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Ein Leben für Bajor

von unknown sample

Die Früchte von morgen

Vier Sommer waren ins Land gegangen, nachdem Taban das Totengebet für seine Frau gesprochen hatte.
Das Singha-Flüchtlingslager war in diesem Zeitraum längst über das Stadium einer provisorischen Unterkunft für heimatlos auf dem Planeten herum wandernder Bajoraner hinaus gewachsen. Es war zu einer eigenen, kleinen Stadt mit Hütten, Straßen und sogar einem bescheidenen Tempel geworden. Auch wenn es weder Stromversorgung, noch Wasserleitungen oder sanitäre Einrichtungen gab. Wie alle diese Lager, die inzwischen überall in den Provinzen entstanden waren, umgab auch Singha ein hoher energiedurchflossener Stacheldrahtzaun, dessen Hauptaufgabe darin bestand, die Bajoraner innerhalb der Absperrung zu halten. Hunderte bajoranische Familien lebten inzwischen so und eine davon war die Familie Kira.
Kira Taban wischte sich mit einem schmutzigen Stück Stoff den Schweiß von der Stirn, als er zum wiederholten Male in seiner Arbeit inne hielt und zu der heißen bajoranischen Sonne hinauf blinzelte. Dann seufzte er vernehmlich. Am azurblauen Himmel zeigte sich kein einziges Wölkchen. Ganz sicher würde es auch heute keinen Regen geben, was bedeutete, dass er die kleinen Katterpod-Pflänzchen wieder von Hand bewässern musste. Oder sie würden verdorren, sodass seine Familie im nächsten Winter erneut hungern musste. Katterpod-Bohnen waren überaus nahrhaft. In gewisser Weise reichten sie sogar aus, einen Bajoraner vollständig zu ernähren.
Aber wie das bajoranische Volk selbst, war Katterpod eine launische, schwierige Pflanze. Sie vertrug weder zu viel, noch zu wenig Wasser. Sie mochte keinen sandigen Boden, aber auch keinen zu lösshaltigen. Und ganz sicher vertrug sie keine anhaltende Hitze. Außerdem, dachte er grinsend, schmeckt sie den Cardis nicht.
Bei seinem ersten Versuch, hinter ihrer Behausung die Bohnen anzubauen, war er allerdings kläglich gescheitert. Das war jetzt zwei Jahre her. Damals hatten die Lebensmittelrationen, die seit seinem letzten und einzigen Kontakt mit Meru von Terok Nor stetig geflossen waren, plötzlich abrupt aufgehört. Taban hatte sich gezwungen, nicht über den Grund hierfür nachzugrübeln. Solche Gedanken führten zu nichts und er musste sich auf das Wohlergehen seiner Kinder konzentrieren. Pohl wäre in diesem ersten Winter, als die einzige Nahrung nur wieder durch endloses Anstehen an den Essensausgaben der Cardassianer zu erlangen gewesen war, beinahe gestorben. Die beiden älteren Kinder hatten die Mangelernährung zwar besser verkraftet, waren aber nur noch Haut und Knochen gewesen. Nicht, dass sich hieran etwas geändert hatte. Katterpod war nahrhaft, aber es ersetzte keine Proteine, die für Kinder im Wachstum so notwendig waren.
Dennoch, dachte Taban entschlossen und packte seine Harke fester, nachdem ich entdeckt habe, dass man den Katterpod durch Besprühen mit Chlorobikroben widerstandsfähiger machen kann, werden sie nicht verhungern müssen.
Er war inzwischen einer der erfolgreichsten Farmer in diesem Teil des Lagers. Wer hätte gedacht, dass einer aus der höchsten Kaste Bajors einmal hinter einem Pflug her schreiten würde, um das Feld zu bestellen. Er schaffte zwei weitere Reihen rund um die kleinen Pflanzen aufzulockern, ehe er eine kleine Gestalt durch die mit Abfall und Unrat übersäte Lagergasse in seine Richtung hüpfen sah. In ihrer schäbigen, bis zur Unkenntlichkeit immer wieder geflickten Kleidung, die zudem noch viel zu groß war, lief seine Tochter direkt zu ihm hinüber. Taban runzelte die Stirn.
