TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Antwort auf Deinen Ruf

von Heidi Peake

Kapitel 2

„Ich muss meinen Verstand verlieren!“ Deanna Troi hielt beide Hände gegen ihre Schläfen gepresst, in dem Versuch, das Innere ihres Kopfes daran zu hindern, zur Decke der Krankenstation hinauf zustürmen. „Entweder das, oder du hast mir gerade irgendetwas Illegales verabreicht.“

Dr. Beverly Crusher schenkte ihr ein verhaltenes Grinsen, als sie einen Finger auf ihre Lippen legte: „Shhh! Das bleibt unser Geheimnis, okay?“ Sie legte den Scanner, den sie für die Untersuchung von Deannas schmerzendem Kopf verwendet hatte, auf das Tablett zurück, bevor sie sich wieder ihrer Freundin zuwandte. „Genaugenommen hast du dir deinen Kopf an der Kante der Liege angestoßen, daher der Schmerz und die Verwirrung.“

Die Betazoidin blickte einen Moment in ehrlicher Überraschung auf.

„Und da gibt es all diese Philosophen, die darüber nachdenken, dass Schmerz und Verwirrung die Bürde der menschlichen Existenz sind, während sie alle die Zeit lediglich nicht aufgepasst haben, wo sie hintraten!“ erklärte sie.

Beverly verengte ihre Augen. „Nicht alle von ihnen“, flüsterte sie. „ein paar haben die Schmerzen auch dadurch verursacht, dass sie versucht haben, ihren Arzt zu veralbern.“

„Kannst du mir sagen, was genau passiert ist?“ fragte Deanna ernster.

„Ein Freund von mir hat es einmal passend ausgedrückt: Du hast gerade einen kurzen Ausflug zur Innenseite deines Kopfes hinter dir.“

Etwas an Beverlys humorvoll gedachter Bemerkung machte sie schaudern. Ein kurzer Ausflug zum Inneren ... nicht ihres Kopfes. Sie schüttelte ihren Kopf, um die Erinnerung zu unterdrücken. „Ich werde verrückt. Du wirst wahrscheinlich lachen. Aber als wir diese Kammer betraten, war ich ... nun, ich war davon überzeugt, dass der Schläfer mich angesehen hat!“ Sie versuchte ein Lachen, aber der Ausdruck auf Beverlys Gesicht ließ den Ansatz in ihrer Kehle ersticken. „Er war ...? Aber, wie ist das möglich?“

Beverly sah sich um, um sicherzugehen, dass sie momentan niemand in anderen Teilen der Krankenstation benötigte, dann setzte sie sich auf der Kante des Betts der Counselor nieder.

„Ich weiß es nicht“, gestand sie schließlich. „medizinisch gesprochen ..., sollte es nicht möglich sein.“

„Ist er ...“ Die Worte ‚am Leben‘ wollten nicht über ihre Lippen kommen. Sie wusste nur zu gut, dass er am Leben war. Sie konnte immer noch sein Atmen in ihrem Kopf hören. „ ... in Ordnung?“

„Das ist schwer zu sagen“, Beverly lachte ein wenig. „Ich denke, du bist die richtige Person, um das zu beantworten. Physisch gesehen geht es ihm gut. Die üblichen Symptome, wenn man aus dem Kälteschlaf erwacht, Desorientierung, Übelkeit. Ich bin ein wenig über den Allgemeinzustand seines Muskelgewebes besorgt. Trotz der Medikamente scheint er sich während der Stasis nur unzureichend entspannt zu haben. Einige Bereiche seines Körpers standen unter ständiger Anspannung. Ansonsten geht es ihm gut. Ein sehr angenehmer junger Mann, aus der Sicht einer Ärztin. Er tut, was ihm gesagt wird.“ Sie hob ihre Schultern, um einen unbelasteten Eindruck zu vermitteln, doch sie konnte nicht die Empathin täuschen. „Es ist nur ... was mit seinem Bewusstsein geschehen ist, kann ich nur zu erraten beginnen. Es existiert einfach keine medizinische Akte darüber, was mit einer Person passiert, die 50 bis 70 Jahre im Kälteschlaf verbracht hat – bei vollem Bewusstsein.“

