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Abriachan Teil I - Am Scheideweg

von Gabi

Kapitel 10

Sie waren aus etlichen Zusammenstößen schon als Sieger hervorgegangen. Die ersten Wachposten, auf die sie trafen, waren noch gänzlich von ihrem Vorstoß überrascht worden. Kira führte die kleine gemischte Militäreinheit an, und ihr Anblick hatte die ersten paar Male ausgereicht, um für die gewünschte Verwirrung zu sorgen. Mittlerweile hatte sie sich das lange Kleid ausgezogen, das ihre Bewegungsfreiheit lediglich behinderte. Darunter trug sie eine enge Hose und ein Hemd. Wenn sie mit gezogener Waffe gegen patrouillierende Truppen anstürmte, wussten die Männer einfach nicht, wie sie sich verhalten sollten.

Doch das Überraschungsmoment hatten sie mittlerweile eingebüßt. Die Nachricht vom Eindringen einer fremden Einheit begann sich im Palast auszubreiten. Mit Hilfe der Monitorüberwachung über die Torwache war es ihnen bisher jedoch gut gelungen, Fallen auszuweichen.

Jetzt kam es darauf an, dass sie schnell waren.

Suidhe hatte eine ungefähre Vorstellung davon, wo sich die Inneren Räume der Königin und deren Repräsentantinnen befanden, welche ihr Ziel darstellten. Mit ihrer Hilfe orientierte sich der Trupp.

„Vor uns befindet sich eine Einheit in Stellung“, berichtete Mondal, nachdem er mit der Torwache gesprochen hatte.

Kira drückte sich gegen die Wand des Ganges zurück, den sie gerade hatte verlassen wollen. „Ich habe sie gesehen. Wie viele Mann?“

„Etwa 20.“

„Sie werden organisierter“, flüsterte Admair, der sich neben Kira geschoben hatte. „Das heißt aber auch, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.“

„Wissen Sie, ob es im Palast einen Vorrat an Phasern gibt, mit dem sich die Wachen womöglich ausrüsten können?“

„Ich vermute es. Es wäre reichlich kurzsichtig, wenn nicht. Und der königliche Kommandant ist für vieles bekannt, sicherlich nicht für seine Kurzsichtigkeit. Er ist mein härtester Konkurrent.“

Kira nickte. „Dann hoffen wir, die Zeit war bisher zu knapp.“

Mit ihrer phaserfreien Hand winkte sie die hinter ihr stehenden Soldaten heran. „Es muss rasch gehen. Vorstürmen, Feuern – zum Zielen haben wir keine Zeit. Verstanden?“

Die Männer nickten.

„Und, los!“

Sie stürmten von der Seite über den Gang, den die Palastwachen hielten. Energieladungen brandeten auf und elektrisierten die Luft.

Dieses Mal wurde ihr Feuer erwidert. Und dieses Mal schienen die Wachen auch ihre Vorbehalte abgelegt zu haben, auf Frauen zu schießen. Kira spürte die Hitze eines Phaserstrahls, der an ihrem Kopf vorbeizog. Sie rollte sich über die Schulter ab, während sie ihr eigenes Feuer für keinen Augenblick einstellte.

Als sie sah, dass sich die Reihe der Wachen auflöste, weil diese in eine besser zu verteidigende Stellung zurückfallen wollten, gab sie ihren Leuten den Befehl vorwärts zu stürmen. Es gelang ihnen, einen Keil zwischen die anderen zu treiben und sie aufzureiben.

„Admair!“ Sie sah, wie der Kommandant am Boden kniete. „Haben wir Verluste?“

Der Mann hob seinen Kopf. „Einer meiner Männer ist getroffen. Und ich bin mir sicher, dass deren Phaser nicht auf Betäubung gestellt sind.“

„Julian!“ Kira winkte den Arzt heran. „Die anderen sammeln die Phaser ein. Wir dürfen uns nicht aufhalten lassen.“ Sie hatte sich einen Phaser der betäubten Wachposten gegriffen. Wie Admair vermutet hatte, war er auf höchste Leistung eingestellt. Kira stellte den Regler zurück und rannte ein paar Meter den Gang hinunter. Mit zwei Waffen ausgerüstet, sicherte sie die nächste Kreuzung. „Suidhe! Wohin?“

Die zierliche Abriachanerin rannte hinter ihr her, gefolgt von Admair und einem Großteil seines Trupps. Dax blieb bei Bashir zurück und sicherte den Korridor in die entgegengesetzte Richtung, während der Arzt den Gefallenen untersuchte.

„Keine Chance“, schüttelte Bashir den Kopf. „Er hat einen direkten Treffer abbekommen.“

„Verdammt!“ Dax drehte sich um. „Wir müssen ihn hier lassen.“ Bashir sprang auf und folgte ihr den Gang hinunter, wo die anderen an der Kreuzung warteten.

Direkt neben ihnen öffnete sich eine Tür und sie sahen sich gezogenen Schwertern gegenüber. Instinktiv feuerte die Trill und instinktiv zog ihr Gegenüber in atemberaubender Schnelligkeit die energieableitende Klinge zwischen seinen Körper und den Phaserstrahl.

„Lieutenant!“

Die beiden Sternenflottenoffiziere erkannten jetzt, wem sie gegenüber standen. Während Elgin das Schwert noch zur Verteidigung vor sich erhoben hatte, steckte die Frau neben ihm ihres bereits wieder auf den Rücken zurück. In etwas zu große Zivilkleidung eines abriachanischen Mannes gekleidet und mit langem, offenen Haar stand Commander Benteen vor ihnen.

„Commander!“ Bashir starrte sie verblüfft an. Die sonst so streng frisierte, unnahbare Terranerin war fast nicht wieder zu erkennen. „Sie sehen fantastisch aus.“

Benteen schob ihn mit einem vernichtenden Blick beiseite, um auf dem Gang zu sehen, in welch seltsame Situation sie hier hineingeraten war.

Bashir spürte Elgins Hand auf seiner Schulter. Der andere sah ihn mitfühlend an. „Machen Sie sich nichts daraus, Doktor, so ergeht es mir schon seit zwei Tagen.“

„Lieutenant, Doktor, was ist hier los?“

Sie rannten nun gemeinsam zum Rest der Truppe.

„Die Revolution hat sich selbstständig gemacht – und wir sind hineingeraten“, fasste Dax während des Laufens zusammen.

„Colonel!“

Kira fuhr herum. Diese leicht missbilligende Stimme kam ihr bekannt vor. „Commander Benteen. Bin ich froh, Sie wieder zu sehen!“

Neben ihr umarmte Admair glücklich seinen Freund.