„Ist die Schule denn schon zu Ende, Nerys?“
Das Mädchen blieb vor ihm stehen und sah ihn mit ihren samtbraunen Augen völlig unschuldig an. Bei den Propheten! Ein Vater sollte alle seine Kinder gleich lieben, und er liebte seine Söhne Reon und Pohl auch sicher von ganzem Herzen. Doch er konnte nicht dafür, Nerys liebte er ein klein wenig mehr. Es mochte daran liegen, dass sie bereits jetzt ihrer Mutter immer stärker ähnlich sah. Wenn sie ihn so anblickte, schmolz er dahin
„Besprühst du das Feld wieder mit Bikroben?“ fragte das Kind zurück, ohne die Frage Tabans beantwortet zu haben.
„Ja, dann werden die Pflanzen widerstandsfähiger und der Ertrag größer.“
„Hm, hm“, brummte Nerys und beäugte sein Tagewerk mit einem prüfenden Blick. „Du musst den Katterpod aber heute noch wässern. Es ist zu trocken.“
Vielleicht war das der Grund, warum er Nerys so sehr liebte. Tief in seinem Innern freute sich Taban über die unglaubliche Reife und Klugheit seiner Tochter. Sie ist etwas Besonderes, hatte auch der Mönch im Lagertempel gesagt, als sie zum ersten Mal dort bei einer Messe gewesen war. Taban hatte nicht verstanden, wie der Geistliche in Nerys etwas Besonderes hatte entdecken können. Aber schon damals hatte Intelligenz aus den Augen des Kindes geleuchtet, die der Mönch erkannt haben mochte.
„Wenn ich groß bin, möchte ich auch Farmerin werden!“ Sie lächelte ihrem Vater zu, streckte die dünnen Arme aus und drehte sich spielerisch um die eigene Achse. „Mit einem großen Feld und riesigen Früchten.“
Taban lachte auf. Bis er den Springballhandschuh im Rücken ihrer Schärpe entdeckte.
„Was machst du in der Schule mit einem Springballhandschuh, kleine Dame?“ Er zog den Handschuh aus ihrer Schärpe und Nerys riss die Augen auf.
„Ich…äh…ich… Bitte Vater, lass mich erklären…“
„Hast du wieder mit Reon und seinen Freunden Springball gespielt, statt in die Schule zu gehen?“
„Ich war in der Schule“, protestierte das Mädchen, räumte aber auf den strengen Blick Tabans ein. „Nur… nicht in der Zeichenklasse.“
Kira seufzte. Es war schon schlimm genug, dass die meisten größeren Kinder im Lager ihre überwiegende Zeit mit Springball verbrachten. Ein Spiel, das nach seinem Empfinden einzig und alleine daraus bestand, einen kleinen Ball gegen ein paar Wände zu dreschen und seinen Gegner hierbei möglichst brutal über den Haufen zu laufen.
Schlimmer jedoch war, dass Nerys keinerlei künstlerische Ambitionen zu besitzen schien. Der bajoranische Lagerbeirat hatte es geschafft, einen notdürftigen Schulunterricht für die Kinder zu organisieren. Sie wurden von ehemaligen Lehrern und sogar Hochschullehren unterrichtet, die im Lager gestrandet waren. Wie es vor der Ankunft der Cardassianer Tradition gewesen war, erhielt jedes Kind nach Möglichkeit eine Zusatzausbildung, die seiner Familien-D´jarra angemessen war. So wie auch Reon inzwischen schon bei einem Silberschmied erfolgreich Kurse belegte. Seine Kinder sollten, wie ihre Eltern vor ihnen und alle Generationen davor, Künstler werden. Es war eine Frage der Abstammung.
Aber Nerys war im letzten Semester schon wieder die Schlechteste in der Zeichenklasse gewesen. Künstlerische Dinge schienen sie einfach überhaupt nicht zu interessieren, wie ihre Lehrer nicht müde wurden ihm gegenüber zu betonen. Außerdem war sie häufig ungehorsam in der Schule, fast wild. Sie liebte das Springballspiel und benutzte ihre Buntstifte für alles andere, nur nicht zum Zeichnen. Den Kunstunterricht schwänzte sie, wann immer es ging. Brachte man es auf den Punkt, so war sie eine Schande für den Künstlernamen, den sie trug.
„Vater!“ sagte Nerys jetzt leise und zupfte an seinem Ärmel. „Soll ich dir helfen die Pflanzen zu bewässern? Oder soll ich das Unkraut ausziehen? Bitte, Vater, sei mir nicht mehr böse!“
Unfähig ihrem bettelnden Blick zu widerstehen, streckte Taban mit einem weiteren Seufzer die Hand aus und strich ihr über die rotbraunen Locken.