„Ich weiß genau, was das dem Bewusstsein antut“, flüsterte Deanna, als der Schrecken der Erinnerung zurück kehrte. „Ich hatte das Privileg, dieses Wissen zu teilen ...“

Beverly platzierte ihre Hände auf den Schultern der Counselor, zog deren Kopf an ihre Schulter, als das Zittern die junge Frau überkam. Für einen Moment beschützte sie ihre Freundin auf die einzige Art, die ihr bekannt war – gegen das Äußere. Als das Zittern nachließ, nahm sie behutsam Abstand von ihr und versuchte ein kleines Lächeln. Zu ihrer Erleichterung reagierte Deanna.

„Es tut mir leid. Ich bin in Ordnung“, sie strich ein paar Haarsträhnen aus ihrem Gesicht, bevor sie fortfuhr. „Wissen wir ... was er dort getan hat? Oder wer er ist? Oder ... warum alle anderen tot sind?“

Beverly schüttelte ihren Kopf.

„Sie arbeiten daran. Der Notruf war mit einer Reihe von Nachrichten gekoppelt, wahrscheinlich mit der Absicht, dass Rettungsmannschaften erst einmal mit Informationen ausgestattet werden sollten, bevor diese fortfahren.“ Sie gab der Counselor einen freundschaftlichen Stüber auf die Schulter. „Sie haben offensichtlich nicht damit gerechnet, dass Miss Deanna Troi eine Abkürzung verwendet.“

„Und die Nachricht?“

„Ist so stark verstümmelt, dass nicht einmal Data irgendeinen sichtbaren Fortschritt macht. Er versucht, die erfolgversprechendsten Teile zusammenzusetzen, doch es wird eine Weile dauern“

„Kann ich ihn sehen?“ fragte Deanna plötzlich.

Beverly sah überrascht auf. „Data? ...“, dann erkannte sie, von wem ihre Freundin sprach. Sie legte die Stirn in nachdenkliche Falten. „Meinst du, du bist dem schon gewachsen?“

Deanna zog eine Grimasse. „Was glaubst du, wie viel schlimmer er in wachem Zustand sein könnte?“

Er war als Scherz gemeint gewesen, doch sie erkannte, dass diese Frage Beverly beinahe genauso ängstigte, wie es sie selbst tat.

Als sie schließlich an sein Bett trat, war das erste, was sie bemerkte, der Umstand, wie dünn er war, wie zerbrechlich. Wie konnte ein Geist wie der seine in einer solch zerbrechlichen Schale ruhen?

Dann bemerkte er seine Besucherin und wandte sich zu ihr um. Sie starrte in Augen von leuchtendem Grün, jedoch ohne Focus, ohne das Lichtspiel, das sogar in den dunkelsten Augen Leben anzeigte. Seine Augen öffneten sich direkt in sein Bewusstsein, und was sie dort sehen konnte, war ... nichts.

Plötzlich veränderte sich etwas, der Zugang wurde ihr sanft verwehrt. Das Lächeln begann in den Augen, schob die Dunkelheit beiseite, bis nichts mehr übrig blieb als das warme Glühen der Wiedererkennung, als sich sein Geist vorsichtig zu ihr tastete. Er berührte ihre innersten Gedanken so leicht, suchte vorsichtig, bis er die Erinnerung fand, nach der er gesucht hatte, dann zog er sich respektvoll zurück.

Sie öffnete ihm ihren Geist, geleitete seine Suche, dürstete nach der Berührung, die alle Wunden heilen würde. Als sie schließlich wieder die Kontrolle erlangte, blieb das Lächeln. Zögernd, eine Entschuldigung und ein Willkommen – und die Schrecken ihres Schlafs, der körperliche Schmerz, all das war ... gerechtfertigt.

Zitternd erwiderte sie seinen delikaten Händedruck.

