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Abriachan Teil I - Am Scheideweg

von Gabi

Kapitel 9

Es war unleugbar von Vorteil, einem Geschlecht anzugehören, das angeblich keine Waffen in die Hand nahm. Die Soldaten waren schlicht damit überfordert, sich gegen eine kämpfende Frau zu wehren. Während Elgin seine Mühe hatte, auf den Beinen zu bleiben, konnte Benteen mit ungeminderter Kraft zuschlagen, sie traf dennoch auf wenig Widerstand.

Sie hatten das Abendessen abgewartet und sich dann beide zwar waffenlos aber mit dem Vorteil der Überraschung und weiblicher Attribute auf die wachhabenden Soldaten gestürzt.

Da sie sich bisher so ruhig und kooperativ verhalten hatten, war mit ihrem Ausfall nicht gerechnet worden. Elgin war es gelungen, einen Posten bewusstlos zu schlagen und dessen Schwert an sich zu nehmen. Er schlug nun unerbittlich auf die anderen ein, vornehmlich in der Absicht, sie daran zu hindern, Verstärkung zu holen. Es waren vier Posten gewesen, zwei hielt Elgin in Schach, der andere verzweifelte zusehends an seiner Aufgabe, sich gegen die angreifende Benteen zu wehren. Zwar hatte er sein Schwert gezogen, doch er wagte nicht, es auch einzusetzen.

Die Terranerin zog die Arme an den Körper, um sich für die nächste Drehung zu stabilisieren und trat dem Mann dann gegen den Hals. Mit einem lauten Röcheln ging er zu Boden. Sie sprang vor, packte sein Schwert und kam Elgin zu Hilfe. Es wäre ihr lieber gewesen, sie hätte einen Phaser zur Verfügung gehabt. Nicht nur wegen der gefahrloseren Reichweite, auch wegen der Möglichkeit, den Gegner betäuben zu können. Schwerter hatten die gnadenlose Eigenschaft, nur zum Verletzen verwendet werden zu können. Dennoch versuchte sie, die flache Seite ihrer Waffe einzusetzen. Die Soldaten sahen sich in die Enge gedrängt, da sie sich mit dem Angriff auf Elgin beschränken wollten, sich aber den Hieben Benteens erwehren mussten. Es dauerte nicht lange, bis auch diese beiden am Boden lagen.

Sie schleppten die Körper gemeinsam in ihre Zimmer zurück, fesselten und knebelten sie mit den Resten von Benteens Kleidern, da sie nicht genau wussten, wer erschlagen und wer nur bewusstlos war, und verriegelten dann die Tür von außen. Die Verbindungstüre mussten sie offen lassen, da sich vor dem Ausgang aus Elgins Zimmer, der auf einen anderen Gang hinausführte, mit Sicherheit ebenfalls Posten standen.

Benteen schlang sich die Schwertscheide über die Schulter und steckte ihr Schwert auf den Rücken. „Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, Elgin, aber eine in Selbstverteidigung gut ausgebildete Frau könnte im Alleingang den Palast stürmen.“

„Bis sie dann in die Inneren Räume vordringt und von Macht-Anfällen aufgehalten wird.“ Er verstaute seine Waffe ebenfalls auf dem Rücken und grinste ihr zu.

„Punkt für Sie“, gestand Benteen knurrend ein.

Sie folgte Elgin, der trotz seiner vorherigen Behauptung, er kenne sich hier nicht im Mindesten aus, zielsicher den Weg in einen Korridor einschlug. „Wenn bekannt wird, dass wir geflohen sind, werden sie allerdings bestimmt ihre Strategie gegenüber kämpfenden Frauen ändern. Ich würde mich nicht darauf verlassen, dass wir immer solches Glück haben.“

Elgin fühlte sich um etliches wohler mit einem Schwert in der Hand und einem Ziel vor Augen. Das untätige Herumsitzen hatte an seinen Nerven gezehrt. Lieber sah er sich einer Übermacht Soldaten gegenüber als einer verschlossenen Zimmertür.

Er hatte den Weg gewählt, der sie von den Inneren Räumen fortführte, in welchen Benteen verhört worden war. Ein Ausgang müsste sich in dieser Richtung finden lassen. Der Gang, den sie entlang schlichen, war leer, bis er auf einen rechtwinklig vorbeiziehenden Korridor traf. Elgin drückte sich an die Wand zurück. Benteen lehnte sich neben ihn in einen Türrahmen. Auch sie konnte die Stimmen hören, die sich vom anderen Gang her der Kreuzung näherten. Sie bedeutete Elgin, ihr zur Tür zu folgen, die ein wenig von der Wand zurückgesetzt war, und sie so vor den Augen vorübergehender Personen verbergen konnte. Der Soldat rutschte neben ihr in die Deckung. Mit angehaltenem Atem verharrten sie im Seitengang. An der Kreuzung kamen drei Wachen in Sicht. Wenn die Männer dem geraden Korridor folgten, würden sie nicht gesehen werden, wenn sie jedoch ...

Benteen griff hastig hinter sich, wo die Klinke ihr in den Rücken drückte. Die Tür gab nach und schwang in den Raum hinein auf. Die Terranerin wich zurück und zog Elgin mit sich. Sie schafften es gerade noch, einen Stuhl unter die Klinke an der Innenseite zu schieben, als die Soldaten draußen ihre Gangart änderten. Sie waren entdeckt worden.

Elgin und Benteen sahen sich in dem Raum um. Es war ein eintüriges kleines Schlafzimmer, jedoch mit einem Fenster.

An der Tür wurde gerüttelt und Rufe ertönten auf der anderen Seite.

