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Mutter auf Zeit

von Nerys

Kapitel 1

Mutter auf Zeit


Unbarmherzig drang das schrille Geräusch des Computerweckrufes in Kiras Träume. Die wirren Bilder verschwammen in blassen dunstigen Farben, wie die Landschaft ihrer Heimat an einem trüben nebeligen Herbsttag. Sie entsann sich, von einem Runabout geträumt zu haben, der unter dem hektischen Blinken und Kreischen des roten Alarms mit starker Schlagseite im All trudelte. Verschlafen richtete Kira sich im Bett auf. Normalerweise wurde sie morgens schnell wach, eine Folge der im Untergrund geschärften Instinkte, doch im Moment fühlte sie sich ausgesprochen schwerfällig und verwirrt. Ihr Leben stand seit dem vorigen Tag auf dem Kopf. Zögernd legte sie die Hand auf die deutlich sichtbare, nur vom dünnen Stoff des lachsfarbenen Schlafanzugs bedeckte Wölbung ihres Bauches. Sie spürte nichts, das Baby schien noch zu schlafen. Es erschien ihr fürchterlich unwirklich, dass auf einmal ein solch kleines unschuldiges Leben in ihr sein sollte, und doch hatte Julian Bashir dieses medizinische Kunststück vollbracht. Natürlich hatte sie der Prozedur zugestimmt, ohne auch nur einen Augenblick zu überlegen, denn jede verschwendete Sekunde hätte den Tod von Keiko O'Briens ungeborenem Sohn bedeuten können.

Verschlafen stapfte Kira ins Bad, um sich unter die Dusche zu stellen. Das warme Wasser schien die Lebensgeister des Babys zu wecken, es trat so kräftig gegen ihre Bauchdecke, dass sie einen hellen Überraschungslaut ausstieß. Wieder trocken und einigermaßen erfrischt, fiel ihr Blick auf den großen Spiegel über dem Waschbecken. Das Handtuch rutschte achtlos von ihren Schultern, als sie unsicher über ihren nackten Bauch streichelte. Sich selbst so zu sehen, war über alle Maßen merkwürdig. Obwohl sie im besten Alter dafür war, hatte sie sich nie mit dem Gedanken daran getragen, schwanger zu werden. Vielleicht wäre es mit Bareil an ihrer Seite anders gekommen, aber Shakaar hielt nichts von Familie und Kindern. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich seine Reaktion auf die Neuigkeit ausmalte. Er würde bestimmt aus allen Wolken fallen und sehr dankbar sein, dass der Spuk in rund fünf Monaten wieder vorbei sein würde.

Bashir hatte ihr angekündigt, dass sie das Kind für die Dauer einer bajoranischen Schwangerschaft tragen musste, vielleicht sogar ein oder zwei Wochen länger. Dass menschliche Babys fast die doppelte Zeit brauchten, um sich im Mutterleib zu entwickeln, erschien ihr unvorstellbar. Fünf Monate waren so betrachtet schon nahezu endlos. Wenn sie sich jetzt bereits schwerfällig und unförmig fühlte, wie würde es dann erst gegen Ende dieser Schwangerschaft sein? Sie keuchte, als das Ungeborene ein weiteres Mal heftig zutrat.

„Willst du da drin Purzelbäume schlagen, kleiner Wicht?“, murmelte sie mit angespannter Miene. „Ich verstehe es ja, wenn du verwirrt über den Ortswechsel bist. Mir geht es ebenso. Wir zwei müssen für eine Weile miteinander auskommen. Ich bin nicht besonders geeignet als Mutter, befürchte ich, aber ich werde mich bemühen, dir für diese Zeit eine angenehme Umgebung zu bieten. Mit etwas weniger Raktajino sollte ich vermutlich anfangen, oder?“

Als die Bewegungen des Babys unter ihrer flachen Hand ein wenig ruhiger wurden, lächelte sie in sich hinein. Mit einem letzten Blick auf ihr Spiegelbild verließ sie das Bad, um sich anzuziehen und dann ihren Dienst anzutreten. In Gedanken korrigierte sie die Reihenfolge. Bevor sie auf die Ops ging, würde sie noch ordentlich frühstücken, das war jetzt wohl angebracht.

