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Abriachan Teil I - Am Scheideweg

von Gabi

Kapitel 4

Ezri Dax stand in Bashirs Schlafzimmer und beobachtete den Arzt dabei, wie er seine Reisetasche packte.

„Wenn du glaubst, ich lasse dich für Wochen alleine mit einer Horde gutaussehender Frauen, dann hast du falsch gedacht.“

Bashir hob den Kopf und sah sich zu der Trill um. Die kurzhaarige, junge Frau stand mit verschränkten Armen ein paar Meter von ihm entfernt. Ihre blauen Augen forderten ihn heraus. Sie wirkte, als ob sie sich einen großen Vorrat an Argumenten in ihrem hübschen Kopf zurechtgelegt hatte und nur auf sein Stichwort wartete.

Der Terraner konnte sich nicht zurückhalten zu lachen. Nach wie vor war Dax unsicher – nein, er verbesserte sich in Gedanken, nicht Dax, es war der Ezri-Teil, der die Unsicherheit mit in diese Symbiose brachte. Er wusste, wie sie sich fühlte, es war ihm vor all den Jahren nicht anders ergangen. Allerdings sah die Trill so bezaubernd aus, wenn sie versuchte ihre Unsicherheit mit Entschlossenheit zu überspielen, dass Bashir diesen Zustand lieben gelernt hatte und – von Ezri unbemerkt – ihn das eine oder andere Mal absichtlich herbeigeführt hatte.

Der Ausdruck in Dax’ Gesicht wankte ein wenig. „Warum lachst du? Ich meine das ernst.“

Er ließ seine Reisetasche liegen und ging zu ihr hinüber. Immer noch lachend schlang er seine Arme um ihren Körper. „Ich weiß, dass du es ernst meinst. Und ich freue mich darüber.“

„Ehrlich?“ Dax wandte sich in seiner Umarmung, um ihm in die Augen zu sehen.

„Ja, ehrlich.“ Bashir neigte seinen Kopf und küsste die Trill. „Aber wie setzt du eine mehr als vierwöchige Erlaubnis zum Verlassen des Arbeitsplatzes durch?“

Sie hob die Schultern. „Genauso wie die anderen es auch machen. Dies ist eine wichtige diplomatische Mission – und ich habe noch einiges an Urlaub aufgespart.“

„Die anderen?“

Jetzt war es an Dax zu lachen. „Schau nicht so entsetzt. Wenn du gedacht hast, dass du es dir hier unbeaufsichtigt gemütlich machen könntest, hast du dich geirrt. Nerys ist hin- und hergerissen zwischen ihrem angeborenen Instinkt, vermeintlich unterdrückten Personen zu helfen, und dem Verdacht, dass die Abriachaner uns immer noch nur einen Teil der Wahrheit erzählen. Sie will sich vor Ort davon überzeugen, dass unsere Hilfe in die richtigen Hände gelangt. Die nächsten Wochen ist die Station in den Händen der Beta-Crew, denn Benteen hat den offiziellen Auftrag vom Hauptquartier erhalten, weil die Sternenflotte einen ihrer eigenen Offiziere zu einer neutralen Beurteilung der Lage und einer möglichen Beantragung der Aufnahme in die Föderation auf Abriachan möchte. So viel dazu, wie sehr sie Nerys Objektivität zutrauen ...“

„Einen Augenblick“, Bashir löste die Umarmung und hob einen Finger. „Einen ihrer eigenen Offiziere ... und was bin ich, wenn ich fragen darf? Ich unterstehe schwerlich der bajoranischen Regierung.“

Dax stupste ihm liebevoll die Nase. „Du bist Arzt, Julian. Damit stehst du über der Politik. Sie fürchten deine unbestechliche Moral – nimm es doch als Ehre.“

„Ehre ... na danke.“ Bashir wandte sich brummelnd wieder der Reisetasche zu. „Warum habe ich nur immer das Gefühl, dass mir die Admiralität nicht vollständig traut?“

Sie setzte sich auf das Bett und begutachtete seine Auswahl an Kleidungsstücken. „Nimm es nicht persönlich, Julian. Ich glaube, das trifft auf jeden zu, der längere Zeit auf DS9 gearbeitet hat. Wir sind hier relativ weit vom Einfluss des Hauptquartiers entfernt, und wir sind auch nicht gerade berühmt dafür, uns immer an die Regeln zu halten. Ich glaube, sie waren sehr erleichtert, dass nach dem Dominion-Krieg die Hälfte der Mannschaft ausgetauscht werden konnte. Nimm doch Commander Benteen. Wenn sie nicht beauftragt worden ist, hier nach Recht und Ordnung zu sehen, müsste ich mich schon sehr täuschen. Könntest du dir vorstellen, dass sie etwas tut, was nicht dreifach vom Oberkommando abgesegnet worden ist?“

„Schwerlich.“ Bashir schloss die Reisetasche – oder versuchte es zumindest. Der Inhalt war ein wenig zu großzügig bemessen worden. Mit einem kräftigen Fausthieb löste er das Problem. Dann blickte er auf und ein boshaftes Lächeln spielte um seine Lippen. „Aber warte es nur ab, wir werden auch noch Benteen korrumpieren.“

* * *


Fähnrich Daviot Mondal nahm Haltung an, als er sah, wer sein Quartier aufsuchte. Er hatte gerade ein hastiges Frühstück beendet, weil er verschlafen hatte, und wollte sich an den morgendlichen Kampf, seine Haare zu bändigen, machen, als er sich unvermutet Colonel Kira gegenüber sah. Sein erster Gedanke war, dass sie herausbekommen hatte, dass er unerlaubter Weise Chailleach geholfen hatte. Aber hätte sie ihn dann nicht in ihr Büro zitiert?

Erst im zweiten Augenblick bemerkte er das Padd, welches sie ihm entgegenstreckte.

„Fähnrich Mondal, ich habe hier Anweisungen für Sie.“

Eine gewisse Neugierde spiegelte sich in den Augen der Frau, die beinahe so dunkel und groß wie seine eigenen waren. Der Betazoid nahm das Daten-Padd fragend entgegen. Er überflog die Zeilen, und las sie dann noch einmal genauer.

Verwundert hob er seinen Blick wieder zur Colonel. „Ich soll mitfliegen, Sir?“

„Glauben Sie mir, ich war genauso überrascht wie Sie das sind. Darf ich?“ Sie gestikulierte zu einem Sessel hinüber.

