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Antwort auf Deinen Ruf

von Heidi Peake

Kapitel 3

„Eine Warnung?“

Alle Augen fokussierten sich auf Commander Data. Er legte den Kopf auf eine Seite und warf einen weiteren Blick auf sein PADD.

„Ja, es ist definitiv eine Warnung. Die Siedler waren sehr eindeutig in diesem Punkt. Die Tür sollte unter keinen Umständen geöffnet werden, bevor nicht Vorkehrungen getroffen worden sind.“

„Was für Vorkehrungen?“ verlangte der Captain zu wissen.

„Das, Sir, kann ich nicht sagen. Es scheint, dass diese Information in den beschädigten Teilen enthalten war.“

„Vorkehrungen für oder gegen was?“ Commander Riker gestikulierte vage mit der Hand.

„Vorkehrungen gegen Andersartigkeit.“ Deanna Trois Worte überraschten sie selbst. Alles begann langsam und schrecklich einen Sinn zu ergeben.

„Könnten Sie das näher erklären, Counselor?“ verlangte der Captain.

„Es gab in der Tat kein Auftreten von Telepathie oder einer anderen Art von mentalen Fähigkeiten unter den Siedlern. Und plötzlich fanden sie diesen Jungen in ihrer Mitte, der alles konnte: ihre Gedanken lesen, ihre Emotionen, sie das denken lassen, was er wollte, vielleicht sie sogar das tun lassen konnte, was er wollte. Er muss ihnen eine ungeheure Angst eingejagt haben.“

„Aber wie ist das möglich?“

„Ich denke, er ist das, was sie ihn nannten: Ein Freak.“ Dr. Crusher zuckte mit den Schultern. „die eine unter einer Zehn Million genetischen Mutationen, die latente psychische Kräfte zur Ausbildung bringt. Ich haben Anzeichen von genetischer Verdopplung bei ihm gefunden, doch das hat ihm körperlich nicht geschadet.“

„Das würde den zweiten Teil der Botschaft erklären“, fuhr Commander Data fort. „Es scheint, dass die Siedler ihn für das verantwortlich machen, was mit dem Computer passiert ist.“

Der Captain hob eine Augenbraue. „Das ist eine ziemliche Beschuldigung, die sie einer Person auf die Schultern gelegt haben.“

„Unter gottesfürchtigen Völkern“, äußerte Beverly ihre Gedanken laut. „gibt es in der Regel zwei Möglichkeiten auf Andersartigkeit zu reagieren: Man hält es für näher an Gott als man selbst ist, oder für weiter von ihm entfernt.“ Sie sah die anderen an und hob beinahe entschuldigend ihre Schultern. „‘Näher‘ schien keine Option für die Siedler gewesen zu sein.“

„Vielleicht hat er ihnen einen Grund dafür gegeben, das zu glauben“, vermutete Deanna.

Unter den überraschten Blicken der anderen versuchte sie zu erklären. „Ich empfange eine gewisse Verachtung von ihm, wann immer er über die anderen spricht. Er hat sich sehr früh mit seiner Rolle als Freak abgefunden und sich als sehr verschieden von allen anderen wahrgenommen, seine Eltern eingeschlossen. Er sagte etwas Interessantes darüber, dass dieser Umstand ihm keine wirkliche Wahl mehr gelassen hätte. Was immer in seinem Verhältnis mit den anderen schief ging, konnte er somit auf deren ungenügendes Einfühlungsvermögen schieben. Es ist aber auch sehr schwer, jemandem nahe zu kommen, der jede versteckte Angst lesen kann ...“ Die Erinnerung an seinen Schmerz im Angesicht ihrer Zurückweisung überflutete ihr Bewusstsein. Sie erschauderte. „Die Frage ist“, fuhr sie schließlich fort“, wie er mit den Kräften umgegangen ist, die sich in ihm entwickelt haben.“

„Wie gehen Sie damit um?“ fragte der Captain, eine vernünftige Frage natürlich für jemanden, der keine Erfahrung in psychischer Weiterentwicklung hatte. Doch aus gewissen Gründen ärgerte sie die Frage. Einmal mehr fühlte sie sich selbst auf der einen Seite eines Trennstrichs, der begann, sie von jedem zu trennen, den sie als Freund betrachtet hatte.