„Was in drei Teufels Namen machen Sie hier, Colonel?!“

Die Bajoranerin schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln. „Ich überschreite meine Kompetenzen, Commander. Sie sind für die folgende Zeit Ihren Pflichten mir gegenüber entbunden, aber ich muss die Königin finden – und ich habe jetzt keine Zeit für Erklärungen.“

„Dann brauchen Sie jemanden, der den Weg kennt.“ Benteen schob sich an den Soldaten vorbei, nahm einem von ihnen den zweiten Phaser aus der Hand, den er einer Palastwache abgenommen hatte, und stellte sich an Kiras Seite. „Gehen wir.“

Zu verblüfft, etwas zu erwidern, folgte die Bajoranerin und mit ihr der gesamte Trupp Benteens Führung.

Sie kamen rascher voran, da sie nicht mehr an jeder Biegung überlegen mussten, welche Richtung sie einschlagen sollten. Schließlich erreichten sie ohne weitere Zwischenfälle, die Flügeltüren, die zum Thronsaal führten.

„Was immer sie an Soldaten haben, werden sie hier hinter zusammengezogen haben“, erklärte Benteen. „Hier residieren die Repräsentantinnen der Königin.“ Ihr Gesicht nahm einen leicht gequälten Ausdruck an, doch Kira hatte keine Zeit, nachzufragen.

„Fähnrich?“

Mondal hatte sich bereits etwas abseits gestellt und sprach mit der Torwache. Nach einiger Diskussion blickte er auf und schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, Sir, es scheinen keine Überwachungskameras in den inneren Räumen zu existieren, jedenfalls keine, die in den Empfangsbereich geschaltet sind.“

Kira nickte. „Julian?“

Der Arzt zückte seinen Tricorder. „Commander Benteen hat recht. Ich erhalte zahlreiche Lebenszeichen. Es sieht so aus, als ob sich ein großer Teil der Wache dort befindet.“

Die Bajoranerin runzelte die Stirn. „Wie viele?“

„Etwa 50.“

„Vorschläge?“ Kira blickte sich zu Admair und Benteen um.

„Ich muss Sie warnen“, brachte Benteen zögernd hervor. „Wenn sich auch Frauen dort befinden, dann ist größte Vorsicht angebracht.“

Kira sah sie fragend an.

„Ich weiß nicht, wie sie es machen, aber ich war nicht fähig, in ihrer Nähe einen vernünftigen Gedanken zu fassen ...“ Sie sprach so leise wie möglich. Es war ihr peinlich, einzugestehen, dass sie manipulierbar war, doch die Gefahr war zu groß, als dass sie aus Stolz hätte schweigen dürfen. „Elgin hat es ebenfalls gespürt. Er hätte keine Hand gegen sie heben können.“

„Ich habe davon gehört“, bemerkte Admair nachdenklich. „Es heißt, dass kein Mann sich ihrem Willen entziehen könnte.“

„Na wunderbar. Julian! Kommst du bitte mal her.“

Sie ließ Benteen das eben Gesagte vor Bashir noch einmal wiederholen.

„Das klingt für mich nach Pheromonen“, bemerkte der Arzt. „Es ist faszinierend, doch es passt zu der Entwicklung dieses Systems.“

Kira kniff die Augen zusammen. „Davon abgesehen, dass du jedes Mal die Dinge, die uns Probleme bereiten, faszinierend findest ... was können wir dagegen tun?“

„Nichts. Ich kenne ja nicht einmal die chemische Struktur dieser Pheromone – und es ist auch nur eine Theorie.“ Er zuckte mit den Schultern. „Mein unmedizinischer Rat wäre es, zu versuchen, diese Frauen gezielt zu betäuben, bevor ihre Gegenwart zu viel Schaden anrichten kann.“

„Wie weit reicht ihr Einfluss?“ wandte sich Kira wieder an Benteen.

„Schwer zu sagen.“ Elgin war zu ihrer Gruppe getreten. „Ich habe schon begonnen, mich demütig zu verhalten, als ich nur den Raum betreten hatte.“

Benteen wandte sich zu ihm um. Er hatte sich eingemischt, weil er erkannt hatte, dass es ihr unangenehm war, darüber zu sprechen. Sie schenkte ihm einen dankbaren Blick.

„Gut, dann versuchen wir, uns hier draußen zu verschanzen. Admair, lassen sich Ihre Phaser überladen?“

Der Kommandant nickte.

„Sehr gut, wir werden eine Menge Ablenkung benötigen, um unsere Zahl auszugleichen.“

Sie wandte sich ihrem Trupp zu und erhob die Stimme. „Hören Sie mir gut zu: Wir werden hier im Gang Deckung suchen. Ich bin gewarnt worden, dass die Frauen der Königin Pheromone absondern, welche die Willenskraft beeinträchtigen. Sobald einer von Ihnen das Gefühl hat, in dieser Richtung beeinflusst zu werden, will ich, dass Sie sich sofort weiter zurückziehen. Versuchen Sie nicht Stärke zu zeigen, das ist nicht nötig. Es ist wichtiger, dass Sie sich genau bewusst sind, wann mit Ihrem Willen gespielt wird. Fallen Sie aus dem Einflussbereich zurück, bis Sie sich wieder unter Kontrolle haben, dann rücken Sie wieder vor.“

Sie wartete das Nicken der Soldaten ab. „Gut, wir brauchen Möbel und was immer Sie finden, um uns hier Deckung zu verschaffen. Los!“

Kurz darauf hatten sie den Gang zu Kiras Zufriedenheit in eine Belagerungsstätte verwandelt.

Sie ließ Admair seine besten Scharfschützen auswählen, gab ihnen die Anweisung unter dem Feuerschutz der anderen auf die Frauen zu zielen, und stellte eine kleine Einheit zusammen, welche die überzähligen Phaser in Granaten verwandeln sollte. Vier Soldaten schickte sie den Gang hinunter, um ihren Rücken zu sichern.

Elgin beugte sich zu Benteen hinunter, die damit beschäftigt war, den ersten Phaser, der die Tür aufbrechen sollte, zu präparieren.

„Was immer auch jetzt passiert. Ich möchte, dass Ihr wisst, dass es mir eine Ehre war, an Eurer Seite zu kämpfen“, flüsterte er ihr zu.

Sie hob überrascht den Kopf. Sie wollte etwas Schnippisches antworten, doch sie sah die tiefe Ernsthaftigkeit in den Augen, die ihr geholfen hatten, an der Gebäudewand nicht abzustürzen. Er hatte ihren Zynismus nicht verdient. „Mir ebenfalls.“ Sie reckte sich, um ihn flüchtig auf den Mund zu küssen und sich sofort wieder zurückzuziehen, um nur nicht zu viel Gefühl aufkommen zu lassen. „Seien Sie ein guter Scharfschütze.“

Er nickte, als er sich wieder aufrichtete. „Ich werde mein Bestes geben, denn ich werde die Ehre meiner Herrin rächen.“

Benteen wandte sich rasch wieder dem Phaser zu, sie wusste instinktiv, dass er damit nicht Suidhe gemeint hatte.

Als jede Person an dem Platz war, den Kira ihr zugewiesen hatte, gab sie den Befehl zum Angriff.