Mondal nickte rasch. „Natürlich.“ Er fühlte sich unsicher in der Gegenwart der Bajoranerin. Es war in der Hierarchie der Sternenflotte nicht üblich, dass sich der Kommandant eines Raumschiffs oder einer Station um die Akademieabgänger kümmerte. Meist war eine kurze Ansprache zu Beginn des Dienstes alles, was die jungen Leute für Monate von ihnen mitbekamen. Und über Colonel Kira gingen noch ganz andere Gerüchte um. Sie belegte eine Sonderstellung innerhalb der Sternenflotte. Sie war die erste Kommandantin, der volle Handlungsgewalt zugesagt worden war, obgleich sie nicht der Admiralität unterstand. Ihre Vorgesetzten waren die Befehlshaber eines Planeten, der noch nicht der Föderation beigetreten war. Sie hatte hart dafür kämpfen müssen, um diese Rechte zu erhalten, und auch ihre Vergangenheit war den Gerüchten nach mit Kampf und Grausamkeiten gespickt. Äußerlich eine schöne, schlanke Frau in den Dreißigern, würde niemand, der sie näher kannte, den Fehler begehen, sie zu unterschätzen. Als Bajoranerin lag sie ohnehin am anderen Ende einer Emotionsskala, welche die Vulkanier anführten.

Mondal fühlte sich eindeutig wohler, wenn er nicht ihre Aufmerksamkeit erregte.

„Ich hatte gehofft, dass Sie mir erklären könnten, warum Suidhe von Rossa es für nötig hielt, Ihre Beteiligung an dem Flug nach Abriachan bei der Sternenflotte durchzusetzen, Fähnrich.“

Als sie merkte, dass Mondal fieberhaft überlegte, was er sagen sollte, lehnte sie sich im Sessel nach vorne. „Und es ist besser die Wahrheit, Fähnrich! Dass unsere Gäste immer nur mit dem Teil der Wahrheit herausrücken, der ihnen gerade genehm ist, daran habe ich mittlerweile keinen Zweifel mehr, aber ich erwarte ein anderes Verhalten von dem Personal meiner Station. Vor allem von Sternenflottenoffizieren. Haben wir uns da verstanden?“

Mondal schluckte, dann nickt er. „Sir, die Abriachaner wissen, dass ich empathische Fähigkeiten besitze ...“

„A-ha.“

„... es war keine Absicht. Bei dem ersten Zwischenfall mit dem getarnten Sklavenhändler auf der Promenade bin ich so erschrocken, dass ich etwas gespürt habe. Und ich hielt es dann für meine Pflicht die Soldaten zu warnen, da der Kampf so ungleich war.“

Kira rümpfte kurz ihre Nase. „Verkrampfen Sie sich nicht, Fähnrich. Sie haben richtig gehandelt. Ich war selbst dort und habe ebenfalls ohne weiter darüber nachzudenken eingegriffen. Irgendwie möchte man nicht, dass diesen Leuten etwas zustößt.“ Der letzte Kommentar war mehr für sie selbst gedacht gewesen, doch Mondal nickte zustimmend. Dann nahm Colonel Kira eine Bemerkung des Fähnrichs auf. „Sie sind von der Geschichte mit Sklavenhändlern also überzeugt?“

Abermals nickte der Betazoid. „Ich war mir anfangs nicht sicher, aber als ich vor der Krankenstation die Gegenwart der zweiten Person gespürt habe, war ich so frei ... nun, ich ...“ Er stockte. Was würde es bedeuten, wenn er der Stationskommandantin gestand, dass er Telepathie eingesetzt hatte? Auf die Schnelle fiel ihm nun aber nichts ein, was er stattdessen sagen konnte.

„Sie haben, was?“ Kira seufzte. „Fähnrich, wenn Sie mir einfach die Wahrheit sagen, kann es nicht so schwer sein, die richtigen Worte zu finden, nicht wahr?“

„Ich habe ihn telepathisch überprüft, Sir“, gestand Mondal kleinlaut. „Ich, ... ich wollte auch nur ... die Wahrheit ...“

„Sie haben telepathische Fähigkeiten?“ Die Bajoranerin sah ihn überrascht an. Sie hatte sich bisher noch viel zu wenig mit den verschiedenen Mitgliedern der Föderation beschäftigt. Bisher war es für sie wichtig gewesen, sich in bajoranischer und cardassianischer Geschichte und Politik auszukennen, und in den letzten beiden Jahren war ihr gesamtes Augenmerk auf den Gamma-Quadranten und das Dominion gerichtet gewesen.

Sie hatte von Betazoiden gehört. Ein hoher Offizier des Flaggschiffs der Föderation, der Enterprise, entstammte dieser Rasse. Doch bei allem, was Kira gehört hatte, war es immer nur um Empathie gegangen.

Mondal nickte. „Jeder Betazoide besitzt sie, Sir.“

„Sie können lesen, was ich denke?“ Kiras Stimme war nun positiv entsetzt.

„Nein, Sir!“ beeilte er sich rasch zu versichern. „Wir verwenden diese Fähigkeiten nicht außerhalb unseres eigenen Planeten. Wir werden nicht zur Akademie zugelassen, wenn wir nicht nachweislich vollständige Kontrolle über unseren Geist trainiert haben.“

Er sah die Colonel sich entspannen. „Also gut, und Sie haben Ihre Kontrolle auf der Promenade ... vergessen?“

„Es tut mir leid, Sir.“ Mondal bemühte sich, ihr weiterhin in die Augen zu sehen, wie es sich für einen ordentlichen Offizier gehörte. „Werden Sie mich nun melden?“

Kira zog die Stirn in Falten, dann verstand sie. „Sie meinen gegenüber dem Oberkommando? Nein, Sie haben damit niemanden gefährdet. Ich möchte lieber wissen, was Ihr Opfer gedacht hat.“

„Ja, Sir.“ Der Fähnrich atmete aus. „Ich konnte ein paar Gedanken auffangen, die sich mit Chailleach beschäftigten. Er dachte darüber nach, für was er verwendet werden könnte, wenn er ihn gefasst hatte ... Ich möchte es nicht näher ausführen, wenn Sie nichts dagegen haben, Sir, weil ich es abstoßend fand. Doch es waren deutlich die Gedanken eines Verkäufers über ein Objekt.“