Elgin riss das Fenster auf. Mit raschem Blick sondierte er die Möglichkeiten, die sich ihnen boten. Das Zimmer öffnete sich auf einen Innenhof, der wie es schien, hinter dem äußeren Zugangstor des Palastes lag. „Wenn wir es auf das Dach schaffen, können wir vielleicht über die Außenmauer. Falls die Überwachungssensoren hier ähnlich wie bei uns angebracht sind, dann sollten die Innendächer frei davon sein.“

Benteens Kopf erschien neben ihm in der Fensteröffnung. Der Abstand zum Boden des Innenhofs war höher als ihr lieb war. Hastig blickte sie nach rechts und links, dann starrte sie Elgin an. „Wie sollen wir von hier aus auf das Dach kommen?“

Der Soldat hatte sich schon auf das Fenstersims geschwungen. Eine Hand am Rahmen tastete er mit dem Fuß hinaus. „Dieser Absatz hier ist fest genug, um unser Gewicht zu tragen. Wir können darauf bis zu der Ecke hinüber. Ich sehe dort ein Pflanzengitter. Wenn es gute Arbeit ist, dann können wir daran nach oben klettern.“

„Und wenn nicht?“ fragte Benteen wenig überzeugt.

„Dann sehen wir dort an der Kante weiter.“

„Ich glaub’, mir wird schlecht“, murmelte die Terranerin, als sie vorsichtig ebenfalls auf das Fenstersims stieg.

„Wie bitte?“ Elgin wandte sich zu ihr um, um ihr zu helfen. Dieses Mal wies sie seine Hand nicht zurück.

„Ich meinte: Ich glaube, ich bin nicht schwindelfrei.“

„Ihr schafft das schon.“ Er ließ ihre Hand nicht los. „Drückt Euren Rücken gegen die Mauer, haltet die Fersen in Wandkontakt und vor allem: Seht mir immer in die Augen.“ Er hatte sich vollständig vom Fenster gelöst und stand mit beiden Füßen auf dem Absatz, der höchstens zehn Zentimeter breit war. Mit der linken Hand hielt er Mauerkontakt, die rechte blieb fest um Benteens Finger geschlossen. Es war ein Wagnis, denn sie würde ihn so bei einem Fehltritt unweigerlich mit hinunterreißen.

„Seht mich an!“

Sie folgte seinem Kommando. Mit zitternden Knien schob sie sich vom Fenstersims. Ihre Rechte ließ schließlich den Rahmen los. Der Kontakt zu seiner Hand gab ihr das fälschliche Gefühl von Sicherheit, dem sie sich nur zu gerne hingab.

Er hatte seinen Kopf an die Wand zurückgelegt und blickte sie an. „Nehmt meine Augen, Commander. Beschreibt mir meine Augen, während wir da rüber gehen. Na, kommt schon.“

Er lächelte ihr aufmunternd zu.

„Was soll das?“ Sie wollte unwirsch den Kopf abwenden, aber ein scharfer Befehl seinerseits ließ ihre Augen zurückzucken, bevor sie sich fatalerweise nach unten richten konnten.

„Sprecht mit mir, das wird Euch ablenken, und Eure Konzentration bei mir halten.“

Sie legte den Kopf nun ebenfalls gegen die Mauer zurück. Es zupfte, wenn ihre Haare beim seitwärts Rutschen an den Unebenheiten der Wand hängen blieben, doch es gab ihr zusätzliche Sicherheit. Sie betrachtete Elgin und versuchte, sich nicht von ihm irritieren zu lassen. Sein Lächeln war aufmunternd und seine Augen waren in der Tat sehr schön, wie Nozame bemerkt hatte. Sie waren groß und rund mit Lidern, die auch in völlig geöffnetem Zustand nie vollständig in den Augenhöhlen verschwanden. Sie standen ein wenig enger zusammen, als es das perfekte Gesicht vielleicht erfordert hätte, doch das gab ihm einen interessanten Ausdruck, der von der wasserhellen Farbe der Pupillen und den langen Wimpern noch unterstrichen wurde. Sie würde ihm sicherlich nichts über sein Aussehen erzählen, aber ihn zu betrachten konnte nicht schaden ...

Elgin rutschte Schritt für Schritt an der Wand entlang zur Kante hinüber. Er versuchte, seine Schritte so klein wie möglich zu halten, damit Benteen ihm problemlos folgen konnte. Das Lächeln, das er ihr zur Aufmunterung schenkte, war ehrlich gemeint. Er fühlte sich gut im Augenblick. Er konnte ihr helfen und sie ließ zu, dass er ihr half: Sein Weltbild war beinahe wieder hergestellt. Er hatte es geschafft, dass sie ihren Blick ganz auf ihn konzentrierte, und somit in ihren Bewegungen einer klaren Horizontlinie folgen konnte. Es hätte ihn interessiert, was sie jetzt dachte, doch er sprach sie nicht an, um sie nicht aus ihrer Konzentration herauszubringen. Sie würde unweigerlich wieder in eine Abwehrhaltung verfallen, ganz gleich, was er sagte.

Seine linke Hand ertastete schließlich das Pflanzengitter. Ohne seinen Blick von Benteen abzuwenden, begann er, dessen Festigkeit zu prüfen. Es gab auf sein Ziehen und Zerren nur minimal nach. Zufrieden nickte er.

„Commander, ich stehe jetzt neben dem Gitter. Konzentriert Euch noch ein wenig länger auf mein Gesicht und rückt näher, während ich stehen bleibe.“ Er verfolgte zufrieden, wie sie ohne mit ihm darüber zu streiten seiner Bitte nachkam. „Gut, ich werde Euch jetzt kurzzeitig packen, versucht, locker zu bleiben.“ Er ließ ihre Hand los, um sofort seinen Arm um ihre Taille zu schlingen. Mit einem Ruck und dem Pflanzengitter als festem Halt hob er sie vor seinem Körper vorbei gegen das Gitter.

„Festhalten!“

Benteen ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie griff nach dem im Vergleich zum Mauerabsatz geradezu luxuriös sicheren Gitter und begann, daran hinaufzuklettern. Elgin folgte ihr. Oben angelangt zogen sie sich über einen Sims, der die Dachschräge als gut begehbarer Umlauf abgrenzte.