„Wie bei allen Fähigkeiten, brauchen auch psychische Fähigkeiten Nahrung, Führung, Praxis. Selbst unter meinem Volk, wo es genetisch verankert ist, manifestieren sich die Fähigkeiten nicht von Geburt an, sondern entwickeln sich, wenn man älter wird. Oft fällt es mit der Pubertät zusammen. Während man also damit zurechtkommen muss, wer man eigentlich ist, hat man auch noch das Problem, wessen Gedanken man gerade denkt. Ohne die Hilfe der Erwachsenen kann das eine sehr anstrengende Prozedur sein. Ich hatte Glück, dass ich meine Eltern hatte.“

„... und er hatte niemanden, der ihm helfen konnte“, schloss Beverly für sie.

Deanna betrachtete sie mit einem traurigen Lächeln.

„Bevor er mich traf, Beverly, wusste er wahrscheinlich nicht einmal, dass es noch andere wie ihn in diesem Universum gibt.“

„Und was glauben Sie, wie er darauf reagiert hat?“ kehrte Captain Picard zur eigentlichen Frage zurück.

Deanna zuckte mit den Schultern. „Es gibt nur zwei Möglichkeiten, mit so etwas umzugehen“, entschied sie. „entweder lernt man selbst, es zu kontrollieren, oder man wird wahnsinnig.“

Die Stille, die dem folgte, wurde nur zögernd von Commander Riker unterbrochen.

„Und welchen Weg hat er eingeschlagen?“

Sie schüttelte ihren Kopf.

„Ich will ehrlich sein. Ich weiß es nicht. Er scheint die meiste Zeit vollkommen ruhig und vernünftig zu sein. Aber ... es ist etwas ... in ihm. Da ist ...“ Sie vollführte eine hilflose Geste, als einmal mehr Worte nicht genug waren. „Da ist ein Teil von ihm, der sich immer noch in der Kammer befindet. In welcher Verfassung er sich auch immer befunden hatte, bevor sie ihn teilweise eingefroren haben ... So lange alleine und bei Bewusstsein zu sein ... kein Gehirn kann das unberührt überstanden haben.“ Sie atmete tief durch, bevor sie fortfuhr. „Wessen ich mir nicht sicher bin, ist, ob es sich dabei um eine vorübergehende Verwirrung handelt, verursacht durch das traumatische Erlebnis – oder um etwas Tiefergehendes.“

„Können Sie das herausfinden?“

„Ich hoffe es.“

Commander Riker seufzte und versuchte, die Information zusammenzufassen: „Unser Gast besitzt also übermenschliche Talente, benimmt sich deswegen vielleicht sehr merkwürdig, ist eventuell in keiner Weise kooperativ – Als also der Computer und die Lebenserhaltung explodierte, entschieden sie natürlich, dass es der Freak war.“ Er blickte zu seinen Kollegen und Freunden auf. „Warum um alles in der Welt haben sie dann einen solchen Aufwand betrieben, ihn am Leben zu halten, während alle anderen dahinvegetiert sind? Ich würde doch annehmen, dass er der erste gewesen wäre, den sie gegessen hätten!“

Niemand hatte darauf eine Antwort.

* * *


Der Schmerz, den sie fühlte, war real, verursacht durch körperliche Unannehmlichkeit und sehr einfach in der Struktur. Als sie um die Ecke bog, war sie nicht wirklich überrascht, den Sicherheitsoffizier vorzufinden, wie er sich den Hals hielt. Er richtete sich bei ihrer Ankunft auf, doch er litt offensichtlich unter starken Kopfschmerzen.

Deanna holte Luft, blockte ihre Gedanken von der Welle an frustriertem Ärger, der ihr zur zweiten Natur wurde, wenn immer sie diese Räume betrat, und versuchte, dem Offizier ein ermutigendes Lächeln zu schenken.

„Kopfschmerzen? Ich bin sicher, das geht gleich vorüber“, bemerkte sie freundlich. ‚Ansonsten drehe ich ihm den Hals um.‘

Sie lächelte immer noch, als der Offizier beiseitetrat und sie die Tür öffnen ließ. Sie lächelte, als sie ihren Kopf zum Gruß neigte, sie lächelte, als sie den Raum betrat und sich dem Mann zuwandte, der bequem auf einem Sofa ruhte. Dann hörte sie den Türmechanismus einrasten. Das Lächeln verschwand auf der Stelle.