Die Bajoranerin betrachtete den jungen Mann, wie er immer noch in Haltung vor ihr stand. Sie versuchte herauszufinden, in wieweit er die Wahrheit sagte. Sie entschied, ihm zu glauben. „In Ordnung, Fähnrich. Dann empfehle ich Ihnen zu packen. Wir werden voraussichtlich vier Wochen unterwegs sein. Wir starten um 0930 h von Pylon 1.“ Sie erhob sich. „Ich möchte, dass Sie sich vollkommen im Klaren darüber sind, wo Ihre Loyalität liegt. Ich weiß, dass von den Abriachanern eine gewisse Faszination ausgeht. Ich bin ebenfalls nicht vollständig immun dagegen. Doch falls es auf unserer Reise zu Konfliktsituationen kommen sollte, muss ich mich darauf verlassen können, dass Sie zu Ihrem Eid der Sternenflotte gegenüber stehen.“ Sie sah ihn durchdringend an. „Kann ich mich darauf verlassen?“

„Ja, Sir. Jederzeit, Sir!“ Mondal salutierte. Die Antwort war ohne nachzudenken über seine Lippen gekommen. Für einen erfolgreichen Abgänger der Sternenflotten-Akademie sollte es nur ein Ziel geben, nämlich der Sternenflotte zu dienen. Der Betazoid hoffte innig, dass es nie zu dem von Colonel Kira beschworenen Konflikt kommen würde.

Die Kommandantin war schon halb durch die Tür, als sie sich wie auf einen Nachgedanken hin noch einmal umdrehte. „Noch etwas, Fähnrich.“ Sie lächelte, aber es war ein gefährliches Lächeln. „Ich werde Sie nicht der Sternenflotte melden, wenn Sie jemals versuchen, Ihre Telepathie bei mir anzuwenden. Doch Sie werden sich dann wünschen, ich hätte es getan.“

Er sah ihr mit großen Augen nach, wie sie immer noch lächelnd im Korridor verschwand.

* * *


Die Defiant war zur Verteidigung von DS9 stationiert. Es kam nicht in Frage, das Schiff für eine so lange Zeit von der Station abzuziehen. Kira hatte von Bajor die Erlaubnis erhalten, einen der neuen Kreuzer, die Mologia, zu verwenden, der die Shasuinn begleiten sollte. Das Schiff schaffte Warp 4.0, mehr war nicht nötig, da das abriachanische Schiff ebenfalls nicht schneller fliegen konnte.

Es kam nicht überraschend, als Suidhe sie bat, für die Reise mit einem Teil der Besatzung der Shasuinn an Bord des bajoranischen Kreuzers kommen zu dürfen. Sie war darauf erpicht, mit Doktor Bashir zusammen zu arbeiten. Kira verstand diesen Teil der Bitte. Doch sie war zu sehr Guerilla-Kämpferin, um nicht Vorsicht walten zu lassen. Was sollte die Abriachaner Lichtjahre vom Alpha-Quadranten entfernt davon abhalten, ihr Schiff zu übernehmen und sie als Geiseln zu nehmen? So erlaubte sie lediglich den drei Soldaten, die sie ohnehin schon kannte, Suidhe an Bord zu begleiten. Liebend gerne hätte sie untersagt, dass Chailleach, dem sie am wenigsten traute, auf dem bajoranischen Kreuzer mitflog. Doch sie sah keine Möglichkeit, den jungen Soldaten von seinem Kommandanten zu trennen. So versuchte sie es erst gar nicht. Sie begründete die Beschränkung mit der begrenzten Unterbringung, doch sie wusste, dass allen klar war, wo die wahren Gründe lagen.

Suidhe von Rossa ließ sich nicht anmerken, was sie von Kiras Vorsichtsmaßnahmen hielt. Sie bedankte sich herzlich für das Entgegenkommen der Bajoranerin, versprach, dass sie den Schiffsablauf nicht stören würden, und zog dann auf der Mologia ein.

Einen Großteil der Zeit der Reise hielt sich die Herrin mit Bashir in einem Raum auf, den dieser als Krankenstation eingerichtet hatte. Sie setzten die Behandlungsmethoden fort, die sie auf der Station begonnen hatten, diskutierten Gemeinsamkeiten in der Physiologie ihrer beiden Rassen und allgemeine medizinische Themen. Suidhe war fasziniert von allem, was sie lernte, und Bashir war begeistert davon, dass sie fasziniert war. Er achtete jedoch immer darauf, dass sie über nichts sprachen, was unter klassifiziertes Material fallen könnte. Suidhe schien das nicht zu stören. Ihre Aufmerksamkeit galt fast ausschließlich der menschlichen Physiologie. Mehr als einmal rief sie aus, wie einfach doch alles sei, und schalt sich, dass ihre Rasse nie auf die Idee gekommen war, die richtigen Fragen zu stellen.

Admair war die gesamte Zeit anwesend. Bashir wusste nicht, wie viel der Soldat von den medizinischen Themen verstand. Meistens stand er wie ein unbeweglicher Schatten an einer Wand. Suidhe schien ihn vollständig zu ignorieren, und mit der Zeit vergaß der terranische Arzt ebenfalls immer mehr die Gegenwart des großen Mannes.

Elgin und Chailleach hatten sich von Kira einen ungenutzten Frachtraum erbeten, um dort zu trainieren. Alles in allem war es angenehm ruhig an Bord, so dass die Bajoranerin sich nach ein paar Tagen zu entspannen begann und ihre Befürchtungen von einer geplanten Schiffsübernahme beiseite schob. Da nach Aussagen der Abriachaner auf der Route zu ihrem Heimatplaneten keine Ionenstürme, Anomalien oder ähnliches, was besondere Aufmerksamkeit eines Navigators verlangte, zu erwarten war, ließ die Colonel es zu, dass die Brücke zeitweise mit nur einer Person besetzt war. Momentan war es die Schicht von Ezri Dax. Kira machte sich nach einer kurzen Ruhepause auf den Weg, um die Trill abzulösen.