Im Replimat war es um diese Zeit laut und belebt. Viele Mitglieder der Sternenflotte und des bajoranischen Militärs nahmen hier vor Dienstbeginn ihr Frühstück ein. Manche, die eine Nachtschicht hinter sich hatten, gönnten sich noch einen Schlummertrunk. Kira suchte sich mit einem blauen Becher dampfenden Raktajinos in der einen und einer Schüssel Früchtemüsli in der anderen Hand einen freien Platz. Bashir hatte ihr am Vortag bereits eine kleine Predigt darüber gehalten, wie wichtig gesunde Ernährung während der Schwangerschaft war, und sie hatte ihm versprochen, das zu berücksichtigen.

„Guten Morgen, Nerys!“ Mit einem bestens gelaunten Grinsen setzte sich Jadzia Dax auf den freien Stuhl Kira gegenüber. Jeder andere hätte zuvor der Form halber nachgefragt, ob der Platz frei war, doch für die lebenslustige Trill waren solche Banalitäten freilich nicht von Bedeutung. Es war wohl gerade diese Unkompliziertheit, die sie an ihr schätzte. Jadzia widmete ihrem eigenen Frühstück, das ebenfalls Raktajino beinhaltete, jedoch keine große Aufmerksamkeit, sondern musterte die Bajoranerin neugierig.

„Was denn?“, fragte Kira leise lachend. „Habe ich einen Milchbart?“ Sie wischte sich vorsorglich über den Mund.

Dax schüttelte den Kopf und nippte nun doch an ihrer Tasse. „Unsinn. Ich wollte nur diesen Eindruck in mir aufnehmen. Du strahlst wie die bajoranische Sonne.“

„Och Jadzia, du übertreibst maßlos. Das ist so merkwürdig. Ich bin jetzt schon froh, wenn diese fünf Monate vorbei sind.“ Sie seufzte demonstrativ.

„Es ist nicht leicht schwanger zu sein, aber wunderschön und erfüllend. Da spreche ich aus Erfahrung, ich war schließlich schon mehrmals Mutter.“ Das schalkhafte Leuchten verschwand mit einem Mal aus den Augen der Trill und sie sah ihr Gegenüber ernst an. „Versuche die Erfahrung einfach zu genießen, aber gewöhne dich nicht zu sehr daran, sonst tut es am Ende furchtbar weh, wenn du das Baby hergeben musst.“

Kira rührte nachdenklich in ihrem Müsli, das aufgrund ihres mäßigen Appetits noch nicht viel weniger geworden war. „Ich weiß ja, dass er nicht mein Sohn ist, und dass er nach der Geburt wieder bei seinen Eltern leben wird. So sollte es sein, darauf bin ich vorbereitet.“

„Ich hoffe es wirklich für dich“, entgegnete Dax. Als eine Reaktion ihres Gegenübers ausblieb, widmete sie sich endlich ihrem Frühstück. Ihr Magen rumorte bereits vor Hunger.

Nach einer Weile des bedrückenden Schweigens ergriff die Bajoranerin ihr inzwischen leeres Geschirr, um es zurück in den Replikator zu stellen. „Ich sehe dich auf der Ops.“

Sie sehnte sich nach ein wenig Stille, um ihre Gedanken zu ordnen. Mit ihr im Turbolift stand ein bajoranischer Techniker, den sie vom Sehen kannte, und der sie ziemlich irritiert musterte. Sein Blick traf verblüffend genau das Chaos, das in ihrem Inneren vorherrschte. Sie bezweifelte, dass sie sich jemals wirklich an ihren Zustand gewöhnen würde, bis in ein paar Monaten alles wieder vorbei war. Vielleicht war das auch besser so. Selbst sie wusste, dass weit mehr dazu gehörte, Mutter zu sein, als nur ein Kind auf die Welt zu bringen. Ihre Aufgabe war lediglich, die Schwangerschaft zu Ende zu führen. Damit hatte es sich.
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