„Hören Sie sofort damit auf!“ forderte sie ärgerlich.

Er hob seinen Kopf, um sie anzusehen. Kein Zeichen von Emotion in dem bleichen Gesicht, nur ein leichtes Zittern der Lippen.

„Er stört mich“, erklärte er kalt.

„Er macht nur seinen Job.“

„Der Löwenbändiger?“

„Es ist nicht so ...“

„Warum versuchen diese Offiziere dann, mich daran zu hindern, den Raum zu verlassen?“

Deanna senkte ihren Kopf. Sie konnte nicht feststellen, ob er momentan ihre Gedanken las oder nicht. Sie fühlte sich unwohl und allein, also entschied sie, dass er wohl nicht bei ihr war, und versuchte es mit einer Lüge.

„Es ist für Ihre eigene Sicherheit. Sie waren für sehr lange Zeit in einer sehr schwierigen Lage. Dr. Crusher ist zufrieden mit dem Fortschritt, den Sie machen, doch selbst sie kann nicht genau sagen, wie stark Sie vielleicht betroffen worden sind. Sie macht sich Sorgen um die Muskelanspannung. Sie sind immer noch schwach ...“

„Dr. Crusher ist eine wunderschöne Person“, unterbrach er sie mit einem herausfordernden Lächeln. „Sie ist die einzige, die ich bisher getroffen habe, die sich wirklich darum sorgt, was mit mir passiert.“

Es war ihr klar, dass er versuchte, sie zu provozieren, doch trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sie in die Defensive ging.

„Ich sorge mich ...“

„Sie ist ebenfalls“, fuhr er unberührt fort, „eine weitaus bessere Lügnerin als Sie.“

Der Atem, mit dem sie ihre Verteidigung in Worte kleiden wollte, entfloh in einem Seufzen. „Ich lüge nicht oft“, erklärte sie, während sie sich ein wenig dumm vorkam. „Ich bekomme nicht viel Übung darin.“

„Warum lügen Sie mich an?“

„Weil Sie uns immer noch nichts über sich selbst erzählt haben, das uns helfen könnte, Sie zu verstehen. Wir wissen immer noch nicht, wer Sie sind ...“ Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er erleichtert war, wenn immer sie etwas in dieser Richtung äußerte. „Auf diesem Raumschiff leben 1000 Personen. Es ist einfach sinnlos, wenn Sie mit allen gleichzeitig zusammentreffen.“

Er erhob sich mit eine fließenden Bewegung vom Sofa und tat einen Schritt auf sie zu.

„Das habe ich schon.“ Für einen kurzen Moment schien er sich beinahe zu fürchten. „1000, hm? Das erklärt vieles. Ich hatte ziemliche Probleme das Geschnatter auszuschalten.“

Deanna starrte ihn an, als er näher kam.

„Wollen Sie damit sagen, dass Sie allen Gedanken gleichzeitig zugehört haben?“ Die Schwere dieser Vermutung ließ sie sprachlos.

Er hatte sie jetzt beinahe erreicht. Erst aus der Nähe bemerkte sie das leichte Zittern, das seinen gesamten Körper ergriffen zu haben schien. Er bewegte sich nicht oft in ihrer Gegenwart. Sie hatte niemals einen Grund gehabt, Beverlys Sorgen um seinen Gesundheitszustand zu teilen. Doch von so nah wurde es offensichtlich, dass er sich selbst nur mit größter Anstrengung aufrecht hielt. Die Empörung, die sie über seine Verletzung der Privatsphäre in einer solchen Größenordnung verspürt hatte, machte sofort Platz für Besorgnis. Impulsiv streckte sie einen Arm aus, um ihn zu stützen. Er sah sie erst überrascht an, dann kehrte das Lächeln zurück.