„Geh´ und bereite schon mal das Essen vor. Reon wird mit Pohl auch bald zu Hause sein. Aber morgen gehst du ganz gewiss in die Zeichenklasse, verstanden, ja?“
Ein Ausdruck, viel zu alt und rätselhaft, trat in die dunklen Augen seiner Tochter. „Morgen ganz gewiss“, antwortete sie leichthin, drehte sich um und lief zur Hütte hinüber.
Kira sah ihr nach und dachte über den Ausdruck in ihrem Gesicht nach, der ihm nicht entgangen war. Er glaubte nicht wirklich, dass Nerys morgen in den Kunstunterricht gehen würde. Aber er brachte es nicht über sich, sie deswegen zu bestrafen. Als er erneut zur Harke griff, fiel sein Blick auf seine Hände. Sie waren von der Feldarbeit schwielig und aufgerissen. Keine Hände, die einem Künstler gehören sollten.
Würde seine Tochter je die Gelegenheit erhalten, selbst eine Künstlerin zu werden? Oder würde es überhaupt so etwas wie Zukunft für sie geben, wenn die Cardis auf Bajor blieben? Die engen schmutzigen Lagergassen, in denen sie dahin vegetierten, sagten mehr über ihr wahrscheinliches Leben aus, als der Umstand, ob sie nun zeichnen lernen würde oder nicht.
Taban schickte ein stummes Gebet an die Propheten und dachte wieder einmal flüchtig an seine Frau. Letztlich, tröstete er sich selbst und begann erneut die Erde um die Pflanzen zu lockern, liegt unser Schicksal immer in den Händen der Propheten.

„Du willst also in den Dienst der Propheten eintreten“, sagte Prylar Rhit und beugte sich vor, um Kira Reon besser ins Auge fassen zu können. In dem provisorischen Tempel, der genauso aus altem Metall und grob behauenem Holz zusammengezimmert worden war, wie die einfachen Behausungen in Singha, brannten unzählige der kostbaren Kerzen. Gaben der Gläubigen an den Schrein. Der Duft von brennenden Spezereien lag in der Luft und verlieh dem Raum, trotz der Armut ringsum, eine gewisse heilige Atmosphäre. Die lilafarbene Robe des Prylar war ausgebleicht und hatte sicher bessere Zeiten gesehen. Dennoch war sie sauber und kaum geflickt. Der Priester teilte freiwillig das Leben im Lager, er war gekommen, um den Gläubigen Beistand zu geben. Da die Orden offiziell auf Seiten der neuen cardassianischen Herren standen, protestierten die Cardassianer nicht gegen die Anwesenheit von Priestern in den Lagern. Rhit wusste, den Bajoranern mangelte es hier noch mehr an der geistigen Speise, denn der körperlichen.
Die Familie des Novizen stand hinter dem Knaben. Der Vater, die ältere Schwester und ein jüngerer Bruder trugen zweifelsohne die besten Kleider, die sie besaßen. Während Vater und Bruder ihre ganze Aufmerksamkeit ihm und Reon schenkten, interessierte sich das Mädchen augenscheinlich mehr für die geheimnisvolle Ausstattung des Tempels.
Rhit blickte nun wieder auf Reon. Kira war eigentlich kein Name einer Priester-D´jarra. Er wusste vom Vater, dass der Sohn auch nicht hatte Mönch werden wollen. Aber der letzte Winter war hart und lang gewesen und sehr viel Saatgut durch einen Pilz im Lager verdorben. Wahrscheinlich hatte der Mann Bedenken, auf Dauer gleich drei hungrige Mäuler stopfen zu können. Die Familie vor ihm sah nicht aus, als hätte sie in letzter Zeit genug zu essen bekommen. Nun, jetzt würde der Orden zumindest für den älteren Jungen sorgen. Rhit hatte entschieden, dass es der Dienst an den Kindern der Propheten erlaubte, auch ein Mitglied aus einer Künstler-D´jarra aufzunehmen.
„Er soll also unserem Orden angehören?“
„So ist es“, bestätigte Taban formell.
