wesen in diesem Universum war, das ihm helfen konnte.

Nicht für alle Sternenflottenkarrieren der Welt wollte er Schmerz in diesen dunklen Augen lesen müssen.

Er trat auf die Promenade hinaus, auf welcher sich drei Posten in den Uniformen der Sicherheit näherten. Der Fähnrich schloss kurzzeitig die Augen, um sich auf seine empathischen Fähigkeiten zu konzentrieren, und stellte fest, dass der Beobachter immer noch auf der anderen Seite der Krankenstation weilte. Die beobachtende Ausstrahlung wurde nun beim Näherkommen der Stationssicherheit von Vorsicht überlagert. Die empathische Ausstrahlung änderte ihre Intensität, Mondal verfolgte im Geist, wie sie sich von der Promenade in eine der Verbindungsachsen zum Habitatring zurückzog.

Er atmete einmal tief durch, öffnete die Augen und nahm sich zusammen. Es gelang ihm, den Wachen zu erklären, dass sich der Mann mit dem Tarnschild die Promenade weiter hinunter zurückgezogen hätte, ohne dass er vor Nervosität stammelte. Er, ein Fähnrich der Sternenflotte, belog gerade mit Vorsatz Angehörige seines eigenen Militärs. Er hätte niemals gedacht, dass er dies tun würde – schon gar nicht gerade einmal drei Tage nachdem er die Akademie verlassen hatte.

Die Wachen nahmen es ihm ab, dass er die Gegenwart nur kurz gespürt und jetzt wieder verloren hatte. Sie informierten das Sicherheitsbüro, um die internen Scanner mit besonderer Aufmerksamkeit auf den angegebenen Bereich zu richten und aktivierten ihre Tricorder ebenfalls.

Als sie die Promenade weiter hinunter ausschwärmten, spürte Mondal den Soldaten neben sich treten. „Wo ist er?“

Der Betazoid nickte zum Verbindungsgang hinüber. „Habitatring.“

„Gut.“ Mit raschen Schritten folgte Chailleach dem angegebenen Weg. Mondal sah ihm entsetzt hinterher. Über dem Rücken des Soldaten lag Admairs Schwert.

Der Fähnrich wandte sich ab, kehrte in die Krankenstation zurück und griff sich in einem unbeobachteten Moment einen Wundregenerator von einem Instrumententisch. Er war sich sicher, dass sein mordlüsterner Freund nicht mit Stichverletzungen vor Doktor Bashir erscheinen wollte.

* * *


Suidhe saß auf der Diagnoseliege und blickte den Arzt an, als dieser wieder im Raum erschien. Admair hatte seinen Platz bei der Tür verlassen und stand hinter ihr. Seine Hände lagen auf ihren Schultern und massierten sie mechanisch. Seine Nervosität stand der ihren in nichts nach.

Bashir studierte den Text auf einem Padd. Er sah erst auf, als er wenige Schritte vor der Diagnoseliege stand.

„Ich denke, das Problem ist lösbar.“ Er reichte Suidhe das Padd, das diese sofort intensiv studierte. „Irgendwann in Ihrer Evolution ist bei Ihren Frauen eine nicht letale Mutation aufgetreten. Anatomisch ist alles in Ordnung mit Ihnen, Sie produzieren lediglich kein funktionsfähiges Östrogen und die entsprechenden Zielzellen sind verändert. Ich denke, mit einer nicht zu aufwändigen Gentherapie und anschließender Hormonbehandlung können wir etwas erreichen.“ Er sah, wie sie seinen Ausführungen anhand des medizinischen Diagnosetextes folgte. Ihr Gesicht verwandelte sich dabei von ungläubigem Erstaunen in grenzenlose Erleichterung. Wieder und wieder überflog sie die Zeilen. Schließlich hob sie ihren Kopf. Bashir sah, dass sie weinte. Rasch griff er nach einem Spender, der an der Wand hing, und reichte ihr ein paar Tücher. Die Frau nahm sie entgegen, doch sie schien ihre eigenen Tränen überhaupt nicht zu bemerken.