„Guten Morgen, Colonel.“

Kira nickte Commander Benteen zu, die ihr auf dem Weg vor den Quartieren begegnete. Als sie zwei Schritte an ihr vorbei war, blieb sie stehen und wirbelte herum. „Was ist das?“

Die Terranerin blieb ebenfalls stehen. Als sie zurücksah wurde ihr ernstes Gesicht von verräterischem Zucken in den Mundwinkeln heimgesucht. „Was?“

„Sie haben ein Schwert in der Hand, Commander“, bemerkte Kira sachlich. „Könnte ich eine Erklärung dafür haben?“

Jetzt begann Benteen zu lächeln. Wie bei früheren Gelegenheiten dieser seltenen Zurschaustellung von Gefühlen, irritierte es die Bajoranerin. „Wir haben Elgin gefragt, ob er uns ein paar Bewegungen zeigt.“

„Und wer ist wir?“

„Fähnrich Mondal hat mich aufgesucht, und bat um die Erlaubnis. Er hat mit den Soldaten gesprochen und sie haben ihm wohl gesagt, dass sie ihm nichts beibringen würden, wenn sie nicht die Einwilligung seiner Herrin hätten.“

„Und Sie sind seine Herrin?“ In Kiras Mundwinkeln zuckte es nun ebenfalls. Sie änderte ihren Weg und fiel in Schritt neben der Terranerin, die auf den Frachtraum zuhielt.

„Nun.“ Benteen hob die Schultern. „Offensichtlich sind Sie das, Colonel. Aber da ich für das Personal verantwortlich bin ...“

„Das muss ich sehen. Ezri wird mir vergeben, wenn ich sie noch ein wenig länger auf ihrem Posten lasse.“ Kira trat hinter Benteen durch die Tür zum Frachtraum.

Auf einer Kiste in der Nähe der Tür saß Chailleach, der offenbar auch gerade aufgestanden war. Über weichen Stoffhosen trug er eine weitgeschnittene Tunika, die locker gegürtet war. Sie wirkte wie ein kurzer Morgenmantel. Seine langen Haare fielen ihm offen über Schulter und Rücken. Seine dunklen Augen beobachteten interessiert die Mitte der Halle.

Kira schüttelte den Kopf. Der junge Mann wirkte harmlos und unschuldig, wenn man ihn so sah. Sie ertappte sich bei dem Wunsch, dass sie hinter seine Fassade sehen und ihn verstehen wollte.

„Stört es, wenn ich ein wenig zusehe?“ fragte sie in die Halle.

Chailleachs Kopf fuhr herum. Er hatte offensichtlich die beiden Neuankömmlinge nicht eintreten gehört. Beim Anblick der beiden Frauen neigte er den Kopf, erhob sich jedoch nicht.

„Natürlich nicht, Colonel“, rief Elgin aus der Mitte der Halle, auch er deutete eine Verneigung an. Der Abriachaner hatte seine Jacke ausgezogen. Er trug jetzt ein ärmelloses Hemd, seine Unterarme waren mit Protektoren aus einem festen Material geschützt. In seiner Rechten hielt er das Schwert, dessen Spitze momentan locker auf dem Boden ruhte. Bis die Frauen den Frachtraum betraten, hatte er sich mit Daviot Mondal unterhalten, der vor ihm auf dem Boden mit übereinandergeschlagenen Beinen saß.

„Fähnrich Mondal hat die Colonel Kiras Erlaubnis, mit Ihnen zu trainieren“, erklärte Benteen, die auf Elgin zu trat, während Kira sich eine weitere Kiste suchte und sich darauf niederließ. „Aber mich müssen Sie ebenfalls unterrichten.“ Sie zog ihre Uniformjacke aus, warf sie in eine Ecke und stellte das Schwert vor ihrem Körper auf.

Elgin starrte sie überrascht an. „Wo habt Ihr das Schwert her?“

„Ihr Kommandant war so freundlich, mir eines aus seiner Sammlung zu leihen. Nun, wie sieht es aus?“

Kira hörte ein verräterisches Schnauben und wandte den Kopf. Chailleach hatte das Kinn auf einer Hand aufgestützt, so dass die Handfläche seinen Mund bedeckte. Darunter versuchte er ein Lachen zu verbergen, doch seine auf Elgin gerichteten Augen verrieten ihn.

„Verzeiht mir“, erklärte ein sichtlich um Fassung ringender Elgin. „Ich bin es nicht gewohnt, dass eine Frau eine Waffe führt. Eine leichte Strahlenwaffe vielleicht“, dabei nickte er Kira zu, „Aber kein Schwert.“

„Soll das heißen, Sie weigern sich, meiner Bitte nachzukommen?“ Benteens Ausdruck war neutral, doch Kira wusste, dass die Terranerin die Worte bewusst so wählte, um den Abriachaner in die Enge zu treiben.

„Nein, natürlich nicht“, reagierte Elgin erwartet heftig. „Doch ich habe noch nie gegen eine Frau gekämpft. Ich hätte Angst, Euch zu verletzen.“

„Noch nie?“

„Niemals!“

Benteen neigte den Kopf ein wenig zur Seite. „Dann machen Sie sich auf etwas gefasst. Wenn Sie sich wegen mir zurückhalten, dann bleibt das Ihnen überlassen. Aber sobald ich die Technik raus habe, werde ich keine Rücksicht nehmen, nur weil Sie ein Mann sind.“

Elgin sah sie an, dann schüttelte er den Kopf. Doch er lächelte dabei. „Es ist Euch ernst, das kann ich sehen.“

„Und Ihnen wird es auch nicht schaden“, bemerkte Benteen, während sie das Schwert anhob und in der Hand wog. „Wenn Sie in diesem Universum weiterkommen wollen, müssen Sie lernen, sich dann und wann auch gegen Frauen zu verteidigen.“

Elgin neigte den Kopf. „Dann lasst uns gegenseitig Lehrer sein.“

Er wandte sich Mondal zu, streckte seine Hand aus und zog ihn auf die Füße. „Daviot, bist du bereit?“

„Ja.“ Der Betazoid nickte eifrig. Es war ihm zwar ein wenig unangenehm, dass Commander Benteen beim Training dabei sein würde und dass Colonel Kira ihnen zusah, doch er konnte sich nicht immer in respektvoller Ehrfurcht vor seinen Vorgesetzten verbergen. Er ging zur Wand hinüber, an welcher Chailleachs Schwert lehnte, das er sich zum Training ausborgen durfte.

Elgin hatte unterdessen eine Kiste zwischen sie gezogen, in welcher sich mehrere Paare Armschützer befanden. Benteen und Mondal suchten sich passende aus, legten sie an und folgten dann den Anweisungen des Abriachaners, der begann, ihnen Grundschritte und erste leichte Stöße zu zeigen.