„So sei es“, erwiderte der Prylar würdevoll und legte seine rechte Hand auf Reons Kopf. „Sei willkommen. Von nun an wirst du lernen, den Propheten zu dienen. Zu deiner Familie kannst du erst einmal nicht mehr zurück kehren. Du wirst hier bleiben und ein Jahr lang schweigen. Nur das Studium der heiligen Schriften wird deinen Tagesablauf bestimmen.“ Er deutete auf einen Durchgang in seinem Rücken. „Geh jetzt, mein Sohn. Du wirst dort deine neuen Kleider erhalten.“
Reon verneigte sich artig und ging dann, ohne sich nochmals umzublicken, in Richtung der Türe. Er hörte noch das Aufschluchzen von Pohl, als er durch diese den Hauptraum des Tempels verließ. Dort überreichte Taban dem Priester nun einen großen Sack mit Katterpod-Bohnen, den Preis für die Aufnahme in den Orden. Als Rhit diesen in Empfang nahm, bemerkte er zwei große dunkle Augen, die ihn anstarrten. Es war die Schwester des Novizen, die ihn beobachtete. Dann wanderte ihr Blick von ihm zu dem Sack mit den wertvollen Lebensmitteln und wieder zurück. Sie sah den Priester unverhohlen mit einem Ausdruck an, als wäre er gerade im Begriff, die Lebensmittel zu stehlen. Der Prylar versuchte dem Blick zu entgehen, wandte sich um und legte den Sack am Fuß des kleinen Schreins zu seiner Linken ab. Die Handflächen zusammen gelegt begann er sogleich eine uralte Litanei anzustimmen. Taban fiel schon sehr bald in den Sprechgesang ein. Rhit fragte sich, wie der Vater den Propheten ehrlich danken konnte, da er für die Aufnahme seines Sohnes in den Orden doch wahrscheinlich ein Drittel seiner Vorräte hatte hergeben müssen. Es mochte hart sein, an diesem Ort alleine drei Kinder aufzuziehen. Einen Moment schwankte Rhit, den Katterpod an die Familie zurück zu geben. Doch auch der Tempel musste essen. Daher hob er seine Augen stattdessen zu dem heiligsten Symbol Bajors über dem Schrein. Dem Mandala, das Zeichen eines aufspringenden Korns inmitten des Himmelstempels. Wie alle Bajoraner glaubte er fest, dass irgendwo über ihren Häuptern die Propheten in ihrem Himmelstempel weilten und ihr Schicksal bestimmten. Dann drehte er sich erneut um, als der Lobpreis beendet war, und segnete die Familie, die sich vor ihn hin kniete. Dem Mädchen, das ihn auch jetzt noch ansah, als sei er ein Dieb, legte er die Handflächen auf den Kopf. Erst dadurch blickte es verschämt zu Boden.
„Tscha kascha“, betete er. „E nohn khne alena ta.“ Er sah fragend Taban an. „Haben Sie etwas dagegen?“
„Nein“, sagte Taban. „Selbstverständlich nicht.“
Rhit neigte wohlgefällig den Kopf und griff vorsichtig nach dem Ohrläppchen des Mädchens, das auch das geschehen ließ. Er ließ die Hand erst wieder sinken, als Nerys ihn wieder forschend ansah. Rhit segnete die Familie zum Abschied und die drei Bajoraner begaben sich aus dem Tempel. Während er die Kerzen löschte, trat ein weiterer Geistlicher aus dem hinteren Teil des Schreins hervor und an seine Seite.
„Vedek Zulena“, Rhit verneigte sich tief, denn es geschah selten, dass überraschend ein Vedek das Lager besuchte. „Ich wusste nichts von eurer Gegenwart.“
„Prylar Rhit“, sagte der Vedek. Sein Haar war bereits weiß und er ging gebeugt, doch seine Augen waren hell und klar. „Was hast du im pagh dieses Kindes erwartet, weil du es so unbedingt erforschen wolltest?“
Rhit zögerte und vermied den Blick des Vedek. „Ich weiß es nicht, Eminenz. Aber irgendetwas Ungewöhnliches nahm ich in der Aura dieses Mädchens wahr. Nur einen kurzen Augenblick. Sein pagh ist für dieses Alter bereits ungewöhnlich stark.“
„Ja“, sagte Zulena und nickte versonnen. „Ich weiß, was du meinst. Ich habe es auch verspürt. Komm, lass uns zu den Propheten beten.“
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