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Geteilte Träume

von Martina Bernsdorf

Kapitel 3

Dukat glaubte nicht an irgendwelche Götter. Der Glaube der Bajoraner war für ihn als junger Offizier ein Ziel seines Spottes gewesen, als Gul hatte er gelernt, diesen Glauben zu fürchten - schöpften die Bajoraner doch eine Kraft aus ihm, die sie zu unglaublichen Taten trieb. Weit über alle Vernunft hinaus, über jede Wahrscheinlichkeit.
Doch hilflos von diesem Balken hängend, wünschte Dukat, er hätte nur einen Bruchteil dieses Glaubens.
Er hatte erlebt, wie die vermeintlich Schwachen eine Stärke aus dem Glauben gezogen hatten, den sogar er respektieren und still bewundern musste.
Die Terroristen waren still geworden, man schnitt seine Fesseln ab und begnügte sich damit, seine Hände zusammenzubinden. Dukat saß in einer Ecke des zerfallenen Hauses, dort wo die Mauer ein wenig Schutz vor der Kälte bot.
Die Gesichter der Bajoraner waren nur verschwommene Schatten in der Dämmerung, einzig die Augen jedes einzelnen schienen in einem inneren Feuer zu glühen.
Seine Augen hafteten an dem Phaser, der auf ihn gerichtet war. Was für einen Sinn würde sein Tod haben? Er war immer bereit gewesen, für Cardassia sein Leben zu geben, doch nicht auf diese Weise.
Sein Blick richtete sich auf die gegenüberliegende Mauer, und sein Herz setzte einen einzigen, schmerzhaften Schlag lang aus, als er die Gestalt auf der Mauer sitzen sah.
Es war nur ein dunkler Schatten auf der Mauer, aber er schien Dukat seltsam vertraut zu sein. Konnte er sich erlauben zu hoffen? Etwas in seinem Gesicht musste ihn verraten haben, denn der Bajoraner mit der Waffe wirbelte herum.
Ein Phaserstrahl zuckte von der erhöhten Mauer und traf den Bajoraner in die Brust. Er wurde zu Boden geschleudert und blieb leblos liegen, aber seine Brust hob und senkte sich noch.
„Ich würde vorschlagen, dass jeder seine Hände dort lässt, wo ich sie sehen kann!“ Diese vertraut melodische Stimme zauberte ein Lächeln auf Dukats Lippen.
„Und ich schlage vor, Sie lassen Ihre Waffe fallen, Major.“ Ein weiterer Schatten löste sich von dem Mauerwerk das ihn so gut verborgen gehalten hatte.
Kira verfluchte sich selbst, der Mann, der in dieser abgelegenen Ecke gekauert hatte - bislang nur ein Beobachter der Vorgänge - war ihr bekannt.
Seine Stimme hätte sie überall erkannt und sie musste nicht in seine Richtung blicken, um zu wissen, dass sein Phaser auf sie gerichtet war.
„Jaro“, Kira senkte die Waffe nicht. Der Mann lächelte, aber es war nur das Heben seiner Mundwinkel.
„Wie schön, dass Sie sich an mich erinnern, Major Kira. Ich habe Sie auch nicht vergessen.“
Kira konnte sich lebhaft vorstellen, das Jaro oft an sie dachte, an die Person, die ihm seinen Ruhm genommen hatte, seine Träume von einem unabhängigen Bajor ohne Fremdeinflüsse, und nicht zuletzt hatte ihn sein Putschversuch um sein Ministeramt gebracht.
„Lassen Sie die Waffe fallen.“ Seine Stimme war fast sanft. „Jetzt!“
Kira schüttelte kaum merklich den Kopf. „Ich könnte Ihre Leute töten, noch ehe sie die Chance haben, mich unschädlich zu machen!“ Jaro lachte leise, aber es war ein kaltes Geräusch ohne eine Spur von Humor.
„Major, enttäuschen Sie mich nicht, Sie wissen, dass mir nicht ein Leben dort unten etwas bedeutet. Zumal ich ernsthaft bezweifle, dass Sie auf Bajoraner schießen können.“
Kira wusste, Jaro log nicht, er war ein Fanatiker, seine Leute waren ihm egal. Um seine Ziele zu erreichen, würde er jeden einzelnen opfern, ohne darüber nachzudenken.
Kira wusste es so genau, weil sie selbst einmal diesen Weg beschritten hatte. Es hatte Zeiten in ihren Leben gegeben, in denen sie für Rache alles geopfert hätte.
Es war kein einfacher Kampf, den sie in ihren Inneren ausfocht, bis sich ihre Finger öffneten, um die Waffe fallenzulassen.