Kira merkte, dass sie fasziniert zusah. Wie sie Admair früher erklärt hatte, war für sie die Eleganz einer Angriffs- und Verteidigungsführung nie von Belang gewesen. Sie hatte recht früh gelernt, zu töten, ganz gleich auf welche Weise. Doch wenn sie nun den Bewegungen zu sah – und es handelte sich nur um erste Bewegungen, welche die Formenvielfalt eines Schwertkampfes noch nicht einmal erahnen ließen – dann verspürte sie Lust darauf, ebenfalls am Training teilzunehmen. Nicht, um ein Schwert jemals als Waffe zu verwenden, sondern aus Freude an der Form. Sie überlegte, ob sie das Elgin antun konnte, dann erhob sie sich jedoch.

„Elgin?“

Der Soldat hielt in seiner Bewegung inne. „Colonel?“

„Wahrscheinlich bereite ich Ihnen jetzt noch mehr Unannehmlichkeiten, doch ich möchte Sie bitten, dass ich ebenfalls am Training teilnehmen kann. Mir gefällt, was ich sehe.“

„Ich bin von Commander Benteen belehrt worden“, erklärte Elgin diplomatisch. „Euer Wunsch ist mir Befehl.“

Während Kira Dax darüber informierte, dass diese noch länger auf der Brücke ausharren musste, sich ebenfalls ihrer Uniformjacke entledigte und ihren beiden Mitstreitern zu grinste, nahm Elgin eines der Schwerter, die noch an der Wand lehnten. Er reichte es ihr. „Wenn Ihr nichts dagegen habt, würde ich Euch gerne vorführen, wie es nach ein paar Jahren intensivem Training aussieht.“

„Nur zu, wir würden uns freuen.“

Elgin bedeutete ihnen, sich an die Wand zu stellen, dann rief er zu Chailleach hinüber: „Kleiner, hast du kurz Zeit für uns?“

Der junge Soldat schenkte ihm einen vernichtenden Blick, stand dann aber auf und kam in die Mitte der Halle. Im Gehen fischte er eine Spange aus der Tasche seiner Tunika und befestigte sein langes Haar im Nacken. Dann löste er den Gürtel, streifte das Oberteil ab und ließ es achtlos auf den Boden gleiten. Er trug nichts darunter, machte sich auch nicht die Mühe, Armschützer anzulegen.

Kira legte das Verhalten unter ‚Angeberei’ ab und beschloss bei der Vorführung aus Protest nur auf Elgin zu achten. Chailleach kam zu ihnen an die Wand hinüber. Mit einem freundlichen Lächeln streckte er vor Mondal die Hand aus. Dieser blickte ihn erst verwundert an, dann jedoch huschte Erkennen über das Gesicht des Betazoiden. Er reichte dem Soldaten dessen Schwert.

„Ich bin meine eigene Waffe gewohnt“, erklärte Chailleach leise. „Nur damit kann ich Elgin eine Lektion erteilen.“

Kira betrachtete den Fähnrich von der Seite, während dessen Blick dem sich entfernenden Chailleach nachging. Sie fragte sich, ob sich der Betazoide bei all seinen mentalen Fähigkeiten im Klaren darüber war, dass er dabei war, der Faszination des Soldaten zu erliegen?

Ihre Überlegungen wurden von dem sich nun bietenden Schauspiel beiseite geschoben. Elgin hatte seine schulterlangen Haare ebenfalls zurückgebunden und nach einer kurzen Begrüßung hatten die beiden Soldaten damit begonnen, aufeinander einzuschlagen. Sie bewegten sich rasch und leichtfüßig, umkreisten einander, täuschten, schlugen zu, parierten. Die Darbietung war wild, schnell und gefährlich. Kira wusste nicht, wie ernsthaft die beiden Soldaten einander angriffen, doch für sie wirkte es zumindest so, als ob es keinerlei Raum für Fehltritte oder Fehleinschätzungen gab. Mehr als einmal glaubten die Zuschauer, dass sich einer der beiden eine Verletzung zugezogen hatte. Doch stets wirbelte der fragliche Mann in letzter Sekunde aus dem Bereich des gegnerischen Schwertes. Es war eine Mischung aus Kampf und Tanz und es war atemberaubend zu beobachten. Ein rascher Blick nach rechts und nach links versicherte Kira, dass nicht nur sie den Atem anhielt. Ihre Absicht, Chailleach nicht zu beachten, konnte sie ebenfalls vergessen. Die beiden bildeten eine Einheit, die nicht getrennt verfolgt werden konnte. Haare und Schwerter wirbelten zu einem Bild.

Dann gelang es Chailleach endlich, Elgin mit einer Finte zu täuschen. Er setzte ein paar rasche Schläge, denen das Auge kaum noch folgen konnte, und zwang damit den dunkelhaarigen Soldaten aus dem Gleichgewicht und auf ein Knie. Ohne in der Bewegung innezuhalten holte Chailleach aus und schlug zu. In der folgenden Stille war das erschrockene Ausatmen der Zuschauer überdeutlich zu vernehmen.

Das Bild aus Formen und Bewegung war nun zu Eis erstarrt. Beide Männer verharrten reglos in der Mitte der Halle. Chailleachs aufrechter Körper war bis zum letzten Muskel angespannt, er atmete heftig und mit seinem hochgestreckten rechten Arm hielt er das Schwert gegen die Kehle des vor ihm knienden Elgin. Die Klinge lag so dicht an, dass der bärtige Soldat sich alleine schon durch stärkeres Atmen ritzen würde. Es war ein Rätsel für die Colonel, wie Chailleach in dieser Bewegung hatte rechtzeitig innehalten können, ohne Elgin ernsthaft zu verletzen.