Benteen ließ den Phaser über den Boden schlittern. Er berührte die Tür so leicht, dass er nur wenige Zentimeter Rückstoß erfuhr. Einen Moment lag er dort, dann erreichte die Überladung die kritische Grenze.

Die Angreifer duckten sich hinter ihre Barrikaden, als die Tür zerfetzt wurde.

Sobald sie es wagten, die Köpfe wieder zu heben, begannen sie zu feuern. Augenblicklich wurde von innen das Phaserfeuer erwidert.

Als der Rauch sich verzog, konnten sie sehen, dass die unerwartete Explosion ein paar der Wachsoldaten auf der anderen Seite mit sich gerissen hatte. Die anderen suchten Deckung. Es gelang Kiras Leuten einige von ihnen zu erwischen, bevor sie sich verschanzen konnten. Während der Großteil ein breites Sperrfeuer legte, um das gegnerische Feuer zu erwidern, konzentrierten sich die Scharfschützen gezielt auf einzelne Personen. Von den Gefolgsfrauen der Königin war jedoch nichts zu sehen.

Es dauerte nicht lange, bis sich alle Wachen im Raum außerhalb des von der Tür zu erreichenden Bereichs zurückgezogen hatten.

Kira winkte ihre Leute nach vorne. Sie wollte den anderen keine Zeit geben, sich zu formieren. Auf das Zeichen der Colonel robbte sich Benteen zur Türöffnung vor und schleuderte den nächsten präparierten Phaser um die Ecke. Im Schutz der Explosion stürmte der Trupp den Raum. Sie warfen sich hinter die Deckungen, die sie vom Gang aus als brauchbar ausgemacht hatten und eröffneten erneut das Feuer auf die Palastwache. Eine weitere Phasergranate traf die Deckung der königlichen Leibgarde.

Mondal kroch in der Sicherheit eines umgestürzten Tischs an Kira heran. „Wir dürfen uns hier nicht aufhalten lassen“, rief er ihr über Lärm des Gefechts zu. „Ich empfange schwache Signale von Chailleach und sie werden immer schwächer!“

Kira zog sich hinter die Deckung zurück und blickte den Fähnrich an. Im ersten Moment wollte sie ihn anherrschen, dass er mit seinen persönlichen Prioritäten nicht das Gefecht behindern sollte. Doch sein dringlicher Blick brachte sie aus dem Rausch des Kämpfens wieder in die Realität zurück. War Chailleach nicht der Grund gewesen, weswegen sie den Palast überhaupt angegriffen hatten? Was für einen Sinn hatte ihr Vorstoß, wenn er starb?

Sie nickte.

Nach einigen Versuchen hatte sie die Aufmerksamkeit Admairs, der auf der anderen Seite des Raumes in Deckung lag. Sie gestikulierte ihm so gut es ging, was sie vorhatte. Er schien sie zu verstehen. Er gab Befehle an die Soldaten weiter, die mit ihm in Deckung lagen.

Kira tat dasselbe auf ihrer Seite. Dann zog sich ein Teil von ihnen in die Räume zurück, die Mondal ihnen bedeutete, während der Rest die im Thronsaal stationierten Wachen in Schach hielt. Kira sorgte dafür, dass sich alle Frauen mit ihnen zusammen zurückzogen. Wann immer sie auf die Repräsentantinnen der Königin treffen sollten, vertraute sie eher auf die Unbeeinflussbarkeit der Frauen als auf diejenige der Soldaten. Suidhe und Rheat sahen mitgenommen aus, aber sie hielten sich tapfer. Verbrennungen zeichneten beide, wo sie gegnerischen Schüssen nicht rechtzeitig ausweichen konnten, doch der Adrenalinschub des Kampfes verhinderte noch jedes Schmerzempfinden.

Kaum hatten sie die nächste Tür hinter sich, sahen sie sich einem neuen Angriff gegenüber. Sie waren nun in diejenigen Räume gelangt, in welchen Gefolgsfrauen der Königin arbeiteten. Für einen Moment rührte sich niemand. Dann trat ein großer, stattlicher Mann mit schulterlangem, blauschwarzem Haar in ihren Weg. Er zog langsam sein Schwert. „Admair, darauf habe ich schon lange gewartet.“

Suidhes Kommandant erwiderte die Herausforderung, indem er seinen Phaser wegsteckte und ebenfalls nach dem Schwert griff.

Kira verstand, dass sich die Kommandanten der beiden Einheiten in einem Kampf gegenüberstanden, den keiner ihrer jeweiligen Soldaten stören würde. Sie begriff aber auch, dass ihnen die Zeit davon rannte.

Ein Phaserstrahl traf den Kommandanten der Königin direkt in die Brust und fällte seinen muskulösen Körper wie einen Baum.

Elgin starrte Commander Benteen fassungslos an, die ihre Waffe wieder senkte. „Habt Ihr denn keine Ehre?“

Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Vielleicht nicht, aber ich habe Verstand, und das ist oft sehr viel mehr wert.“

Der Phaserschuss traf sie an der Schulter und schleuderte sie gegen Elgin zurück. Mit einem Fluch rollte sie sich in Deckung, als das Feuer in dem Raum aufgenommen wurde. Die Soldaten waren sichtlich irritiert, doch sie reagierten sofort auf Kiras Befehle, während die Gegenseite durch den Fall ihres Kommandanten etwas verwirrter war.

Dennoch wurde das Feuer von Kiras Leuten zögerlicher. Die Bajoranerin merkte nun selbst, wovon Benteen gesprochen hatte. Die Frauen, die sich in den hinteren Teil des Raumes zurückgezogen hatten, strahlten etwas aus, das es schwer machte, sie anzugreifen.

„Lasst euch nicht ablenken!“ rief sie laut, in der Hoffnung, ihre Stimme konnte ihre Leute aufrütteln. „Zielt auf die Frauen. Los!“

Benteen spürte die Wut in sich aufsteigen. Sie wollte sich nicht noch einmal manipulieren lassen. Der pochende Schmerz in ihrer rechten Schulter half ihr dabei, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren. Sie konnte den Arm nicht mehr bewegen und versuchte, mit der linken Hand zu zielen. Ein Blick zu Elgin, der neben ihr in Deckung lag, sagte ihr, dass der Soldat gegen die unsichtbaren Befehle ankämpfte. Schweiß stand auf seiner Stirn und seine Phaserhand zitterte. Er zielte auf die Soldaten, jedoch nicht auf die Frauen.

Als die Wut in Benteen ihren Höhepunkt erreicht hatte, schlug sie ihm mit dem Handrücken so kräftig ins Gesicht, dass er zur Seite fiel. Mit von dem Schlag und Zorn gerötetem Gesicht rappelte sich Elgin wieder auf. Er wollte Benteen anfahren, dann jedoch brach die Demütigung den Bann über ihn für einen Moment. Er sah die Wut der Terranerin und wirbelte wieder herum. Bevor auch nur ein weiterer Gedanke sich in ihm festsetzen konnte, zielte er auf die Frauen im Hintergrund des Raums. Mit eisiger Konzentration betäubte er eine nach der anderen mit gezielten Schüssen.