„Es ist vorbei“, hörte sie sich selbst sagen. „Ich habe Ihren Ruf gehört.“

* * *


Stille herrschte an dem ovalen Tisch, an welchem die Senioroffiziere sich versammelt hatten. Captain Picard saß in seiner üblichen Haltung, seine Hände auf der Tischplatte vor sich gefaltet, momentan bildeten sie den Fokus seiner Konzentration, seine Gesichtszüge unlesbar als er den Berichten lauschte.

„Es ist ihnen also gelungen, vom Rest des Universums isoliert zu leben“, bemerkte er schließlich. „Und dafür haben sie mit ihrem Leben bezahlt.“

Was Commander Data bisher von der Puzzlearbeit mit der verstümmelten Botschaft in Erfahrung hatte bringen können, war, dass es tatsächlich einen Absturz des Zentralcomputers gegeben hatte. Die Gründe dafür waren bisher noch unklar, die Auswirkungen jedoch hatten sie alle gesehen. In einer so kleinen Kolonie, wie das auf Khamar der Fall war, hatte innerhalb von Tagen alles aufgehört zu funktionieren. Die Schockwellen hatten sich durch die Transportsysteme ausgebreitet, die medizinischen Einrichtungen, die Lebenserhaltung. Es konnte nicht lange gedauert haben, bis auch die Wasserversorgung betroffen war. Menschen können sich an erstaunenswert beschwerliche Umgebungen anpassen, wenn ihnen Zeit gegeben wird. Mit nur wenig natürlichen Ressourcen war Zeit das eine, das den Siedlern nicht zur Verfügung gestanden hatte.

Was ein Rätsel blieb, war der Umstand, dass sie nicht die verbleibende Energie genutzt hatten, um ein starkes SOS-Signal zu senden, sondern beinahe die Hälfte ihrer Ressourcen dazu verwendet hatten, um einen einzigen Mann im Kälteschlaf zu halten. Damit hatten sie die Reichweite ihres Notrufs auf einen Sektor beschränkt, der beinahe unbewohnt war.

Dazu kam, dass der Mann anscheinend in keiner Aufzeichnung erwähnt wurde.

„Also, warum unser Freund?“ Commander Riker sprach die offensichtliche Frage aus, und fokussierte damit jedermanns Aufmerksamkeit auf Counselor Troi.

Deanna hatte eine Haltung nicht unähnlich Picard angenommen. Als sie sich schließlich im Mittelpunkt des Interesses wiederfand, nickte sie mit dem Kopf, wie um sich selbst einen mentalen Stoß zu geben, während sie ihre Hände entfaltete. Schließlich blickte sie auf und schenkte der Runde an erwartungsvollen Gesichtern ein warmes Lächeln.

„Ich habe nicht die geringste Idee“, gestand sie.

Der Anblick all dieser Gesichter, die sich wie auf ein Kommando von immensem Interesse zu enttäuschter Überraschung verwandelten, brachte sie beinahe zum Kichern.

„Ich komme nicht zu ihm durch“, erklärte sie. „Er ist sehr gesprächig. Doch er schafft es, einen mit einer Menge von Details zu beschäftigen und erst nach der Unterhaltung bemerkt man, dass er immer noch nichts preisgegeben hat.“ Sie fühlte sich ein wenig albern, doch glücklicherweise kam Dr. Crusher zu ihrer Ehrenrettung.

„Mir ist es ähnlich ergangen“, gestand diese. „Er ist charmant, scheint an allem Interesse zu zeigen, sehr höflich. Ich habe mich dabei ertappt, dass ich eine gute Dreiviertelstunde ihm die Funktion einer Diagnose-Einheit erklärt habe, anstatt sie an ihm anzuwenden. Ich lasse mich nicht leicht ablenken, doch er macht es irgendwie schwierig ... mit den Gedanken bei der Arbeit zu bleiben ...“ Gegen Ende ihres Satzes wurde ihre Stimme leiser und leiser, als sie sah, wie ein anzügliches Grinsen auf Commander Rikers Gesicht entstand.