Benteen lehnte sich gegen das Dach und versuchte, ihre zitternden Beine zu beruhigen.

Elgin setzte sich neben sie. Er beugte sich über sie und küsste sie sanft auf den Mund. „Ihr habt das wunderbar gemacht.“

„Und Sie nützen gerade meine Schwäche aus.“ Doch ihr Ton klang nicht übermäßig tadelnd. Sie war viel zu erleichtert, hier oben zu sein. „Das nächste Mal nehmen wir aber die Tür, versprochen?“

„Gerne.“ Elgin ließ sich auf Händen und Knien nieder und spähte über den Sims nach unten. Es schien nicht so, als ob jemand ihren Fluchtweg verfolgt hatte. Die Soldaten vor dem Zimmer würden jedoch nicht allzu lange benötigen, um sich klar zu machen, wohin sie verschwunden waren.

Er wollte sich eben wieder zurückziehen, als er sah, wie die Tore zum Innenhof aufschwangen. Neugierig legte er sich auf den Bauch, um zu beobachten. Von dieser Höhe aus und bei dem einsetzenden Abend konnte er die einzelnen Personen nicht genau ausmachen, doch es gab eine Haarfarbe, die selbst das wenige Licht zu reflektieren schien, und diese Haarfarbe besaßen nicht viele ...

Benteen sah Elgins Gesicht, als er sich wieder gegen das Dach zurückfallen ließ. Sein eben noch so zuversichtlicher Ausdruck war verschwunden, seine Haut wirkte blass.

„Was ist los?“ Sie richtete sich alarmiert auf.

„Sie haben Chailleach.“

Die Terranerin schluckte ihr Und? herunter. Aus irgendeinem Grund schien das für Elgin besonders schlimm zu sein.

„Was ist so besonders an ihm?“ fragte sie vorsichtig neutral.

Er drehte ihr den Kopf zu, der gegen das Dach lehnte. „Die Königin will ihn.“

Benteen sah ihn weiterhin fragend an. Elgin seufzte und setzte zu einer Erklärung an: „Chailleach ist gerade 23 Jahre alt geworden. Erst mit 25 Jahren muss er auf Verlangen vor den Königinnen erscheinen. Um die genetische Vielfalt zu erhalten, würde er ohnehin nur von Königinnen der anderen Stadtstaaten aufgefordert werden. Diese beiden Punkte verhindern, dass unsere Königin ihn sich offiziell erwählen darf. Doch wir vermuten schon seit einiger Zeit, dass sie ihn inoffiziell für sich beansprucht. Ihr habt ihn erlebt, Commander, er hat eine Art, die einen des Öfteren doch ziemlich herausfordert. Manche Frauen reagieren darauf mit einem ... wie soll ich es nennen ... Besitzanspruch? ... Einer Lust, ihn zu unterwerfen?“ Er sah sie an. „Etwa mit der Reaktion, die Ihr unfreiwillig hattet.“

Benteen verdrehte die Augen, doch sie verstand.

„Vor zwei Jahren gab es eine Situation, in welcher er es wahrscheinlich wieder übertrieben hat, und eine Frau aus dem Gefolge der Königin ihn sich genommen hat. Er spricht nicht darüber, doch es muss unangenehm für ihn gewesen sein, denn er war einige Zeit danach recht verstört. Wahrscheinlich hat die Königin auf diesem Weg von ihm erfahren. Seitdem haben wir jedenfalls das Gefühl, dass die Palastwachen immer besonders darauf aus sind, mit ihm Streit anzufangen, um ihn ergreifen zu können.“

„Und das bedeutet ...?“

„Seinen Tod. Kein Mann überlebt den Geschlechtsakt mit einer Königin. Wahrscheinlich können sie es gar nicht anders als mit ihrem Biss.“ Er wandte sich angewidert ab. Dann schüttelte er seinen Unmut sichtbar ab und erhob sich. „Kommt, Commander, ich bringe Euch hier so schnell wie möglich heraus, dann muss ich zurück. Ich kann ihn nicht allein lassen.“

Benteen stand ebenfalls auf, das Zittern ihrer Knie war auf ein erträgliches Maß zurückgegangen. „Und dann? Was wollen Sie machen? Mit dem Schwert in der Hand gegen die Königin und ihre Frauen vorgehen? Das können Sie noch viel weniger als die Wachen vorhin mich angreifen konnten.“

„Das mag sein.“ Sein Gesichtsausdruck war hart geworden, er wollte eine Zurechtweisung von ihr weder hören noch annehmen. „Doch ich lasse ihn nicht allein.“

Benteen sah ihn an. Sie wusste nicht, über was sie sich mehr wunderte, über seine Dummheit oder seine Loyalität. Wenn sie zuließ, dass er sie hier heraus brachte, überließ sie ihn mit Sicherheit seinem Verderben, so wie es Chailleach bevorstand. In ihrem Kopf schwirrten die Vorschriften, Präzedenzfälle und Möglichkeiten für das Verhalten eines Sternenflottenoffiziers in Situationen wie diesen. Doch war sie nicht persönlich von Nozame gedemütigt worden? War das nicht als Angriff auf die Person eines Föderations-Offiziers auszulegen und dementsprechend zu ahnden? Und musste überhaupt jemand erfahren, was hier geschah?

„In Ordnung, Elgin, wir werden versuchen, Chailleach hier herauszuholen. Ich weiß nicht, was für eine Chance wir beide haben. Aber eines weiß ich: Ohne mich haben Sie gar keine.“

* * *


Er wehrte sich nicht. Er hatte auf eine Chance gewartet, eine Unachtsamkeit seiner Bewacher, eine Ablenkung, die er nutzen konnte, doch es hatte sich keine ergeben. Sie hatten ihm die Hände auf den Rücken gebunden, so dass er sie nicht als Waffe einsetzen konnte. Sicherheitshalber hatten sie ihm auch die Fußknöchel mit lockeren Fesseln gebunden, die ihm zwar das Gehen erlaubten, jedoch keine Beinverteidigung.