„Glauben Sie, es ist interessant, in all diesen Gehirnen herumzuschnüffeln?“ Er ließ zu, dass sie ihn zum Sofa zurück führte, amüsiert durch ihre Sorge, doch auch ein wenig geschmeichelt. „Ich werde Sie in ein Geheimnis einweihen, Deanna. Leute, besonders Menschen, verwenden 90 % ihrer Zeit, um über nichts nachzudenken. Und der Großteil der anderen 10 % ist ebenfalls nicht besonders spannend. All diese Angst wegen des Gedankenlesens ... es gibt nur wenige Dinge, die langweiliger sind, als herauszufinden, wie viel Sand in den durchschnittlichen menschlichen Kopf passt!“ Er ließ ein verächtliches Schnauben hören. „Wenn die Leute an nichts denken, ergibt das ein Geräusch. Wie eine statische Störung.“ Er lehnte sich vor und starrte wieder direkt in ihre Augen. „Stellen Sie sich vor, in einem Raum voller Menschen zu sein und hundert verschiedene Versionen von ccccrrrkrkrkrkrkckrckrck zu hören!“

Sie zuckte unwillkürlich zurück, was ihn zum Lachen veranlasste.

„Unangenehm? Um ehrlich zu sein, es kann einen wahnsinnig machen.“ Er neigte seinen Kopf und betrachtete für einen Moment seine Finger, „wenn man nicht lernt, es zu kontrollieren.“

Das Zittern hatte zugenommen. Einmal mehr warf Deanna alle Vorsicht über Bord und griff nach seinen Händen, beschützte sie in ihren eigenen, versuchte, das Zittern zu beruhigen.

„Vielleicht sollten Sie Dr. Crusher aufsuchen. Sie sehen nicht gut aus ...“ Sie versuchte, ihn dazu zu bringen, sie anzusehen, doch zum ersten Mal mied er ihre Augen. Vorsichtig ließ sie eine seiner Hände los, legte ihre Finger auf seine Wange und zwang seinen Kopf sanft zurück. Seine Angst drückte augenblicklich auf ihren Geist. Sie fühlte eine Welle von Übelkeit in ihrem Kopf, als sie rückwärts taumelte.

„Ich möchte Sie nicht verletzen“, hörte sie seine leise Stimme. „Bitte zwingen Sie mich nicht, Ihnen weh zu tun.“

Langsam realisierte sie, dass er immer noch nicht in ihrem Geist war. Was sie gerade erfuhr war nur ein Bruchteil der Gefühle, die an der Oberfläche seiner Qual lagen. Sie hatte sich dem unbewusst geöffnet und nun fand sie es beinahe unmöglich, die Verbindung zu unterbrechen. Es war ein Gefühl von Heimkehr in der Berührung seines Geistes, nach dem sie sich verzehrte, ein Gefühl der Zugehörigkeit.

In der Abwesenheit dieser Anwesenheit hielt sie sich an seinem Körper, nur schwach bewusst, dass es an der Tür summte.

Einer der Sicherheitsoffiziere kam in den Raum.

„Ich habe ein Geräusch gehört ...“, begann er.

In diesem Augenblick wandte er sich heftig zu dem Offizier um, eine Welle von Hass bildete sich in seinem Inneren und drohte, Deanna zu ertränken.

„Was!“ rief er aus.

Mit schreckensgeweiteten Augen sah Deanna, wie sich der Hass zusammenklumpte wie eine Faust und den Sicherheitsoffizier in der Brust traf. Der Aufprall hob den Mann von seinen Füßen und warf ihn gegen die Wand, wo er sich in einen wimmernden Ball zusammenrollte.

„Nein!“

Ihr Schrei brach seine Konzentration. Der Offizier sackte in einem bewegungslosen Haufen zusammen. In völliger Ungläubigkeit drehte sie sich um und starrte die zerbrechliche Kreatur vor sich an. Er schien nicht einmal von der geistigen Anstrengung berührt worden zu sein.

Die zweite Wache erschien nun im Türrahmen. Nach einem kurzen Blick auf die Counselor und seinen Kollegen, berührte er sein Intercom.

„Sicherheit an die Krankenstation. Wir brauchen ärztliche Hilfe. Es hat einen ...“ Er warf der schmalen Figur an Counselor Trois Seite einen Blick zu. Er schien nur ein wenig interessiert an dem Grad an Aufregung, die er verursacht hatte, nichts weiter. „Es hat einen Unfall gegeben.“

* * *


Dr. Crusher räusperte sich.