Es war, als ob sich ein Schleier von dem Raum heben würde. Kira sah etliche ihrer Leute die Köpfe schütteln, so als ob sie eben wieder zu Bewusstsein gekommen waren.

Sie sah auch Fähnrich Mondal auf der anderen Seite des Raums und wusste, dass sie sich beeilen mussten.

Benteen starrte entsetzt auf Elgin. Der Soldat hatte sich neben sie zurückfallen lassen. Sein heftiges Zittern zeigte, welche Anstrengung ihn die Schüsse gekostet hatten. Wo sie ihn getroffen hatte, war seine linke Wange stark gerötet, sein Auge begann zu zu schwellen.

„Entschuldigung“, stammelte sie verwirrt. Die Hand, die sie vor den Mund gelegt hatte, reichte jetzt hinüber und berührte vorsichtig seine Wange. Er zuckte zusammen, sie zuckte rasch wieder zurück.

„Es hat immerhin geholfen.“ Er versuchte zu lächeln, doch auch das schmerzte.

Die anderen waren Mondal gefolgt, der nun einen Gang hinunter rannte und auf einen weiteren kleinen Raum zu. Im Inneren des Raums war es dunkel. Lediglich Kerzen spendeten Licht. Die Luft war geschwängert von sinnesbetörenden Düften. In der Mitte des Raumes befand sich eine Art Podest, auf welchem Chailleach angebunden war, seine langen Haare waren wie ein Umhang um ihn ausgebreitet, sein Kopf war von ihnen abgewandt, sein Oberkörper wirkte bleich und leblos. Über ihm erhob sich eine Frau, die ganz in ihr Liebesspiel versunken war und die Ankömmlinge nicht bemerkte. Sie war eindeutig menschlich, ihr Becken und ihr Bauch waren breiter als bei den meist schlanken Abriachanerinnen, um ihrer Funktion gerecht zu werden. Wie in Zeitlupe wandte sie ihren Kopf und sah die anderen an. Ihr langes, rotes Haar umrahmte ein Gesicht von exquisiter Schönheit. Sie schenkte Kira und den anderen ein Lächeln, ohne dabei ihren Rhythmus zu unterbrechen. Spitze Eckzähne verrieten, wie sie das Gift in die Körper ihrer Männer injizierte.

Und ihre gesamte Gestalt machte ihnen gnadenlos klar, warum es für sie gleichgültig war, ob sie sich um die Ankömmlinge kümmerte oder nicht.

War es vorher bei ihren Gefolgsfrauen gewesen, als ob man durch einen dichten Nebel wanderte, rannte man jetzt gegen eine undurchdringliche Wand.

Verzweifelt wurde Kira klar, dass es keine Möglichkeit gab, Chailleach zu retten. Es gab keine Möglichkeit, sich der Königin zu widersetzen. Sie stand wie angewurzelt im Raum, beobachtete das Schauspiel und fühlte sich vollkommen unfähig, auch nur ihren Arm zu heben. Unter größter Willensanstrengung wandte sie ihren Kopf zu ihren Gefährten um. Admair stand ebenso gefesselt wie sie. Sein Körper schien fast zu zerspringen bei der Anstrengung, die sich in seinen Zügen widerspiegelte. Die Adern auf seiner Stirn traten hervor, als er versuchte, gegen die Macht der Königin anzukommen. Er würde sein Leben geben, um Chailleach zu retten, doch auch das blieb ihm verwehrt.

Mondal schwitzte aus jeder Pore. Ihm standen Tränen in den Augen, er wollte die bleiche Gestalt des Soldaten in seinen Arm nehmen und ihn beschützen. Er versuchte mit jeder Faser seines Geistes zu ihm hinauszugreifen, er wollte ihn erreichen, wollte ihm noch ein letztes Mal etwas sagen, wollte ihm sagen, dass er ihn ...

Ganz langsam drehte Chailleach seinen Kopf. Seine Augen wirkten trüb, doch er spürte die Gegenwart der anderen, spürte die Gegenwart von Mondals Geist. Mit fast unmenschlicher Kraft drängte er das Gift zurück und bündelte seine Konzentration in einem einzigen Gedanken, fokussierte ihn und schickte ihn wie eine Rettungsleine hinaus.

Mondal ergriff sie. Chailleachs Gedanken waren so klar, dass sie das Gespinst der Königin durchdrungen. Der Betazoide verstand mit plötzlicher Klarheit, warum Chailleach niemals hätte überleben sollen.

Er hob seinen Arm, verstellte den Regler auf seinem Phaser und schoss.

Der Schrei der Königin vermischte sich mit dem Aufschrei der anderen um ihn herum. Der Zugriff der Königin auf ihren Geist wurde schwächer. Er hörte Colonel Kiras Stimme, die ihm zurief, er solle das Feuer einstellen. Doch viel lauter als alles andere waren Chailleachs Gedanken, an die er sich geklammert hatte.

Erst als die Königin so sehr geschwächt war, dass der Bann brach, konnte sich Kira in den Feuerarm des Betazoiden werfen. Mondal fiel völlig ausgelaugt gegen die Wand zurück.

Admair stürzte sich vor, zerschlug Chailleachs Fesseln und hüllte ihn in seinen Mantel ein. Colonel Kira schlug sich auf ihren Kommunikator und rief gehetzt nach Bashir.

* * *


Bashir kümmerte sich gerade um Benteens Schulter, als Kiras Ruf ihn erreichte.

Das Phaserfeuer war erstorben, jetzt strichen sie durch die Räume und versuchten, den Verletzten auf beiden Seiten zu helfen. Dax und Rheat gingen ihm zur Hand. Er flehte, dass die meisten der Körper, die in den Gängen und Räumen verteilt lagen, lediglich bewusstlos waren. Das hatte er nicht vor Augen gehabt, als er sich auf diese Reise eingelassen hatte.

„Bashir, hier“, beantwortete er das Ziepen seines Kommunikators.

„Julian komm hierher, den Gang entlang bis zum Ende. Komm sofort!“ Kiras Stimme klang nahezu panisch.

Er drückte Elgin den Wundregenerator in die Hand. „Behandeln Sie die Schulter weiter.“

„Ezri!“ rief er im Vorbeirennen. „Ich brauche vielleicht deine Hilfe.“

Die Trill hörte auf, Gefallene umzudrehen, um deren Atem zu prüfen, und folgte dem Arzt.