„Und so eine Behandlung ist kompliziert?“

Bashir schüttelte den Kopf, weitere Taschentücher in der Hand. „Ich könnte mit dem entsprechenden menschlichen Hormon beginnen. Ihre und unsere Genetik sind sich sehr ähnlich. Wenn das nicht anspricht, können wir von der Struktur ausgehend mit leichten Veränderungen experimentieren.“ Er reichte ihr die nächsten Taschentücher, die sie von einer Hand in die andere schob. „Es gibt keine 100%ige Erfolgschance. Die gibt es auch bei meiner Rasse nicht, aber die Chancen stehen sehr gut.“

„Und Sie würden mich behandeln?“ Suidhe zerknüllte die Tücher in ihren Händen, die Tränen standen immer noch in ihren Augen.

„Ich sehe nicht, was dagegen sprechen würde“, erklärte der Arzt. Er lächelte, als er das Herz der zierlichen Frau beinahe hüpfen sehen konnte. Das war das Schöne an seinem Beruf, in manchen Augenblicken konnte er beinahe Gott spielen und sehen, dass es gut war. „Es kommt darauf an, wie lange Sie auf der Station bleiben wollen.“

Suidhe nickte. „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.“

Bashir nahm ihr das Padd wieder ab. „Es wundert mich jedoch, dass Ihre Mediziner das Problem nicht erkannt und noch keine Lösung für die Unfruchtbarkeit gefunden haben. Colonel Kira hat mir berichtet, dass dieses Problem jede Frau ihres Planeten außer den Königinnen trifft.“

Sie sah ihn beinahe entschuldigend an. „Vermutlich genau deswegen. Solange wir uns erinnern können, solange unsere Geschichtsschreibung zurückgeht, war es so. Und wenn niemand ein Problem sieht, ist auch niemand da, der Lösungen zur Änderung sucht.“ Sie lächelte. „Erst in den letzten paar Jahren, als wir auf andere Rassen gestoßen sind und gesehen haben, was alles möglich ist, haben wir angefangen, darüber nachzudenken.“

Bashir sah sie nachdenklich an. „Wenn andere Frauen ebenso einfach zu behandeln sind, wird das nicht Ihre Gesellschaftsstruktur verändern?“

Suidhe behielt ihr Lächeln bei und schüttelte den Kopf. „Nein. Es wird lediglich die Königin ein wenig entlasten, was eine gute Veränderung ist ... wenn es überhaupt funktioniert“, fügte sie rasch hinzu. „Seit Jahrhunderten hat niemand bei uns Erfahrung mit dem Kinderkriegen.“

Bashir lachte. „Ich denke, auch das ist lernbar.“

„Suidhe, Herrin?“ Sie wandte ihr Gesicht, dem hinter ihr stehenden Admair zu. Der Kommandant ging in die Hocke und nahm ihr die Taschentücher aus der Hand, die sich dort immer noch nutzlos befanden. Er strich ihr Haarsträhnen aus der Stirn, dann begann er sanft ihre Wangen und Augen mit den Tüchern abzutupfen. „Habe ich das alles richtig verstanden?“ Er wirkte erfreut und besorgt zugleich.

Sie nickte, während ein neuer Schwall Tränen ihre gerade getrockneten Wangen benetzte. „Wir haben eine Chance, Admair. Wir haben eine Chance.“ Sie nahm sein Gesicht in ihre schmalen Hände und küsste ihn. „Wir haben eine Chance“, murmelte sie immer wieder zwischen den Küssen.

Bashir verließ taktvoll den Behandlungsraum.

* * *


„Commander, kommen Sie herein.“ Colonel Kira stand alleine im Besprechungsraum, als Benteen durch die Tür trat. Die Offiziersbesprechung würde in einer Viertelstunde beginnen, doch die Bajoranerin hatte die Commander vorher zu einer Unterredung gebeten.