Ein wenig Stolz verspürte Chailleach aufgrund dieser Behandlung. Immerhin hatten sie genügend Respekt vor ihm, um ihn trotz einer größeren Anzahl an Wachsoldaten als gefährlich einzustufen. Leider nahm ihm dies aber auch die geringste Chance auf Flucht, die er vielleicht gehabt hätte.

Er ahnte, wohin sie ihn führten, und wartete ab. Es gab vielleicht noch eine Möglichkeit.

Chailleach wurden von dem Trupp durch Korridore und lange Säle geführt, bis sie die Inneren Räume erreichten. Durch einen großen Raum, der einem Thronsaal ähnelte, brachten sie ihn in den angrenzenden Raum.

Nozame hob ihren Kopf von den Unterlagen, die sie dort an einem Tisch sitzend studiert hatte. Als sie sah, wen die Wachen brachten, glitt ein Lächeln über ihre Züge.

„Ihr habt ihn tatsächlich gefunden. Das war gute Arbeit. Die Königin wird sehr erfreut sein.“ Sie nickte dem Hauptmann zu. „Lasst ihn hier. Ihr könnt euch zurückziehen.“

Nachdem sich die Soldaten entfernt hatten, erhob Nozame sich und trat vor Chailleach. Weitere Frauen, die in dem Raum gearbeitet hatten, kamen ebenfalls näher.

Sie betrachtete ihn von Kopf bis Fuß. „Ich kann verstehen, warum die Königin dich möchte.“

Ihre Hand hob sich zu seinem Gesicht und strich ihm über die Wange. Chailleach ließ es geschehen. „Wie ist dein Name, Soldat?“

„Chailleach.“

„Nun, Chailleach, dir wird eine große Ehre zuteil.“ Sie trat um ihn herum und löste die Spange, die seinen Zopf gehalten hatte, ein blonder Schleier bedeckte seinen Rücken.

Sie kniete sich nieder, wobei ihre Hand die Kontur seines Beines nachfuhr. Dann löste sie die Fußfesseln. „Du darfst der Königin zu Diensten sein.“

Sie erhob sich wieder und beendete ihre Umkreisung vor ihm. „Diese Ehre ist selten jemandem so junges teil geworden.“

Sie löste seine Handfesseln.

Chailleach spannte seine Muskeln an, und rammte ihr den Ellbogen in den Bauch. Mit einem Sprung war er aus der Reichweite der Frauen.

Der Schock auf Nozames Gesicht rührte sowohl von den Schmerzen her als auch von der Fassungslosigkeit, dass ein Mann es gewagt hatte, sie tätlich anzugreifen.

Er hatte schon den halben Raum durchquert, als die Türen aufschwangen und die Wachen hereinstürmten. Chailleach wirbelte um die eigene Achse, um zu sehen, wo seine Chancen zur Flucht am besten standen. Von allen Türen näherten sich ihm die Soldaten mit gezogenen Schwertern.

Er hatte nichts zu verlieren.

Die Klingen nicht achtend begann er zu kämpfen. Er duckte sich unter Schlägen hindurch, sprang über andere hinweg und platzierte gezielte Treffer mit seinen Fäusten oder Füßen. Durch seine Beweglichkeit und seine Todesverachtung gelang es ihm tatsächlich mehrere bewaffnete Soldaten kampfunfähig zu schlagen, bevor der Rest ihn überwältigen konnte.

Als die Soldaten ihn schließlich am Boden festhielten, trat Nozame über ihn. Sie hielt sich immer noch den Magen, in ihren Augen lag Wut.

„Wie kannst du es wagen?! Wenn du nicht für die Königin bestimmt wärst, würde ich dir liebend gerne zeigen, was Ungehorsam für Folgen hat. So kann ich nur hoffen, dass das Ende besonders schmerzhaft für dich wird.“

* * *


Jede von ihnen fühlte sich auf ihre Weise unwohl. Ezri Dax hoffte, dass die kosmetische Abdeckung ihrer Flecken sich nicht auflöste, wenn sie zu schwitzen begann. Bashir hatte seine kosmetisch-chirurgischen Instrumente nicht mitgebracht und auf Abriachan war bisher nicht die Notwendigkeit aufgetaucht, sein Äußeres zu verändern. So hatten sie sich bei den Malerinnen Körperfarbe besorgt und sie auf Dax’ Hauttönung abgestimmt. Sie schob ihre kurzen Ponyfransen nervös aus dem Gesicht. Suidhe hatte ihr versichert, dass es auch Abriachanerinnen gab, die ihr Haar kurz trugen, Rheat war ein Beispiel, ihre Locken reichten ihr lediglich über die Ohren. Dennoch hatte Dax bisher keine Frau gesehen, die so kurzes Haar wie sie trug. Sie hatte nach einer Perücke gefragt, doch auch diese Art der Verkleidung war auf Abriachan unbekannt.

Die Frisur war weniger das Problem, das Kira Nerys beschäftigte. Ihre mittlerweile schulterlangen kastanienbraunen Haare, waren locker zurückgebürstet worden, so dass sie weich fielen und sie sich mit ihrem hübschen Gesicht problemlos in die Reihe der Abriachanerinnen einreihte. Nein, Kiras Problem lag auf der einen Seite in dem langen Kleid, das sie, wie die anderen auch, gezwungen war zu tragen, und das ihr äußerst unpraktisch erschien. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals ein Kleid getragen zu haben. Und natürlich waren die Hautfalten auf ihrem Nasenrücken ein Problem. Sie hatten versucht, die Schattenbildung in indirektem Licht durch Applikation von hellerer Hauttönung und silikonartiger Masse zu mindern. Allerdings wies ihre Nase nun dadurch einen immer noch auffällig wirkenden Höcker auf. Sie versuchte, ihr Gesicht eher im Schatten zu halten.