Sie tauschte einen raschen Blick mit Deanna aus. Sie wussten beide, was er nun sagen würde.

„Das hat natürlich nichts damit zu tun, dass unser kleiner Freund ziemlich ... hübsch ist?“ fragte er beiläufig.

Deanna schenkte ihm einen vernichtenden Blick über den Tisch hinweg.

„Genaugenommen“, hob sie mit Nachdruck an, „hat es etwas damit zu tun, dass wir es hier mit einem extrem mächtigen Empathen zu tun haben.“

„Sie denken, er manipuliert Sie?“ fragte Captain Picard rasch, darauf bedacht, die Diskussion wieder auf einen professionellen Level zurück zu bringen.

„Auf jeden Fall! Es hat mich einige Tage gekostet, um meine eigenen Gefühle von den seinen zu trennen!“

„Was ist seine Absicht?“

„Ich denke nicht, dass er eine hat, er tut es einfach.“ Sie seufzte und versuchte das in verständliche Worte zu kleiden, was sich erst langsam über den Zustand einer Vermutung in ihren eigenen Gedanken manifestierte. „Wenn ein Empath normalerweise diese Art von Kontakt eingeht ... dass er oder sie Emotionen verursacht anstatt sie nur zu empfangen, gibt es eine Art von Warnung, eine leichte Irritation zum Beispiel, ein Geräusch, irgendetwas. Es gibt verschiedene Anzeichen, doch die Betroffenen stimmen darin überein, dass sie etwas gespürt haben. Besonders wenn es sich dabei um einen anderen Empathen handelt. Mit ihm ... nun, es ist einfach schon im Raum. Er strengt sich nicht im Mindesten an. Wenn ich so etwas täte ...“

„Wollen Sie damit sagen, dass sie dazu fähig wären, Emotionen zu beeinflussen, Counselor?“ unterbrach der Captain sie überrascht.

Sie senkte ihren Kopf, fokussierte ihre Finger. „Wenn ich mich sehr stark konzentrierte, ja. Aber Sie würden es bemerken, ... ich würde nach ein paar Sekunden in kalten Schweiß ausbrechen. Es ist extrem schwer ... und, “ fügte sie rasch hinzu. „es wird als unethisch betrachtet und gebannt.“

Es verärgerte sie ein wenig, als sie so etwas wie Erleichterung auf dem Gesicht des Captains bemerkte. Nach all der Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, gab es wohl immer noch Raum für Zweifel. Sie atmete tief durch, bevor sie ihre neuste Entdeckung mit den anderen teilte.

„Ich vermute auch, dass er ein Telepath ist.“

Zu Commander Rikers großer Belustigung schienen beide Frauen eher verlegen denn überrascht durch diese Information.

„Bislang ist das nur eine Vermutung“, fügte die Counselor hinzu. „Er hat sich noch durch nichts verraten ... aber die Hälfte der Zeit scheint er schon zu wissen, was ich sagen möchte. Vielleicht fällt es ihm deswegen so leicht, sich Ausweichantworten auszudenken.“

Captain Picard schüttelte seinen Kopf mit einem nachdenklichen Ausdruck.

„Das ergibt nicht viel Sinn“, gestand er. „Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, dass sich Empathen oder gar Telepathen unter den Siedlern von Khamar befunden hätten. Sie waren einfach, gottesfürchtig, hartarbeitend, und gänzlich menschlich. Wir Menschen sind nicht für extreme mentale Fähigkeiten bekannt.“

Er ließ seine Augen über die anwesenden Offiziere wandern. „Da es ihm gut genug geht, um die Krankenstation zu verlassen, sehe ich wenig Veranlassung, ihn dort festzusetzen. Doch ich wünsche beschränkten Zugang für unseren Gast und eine persönliche Aufsicht durch die Sicherheit, bis wir wissen mit wem – oder was – wir es hier zu tun haben.“ Er erhob sich und gab damit das Signal zum Ende der Konferenz. „In der Zwischenzeit werden Commander Data und Counselor Troi ihre Arbeit fortführen. Informieren Sie mich, sobald Sie etwas Neues gefunden haben. Das wäre alles.“

Als sie sich erhoben und sich daran machten, den Bereitschaftsraum zu verlassen, kam Deanna kurzzeitig der Gedanke, dass die Sicherheitsoffiziere nicht viel nützen würden.