Vor dem Durchgang zu dem kleinen Raum holten sie Suidhe ein. Die Abriachanerin war durch die Rufe ebenfalls aufmerksam geworden. Sie stand nun wie versteinert im Durchgang. Bashir drückte sich an ihr vorbei. Er nahm das Bild auf, das sich ihm bot. In der Mitte des Raums saß Admair auf einem Podest, in seinen Armen hielt er die leblose Gestalt Chailleachs. Er hatte ihn in seinen Mantel gehüllt und drückte ihn an sich. Neben dem Podest lag die zusammengekrümmte Gestalt einer jungen Frau, in welcher Bashir die Königin vermutete. An der Wand war Mondal heruntergesunken, sein Gesicht war ausdruckslos und bleich. Auf der anderen Seite neben der Tür lehnte Kira gegen der Wand. Sie hatte den Kopf zurückgelegt und starrte die Decke an.

„Sie haben die Königin getötet“, hauchte Suidhe fassungslos. „Das ist das Ende.“

Bashir riss sich von dem Anblick los. Er kniete neben der Königin nieder und ließ den Scanner über ihren Körper gleiten. Dann brachte er Admair dazu, Chailleach loszulassen und untersuchte den Soldaten ebenfalls.

„Sie zeigen beide noch sehr schwache Lebenszeichen. Ich brauche sofort eine bessere Ausrüstung.“ Keiner im Raum regte sich. „Sofort!“

Bashirs laute Stimme löste die Starre. Er warf Dax ein Hypospray zu. „Geh mit Suidhe und weck eine der Frauen – bring sie dazu zu kooperieren, gleichgültig, wie du das tust. Ihr beider Leben hängt an einem seidenen Faden.“

Die Trill wirbelte herum und packte die abriachanische Wissenschaftlerin am Arm. „Kommen Sie, vielleicht können wir das Schlimmste verhindern.“

Bashir sah unschlüssig zwischen den beiden Verletzten hin und her. Er konnte nur einen von beiden versuchen zu stabilisieren. Die Logik gebot ihm, das Leben der Königin zu retten, doch es war nicht an ihm darüber zu entscheiden. „Nerys?“

Kiras Blick ging ins Leere. Sie merkte nicht, was sie anstarrte.

Das hätte nicht passieren dürfen. Das hätte nicht passieren dürfen. Sie hatte mit der Königin sprechen wollen, sie überzeugen wollen, im äußersten Fall hatten sie vorgehabt, die Königin zum Rücktritt zu zwingen. Es hätte ihr nichts geschehen dürfen. Neue Gesellschaften durften nicht auf den Gräbern früherer Regierungen entstehen. Ein Volk, das sein eigenes Blut an den Händen hatte, konnte niemals frei sein.

Wie hatte das passieren können? Warum hatte Mondal seinen Phaser umgestellt? Was hatte er getan? Was hatte sie ihm angetan, indem sie den jungen Fähnrich in diese Angelegenheit hineingezogen hatte?

Und jetzt musste sie entscheiden, um welchen schwachen Funken sich Bashir kümmern sollte? Wie konnte sie das entscheiden? Die Königin durfte nicht sterben, das würde der Auftakt zu einer blutigen Revolution werden. Doch was war die Revolution wert, wenn Chailleach starb?

„Nerys?“

Sie öffnete ihre Augen. Ihr Blick traf denjenigen Admairs. Seine Hand lag auf Chailleachs Brust, wie die eines Vaters, der seinen Sohn sterben sah. Sie fragte ihn schweigend und seine Augen übermittelten die Antwort.

„Chailleach.“

Bashir gehorchte ihr ohne Kommentar.

Kira ging zu Fähnrich Mondal hinüber und kniete sich neben ihn. Was immer es nützen sollte, sie wollte wissen, warum er es getan hatte. Der junge Mann sah sie hoffnungslos an. In seinen Augen lag tiefer Schmerz. Die Bajoranerin wurde sich bewusst, dass er das Leiden der Königin gespürt haben musste, so als ob er auf sich selbst geschossen hätte. Sie streckte instinktiv ihre Arme aus und zog seinen Kopf an ihre Schulter. Sie konnte hören, wie er zu schluchzen anfing.

Dax kam in den Raum zurück gerannt, ihr folgten Suidhe, Rheat und eine unbekannte Abriachanerin.

„Das ist Nozame, rechte Hand der Königin“, sprudelte sie hervor. „Sie hat hier die Befehlsgewalt.“

„Was haben Sie getan?“ schrie die fremde Abriachanerin auf und stürzte sich zu ihrer Königin. Die Art, wie sie den Körper in den Arm nahm, erinnerte sehr an Admairs vorheriges Verhalten. Nozames Kopf schoss in die Höhe, fassungslos starrte sie in die betretenen Gesichter der sie umgebenden Personen. Dann sah sie, wen Bashir versorgte.

„Wegen ihm?“ Ihr schönes Gesicht verzerrte sich wie vor Schmerzen. „Sie haben sie wegen ihm getötet?“ Ihr Blick fand denjenigen Suidhes. „Wie konnten Sie das zulassen? Sie wissen, dass dies das Ende von Rossa ist ...“

„Sie ist noch nicht tot.“ Bashir erhob sich. „Deswegen brauche ich Ihre Hilfe. Und Ihre auch“, wandte er sich an Rheat. „Und jeden mit medizinischen Fähigkeiten. Ich brauche eine Ausrüstung, ich brauche Hilfe, ich brauche eine Intensivstation. Danach können wir einander die Schuld zu schieben. Jetzt geht es darum, Leben zu retten.“

* * *


Stunden später hatten sie ein Patt erreicht. Nozame hatte Bashir die medizinischen Stationen zur Embryoaufzucht gezeigt, die sich an der anderen Seite der Gemächer der Königin anschlossen. Die Ausrüstung sowie die dort arbeitenden Medizinerinnen gehörten zum Besten, was der Planet zu bieten hatte. Innerhalb kürzester Zeit hatten sie einen Bereich in eine Intensivstation umgewandelt. Rheat und Nozame befanden sich bei Bashir innerhalb dieser Zone. Die Ausgänge wurden von Admairs Soldaten bewacht, damit kein Wort über den Zustand der Königin nach außen dringen konnte. Admair hielt mit den restlichen Soldaten die inneren Räume besetzt, in denen sich die Aufständischen verschanzt hatten. Die Palastwache hatte ihrerseits einen Ring um sie gezogen, griff jedoch nicht an, da Suidhe ihnen mitgeteilt hatte, dass sie die Königin und einige ihrer Gefolgsfrauen gefangen genommen hatten und mit ihnen Gespräche führten.

Ezri Dax hatte Bashirs Medkit genommen und versorgte die Verwundeten des Gefechts. Suidhe half ihr dabei.

Kira hatte sich in eine stille Ecke zurückgezogen. Fähnrich Mondal saß bei ihr. Er hatte sich allmählich wieder so weit gefangen, dass er darüber nachzudenken begann, was geschehen war.