Suidhe wiederum fühlte sich unwohl, weil sie in den Falten ihres Rockes eine Waffe trug. Sie hatte in ihrem gesamten Leben noch nie eine Waffe in der Hand gehabt. Diesen Phaser bei sich zu tragen stellte alles auf den Kopf. Doch wie konnte sie glauben, eine Veränderung herbeiführen zu können, wenn sie selbst sich nicht ändern konnte?

Einzig Rheat schien dem Unternehmen mit einer gewissen abenteuerlichen Vorfreude entgegenzusehen. Sie hatte sich sehr rasch an den Gedanken einer Waffe gewöhnt.

Sie waren überein gekommen, dass es nicht ratsam war, dass Colonel Kira sich als solche zu erkennen gab und um Audienz im Palast nachfragte. Die Königin und ihre Wachen würden sicherlich mitbekommen haben, dass die Frauen der Föderation ebenso kämpften wie die Soldaten der Abriachaner. Sie würden auf der Hut sein. Anders hingegen war es mit den Frauen dieses Planeten. Dass Suidhe vor den Repräsentantinnen der Königin erscheinen würde, um gegen das Ausgehverbot ihrer Soldaten Protest zu erheben, war etwas, womit der Palast rechnete. Es würde nicht weiter verwundern, wenn sie und ein paar ihrer Gefolgsfrauen vor den Toren auftauchten. Ihr und ihren Frauen war es nicht untersagt worden, sich in Rossa frei zu bewegen. Weswegen auch? Abriachanische Frauen konnten einander nicht gefährlich werden ...

Suidhe schüttelte ihre lange Locken zurück, richtete ihren zierlichen Körper zu herrschaftlicher Gestalt auf und forderte Einlass. Mit einem Blick, der keine Widerrede duldete, wandte sie ihr Gesicht der Überwachungskamera zu.

Kurz darauf schwangen die Tore zum Innenhof auf. Suidhe führte ihre Frauen hindurch und in einen gläsernen Bereich, zu dem sich auf der rechten Seite automatische Türen mit Bewegungsmeldern öffneten.

„Herrin.“ Der befehlshabende Soldat neigte seinen Kopf bei ihrem Eintreten.

„Ich wünsche eine Unterredung mit den Repräsentantinnen. Ich bin Suidhe.“

Er nickte, um zu zeigen, dass er wusste, wen er vor sich hatte. Er tätigte ein paar Eingaben in dem Terminal, hinter welchem er saß. Dann nickte er erneut.

„Ich habe Euch angemeldet, Herrin.“ Er wandte sich um. Im hinteren Bereich der Empfangshalle saßen mehrere Soldaten an einem Tisch. Er winkte ihnen zu. Vier von ihnen erhoben sich und traten zu den Besucherinnen. Sie neigten ebenfalls ihre Köpfe zum Gruß.

„Wir werden Euch zum Wartezimmer geleiten.“

Suidhe änderte nicht für einen Moment ihren arroganten Gesichtsausdruck, als sie ihre Blicke abschätzend über die Männer gleiten ließ. „Gut.“ Sie trat einen Schritt zurück, um den Trupp vorbeizulassen. „Zeigt uns den Weg.“

Von den Soldaten geführt, überquerten die Frauen den Innenhof und betraten auf der anderen Seite durch ein weiteres großes Portal die eigentlichen Räume des Palastes.

Kira versuchte, die Lage einzuschätzen. Im Inneren des Palastes nahmen die Soldaten eine Art Formation um die Besucherinnen ein. Einer von ihnen führte ihre Gruppe an, zwei flankierten ihre Seiten und der vierte bildete die Nachhut. Wenn sie sich auf die beiden Abriachanerinnen verlassen konnte und sie schnell waren, sollte es kein Problem bereiten, alle vier zu betäuben, bevor den Männern klar wurde, was passierte. Doch da sich Kira der Reaktion von Suidhe und Rheat nicht sicher sein konnte, musste sie ihr Vorgehen so planen, dass sie nur Dax und sich selbst einbezog. Ihre Finger glitten an der Seite ihres Oberschenkels hinunter. Dort lag mit beruhigendem Gewicht ihr bajoranischer Phaser. Sie hatte einen Schlitz in den langen Rock geschnitten, um bequem mit der Hand an die Waffe zu kommen, die sie in einem Holster an ihrem Schenkel befestigt hatte.

Suidhe hatte anfangs entsetzt auf den Plan der Colonel reagiert, weil im Palast keine Energiewaffen erlaubt waren. Auf diese Art von Waffen überprüft wurden jedoch nur eintretende Soldaten. Das so lange gefestigte, starre System auf Abriachan war nicht vorbereitet auf unkonventionelles Handeln. Selbst diejenigen, die es ändern wollten, gerieten immer und immer wieder in die Fußangeln ihrer eigenen Geschichte.

Die Bajoranerin verstand nun, warum Admair sich sicher gewesen war, dass sie ihre Hilfe benötigten. Sie hatte sich gefragt, was eine einzelne Frau in einer Revolution ändern konnte. Doch es war nicht eine Armee, welche sie benötigten, es war eine andere Sichtweise, ein Gehirn, das anders funktionierte. Sie benötigten eine Anführerin, welche die Entscheidungen treffen konnte, zu denen sie nicht in der Lage waren.

Es war nur einer unter ihnen selbst, der imstande war, diese Entscheidungen zu treffen, und er befand sich nun im Gewahrsam der Königin. Kira verstand, warum es so wichtig war, Chailleach zu retten, warum der junge Soldat alles daran gesetzt hatte, sie zu manipulieren und in seinen Kampf zu führen.

Ob sie es wollte oder nicht, sie empfand Respekt für ihn. Und ihr wurde klar, dass sie, was immer die Konsequenzen für sie sein mochten, kämpfen würde.

Als sie in einen Korridor einbogen, in dem sich niemand sonst befand, machte Kira zwei lange Schritte, um sich neben Dax zu bringen. Die Trill sah sie an und nickte unmerklich. An Wänden und Decke waren zumindest keine sichtbar angebrachten Überwachungssensoren auszumachen.