„Das hört sich wahrscheinlich unglaublich aus meinem Mund an, aber ich bitte Sie, mir die Hauptdirektive zu zitieren.“ Kira wandte sich vom Anblick der Sterne fort, die sie stets zum Nachdenken betrachtete. „Ich könnte das jetzt gebrauchen.“

Benteen blieb mit hinter dem Rücken verschränkten Armen neben dem Tisch stehen. „Ich bin nicht sicher, dass ich Ihnen helfen kann, Colonel.“

„Nein?“ Kira hob beinahe belustigt die Augenbrauen. „Wer hätte das gedacht?“

Die Terranerin ging auf die Spitze nicht ein. Ihre Miene war wie so oft unbeweglich. „Es hat nichts mit unpassenden Emotionen zu tun, sondern mit einer logischen Überlegung.“

Irgendwo muss ein Vulkanier in ihr schlummern, ich bin mir sicher, dachte Kira sich, während sie Benteen betrachtete. „Wenn wir die Hilfe verweigern, dann wird es nicht allzu lange dauern, bis ihre eigenen Mediziner die Behandlung entwickeln. Es ist nicht so, dass wir einer Rasse, die gerade das Fliegen für sich entdeckt hat, den Warp-Antrieb schenken.“ Benteen löste ihre Hände und legte sie vor sich auf die Tischplatte. „Die Hauptdirektive wurde vor allem entwickelt, um Rassen, die sich in einer prä-warp Entwicklung befinden, zu schützen. Es ist uns verboten in die Entwicklung von Völkern einzugreifen, die dadurch an Technologien gelangen, für die sie noch nicht reif sind. Hier haben wir es mit einer Rasse zu tun, die seit einem Jahrzehnt den Überlichtflug beherrscht. Wenn sie nicht bei uns Hilfe suchen würden, würden sie es auf einem anderen Planeten tun.“

Die dunkelhaarige Bajoranerin verengte die Augen und musterte ihren ersten Offizier. „Ist das Ihre Interpretation der Angelegenheit oder die offizielle Auslegung?“

Benteens Mundwinkel zuckten. „Das Sternenflottenhauptquartier ist informiert und teilt meine Meinung.“

„Sie haben sich hinter meinem Rücken mit dem Hauptquartier besprochen?“ Kiras Stimme war gefährlich ruhig.

Benteen hob ihre Hände. „Keine Sorge, Colonel. Ob Sie es mir glauben, oder nicht, das würde ich nicht wagen. Ich habe gerade eben mit San Fransisco gesprochen und wollte Ihnen davon berichten. Ich wusste, weswegen Sie mich sprechen wollten und wollte darauf vorbereitet sein.“

„Also, gut“. Kira nickte. „Das nächste Mal informieren Sie mich jedoch, wenn Sie sich vorbereiten wollen.“ Sie wartete, bis die Worte sich bei Benteen gesetzt hatten, dann fuhr sie fort. „Und was hat das Hauptquartier gesagt?“

„Dass wir hier vielleicht die Chance hätten, den ersten Planeten des Gamma-Quadranten in die Föderation einzubinden.“

Die Bajoranerin seufzte leise. Natürlich lief alles wieder auf Politik hinaus, sogar sie hatte mittlerweile schon gelernt, dass in diesen Momenten die Hauptdirektive etwas großzügiger ausgelegt werden konnte.

„Entschuldigen Sie, Colonel. Aber warum versuchen Sie Gegenargumente zu finden? Wenn ich mich nicht täusche, sind Sie diejenige, die den Stein ins Rollen gebracht hat. Sie wollen doch, dass Dr. Bashir nach Abriachan fliegt, um seine Kenntnisse an die dortigen Medizinerinnen weiterzugeben.“

„Das ist richtig.“ Kira legte ihre Hände nun ebenfalls auf die Tischplatte, und sah ihrem ersten Offizier fest in die Augen. „Doch ich bin es gewohnt, dass Sie oder das Sternenflottenhauptquartier mir erklären, dass es nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle. Können Sie sich vorstellen, wie irritierend es ist, dass Sie alle meiner Meinung sind?“

Für einen Moment blickten die Frauen sich schweigend über den Tisch hinweg an. Dann erschien auf dem Gesicht der Bajoranerin ein breites Grinsen, dem sich nach ein paar Sekunden die Terranerin anschloss. „Was wäre das Leben ohne die eine oder andere Überraschung?“

Kira richtete sich wieder auf. „Ich denke, damit wird die Besprechung nur noch zu einer Formalität.“
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