„Chailleachs Gedanken waren vollkommen klar“, versuchte er der Colonel und sich selbst zu erklären. „In all dieser betäubenden Umgebung waren sie das einzig Klare. Verstehen Sie, Sir“, seine Stimme hatte einen drängenden Ton angenommen. „Das war es, warum sie ihn als Embryo zum Tod verurteilt haben.“

„Was?“ Kira konnte ihm nicht ganz folgen.

Mondals Hände redeten nun ebenfalls mit. „Er kann von den Pheromonen, oder was immer das ist, nicht beeinflusst werde. Er ist immun dagegen. Sie haben keinerlei Kontrolle über ihn. Das Gift wirkte in seinem Körper, aber er wusste zu jedem Zeitpunkt, wer er war und was er wollte.“

Es fing an der Colonel zu dämmern. „Sie haben seine Gedanken empfangen? Er hat Ihnen ... er hat Ihnen befohlen, die Königin zu töten?“

Mondal sah sie mit großen, schwarzen Augen an. „Nein, nein, das glaube ich nicht.“ Er schüttelte zum Nachdruck den Kopf.

„Sie haben den Regler an Ihrem Phaser verstellt, in einem Zustand, in dem weder Admair oder ich überhaupt nur einen Finger bewegen konnten. Wieso haben Sie das getan?“

„Ich ... Ich weiß es nicht.“

„Chailleach hat keine Skrupel zu töten. Das hat er schon mehrfach bewiesen.“

„Reden Sie nicht so über ...“, er verstummte.

„Wie haben Sie gerade mit mir gesprochen?“ Kira sah ihn ernst an.

„Ich bitte um Verzeihung, Sir. Ich wollte nicht respektlos sein.“ Der Betazoid nahm Haltung an. „Aber Chailleach hat so viel durchgemacht, Sie können ihn nicht des Königinnenmordes verantwortlich machen.“

„Soll das dann vielleicht in Ihrer Akte erscheinen, Fähnrich?“ Kira sprach nicht unhöflich, lediglich nachdenklich.

Mondal zögerte einen Moment, dann erwiderte er mit nur leichtem Zittern in der Stimme: „Ich war derjenige, der geschossen hat. Ich bin derjenige, der die Verantwortung trägt.“

Sie lächelte traurig, dann berührte sie seinen Arm. „Ist Ihnen überhaupt bewusst, dass Sie ihn lieben?“

* * *


Bashir erschien schließlich wieder in den inneren Räumen. Er wirkte mitgenommen und um Jahre gealtert. Dax sprang auf, als sie ihn sah. Sie brachte ihm etwas zu trinken, was der Arzt dankbar annahm.

Die anderen versammelten sich langsam um ihn.

„Wie sieht es aus?“ wagte Kira schließlich zu fragen.

Bashir schüttelte den Kopf. „Chailleach kommt vielleicht durch, das muss die Nacht zeigen. Die Königin wahrscheinlich nicht.“

Suidhe fuhr sich fahrig durch die Haare. „Ich muss mit Nozame sprechen. Wenn die Königin stirbt ... ich muss Blutvergießen verhindern.“ Sie sah auf. In ihren Augen spiegelte sich Angst wieder. Sie war die Herrin, sie hatte die Schuld zu tragen. „Ich muss mit ihr sprechen.“

Admair fasste ihre Schulter. „Ich werde mit dir gehen.“

„Kann ich zu Chailleach?“

Bashir blickte auf. Fähnrich Mondal stand vor ihm. Er wirkte, als ob er ‚nein’ als Antwort nicht akzeptieren würde.

„Er ist wach, aber er ist sehr, sehr schwach“, erklärte der Arzt müde. „Sein Kreislauf kann jeden Moment zusammenbrechen, wenn er keine Ruhe bekommt.“

Mondal blickte ihn weiter fragend an. Bashir seufzte und erhob sich. „Kommen Sie mit.“

Der junge Soldat schlug die Augen auf, als die beiden Sternenflottenoffiziere den Raum betraten, in dem er untergebracht war. Er lächelte schwach, als er Mondal erkannte.

„Chailleach.“ Der Betazoid setzte sich auf seinen Bettrand und strich ihm über die Schläfe. Chailleachs Hand legte sich auf die Hand Mondals. Sie fühlte sich federleicht an, bar jeder Kraft, die er sonst besessen hatte.

„Du hast mich gehört, nicht wahr?“ flüsterte er.

„Ja, ich habe dich gehört.“

„Du hast mein Leben gerettet, ist dir das klar?“

Mondal nickte.

„Was ist los?“ Die Stimme des Soldaten war schwach, doch es klang Sorge darin mit. „Du wirkst traurig.“

„Nichts.“ Mondal riss sich zusammen. Er konnte sehen, dass jedes Wort Chailleach Kraft kostete. Er durfte ihn mit nichts mehr belasten.

„Sag es mir ... bitte.“

Der Betazoid seufzte. „Die Königin stirbt. Ich habe sie erschossen.“

Chailleach sagte nichts, doch der Druck seiner Hand wurde für einen Moment stärker. Mondal verstand, er öffnete seinen Geist, damit der andere sich nicht mit Worten anstrengen musste.

Du hattest keine Wahl, du konntest nur tun, was ich dir gesagt habe.

„Nein“, Mondal schüttelte den Kopf. „Du hast keine Schuld, es war alles ein Versehen.“

Man tötet nicht aus Versehen eine Königin. Wenn eine Königin vor ihrer Zeit stirbt, dann stirbt ihr gesamtes Volk mit ihr aus. Ich muss ihnen erklären, dass du keine Schuld hast. Und ich muss verhindern, dass Suidhe dafür bezahlen muss. Sie können die gesamte Einheit auslöschen.

„Nein.“ Mondals Kopfschütteln wurde heftiger. „Du musst wieder zu Kräften kommen, sonst schaffst du es nicht.“

Du willst mich nicht verstehen. Mein Leben hat keinen Sinn mehr, wenn das hier fehlschlägt.

„Natürlich hat dein Leben noch einen Sinn.“ Doch Mondal wusste, dass es nicht so war. Wenn das stimmte, was Chailleach befürchtete, dann hätte er auch den Tod seiner Einheit auf dem Gewissen, falls er selbst überlebte.

Warum nur hatte er den Energieregler verstellt? Warum hatte er es nicht verhindern können? Aber er wusste es genau wie Colonel Kira es wusste: Chailleach hatte ihm befohlen, sie zu töten. Er hatte die Königin tot sehen wollen. Nur so konnte er verhindern, dass Rossa wieder in die alten Muster zurückfiel und dafür sorgen, dass sie sich einem neuen System stellen mussten. Er spielte mit dem Leben aller hier, um vollendete Tatsachen zu schaffen.

„Hilf mir.“

Mondal starrte ihn an, als der Soldat Anstalten machte, sich aufzusetzen.

„Unter absolut keinen Umständen!“ Bashir war sofort an seinem Bett.