Nach ein paar Sekunden keuchte Chailleach: „Das war für den Kleinen.“ Dann nahm er sein Schwert fort und streckte dem anderen die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen. Elgin sprang auf die Füße, schlang seinen Arm um die Schultern des Jüngeren und drückte ihn kurz, aber heftig. „Du bist verdammt gut geworden, Chailleach.“

Den anderen immer noch im Arm wandte er sich an seine drei Schüler, von denen sich noch niemand zu bewegen gewagt hatte. „Man kann einen Gegner vor dem Kampf verbal beleidigen, in der Hoffnung, ihn dadurch zu Wut und damit zu irrationalem Handeln hinreißen zu können.“ Er drückte noch einmal die Schultern des jungen Manns, dem die Anstrengung jetzt deutlich anzusehen war. Kira war überrascht zu sehen, dass Chailleach seinen Kopf für ein paar Sekunden auf Elgins Schulter legte. Er demonstrierte damit eine Verletzlichkeit, die sie ihm in der Öffentlichkeit niemals zugetraut hätte. „Es kann aber auch das Gegenteil hervorrufen und den Gegner zur Bestleistung anstacheln. Daher ist es immer gut zu wissen, gegen wen man kämpft.“

Kira beugte sich zu Benteen hinüber. „Ich bin auf den Tag gespannt, an dem Sie bei ihm keine Gnade walten lassen wollen, obwohl er ein Mann ist, Commander.“

Die Terranerin ging auf die Stichelei ein. „Wir werden es sehen, Colonel, wir werden es sehen.“

* * *


Das gemeinsame Training half viel dabei, die Atmosphäre zu entspannen. Nach einer Woche glaubte nicht einmal mehr Colonel Kira, dass die Abriachaner etwas gegen sie im Schilde führten. Die Sternenflottenoffiziere fühlten sich in der Gegenwart der Soldaten wohl und umgekehrt schien es ebenfalls der Fall zu sein. Wann immer die Zeit es zuließ, fanden sie sich im Frachtraum zum Training ein. Elgin gelang es allmählich, seine Probleme im Umgang mit kämpfenden Frauen zu bewältigen, Mondal gelang es, seine Unsicherheit in der Gegenwart seiner Vorgesetzten abzubauen. Und manchmal übernahm sogar Chailleach das Training, der mit gar nichts Schwierigkeiten zu haben schien. Er blieb in seinen Mantel von unnahbarer Arroganz gehüllt, doch Kira lernte mit der Zeit, dass es sich um eine Art natürlicher Arroganz handelte, die nicht speziell gegen sie gerichtet war. Und auch sie lernte allmählich damit umzugehen.

Admair gesellte sich auch des Öfteren zum Training hinzu, wann immer er das Gefühl hatte, seine Herrin alleine lassen zu können. Ein paar Mal sah Suidhe sogar zu, doch es war ihr jedes Mal deutlich anzumerken, dass es sie irritierte, Kira und Benteen mit den Schwertern zu sehen.

Bashir und Dax ließen sich selten im Frachtraum blicken, sie verbrachten ihre Zeit mit dem Analysieren des Behandlungsfortschritts oder miteinander. Sie beide hatten beschlossen, diese Reise als eine Art Urlaub zu nehmen und machten es sich dementsprechend gemütlich.

Erst als sie noch einen Tag von Abriachan entfernt waren, wurde die Schiffsroutine wieder aufgenommen und die Brücke mit mehr als einer Person besetzt.

* * *


Mondal staunte nicht schlecht, als der junge Soldat in seinem Quartier stand. Chailleach trug den kurzen Morgenmantel über einer weiten Pyjama-Hose, sein loses Haar war locker hinter die Ohren gesteckt.

„Ich kann nicht schlafen“, erklärte er, während sich die dunklen Augen etwas verloren in Mondals Quartier umblickten. Er wirkte nicht wirklich wach. „Admair ist mit der Herrin zusammen und Elgin trainiert noch mit Commander Benteen. Kann ich mit dir sprechen?“

Er wartete die Antwort nicht ab, sondern ließ sich auf dem Bettrand nieder.

Mondal setzte sich jetzt vollständig im Bett auf und vertrieb den Schlaf aus seinen Augen. In seiner Irritation tastete er hinaus. Vorsichtig ließ er die feinen Fühler seines Geistes die Ausstrahlung des anderen berühren. Chailleach war müde, seine Müdigkeit hatte zugelassen, dass Gefühle bei ihm an die Oberfläche traten, die sein waches Bewusstsein unter normalen Umständen verborgen gehalten hätte. Sorge, Nervosität, ein rebellischer Fatalismus und – Angst. Mondal hätte es nicht für möglich gehalten, dass der Soldat dieses Gefühl kannte. Er erinnerte sich an die gebündelte Kraft an die gnadenlose Präzision, die er bei dem Schaukampf vor einer Woche bewundert hatte. Es war ihm so erschienen, als ob Chailleach jede Faser seines Körpers unter genauer Kontrolle hatte. Jetzt schien eine andere Person vor ihm zu sitzen. Jemand mit Fehlern, mit Ängsten – jemand menschliches. Fast hätte er die Hand ausgestreckt, um ihm über das Haar zu streichen.

„Was ist los?“ flüsterte er stattdessen.

Der andere blickte auf, schien sich zu überlegen, was er eigentlich hier machte. „Nichts.“

„Nichts? Deswegen marschierst du mitten in der Nacht in mein Quartier?“

„Es war ein Versehen ... ich habe schlecht geträumt ...“ Chailleach wollte sich wieder erheben.

Mondal griff rasch nach dem Arm des anderen. Er spürte, wie sich die Mauer der Unnahbarkeit allmählich wieder um das wahre Ich des Soldaten schloss. „Nein, das ist nicht wahr. Irgendetwas ist los, und du solltest darüber sprechen. Admair und Elgin mögen keine Zeit haben, aber ich bin da – und ich höre zu.“

Er spürte das Zögern mehr als dass er es sah. Chailleachs Blick fiel auf die Hand, die ihn festhielt, dann sah er Mondal in die Augen. „Du hast mir einmal gesagt, dass du mir nicht vertraust. Ich muss jetzt dasselbe zu dir sagen. Wir dienen unterschiedlichen Herrinnen. Das, was mich beschäftigt, kann ich dir nicht anvertrauen.“ Er sah den enttäuschten Blick des Fähnrichs. „Es ist zu deinem eigenen Schutz, glaube mir.“

Mondal spürte, dass der andere die Wahrheit sagte. So unklar das alles auch herüberkam, zu all den Zweifeln, die den jungen Mann quälten, gesellte sich tatsächlich ehrliche Sorge um den Betazoiden. Mondal ließ Chailleachs Arm los und rückte in seiner Koje an die Wand. „Wenn du willst, kannst du heute Nacht hier bleiben“, schlug er zögernd vor, weil er sich nicht sicher war, wie der andere das aufnehmen würde. „Wenn ich Sorgen hatte, hat es mir beim Einschlafen immer geholfen, wenn ich nicht alleine war.“

Chailleach blickte auf ihn hinab, ein weiches Lächeln formte sich auf seinem müden Gesicht. „Du willst mich heute Nacht beschützen?“ Er setzte sich wieder auf die Bettkante. „Warum eigentlich nicht? Ich selbst scheine mir heute nicht genug Schutz zu sein.“ Er legte sich hin und ließ zu, dass Mondal die Decke über ihn breitete. Er spürte die Hände des anderen, wie sie seinen Rücken massierten, dann war es ihm so, als ob etwas Sorgendes, Beruhigendes seinen aufgewühlten Geist umhüllte. Langsam schlossen sich seine Lider und er schlief ein.