Es war nicht ihr Gedanke gewesen.

* * *


„Wie viel von der Besprechung haben Sie mitbekommen?“

Die Betazoidin stand im Türrahmen, ihre Arme über der Brust verschränkt und sie versuchte ihr bestmögliches, um zumindest ärgerlich zu wirken, wenn autoritär schon nicht funktionierte.

Er blickte in gespielter Überraschung zu ihr auf. Für einen Augenblick gelang es ihm realistisch Verletzung zu projizieren, dann verriet ihn das leichte Zucken des Mundwinkels.

„Genug“, bemerkte er lediglich. Selbst bei diesem einen Wort gelang es ihm, jeden einzelnen Buchstaben zu verwischen, bis sie miteinander verschmolzen und etwas anderes bedeuteten.

Während es ihr allmählich gelang, ihr Bewusstsein von den stärksten seiner mentalen Eindring-Versuche abzublocken, packte seine Stimme sie doch jedes Mal wieder. Während sie den kurzen Schauder, der sich über ihren Rücken ausgebreitet hatte, abschüttelte, drückte sie sich vom Türrahmen ab und betrat den Raum.

„Haben sie Ihnen nicht beigebracht, dass es als unhöflich erachtet wird, andere Leute zu belauschen?“ fragte sie ein wenig amüsiert.

„Haben sie Ihnen nicht beigebracht, dass es unhöflich ist, über andere Leute hinter deren Rücken zu sprechen?“ konterte er augenblicklich.

Für einen Augenblick starrte sie ihn an, dann begann sie zu lachen.

„In Ordnung, diese Runde geht an Sie. Doch ich hoffe, Sie sehen es selbst ein, dass wir nicht so viel über Sie sprechen müssten, wenn Sie uns mehr Information geben würden.“

Sie setzte sich auf einen Stuhl, von dem sie annahm, dass er sich in einem sicheren Abstand befand. Sicher vor was, war sie sich nicht ganz im Klaren.

„Was für Information?“ fragte er unschuldig.

„Zum Beispiel, wie Sie heißen.“

„Mein Name ist irrelevant.“

„Das ist ein seltsamer Name, den eine Mutter ihrem kleinen Jungen gibt, finden Sie nicht auch?“

Dieses Mal war es an ihm, überrascht aufzusehen.

Deanna lachte warm. „Wie das? Ich habe etwas gesagt, dass Sie nicht erwartet haben. Entweder lassen Ihre Kräfte Sie im Stich, oder Sie beginnen sich langsam an das zu halten, was ich über die Privatsphäre anderer Leute gesagt habe.“

Seine Antwort sandte Schauer über ihren Rücken. „Wenn das Ihnen so viel bedeutet, dann werde ich nicht mehr in Ihren Geist eindringen, Deanna. Auch wenn es ein sehr schöner Ort zum Verweilen ist.“

Sie hob eine fragende Augenbraue, doch er ignorierte die Geste. Ihr kam der Gedanke, dass sie keine Möglichkeit hatte, herauszufinden, ob er die Wahrheit sprach. Dem folgte die Erkenntnis, dass es keinen Unterschied machen würde, ob er es tat oder nicht. Es gab einfach nichts, dass sie ihm entgegensetzen konnte.

„Wir müssen Sie irgendwie nennen“, sagte sie sanft.