Chailleach blickte ihn an. Seine dunklen Augen funkelten. „Es geht hier um mehr als mein Leben, Doktor. Sie werden es nicht verhindern, dass ich aufstehe.“

„Und ob ich das werde!“

„Bitte.“ Mondal berührte Bashirs Arm. „Es ist sehr wichtig für ihn. Er weiß, dass er mit seiner Gesundheit spielt, er entlässt Sie aus Ihrer Verantwortung für ihn.“

„Er kann mich nicht ...“

„Bitte.“

Bashir kratzte sich hilflos am Kopf. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er verstand, dass er es hier nicht nur mit einem der üblichen Patienten zu tun hatte, der glaubte besser als sein behandelnder Arzt Bescheid zu wissen. Er spürte, dass es nicht Chailleachs Dickköpfigkeit war, die ihn aufstehen ließ, sondern etwas Dringlicheres.

„Wo wollen Sie denn hin?“

„Er muss mit Nozame sprechen.“

Bashir seufzte, dann half er Mondal, den jungen Soldaten zu stützen, als sie in den Nebenraum gingen. Dort standen Suidhe und Admair vor einer ernsten und kalt wirkenden Nozame. Die beiden anderen Abriachaner waren bleich aber gefasst. Bashir konnte nur ahnen, welches Schicksal die Repräsentantin der Königin über sie verhängt hatte. Der Arzt schüttelte müde den Kopf. Es war alles so schief gelaufen. In was hatten sie diese Stadt bloß gestürzt?

Nozame wandte sich um, als sich Chailleach ihr näherte. In ihren Zügen loderte Hass auf. Der junge Mann hielt ihrem Blick stand. Er verdrängte alle Arroganz aus seinen Augen und sank vor ihr auf die Knie.

* * *


Die Blicke der Sternenflottenoffiziere und der Soldaten folgten dem kleinen Zug, als er sich durch die inneren Räume bewegte. Niemand sprach ein Wort. Nozame schritt mit erhobenem Haupt auf die äußeren Türen zu, hinter denen die Palastwache wartete. Ihr folgte Mondal, der Chailleach stützte. Der Soldat konnte sich kaum auf den Beinen halten, doch er setzte tapfer ein Bein vor das andere. Mit etwas Abstand folgten Suidhe und ihr Kommandant Admair. Sie hielten ihren Blick auf Chailleach gerichtet, ihren Gesichtern war nicht abzulesen, was in ihnen vorging.

„Was ist los?“ flüsterte Benteen Elgin zu.

Der Soldat schüttelte den Kopf. „Ich habe absolut keine Ahnung. Aber es sieht nicht gut aus.“

Nozame gebot den Soldaten die Türen zu öffnen. Die Männer sahen zu Admair, welcher langsam nickte.

Durch die Palastwache ging ein Ruck, als sie sahen, dass eine ihrer Herrinnen vor sie trat, die offensichtlich Meisterin der Lage war.

Nozame blieb vor ihrer Wache stehen. Dann wandte sie den Körper ein wenig zu Chailleach um und wartete, bis er auf ihrer Höhe angekommen war. Der Soldat ließ sich mit Mondals Hilfe auf ein Knie nieder, wobei er die Linke zur Stabilisierung auf den Boden legte. Er nahm das Schwert, das Mondal getragen hatte und bedeutete ihm dann, zurückzutreten.

Der Fähnrich wich zögerlich von Chailleachs Seite an die Wand zurück.

Der Soldat neigte nun seinen Kopf, bis seine Haarspitzen den Boden berührten. Mit lauter, jedoch stark zitternder Stimme sprach er: „Die Königin ist durch meine Schuld gestorben. Ich bin in Eurer Hand, Herrin. Verfahrt mit mir, wie Ihr es für richtig haltet.“ Er reichte ihr das Schwert mit dem Heft voraus.

Ein Raunen ging durch die Reihen der Palastwachen, während Admairs Männer den Atem anhielten. Viele von ihnen hatten noch nicht mitbekommen, was mit der Königin geschehen war.

„Große Güte!“ Elgin legte die Hand vor den Mund und starrte die Szene entsetzt an.

Nozame nahm das Schwert entgegen. Sie blickte auf den jungen Mann hinab, der seinen Kopf immer noch nicht gehoben hatte. Dann betrachtete sie das Schwert nachdenklich und schließlich ihre eigenen Soldaten. Nach einer schweigsamen Ewigkeit, in der man nur den Atem hörte, bückte sie sich und legte das Schwert auf dem Boden ab. Das Heft zeigte auf Chailleach.

Benteen hörte Elgin stoßweise ausatmen, in seinen Augen standen Tränen.

„Was hat das zu bedeuten?“

Er sah sie an und umarmte sie. „Das heißt, dass sie ihm vergibt. Und damit uns allen.“

Vor der Tür konnte sich Chailleach nicht mehr aufrecht halten und brach zusammen.

* * *


„Und so heißt es, Abschied nehmen.“ Kira stand vor dem Gleiter, der die Sternenflottenoffiziere zu ihrem wieder reparierten Kreuzer bringen würde.

„Wir stehen tief in Ihrer Schuld, Colonel.“ Suidhe legte die rechte Hand über ihr Herz. „Ohne Ihren Einsatz hätten wir es nicht geschafft.“

„Bezahlen Sie diese Schuld, indem Sie sich bemühen, ein gerechtes System aufzubauen.“

„Das werden wir.“ Admair verneigte sich vor ihr.

Suidhe wandte sich an Bashir und Dax. „Ihnen möchte ich ebenfalls meinen ganz besonderen Dank aussprechen. Sie haben uns Hoffnung geschenkt.“

Bashir lächelte verlegen. „Diesen Teil habe ich gerne getan. Ich habe Rheat alles vermittelt, was Sie wissen müssen, um auf Ihre Schwangerschaft vorbereitet zu sein.“

„Lassen Sie es uns irgendwann einmal wissen, ob es ein Mädchen oder ein Junge geworden ist.“ Dax lächelte sie an.

„Das werde ich liebend gerne machen.“

Ein paar Schritte entfernt verabschiedete sich Elgin von Commander Benteen.

„Ich hoffe, Ihr lasst es so.“ Er sprach über ihre Frisur. Benteen hatte ihre Haare locker im Nacken mit einer Spange gefasst, so dass sie weich um ihre Schläfen fielen. „Es steht Euch besser als die strenge Frisur.“

„Mal sehen. Ich werde ein wenig herumexperimentieren.“ Sie lächelte. „Danke für alles.“

„Schade, dass Ihr es nicht zugelassen habt, dass ich Euch die zärtliche Liebe eines Mannes zeige.“

Sie stieß ihm die Faust spielerisch gegen den Oberarm. „Sie sollten es nicht übertreiben.“ Dann reckte sie sich aber doch noch und küsste ihn auf den Mund. „Das muss reichen.“

Vom Innenhof her näherten sich Mondal und Chailleach dem Gleiter. Der Betazoide stützte den jungen Soldaten, der immer noch sehr blass war. Er würde für einige Zeit keine Waffe anrühren können. Wie er scherzhaft hatte verlauten lassen, würde aber auch keine Frau ihn für einige Zeit anrühren können, was den Verlust des Kampftrainings wieder wett machte.