* * * * *

Die Fackeln, die in der Erde steckten, erhellten den Ort und gaben ihm zusätzlich etwas Unwirkliches. Die flackernden Schatten schienen eher Schemen eines Alptraums zu sein als Phänomene der Realität.
„Ich wünschte, wir hätten uns unter glücklicheren Umständen wiedergesehen, Major.“ Dukat konnte sich die Ironie in seinen Worten nicht verkneifen.
Kira beachtete ihn gar nicht, ihr Blick war auf Jaro gerichtet. Der ehemalige Minister war dünner und wirkte um Jahre älter als bei ihrem letzen Zusammentreffen.
Der Hass hatte sich in seine Züge gefressen, in seinen Augen leuchtete ein unheilverkündendes Feuer.
„Noch ist nichts geschehen, das nicht vergessen werden könnte.“ Kira blickte von einem Gesicht zum anderen, doch überall las sie Ablehnung. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit schließlich allein auf Jaro.
„Sie sollten Gul Dukat und mich einfach gehen lassen.“
Jaro fletschte die Zähne. „Niemals!“
„Welchen Sinn würde es machen, ihn zu töten, Jaro?“ Kira drehte leicht die Hände, in einer Geste, die diese Sinnlosigkeit unterstrich. „Sie leben schon wie eine Ratte! Versteckt in den Wäldern, ausgestoßen, was glauben Sie, wird geschehen, wenn Sie Dukat umbringen? Dann würden Cardassianer und Bajoraner Sie zusammen jagen!“
Der Anführer des Kreises schüttelte den Kopf. „Sie waren einst ein Widerstandskämpfer, Major! Was sind Sie jetzt? Eine Marionette der Sternenflotte und schlimmer noch, jemand, der uns an die Cardassianer verrät!“
Kira wusste, dass es sinnlos war, mit einen Fanatiker zu diskutieren, dennoch konnte sie diesen Vorwurf nicht auf sich beruhen lassen.
„Nein, Sie sind der Verräter, und das an Ihrem eigenen Volk, Jaro! Wir haben Frieden mit Cardassia geschlossen.“
Der ältere Mann spuckte verächtlich aus. „Ich habe diesen Frieden nie akzeptiert, und ich werde nie vergessen, was die Cardassianer Bajor angetan haben.“
Kira fixierte ihn mit einem Blick, dem sich nicht einmal dieser Mann entziehen konnte.
„Ebenso wenig wie ich die Jahre im Untergrund vergessen werde, die Gräuel, die ich mit eigenen Augen gesehen habe! Nie werde ich vergessen - aber unser Volk hat nur eine Zukunft, wenn wir lernen zu vergeben.“
Jaro lachte hart. „Sie waren zu lange mit diesem Vedek zusammen, der den ersten Schritt zum Verrat getan hat. Denn nichts anderes als Verrat ist dieser Friedensvertrag.“
In Kiras Augen glomm ein wütendes Feuer auf, wie konnte dieser Mann es wagen, Bareils Traum als Verrat zu bezeichnen? Sie ballte die Fäuste in einer stummen und trotzigen Geste.
Jaro lächelte wieder. „Sie sind im Grunde Ihres Herzens rachsüchtig und voller Hass, selbst wenn Sie es von sich weisen wollen. Wir werden sehen, wie weit Ihre Loyalität gegenüber diesem cardassianischen Abschaum geht.“
Seine Faust traf Kira unvorbereitet am Kinn und ließ sie einen Schritt zurücktaumeln. Unwillkürlich ging sie in Verteidigungsstellung, suchte mit einem Bein nach einem festen Stand und wartete auf den nächsten Schlag.
„Ein einziger Schlag gegen mich, Major, ein einziges Ausweichen, und mein Freund hier erschießt den Cardassianer.“ Jaro deutete auf den Mann, der seinen Phaser Dukat gegen die Stirn hielt.
Kira ließ ihre Zungenspitze über ihre Lippe gleiten, sie schmeckte Blut. Jaro wollte also ein Spiel. Dass er sich mit seinem Verhalten nicht die Spur von den Cardassianern unterschied, die er so sehr hasste, war eine Ironie, die ihm wohl nie bewusst werden würde.
Sie gab ihre Verteidigungshaltung auf und stellte sich mit gesenkten Fäusten vor Jaro, ihr Kinn in einer trotzigen, herausfordernden Geste nach vorne gereckt.
Jaros Faust traf sie erneut und Kira wich keinen Zentimeter aus, sie fand sich mit dröhnendem Schädel auf dem Boden wieder. Ihre Hand wischte das Blut von ihren Lippen, ehe sie wieder aufstand und Jaro denselben Trotz bot.
Dukat ballte die Fäuste und spannte die Muskeln, aber das Seil, mit dem seine Hände gefesselt waren, blieb unerbittlich straff. Er beobachtete das grausame Spiel und fragte sich, warum Kira dies alles ertrug.
Ihr musste doch bewusst sein, das er ohnehin ein toter Mann war. Warum steckte sie Schlag um Schlag ein?
So stur wie sie war, blieb sie nicht einmal auf dem Boden liegen, sondern kämpfte sich immer wieder auf die Beine.
„Bringen Sie den Mistkerl endlich um, Kira! Der Kreis wird mich ohnehin töten.“
Kira blickte in Dukats hellblaue Augen, darin war keinerlei Furcht zu lesen, sondern Stolz, und es war erstaunlich, dass er offensichtlich auf sie stolz war.
„Halten Sie die Klappe, Dukat. Ihre Worte sind nicht sonderlich hilfreich.“
Ihre Aufmerksamkeit wurde wieder von Jaro beansprucht, dessen Augen sich im Hass, der auch ihr galt, verdunkelten.
Diesmal war der Schlag so hart, dass Kiras Bewusstsein sich von diesem Ort verabschiedete, noch ehe ihr Körper ganz zu Boden gestürzt war.
Jaro blickte hasserfüllt auf die Bajoranerin herab, er holte mit dem Bein aus, um die bewusstlose Frau zu treten, aber einer seiner Leute zog ihn am Arm zurück.
„Es reicht“, erklärte er schroff, von Kiras Haltung beeindruckt. Jaro funkelte den Mann an, ehe er sich frei riss.
„Sieht so Ihre Zukunft für Bajor aus, Jaro?“ Dukat klang sanft und fast ein wenig traurig. „Ist das Ihr Utopia? Wo Bajoraner gegeneinander kämpfen? Wo Bajoraner einander foltern?“
Der Tritt, den Jaro Kira zugedacht hatte, traf nun den Gul, aber er nahm ihn gerne auf sich.
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