Dax neigte ihren Kopf leicht nach rechts, Kira nickte. Sie sah, dass die Hand der Trill nun ebenfalls an deren Oberschenkel ruhte.

Kira fiel wieder einen Schritt zurück, um Rheat, die hinter ihr gegangen war, aus der Schusslinie zu bringen. Dann riss sie ihren Phaser heraus und wirbelte herum.

Dax zog ihre Waffe ebenfalls, während sie mit der freien Hand der vor ihr gehenden Suidhe einen Stoß versetzte. Dann schoss sie und zog einen weiten Halbkreis mit ihrer Waffe.

Nachdem Kira den Soldaten am Ende des Zuges vollkommen unvorbereitet erwischt hatte, hatte sie sich fallen lassen, um dem Schlag des neben ihr laufenden Mannes zu entgehen. Sie schoss erneut, auch er brach zusammen.

Es war alles so rasch gegangen, dass die beiden Abriachanerinnen ebenso überrascht worden waren wie die Soldaten.

Dax grinste Kira zu, als sie ihren Phaser wieder unter dem langen Rock verschwinden ließ. „Das wäre der erste Streich.“ Die Bajoranerin glaubte für einen Moment Jadzia aus den Augen Ezris blitzen zu sehen.

„Helfen Sie mir“, wies Kira die neben ihr stehende Rheat an. „Wir müssen sie irgendwo hin schaffen, wo sie nicht sofort gefunden werden.“

Die Medizinerin schüttelte anerkennend den Kopf. „Das war ... eindrucksvoll!“ Sie packte mit an, gemeinsam zogen sie die bewusstlosen Männer den Korridor entlang, bis sie eine von großen Bodenvasen und Kommoden gebildete Nische fanden.

„Hier sollten sie alle Platz finden.“

Suidhe beobachtete das Geschehen misstrauisch. „Wie lange werden sie bewusstlos bleiben?“

„Etwa zwei Stunden.“ Kira richtete sich wieder auf. „Wir konnten das hier nicht absprechen – doch ab jetzt wird es wichtig sein, dass Sie ebenfalls gewillt und fähig sind, die Waffen zu verwenden.“ Suidhe und Rheat sahen sich an und nickten dann. „Sie sind alle auf Betäubung eingestellt. Sie können damit niemandem ernsthaften Schaden zufügen, solange Sie lediglich den Auslöser betätigen, den ich Ihnen gezeigt habe. Ich weiß, dass das viel von Ihnen verlangt ist, aber wir können es uns nicht leisten, in irgendeiner Situation zu zögern. Was wir auf unserer Seite haben, ist das Moment der Überraschung, und das müssen wir bis zur Grenze ausreizen.“

„Davon ganz abgesehen“, ließ sich Dax vernehmen, „ist das Ihr Kampf, den wir hier für Sie kämpfen, das sollte niemand von uns vergessen.“

Suidhe nickte erneut. „Sie haben vollkommen recht, Lieutenant. Rheat?“

„Ich denke, ich werde es hinbekommen.“ Die Frau grinste. „Ich habe genügend Nächte mit Chailleach verbracht, ich sollte ein wenig von seiner unkonventionellen Art angenommen haben.“

„Gut.“ Suidhe atmete tief durch. Wegen Rheat hatte sie wenig Bedenken, eher wegen sich selbst. Sie hatte mit ihrem Kommandanten in den vergangenen Monaten über zahlreiche Pläne für einen Umsturz gesprochen, doch es waren stets ihre Soldaten gewesen, die in ihrer Vorstellung gekämpft hatten, nicht sie selbst. „Wir kehren jetzt also zur Empfangshalle zurück. Bewegen Sie sich einfach alle so, als würde dieser Platz Ihnen gehören, dann wird Sie niemand aufhalten.“

Von Suidhe angeführt traten die Frauen kurz darauf auf den Innenhof hinaus und hielten wieder auf das äußere Tor zu.

Der diensthabende Soldat sah ihnen verwundert entgegen, als sie die Empfangshalle betraten. „Ist Eure Unterredung schon beendet?“

Die Frauen erfassten die übriggebliebene Belegschaft des Wachbereichs, dann zogen sie ihre Waffen und schossen.

Suidhe war überrascht davon, wie einfach es war. Das Zielen war nicht schwer, sie musst keinen präzisen Schlag setzen wie mit einer konventionellen Waffe, sondern ihr Opfer einfach irgendwo am Körper mit dem Energiestrahl treffen. Das fassungslose Gesicht, bevor der diensthabende Soldat über seinem Terminal zusammensackte, erfüllte sie mit einer fremdartigen Genugtuung.

Sie ließ den Auslöser los und sah sich zu den anderen um. Rheats Gesichtsausdruck entsprach in seiner Überraschung wahrscheinlich ihrem eigenen. Die beiden Offizierinnen nickten lediglich zufrieden, während sie ihre Waffen wieder fort steckten.

„Das ging doch problemlos.“ Dax packte den Soldaten am Terminal unter den Schultern. Rheat kam ihr zu Hilfe und fasste dessen Beine. Gemeinsam trugen sie ihn in den hinteren Bereich, in welchem die anderen Männer lagen. Sie hatten es nicht einmal geschafft, von ihren Stühlen aufzuspringen. „Manchmal tut es so gut, eine Frau zu sein, nicht wahr?“ Die Trill zwinkerte Rheat zu.

„Nur manchmal?“ Die Medizinerin bückte sich, als sie den Mann an der Wand ablegten. Dann machten sie sich daran, die anderen von ihren Stühlen zu ziehen und ebenfalls auf den Boden zu legen, so dass sie nicht auffielen, wenn jemand am Empfangsbereich vorbeiging.

Suidhe hatte sich unterdessen dem Terminal zugewandt.

„Kennen Sie sich damit aus?“ fragte Kira, die ihr über die Schulter sah.