„Er wird sich nicht erholen, wenn er sich nicht vollständig auf seinen Körper konzentrieren kann. Und er kann das nicht tun, wenn er ununterbrochen die Gedanken anderer Leute blockieren muss.“

„Mit allem nötigen Respekt, Doktor.“ Lt. Worf erhob sich von seinem Stuhl und lehnte sich über den Tisch. „In seinem unkonzentrierten Zustand hat dieser Mann beinahe einen meiner Leute getötet. Und er hat ihn nicht einmal berührt!“ Seine Augen blitzten bei diesem Gedanken. „Ich kann nicht zustimmen, dass es im Interesse des Schiffs liegt, seine Gesundheit wieder herzustellen!“

Beverly hob eine Hand in abwehrender Haltung.

Ich spreche als Ärztin. Meine einzige Sorge gilt der Gesundheit meines Patienten. Die Sicherheit des Schiffs ist Ihre Aufgabe.“

„Das ist sie in der Tat, und ich schlage vor, dass wir dieses ... Ding ... in Ketten legen ...“

„Und dann was“, fragte Commander Riker eisig. „Sollen wir beobachten, was er durch ein Energiefeld hindurch alles anstellen kann? Ich lege ehrlich gesagt keinen Wert darauf.“

„Er hat ungenügende Kontrolle über seine Kräfte. Und sein schlechter Gesundheitszustand hilft dem Umstand nicht gerade.“ Die Ärztin versuchte, ihren Standpunkt zu verdeutlichen. „Es ist mir bewusst, was passiert ist, und ich bin mir des Risikos bewusst, das er darstellt. Doch ich bin mir sicher, dass dieser unglückliche Unfall teilweise durch seine physischen Probleme verursacht wurde. Er kann sich nicht genügend auf das konzentrieren, was er tut ...“

„Es tut mir leid, Doctor“, unterbrach Datas ruhige Stimme sie, „aber ich glaube, dass sie im Irrtum sind, wenn Sie annehmen, dass es sich um einen Unfall handelt.“ Er hatte augenblicklich jedermanns Aufmerksamkeit. Nachdem er rasch ein Padd befragt hatte, fuhr er fort: „Es ist mir gelungen, den Großteil der Nachricht zu entschlüsseln. Es wird offensichtlich, dass die Siedler ihn nicht einfach für den Computerausfall verantwortlich machten. Sie hatten in der Tat Beweise dafür, dass er das System absichtlich zerstört hat, um alle umzubringen. Unfähig, zum System selbst vorzudringen, scheint es ihm gelungen zu sein, die Kontrolle über einige der Ingenieure zu erhalten. Dann hat er durch ihre Hände die Explosionen ausgelöst.

„Das hört sich für mich an wie noch mehr hysterische Reaktion auf einen natürlichen Ausfall, muss ich zugeben“, bemerkte Commander Riker.

„In der Tat, Sir. Jedoch scheint sich unser Gast zu diesem Zeitpunkt schon in einer Art von Gefängnis befunden zu haben für den Mord an der geistlichen und wissenschaftlichen Führung der Gemeinschaft. Es ist hier beschrieben, dass er den Mann aus einiger Entfernung emporgehoben und ihn eine Treppe hinab gestoßen haben soll, woraufhin dieser sich das Genick brach. Diese Beschreibung hat Ähnlichkeiten zu den Geschehnissen hier.“

„Wie konnten sie ihn gefangen setzen? Uns scheint das ja nicht zu gelingen.“

„Ich bin mir nicht ganz sicher, aber es scheint, dass das Gebäude, in welchem wir ihn gefunden haben, von der Gemeinschaft über mehrere Monate hin gebaut wurde, mit dem ausdrücklichen Ziel, ein Gefängnis für ihn zu bilden. Die Mineralien im Gestein, die unsere Sensoren behindert haben, sollten seine mentalen Kräfte einschränken.“

„Das klingt immer noch wie abergläubischer Blödsinn für mich. Wenn er so gefährlich war, warum haben sie ihn dann nicht einfach getötet?“

„Darüber gibt es keine Information, Sir.“

„Wir sprechen jetzt also nicht mehr über einen Unfall, den er vielleicht verursacht hat, sondern über die absichtliche Auslöschung einer gesamten Kolonie. Er müsste ganz schön geistesgestört sein, um das zu tun!“

Jeder schien das als Stichwort zu nehmen, um sich zu Counselor Troi umzuwenden. Seit Beginn der Diskussion hatte sie geschwiegen, war in ihren eigenen Gedanken versunken gewesen, hatte nur von Zeit zu Zeit die verschränkten Finger vor sich bewegt. Auch jetzt reagierte sie nicht, bis der Captain sie ansprach.