Er blickte sie an, und für einen unbewachten Moment flackerte purer Hass in seinen Augen. „Warum nennen Sie mich nicht so, wie es alle anderen getan haben“, entgegnete er scharf, dann hatte er sich selbst wieder unter Kontrolle und fuhr ruhiger fort: „Freak! Nett, kurz und leicht zu merken.“

‚Keine Aufzeichnungen von Empathen oder gar Telepathen unter den Siedlern‘, kehrten die Worte des Captains zurück, als sich in ihr ein Bild zu formen begann.

„Ihre Eltern ...“, sie wählte ihre Formulierungen vorsichtig, „haben Ihre Begabung nicht geteilt?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, so war es auf gewisse Weise nur konsequent, dass er nicht antwortete.

Sie wusste nicht, wie sie das Schweigen deuten sollte, doch sie beschloss, fortzufahren. Er konnte nicht mehr tun als sie weiterhin zu ignorieren. „Wie haben sie es herausgefunden?“

Diese Mal erhielt sie eine Antwort. Er grinste hinterlistig. „Wahrscheinlich als ich begann, mein Frühstück zu essen ohne die Gabel zu berühren.“

Sie war sich nicht sicher, wie ernst er es meinte, doch sie beschloss, seine Bemerkung wörtlich zu nehmen.

„Was haben Sie dabei gefühlt?“

Er zuckte mit den Schultern.

„Sie wissen, wie Kinder sind. Ich dachte, jeder könne das, doch dass es ihnen einfach zu langweilig geworden wäre.“

Für einen Augenblick glaubte sie einen kurzen Blick auf den Mann werfen zu können, der er war, nicht auf den, den er versuchte vorzustellen. Ein kleiner Junge, der sicher war, einer von vielen zu sein, probierte sein neues Spielzeug aus, untersuchte die Gedanken derjenigen um ihn herum, nur um langsam aber sicher zu erkennen, dass es in seinem kleinen Universum keine zweite Person gab, die das tun konnte, was er zu tun imstande war.

Sie erinnerte sich an ihre eigene Angst, als sie eines Morgens aufgewacht war, um festzustellen, dass die Empfindungen, die sie erlebte, nicht ihre eigenen waren.

Doch es hatte andere gegeben, die ihr geholfen hatten, die ihr alles erklärt hatten.

Sie hatte Glück gehabt.

Wie hätte es sich angefühlt, wenn es niemanden gegeben hätte, an den sie sich hätte wenden können?

Trotz ihrer Vorsicht, Abstand zu halten, lehnte sie sich impulsiv nach vorne und legte ihre Hand auf die seine.

„Es muss schwierig für Sie gewesen sein“, sagte sie.

Er lachte. Es war kein angenehmes Geräusch.

„Für mich? Nein, ich wusste, dass mit mir alles in Ordnung war! Es waren die anderen, die Probleme hatten.“ Er sah sie direkt an, und sie realisierte plötzlich, dass er tatsächlich ihr Bewusstsein verlassen hatte. Sie konnte seinen Ausdruck nicht mehr lesen. Ein Teil von ihr wünschte ihn sehnsüchtig zurück.

„Es ist immer einfach, der Freak zu sein, meinen Sie nicht auch? Man hat nicht mehr länger eine Wahl, also können die Fehler nur von den anderen gemacht werden.“ Als der Kontakt wiederhergestellt wurde, war es eine Erleichterung. Sie ließ sich selbst willig in die Umarmung seines Geistes sinken. „Wie hat es sich vorhin angefühlt, Deanna? Wie hat es sich angefühlt, als Ihre Freunde das Monster sahen, dass Sie wirklich sind?“

Sie warf ihren Kopf zurück, bekämpfte das Gefühl des Fallens.

„Sie glauben nicht, dass ich ein Monster bin“, verteidigte sie sich schwach.

„Doch sie haben Angst, dass Sie etwas mit ihren wertvollen, kleinen Gehirnen anstellen könnten.“

„Ich bin nur eine schwache Empathin, sie wissen das ...“

„Schwach oder stark, was macht das für einen Unterschied? Das einzige, das zählt, ist der Unterschied!“ Er legte eine bleiche Hand unter ihr Kinn und hob es sanft an. Es war das erste Mal, dass irgendeine Form von physischem Kontakt von ihm ausging, und die Erfahrung war berauschend. Ohne Zweifel eine weitere Manipulation, doch im Augenblick war ihr das gleichgültig. Sie wollte lediglich, dass das Gefühl nicht endete.