„Ich bin Technikerin, natürlich kenne ich mich damit aus.“ Sie betätigte ein paar Knöpfe und umging geschickt eine Passwortabfrage. „Bitte sehr.“

Die Eingangstore des Innenhofs schwangen auf.

Kurz darauf betrat ein von Admair angeführter Trupp Soldaten den Hof. Bashir und Mondal befanden sich unter ihnen. Kira hatte jedem ihrer Offiziere freigestellt, sich zu beteiligen, und damit ein in den Augen der Sternenflotte wahrscheinlich fragwürdiges Unternehmen zu unterstützen. Es hatte sie nicht wirklich überrascht, als sie sich drei Freiwilligen gegenüber sah.

Wegen Fähnrich Mondal hatte sie ein wenig Bedenken. Sie selbst wurde zum Teil dadurch geschützt, dass sie bajoranische Bürgerin war. Die Sternenflotte konnte ihr ihre Unterstützung entziehen, aber nicht das Kommando über die bajoranische Station DS9. Dax war in so vielen Formen ihres oder seines Lebens dafür bekannt gewesen, an den Grenzen der Legalität entlang zu schlittern, dass es selbst auf die relativ vernünftige Ezri überzugreifen schien. Bashir seinerseits hatte eine erfolgreiche Karriere darauf aufgebaut, sich nur seinem Kodex verantwortlich zu fühlen. Es würde das Hauptquartier bei ihnen nicht wirklich verwundern, wenn sie sich in die Revolution eines fremden Planeten stürzten. Aber was mit Fähnrich Mondals Akte geschehen würde, konnte Kira nur vermuten. Wie immer das hier ausgehen sollte, sie würde alles in ihrer Macht Stehende versuchen, um die offiziellen Reporte dahingehend zu schönen, dass der Fähnrich makellos daraus hervorging. Er stand erst am Beginn einer Karriere, die nicht dadurch schon beendet werden sollte, dass er das Pech hatte, als ersten Posten ausgerechnet ihre Station zugewiesen zu bekommen.

Sie beobachtete, wie Admair seine Männer vor der Empfangshalle Aufstellung nehmen ließ. Seine große Gestalt und sein scharfer Blick waren voller Konzentration. Die Zweifel, die an ihm genagt hatten, schienen fortgewischt. Zweifel waren ein Luxus, den man sich vor einem Einsatz leisten konnte, aber niemals währenddessen und niemals im Beisein der Soldaten, die zu ihm aufsahen. Kira war sicher, dass er nicht wanken würde, ganz gleich, was vor ihnen lag. Es war ein gutes Gefühl, ihn an ihrer Seite zu wissen.

Sie trat aus der Empfangshalle, während Suidhe die Tore wieder schloss.

„Kommandant. Es tut gut, Sie zu sehen.“

„Ihr seid auf keinen Widerstand gestoßen?“ begrüßte er sie.

Kira schüttelte den Kopf. „Es war einfach bisher. Niemand hat vermutet, dass wir Waffen bei uns tragen. Es wird schwieriger werden, wenn wir auf die Gefolgsfrauen der Königin stoßen.“ Sie sah ihm prüfend in die Augen. „Sind Sie und Ihre Männer darauf vorbereitet, gegen Frauen zu kämpfen?“

Er erwiderte ihren Blick mit erhobenem Kopf und ohne zu blinzeln. „Wir sind bereit.“

„Gut. Und Sie unterstellen sich meinem Kommando?“

„Jeder meiner Männer ist angewiesen, Euren Befehlen zu gehorchen, und ich werde das selbstverständlich ebenfalls tun.“ Sein strenger Blick lockerte sich ein wenig, als er ein Lächeln andeutete. „Ich vertraue Euren Fähigkeiten.“

„Das will ich doch hoffen“, erwiderte sie ebenfalls lächelnd.

„In Ordnung.“ Sie erhob ihre Stimme, damit die Soldaten sie hören konnten. „Sie werden nur Ihre Phaser verwenden, keine anderen Waffen. Jeder stellt seinen Phaser auf Betäubung ein, verstanden? Es ist von allergrößter Wichtigkeit, dass niemand zu Schaden kommt. Ich möchte, dass niemand von Ihnen das vergisst: Keine Toten. Es geht hier nicht um Rache oder Vergeltung, es geht nicht nur um ihre Stadt. Was Sie heute beginnen, wird über das Schicksal Ihres gesamten Planeten entscheiden, darüber, wie ihre Gesellschaft von anderen angesehen wird – und vor allem darüber, wie die Föderation Ihnen gegenüber stehen wird. Was immer geschieht, wir müssen mit erhobenem Kopf und ohne Blut an unseren Händen hieraus hervorkommen.
Wir sind in der Unterzahl, doch wir haben durch die Reichweite der Phaser einen enormen Vorteil hier im Palast. Vergessen Sie für die nächsten Stunden alles, was Ihnen über Ihre Gesellschaft und ihre Klassenstrukturen beigebracht worden ist, und hören Sie einzig auf mich.
Ich vertraue Ihnen – vertrauen Sie mir.“

Sie machte eine kurze Pause, um ihre Worte einsickern zu lassen. Admair nickte ihr anerkennend zu.

„Sie und Sie“, sie wählte zwei der Soldaten aus, „nehmen die Plätze in der Eingangskontrolle ein. Ziehen Sie die Uniformen der Palastwache an, damit die Auswechslung nicht auf den ersten Blick auffällt. Wenn die Soldaten wieder zu Bewusstsein kommen, betäuben Sie sie erneut. Behalten Sie die Überwachungsmonitore im Auge und versuchen Sie uns über mögliche Gefahren im Palast auf dem Laufenden zu halten. Ezri!“ Sie winkte die Trill heran. „Gib mir deinen Kommunikator.“

Dax fasste sich in den Ausschnitt ihres Kleides und löste den Anstecker, den sie darunter getragen hatte. Kira reichte ihn einem der beiden Soldaten weiter. „Tragen Sie diesen Kommunikator und lassen Sie die Verbindung stets offen.“ Sie zeigte ihm, wie das Gerät zu handhaben war. „Sie werden mit ...“ Sie sah sich um. Sie selbst konnte nicht in Kom-Verbindung bleiben, weil sie in Kampfsituationen nicht abgelenkt werden wollte. Dr. Bashir kam ebenfalls nicht in Frage, es konnte geschehen, dass er zurückbleiben musste, um sich um Verletzte zu kümmern. „Fähnrich Mondal.“ Ihre Stimme aktivierte die Verbindung zu dem Betazoiden. „Sie werden mit Fähnrich Mondal in Verbindung bleiben, und ihn über alles unterrichten, was Sie auf den Bildschirmen erfassen können.“

Die beiden Männer zogen sich in die Torwache zurück.