„Haben Sie sich ein Urteil über unseren problematischen kleinen Freund gebildet?“ wollte er wissen.

Als sie aufblickte, war der Schmerz nur zu deutlich in ihrem Gesicht zu lesen.

„Ich habe viel Zeit mit ihm zugebracht“, begann sie leise, als ob sie ihre Gedanken ordnete. „Ich bin ihm mehrmals nah gekommen. Sehr nah. Es ist mir gelungen, durch seine äußere Maske zu brechen, und zeitweise öffnete er sich selbst ein wenig. Ich glaube, ich sollte genug gelernt haben, um Ihnen einen Ratschlag zu geben, wie mit ihm verfahren werden soll. Unglücklicherweise gibt es zwei Seiten dieser Geschichte – und ebenfalls in meinen Reaktionen ihm gegenüber.“ Sie schwieg für einen Augenblick und sah sich hilflos um. In Beverlys Blick fand sie Beruhigung, so blieb sie dort für eine Weile und beantwortete die unausgesprochene Frage der anderen Frau mit einem leichten Kopfschütteln

„Das private Ich, die menschliche Seite, sagt mir, dass dieser Mann mehr erlitten hat, als jeder von uns sich vorstellen kann. Er war sein gesamtes Leben ein Ausgestoßener, gefürchtet, missbraucht, als Freak aus der einzigen Gemeinschaft ausgestoßen, die er kannte, die einzige Gemeinschaft, die er erreichen konnte. Er hatte nicht einmal die Chance, sie zu verlassen, denn auf Khamar gab es keinen anderen Ort. Ein Leben verbracht in Schmerz. Von allen als Monster angesehen, begann er, sich wie eines zu verhalten. Er braucht unsere Hilfe. Mehr noch, er verdient sie.“ Sie konnte sehen, wie ihre Worte die anderen berührten, umso mehr zerriss es sie, dass sie fortfahren musste. „Meine professionelle Meinung jedoch“, merkte sie langsam an, „als Schiffscounselor, verantwortlich für die geistige Gesundheit von jedem an

Bord dieses Schiffes, ist jedoch, dass wir ihn zu dieser Pyramide zurückbringen und ihn dort so tief einschließen, dass nicht einmal mehr ein Empath zu ihm hindurch dringen kann.“

In der schockierten Stille, welche ihren Worten folgte, war das einzige Geräusch das Atmen, sanftes, unbewusstes, ungezwungenes Atmen. Deanna schloss ihre Augen und ließ ihren Geist mit diesem wunderschönen, lebensbejahenden Geräusch anfüllen. Welch ein Frieden, den Atem nicht durch die Anstrengung des Willens alleine kontrollieren zu müssen ...

„Du kannst das nicht wirklich meinen.“ Beverlys ungläubige Worte brachten sie zurück in die Realität des Bereitschaftraums. „Es ist grausam und feige.“

„Ich weiß das. Es ist ebenfalls effektiv.“

„Wollen Sie“, Captain Picard versuchte angestrengt die Worte, die er gerade gehört hatte, mit der Counselor, die er so lange kannte, in Einklang zu bringen, „damit sagen, dass man ihm nicht helfen kann?“

Es war die Frage, die sie nicht beantworten konnte. In einem unendlichen Universum gab es unendliche Möglichkeiten. Wer war sie, die Autorität zu beanspruchen, eine Entscheidung von solcher Endlichkeit zu treffen?