„Sie sind anders“, flüsterte seine Stimme, „Sie haben meinen Ruf gehört. Sie sind wie ich.“

Unwillig drehte sie ihren Kopf, um sich aus seiner Berührung zu befreien. Sie schnappte nach Luft. „Ich bin nicht wie Sie. Ich beginne nicht einmal zu begreifen, was Sie sind“, sagte sie.

Der plötzliche Schmerz in seinen Augen war real, und es war keine geistige Verstärkung notwendig, um ihn zu erkennen. Doch sie waren immer noch verbunden. Das Gefühl des Fallens übermannte sie. Für einen Augenblick stolperte sie wieder durch die Dunkelheit und die Kälte, die nicht der Kälteschlafkammer entstammte, sondern seinem Geist. Einen kurzen Moment teilte sie alles mit ihm, jeden Tag, jede Stunde des Alleinseins. Der physische Aufprall rüttelte sie auf, als sie gegen seine Schulter fiel. Die Schnelligkeit, mit welcher er sein Bewusstsein zurückzog, verursachte einen seltsamen stechenden Schmerz. Als der Nebel sich vor ihren Augen klärte, fand sie sich halb in seinen Armen wieder, seine Hand umklammert. Er streichelte ihr Haar, versuchte sie zu beruhigen.

„Es tut mir leid. Es tut mir so leid. Ich wollte nicht ...“

Sorgsam stellte sie ihr Gleichgewicht wieder her, sie zog sich von seinen Armen zurück, ließ seine Hand los.

Sie versuchte ein Lächeln. Es gelang ihr beinahe.

„Es ist in Ordnung. Ich ... werde mich irgendwann daran gewöhnen.“

Die Erfahrung hatte dort einen Eisklumpen hinterlassen, wo ihr Herz hätte sein sollen. Es erschwerte das Atmen enorm. Sie blickte auf und sah die Besorgnis in seinen Augen. Er wirkte so unendlich hilflos. Alles, was sie wollte, war seinem Schmerz ein Ende zu bereiten. Doch die Dunkelheit im Mittelpunkt seines Seins drohte ihn weit außerhalb ihrer Reichweite zu stoßen.

„Es gibt ... andere.“ Sie versuchte zu sprechen, doch ihr Hals schmerzte. „Leute, die wirklich wie Sie sind. Es ist eine Fähigkeit, die bei einigen Rassen sehr häufig anzutreffen ist ...“

„Doch nicht in meiner.“ Es war beinahe eine Frage.

Sie presste ihre Lippen zusammen.

„Nein, nicht in Ihrer. Es geschieht äußerst selten bei Ihrem Volk. Daher fanden sie es so schwer zu akzeptieren. Doch an anderen Orten ... auf Betazed, wo ich herstamme, würde man Sie nicht einmal bemerken.“

Es war eine gut gemeinte Lüge, das wusste sie. Doch es war nicht nötig, ihn jetzt mit dem wahren Ausmaß seiner Fähigkeiten zu konfrontieren. Was er mehr als alles andere brauchte, war ein Zugehörigkeitsgefühl. Er betrachtete sie mit einer Mischung aus Besorgnis und Sehnsucht.

„Und Sie werden mir diese Leute zeigen?“ fragte er zögernd.

Nun hatte sie ihr professionelles Lächeln wiedergefunden.

„Ja“, sagte sie mit Nachdruck. „Ich werde Sie an einen Ort bringen, wo man versteht, wer Sie sind. Sie werden Ihnen helfen, mit sich ins Reine zu kommen, und Ihnen zeigen, was Sie alles vermögen.“

Ihr Lächeln war fest, als sie ihn anblickte.

‚Wenn es dafür nicht schon zu spät ist.‘
Rezensionen