„Suidhe, Rheat?“ Kira sah die beiden Abriachanerinnen fragend an.

Die Wissenschaftlerin berührte den Phaser an ihrem Oberschenkel. „Wir sind bei Ihnen, Colonel. Ich kann nicht nur zusehen, wie andere meinen Kampf kämpfen.“ Sie sah zu Admair hinüber.

Es war ein seltsamer Anblick, dass die Augen der Herrin die Erlaubnis ihres Kommandanten suchten. Admair zögerte. Alles in ihm schrie danach, sie anzuweisen, hier zurückzubleiben. Trotz aller Abhängigkeitsverhältnisse der abriachanischen Gesellschaft würde sie ihm gehorchen, weil er die Oberaufsicht über ihr Militär hatte. Die Basis seiner Existenz lag darin, sie zu schützen ...

Für einen Moment schloss er die Augen. Als er sie wieder öffnete, streckte er die Hand aus. Suidhe ergriff sie mit einem Lächeln.

„Was immer vor uns liegt, wir werden es gemeinsam durchstehen.“

„Dann lasst es uns angehen.“ Kira gab den anderen ein Zeichen. Der Trupp trat aus dem Schutz des Toreingangs hinaus in den offen liegenden Innenhof.

* * *


Chailleach hatte seinen Widerstand eingestellt. Er hatte nur die eine Chance gehabt, die sich nicht wirklich als eine erwiesen hatte. Zwar hatte sein Angriff auf die Frauen die gewünschte Überraschung hervorgerufen, doch er hätte nicht gedacht, dass sich so viele Soldaten in deren Nähe befunden hatten. Wie er aus den Gesprächen entnommen hatte, war dieser unerwünschte Effekt seinem Freund Elgin zu verdanken, der kurz zuvor geflohen war und dadurch die Palastwache in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt hatte.

Er wusste nicht, was er jetzt noch tun konnte. Seine Geschicklichkeit, seine Kraft und seine Respektlosigkeit nützten ihm nichts, wenn er sich in Fesseln einer Übermacht gegenüber sah. Sollte es wirklich so sein, dass er sich am Ende seines Weges befand? Er unterdrückte das Gefühl von aufsteigender Panik: Das war nicht so, wie er es geplant hatte. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, sich einer Königin zu opfern, aber nur, um damit Admairs Leben zu retten – nicht, um eine Mahlzeit zwischen den Hauptgängen darzustellen. Sein Tod würde nichts ändern, nichts bewirken außer dem zweifelhaften Lustgewinn der Königin von Rossa.

Es konnte nicht so zu Ende gehen, es war so sinnlos. Was würde aus seinen Plänen werden? Was aus der Flamme, die er in die Welt hatte tragen wollen? Er hoffte, dass Mondal irgendwie sein Andenken aufrecht hielt.

Der junge Mann atmete tief durch, um seinen Gedanken seine Kraft aufzuzwingen. Sie würden die Genugtuung nicht erhalten, ihn leiden zu sehen. Sein Leben lang hatte er seine Ängste tief in sich verborgen, er würde dies auch im Tod tun.

Er lag auf dem Rücken auf einer Bank. Sie hatten ihn entkleidet und ihn an Armen und Beinen festgebunden, damit er keine weiteren Überraschungsangriffe durchführen konnte. Anfangs hatte er sich noch mit all seiner Kraft gewehrt, doch es war sinnlos. Es gab für ihn keine Möglichkeit, die Fesseln zu brechen, dagegen umso mehr Wege für sie, ihn zu quälen. Er wusste, dass die Repräsentantinnen das Gift der Königin ebenfalls in abgeschwächter Form besaßen. So hatte er es schließlich über sich ergehen lassen, dass sie seinen Körper mit einem würzigen Öl einrieben und ihn stimulierten. Seine dunklen Augen blieben ausdruckslos auf die Decke gerichtet, kein Muskel in seinem Gesicht verriet, was er fühlte.

Als sie mit ihrem Ergebnis zufrieden waren, ließen die Frauen von ihm ab und zogen sich zurück. Das Licht im Raum wurde gedämpft, Kerzen und Räucherwerk entzündet. Von irgendwo aus den Schatten erklang leise Musik.

Der letzte Gedanke, der sich Chailleachs bemächtigte, war dass das Schicksal nicht nur mit ihm ironisch umgesprungen war. Die Königin von Rossa würde sich jetzt mit einem Mann paaren, der wegen genetischer Unzulänglichkeit gar nicht hätte leben dürfen. Vielleicht würden seine Kinder den Unterschied machen.

Dann spürte er ihre Anwesenheit. Er nahm seinen Blick nicht von der Decke, wollte sie nicht sehen. Er spürte, wie sie ihn berührte, wie ihr Körper über ihn glitt und sie sich über ihn beugte. Ihre Lippen berührten die weiche Haut, wo sein Hals sich mit dem leichten Schwung des Schlüsselbeins traf.

Sie biss zu.

Und jetzt, als die vollständige Hoffnungslosigkeit seiner Situation ihn überflutete, als das Gift sich seinen langsamen und unerbittlichen Weg in seinen Körper suchte, jetzt endlich füllten sich seine Augen mit Tränen.
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