„Ich kann es nicht.“ Das Versprechen, dass sie ihm gegeben hatte, drängte sich wieder in ihre Erinnerung, nagte in einer Ecke ihres Gehirns. Sie versuchte alles, es zu ignorieren. „Vielleicht vor 15, 20 Jahren. Vielleicht wenn ich dort gewesen wäre, als dieses ... dieses Ding in ihm sich zu entwickeln begann. Jemand hätte da sein müssen, als er eines Morgens erwachte und herausfand, dass er wahrhaftig einzigartig war – und allein! Jemand hätte da sein müssen, als sein langsamer Abstieg in die Isolation und den Hass begann. Niemand kann diese negativen Gefühle für immer aushalten, ohne dass sie die Persönlichkeit übernehmen. Als er erkannte, dass er nicht in der Gemeinde willkommen war, beschloss er, dass die Gemeinde bei ihm ebenfalls nicht länger willkommen war. Er begann, sich von ihr loszulösen, er begann seine Andersartigkeit zu üben, um ein Meister des Unmöglichen zu werden. Er warf alle ethischen Überlegungen über Bord, denn die einzige Moral, die er kannte, war diejenige der anderen, die ihn zurückgewiesen hatten. Unfähig, sich physisch von der Siedlung loszulösen, hat er eine geistige Mauer errichtet, die so hoch war, dass kein Licht mehr zu ihm durchdringen konnte.“ Sie blickte auf, suchte erneut nach Beverlys Blick, flehte nach Verständnis, nach einer Lösung, die beweisen konnte, dass sie sich irrte. „In dieser Kammer eingeschlossen zu sein“, sagte sie schließlich, „ist die logische Konsequenz seines Lebens! Er hat wenig mehr Verständnis für das Leben anderer als er es für das Leben einer Ameise hat.“

„Natürlich liegt es außer jeder Frage, dass wir ihn nicht nach Khamar zurückbringen“, entschied der Captain. „Wir müssen herausfinden, wie viel von dem, was die Kolonisten entschieden haben, auf Fakten beruht, und wie viel davon herrührt, dass sie ein Opferlamm gebraucht haben.“ Er tauschte einen beinahe entschuldigenden Blick mit seiner Counselor aus. „Ich fürchte, wir haben keine andere Wahl als ihn zu fragen. In der Zwischenzeit müssen wir Starfleet von der Situation unterrichten. Wenn Counselor Troi der Meinung ist, dass es ihre Fähigkeiten übersteigt, dem Patient zu helfen und Dr. Crusher empfiehlt, dass es ihm besser ginge, wenn er isoliert wäre, dann ist es sicherlich das weiseste ihn der Jurisdiktion der Sternenflotte zu überantworten. Es ist nicht unsere Pflicht, mehr Zeit in diese Aufgabe zu stecken.“

„Im Interesse der Schiffssicherheit, Sir, schlage ich vor, dass wir ihn für den Rest der Reise in den Zustand von Bewusstlosigkeit versetzen“, forderte Lt. Worf.

„Wir können ihn nicht in Kälteschlaf zurückversetzen“, protestierte Beverly Crusher sofort. „Es würde ihn umbringen.“ Sie ließ es offen, ob sie im übertragenen Sinn gesprochen hatte oder nicht.

„Wäre es möglich, ihn einige Tage schlafen zu lassen ohne ihm Schaden zuzufügen?“ fragte Captain Picard.

„Das ist natürlich möglich, ich ... ich bin mir nur nicht sicher, dass wir das bewerkstelligen können ohne Gewalt anzuwenden. Er hat wenig Grund, uns zu vertrauen, und ich wage zu behaupten, dass die Aussicht auf Bewusstlosigkeit nichts ist, das ihm zusagen wird.“

„Können Sie nicht irgendeinen pseudomedizinischen Grund vorgeben?“ schlug Commander Riker vor.

Beverly schenkte ihm ein Lächeln. „Haben Sie schon mal versucht, einen Gedankenleser anzulügen, Commander?“

„Ich werde mit ihm sprechen.“ Deanna hatte die Kante des Tischs gepackt, als wolle sie sich jederzeit von ihm fortstoßen. „Ich werde ihn nach seiner Rolle in diesem ‚Unfall‘ fragen, und ich werde ihm erklären, was wir entschieden haben.“ Sie blickte mit einem Lächeln auf, das ihre Unsicherheit nur ungenügend verbarg. „Ich habe ihm Hilfe versprochen. Ich schulde ihm die Wahrheit.“
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