Er trat zu Kira und verneigte sich vor ihr. „Ich hoffe, Ihr könnt mir verzeihen.“

Die Bajoranerin lächelte. „Sie haben mit uns allen gespielt. Doch Sie haben sich am Ende selbst als Opfer gebracht. Ich glaube, das verdient die eine oder andere Nachsicht.“

Chailleach lachte. „Es gibt Augenblicke, da kann man nur alles gewinnen, indem man alles aufs Spiel setzt. Ihr kennt das doch sicher auch.“

„Sie hatten keinerlei Garantie dafür, dass Nozame Sie nicht exekutieren lassen würde, richtig?“

„Richtig.“ Er zwinkerte ihr zu. „Aber ich habe auf meinen Charme vertraut, wie immer.“

„Sie haben meinen Respekt, Chailleach, und das meine ich ehrlich. Ich hoffe, dass Ihre Leute irgendwann erkennen, was Sie alles für sie getan haben.“

Sie wandte sich an den Betazoiden an seiner Seite. „Und Sie wollen es sich nicht noch einmal anders überlegen, Fähnrich? Ich habe mir sagen lassen, dass es nicht so leicht ist, nach einem Austritt wieder von der Sternenflotte aufgenommen zu werden.“

Mondal schüttelte den Kopf. „Ich habe es mir reiflich überlegt, Sir. Aber ich glaube, ich werde hier mehr gebraucht.“ Er lächelte zu Chailleach hin. „Jemand muss ihm zeigen, dass nicht alles mit Täuschung funktioniert, und manche Gefühle echt sind.“

Sie nickte, dann senkte sie ihre Stimme und bemerkte mit einem Seitenblick. „Ich wünschen Ihnen viel Glück.“

Sie richtete sich auf. „Wir sind bereit!“



EPILOG




Colonel Kira hatte es geschafft, ihren offiziellen Bericht so zu gestalten, dass keine Fragen aufkamen und dennoch jegliche Beteiligung ihrerseits verschwiegen wurde. Sie waren nur zufällig beobachtend zur Stelle gewesen, als die innerplanetarische Revolution ausbrach. Bashir und Dax hatten erwartungsgemäß keinerlei Probleme mit diesem Kunstgriff. Commander Benteen jedoch hatte lange mit Kira darüber diskutiert. Letztendlich hatte aber auch sie sich entschieden, dass sie eher mit einer Lüge leben konnte als mit den eventuellen Konsequenzen ihres Eingreifens auf Abriachan. Gleichzeitig hatte sie dies zu einer Mitverschwörerin gemacht, und ihre Bindung zu den Stationsoffizieren gefestigt, während die Loyalität zum Oberkommando gelockert wurde.

Während des nächsten Jahres trafen auf DS9 sporadisch Nachrichten von Abriachan ein. Nozame hatte sich bereit erklärt, Suidhes Idee der hormonellen Behandlung in Rossa an die Stelle einer Königin zu setzen. Wider alle Erwartungen hatten sie die größtenteils friedliche Revolution geschafft. Andere Stadtstaaten waren ihren Plänen misstrauisch gegenübergestanden, hatten sich dann jedoch nach und nach überzeugen lassen. So dass nach einem Jahr ein Repräsentant des gesamten Planeten und nicht nur einzelner Stadtstaaten auf der Station eintreffen konnte, um erste Verhandlungen über einen Beitrittsgesuch zur Föderation zu führen.

Das Sternenflottenoberkommando war erfreut über diese Entwicklung, denn mit Abriachan würden sie ihren ersten dauerhaften Fuß in den Gamma-Quadranten setzen können.

Colonel Kira Nerys wartete mit ihrem ersten Offizier in Gala-Uniform vor den Schleusen. Eine Delegation des Sternenflottenhauptquartiers unter Admiral Willurby stand an ihrer Seite, um den politischen Neulingen die Feinheiten der Föderationspolitik nahe zu bringen.

Die für Kira und Benteen vertrauten Soldaten betraten als erste den Schleusenbereich. Wie vor einem Jahr trugen sie immer noch ihre Schwerter auf dem Rücken. Kira beschloss, sie ihnen dieses Mal nicht abnehmen zu lassen. Dann traten Frauen herein, die Kira nicht kannte. Sie vermutete, dass es sich dabei um Vertreterinnen der verschiedenen Stadtstaaten handelte. Als letzte von ihnen durchschritt Suidhe die Schleuse. Sie wurde von Admair, Elgin, Chailleach, einem alten Mann, den Kira nicht kannte, und Mondal flankiert. Der Betazoide trug ebenfalls das Schwarz aus Suidhes Haus, er hatte seine schwarzen Locken wachsen lassen und wirkte nun ein wenig verwegen – und sehr zufrieden.

Kira überlegte sich, ob sie den Admiral und seinen Stab vorwarnen sollte, dass der jüngste Mann in der Delegation kein Abriachaner war, sondern ein Betazoide, der keine Bedenken hatte, seine telepathischen Fähigkeiten einzusetzen und sich so die Verhandlungen sicherlich interessant gestalten würden.

Doch ein schadenfroher Zug in ihr ließ sie den Mund halten.

Elgin warf Commander Benteen einen Blick zu. Erfreut bemerkte er, dass sie ihr Haar locker im Nacken zusammengefasst trug. Er schenkte ihr einen fragenden Blick, auf den sie lächelnd nickte. Sein Grinsen wurde breiter.

Suidhe trug ein wenige Monate altes Baby auf ihren Armen.

Kira öffnete den Mund zu einem erfreuten Lachen. „Suidhe, wie wunderbar!“ ignorierte sie das Protokoll. Die Abriachanerin wirkte glücklich und stolz. „Colonel, ich freue mich so, Sie wieder zu sehen. Sie ist das erste von einer einfachen Frau geborene Kind auf Abriachan – und ich habe mir erlaubt, Sie nach Ihnen zu nennen: Kira.“ Ihr Lächeln wurde eine Spur scheu. „Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus.“

Die Bajoranerin legte die Hand auf ihre Brust. „Ich fühle mich geehrt.“

Dann trat Chailleach vor. Er trug keine Uniform, sein offenes Haar fiel über einen weichen weiten Umhang. Er schien die perfekte Verbindung zwischen den Soldaten und den Frauen zu sein. Perfekt war ohnehin das Wort, das ihn in Kiras Gedanken am besten beschrieb.

Er blieb vor ihr stehen und verneigte sich. Sie legte ihre rechte Hand auf ihr Herz und verbeugte sich vor ihm. Dann wandte sie sich den Sternenflottenoffizieren zu.

„Darf ich vorstellen: Chailleach, Repräsentant von Abriachan.“


Ende (des 1. Teils)


Geschafft! Das ist das letzte Kapitel
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