* * *


Die Anspannung an diesem Morgen war für alle zu spüren. Das erste Mal seit ihrem Abflug von DS9 fanden sich alle Abriachaner auf der Brücke ein. Das erste Mal trugen die Soldaten auch wieder ihre schwarzen Uniformen und die langen Schwerter auf dem Rücken. Sie sprachen wenig, ihre Blicke ruhten auf dem Schirm. Dort war die grüne Kugel ihres Planeten bereits auszumachen und die Shasuinn, die in kurzem Abstand vor ihnen flog.

„Der Anblick von hier oben ist immer wieder überwältigend“, flüsterte Suidhe, als ob ein lautes Wort ihre Welt verscheuchen könnte.

Kira lächelte wissend. Sie kannte das Gefühl: Ganz gleich, wie lange man fort war, oder wo man lebte, nichts konnte das Gefühl von Heimat ersetzen.

„Möchten Sie uns ankündigen, bevor wir von Ihrem Verteidigungssystem unter Beschuss genommen werden?“ fragte sie.

Suidhe schüttelte den Kopf. „Wir besitzen kein planetares Verteidigungssystem. Doch es wird Kontrollen geben, wenn wir näher kommen. Wo ist Ihre Kommunikation?“

Colonel Kira deutete zu der Station, die Ezri Dax momentan bediente. Suidhe ging hinüber und setzte sich neben die Trill. „Wir sind bereit.“

„Haben Sie ein Empfangskommando bestellt?“ fragte Benteen.

Die anderen folgten ihrem Blick. Aus dem Schatten eines der Monde hatte sich ein Raumschiff gelöst und hielt jetzt auf sie zu.

„Nein.“ Suidhe klang unsicher. „Wir sind noch viel zu weit draußen. Ich weiß nicht, wer ...“

„Können Sie vergrößern? ... Verzeihung, Herrin“, entschuldigte sich Admair sofort, weil er ihr ins Wort gefallen war. Sie winkte ab.

Benteen holte das Schiff in die Mitte des Schirms.

„Bekannte Bauart?“ wollte Colonel Kira wissen.

Ein scharfes Einziehen des Atems hinter ihr sagte ihr, dass dem so war. „Kommandant Admair?“

„Das sind sie. Das sind die Sklavenhändler“, antwortete stattdessen Elgin.

Kira wandte sich in ihrem Kommandosessel um. „Hatten Sie nicht gesagt, dass Sie bisher immer nur im Nachbarsystem angegriffen wurden?“

Elgin betrachtete das Bild misstrauisch um sich zu vergewissern, dass er das richtige Schiff vor sich hatte. „Das haben sie bisher auch stets. Sie sind noch nie so nahe an Abriachan herangekommen.“

„Können Sie dem Planeten gefährlich werden?“

„Nein“, versicherte Admair, „da besteht keinerlei Gefahr.“

„Sie werden versuchen, einfliegende Schiffe abzufangen“, bemerkte Elgin.

„Sie werden uns nicht bekommen.“ Chailleach trat neben Benteen, die an der taktischen Konsole stand. „Können Sie das Schiff abschießen?“

„HALT!“ Kira drehte sich dieses Mal mitsamt Sessel um. „So läuft das hier nicht. Wir schießen nicht auf Schiffe, die nicht zuerst das Feuer auf uns eröffnen.“ Dann wandte sie sich Dax zu. „Teil der Shasuinn mit, dass sie ihre Stellung halten soll. Wir versuchen, das fremde Schiff zu kontaktieren.“

Die Trill tat wie ihr geheißen, doch noch bevor sie eine Antwort von dem fremden Schiff erhielt, konnten sie beobachten, wie die Shasuinn ihren Kurs verließ und dem anderen Schiff entgegenflog.

„Was macht sie da?“ wollte Kira wissen, als das fremde Schiff das Feuer eröffnete. „Benteen, Warnschuss!“

Sie konnten nicht erkennen, wie stark die Shasuinn getroffen worden war, doch sie behielt ihren Kurs bei. Der Strahl der Mologia traf das fremde Schiff an einer Antriebsgondel. Das Schiff drehte sich leicht, doch es stellte das Feuer nicht ein.

„Ich bekomme keinen Kontakt mehr zur Shasuinn“, meldete Dax von ihrer Konsole.

Suidhe beobachtete die Szene mit bleichem Gesicht. Admair trat hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern.

Benteen schoss erneut. Dieses Mal schlug der Strahl in die Hülle ein, richtete aber nur wenig Schaden an, die Schilde des Schiffes waren noch intakt.

„Signalisier der Shasuinn, dass sie sich aus dem Feuerbereich zurückziehen soll!“ drängte Kira.

Das fremde Schiff schwenkte schon träge herum und begann nun auf die Mologia zu schießen. Der erste Treffer erschütterte die Brücke des bajoranischen Kreuzers, doch die Schilde hielten.

Nach wie vor behielt die Shasuinn ihren Kurs bei.

„Was ist mit dem Schiff?“ wollte Kira über die Erschütterung des nächsten Treffers von Suidhe wissen. Benteen erwiderte das Feuergefecht mit gleicher Heftigkeit. Bajoranische Kreuzer waren nicht für stärkere Kämpfe ausgelegt, doch ihr Gegenüber ebenfalls nicht, so dass sie sich die Waage halten konnten.

„Ich weiß es nicht!“ rief Suidhe zurück. Neben ihr versuchte Dax immer noch den abriachanischen Kreuzer zu erreichen.

„Die Steuerung muss ausgefallen sein.“ Chailleachs tonlose Stimme schien die Brücke auszufüllen. Dann sahen die anderen auch, was er sah.

Das fremde Schiff registrierte zu spät, was passierte. Es versuchte auszuscheren, doch aufgrund der zerstörten Antriebsgondel war das Manöver nicht schnell genug. Die Shasuinn rammte den Angreifer mittschiffs.

„Nein.“ Dax hörte das entsetzte Flüstern des abriachanischen Kommandanten neben sich.

Kira, die von dem Manöver ebenfalls überrascht worden war, rief zur Navigation: „Mondal, ziehen Sie auf 25-53-04, sofort!“

Mondal erschrocken über die Wendung der Ereignisse tat wie ihm geheißen. Ohne darüber nachzudenken, folgte er Kiras Kursangaben.

Vor ihnen explodierten die beiden Schiffe in einem Feuerball.

„Wir sind zu nah!“ war Benteens Stimme noch zu vernehmen, bevor die Mologia von den ersten Trümmern getroffen wurde. Der bajoranische Kreuzer tauchte steil ab. Die Dämpfungsaggregate konnten nicht die gesamte Bewegungsänderung kompensieren und die Besatzung wurde gegen Konsolen und Sessellehnen geschleudert. Weitere Bruchstücke durchdrangen die Schilde und schlugen auf der Hülle ein.

Mondal versuchte krampfhaft seine aufkeimende Panik zu unterdrücken. Er hatte außer den Übungsflügen auf der Akademie keinerlei navigatorische Erfahrung und er befürchtete, zu langsam auf die Kommandos zu reagieren. Kira rief ihm eine weitere Richtungsänderung zu, die seine Finger ausführten. Zu langsam ... zu langsam. Ohne weiter darüber nachzudenken ließ er seine mentalen Schilde fallen. Kira hatte ihm Schlimmeres als eine Meldung angedroht, doch damit würde er sich erst wieder beschäftigen, wenn das Schiff in Sicherheit war.

Er empfing ihre Richtungsänderungen, bevor die Bajoranerin sie formuliert hatte, bevor sie über sein Gehör in seinem Gehirn wieder in Impulse umgesetzt worden waren.

Innerhalb kürzester Zeit hatten sie den Gefahrenbereich verlassen und schwebten im freien Raum.

„Sehr gut gemacht!“ hörte er Kiras Anerkennung in seinem Rücken.

„Statusreport? Julian, auf die Brücke!“

Der Arzt stand schon in der Tür, bevor Kiras Ruf verklungen war. „Was ist passiert?“ Sein zerzaustes Haar deutete an, dass er ebenfalls von dem Manöver überrascht worden war, doch es schien ihm nichts zu fehlen. Seinen medizinischen Koffer hatte er schon griffbereit. Er eilte zu Benteen hinüber, die aus einer Schläfenwunde blutete. Während die Commander die inneren Schiffssensoren abrief, behandelte er den Schnitt.

„Ein Schiff unbekannter Bauart war auf Abfangkurs und hat das Feuer eröffnet“, berichtete Dax ihm. Sie klopfte ihre Uniform aus, nachdem sie sich vom Boden erhoben hatte. „Die Shasuinn ist mit ihm kollidiert und wir waren zu nah an der Explosion.“

Bashir starrte ungläubig auf den Bildschirm, der nun nichts mehr als Dunkelheit zeigte. „Die Besatzung ...?“

Dax schüttelte den Kopf.

„Warum hat sie das getan?“ Kira erhob sich von ihrem Kommandosessel. Die Frage war in Richtung von Suidhe und Admair gerichtet.

„Sie muss die Steuerung verloren haben“, wiederholte Chailleach in ihrem Rücken.

Kira ignorierte ihn. „Warum hat sie überhaupt die Richtung gewechselt? Es gab keinen Grund dafür.“

„Für Sie vielleicht nicht, Colonel.“ Suidhe erhob sich ein wenig zittrig, ihr Gesicht war jedoch ernst und entschlossen. „Sie verstehen die Bedeutung unserer Loyalität noch nicht. Ich war auf dem anderen Schiff, und damit galt es, dieses Schiff hier zu beschützen.“

„Der Angreifer wäre gegen unsere beiden Schiffe kein Problem gewesen“, rief Kira aus. „Das war völlig sinnlos!“

„Das wissen Sie, weil Sie so viel mehr Erfahrung in der Raumfahrt haben“, erklärte Suidhe gefasst, lediglich ihre verspannten Kieferknochen verrieten, wie sehr sie unter dem Tod ihrer Besatzung litt. „Sie können meinen Leuten nicht vorwerfen, dass sie die Kräfte falsch eingeschätzt haben. Ich hätte sie zurückgerufen, wenn wir eine Verbindung zustande gebracht hätten. Ich hätte sie zurückgerufen.“ Ihr Blick fixierte wieder den leeren Bildschirm. Sie lehnte sich gegen Admair, der wie versteinert hinter ihr stand. „Das wäre nicht nötig gewesen“, hörte nur noch Dax sie flüstern.

Über den Stimmen der folgenden Schiffsfunktionsanalyse, hörte Fähnrich Mondal einen Gedanken so klar wie einen Schrei. Er hatte seinen mentalen Schild wieder errichtet und dennoch erreichte er ihn: Stechend, voller Verzweiflung und Vorahnung, beinahe wie ein Hilfeschrei: Das ist erst der Anfang.

Er drehte sich um, langsam trotz seines Erschreckens, weil er niemanden verraten wollte. Chailleach starrte auf den Schirm. Es war im Augenblick nichts Jungenhaftes mehr an ihm. Er wirkte erwachsen, älter, als trüge er eine Last, die zu schwer für seine Schultern war. Als könne er den Blick spüren, wandte er sein Gesicht dem Betazoiden zu. Mondal fand sich im Strudel der dunklen Augen wieder und mit einem Mal verstand er, dass die Besatzung des anderen Schiffs vor allen Dingen deswegen gestorben war, damit die Angreifer nicht befragt werden konnten. Colonel Kira hatte deren Todesurteil unterschrieben, als sie Funkkontakt befohlen hatte. Er verstand auch, dass er nichts davon würde sagen können. Er würde seine Pflicht vernachlässigen, seine Vorgesetzten von dem zu informieren, was er wusste – wie seltsam Loyalität tatsächlich sein konnte.
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