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Durchhalten bis zum Morgengrauen

von Nerys

Kapitel 1

Durchhalten bis zum Morgengrauen


Aufgeregte Stimmen drangen in Kiras Gedankenwelt. Abrupt ließ sie das schwere Phasergewehr sinken, das sie gerade dabei war zu reinigen, um zu lauschen. Urplötzlich brach die Hölle los und es schallten laute Jubelrufe durch das Hauptgewölbe der weitläufigen Höhle. Shakaars Truppe schien von ihrem Einsatz zurückgekehrt zu sein, welcher der Stimmung nach ein voller Erfolg gewesen war. Vorsichtig stellte sie das Gewehr zu den anderen Waffen, die an der Steinwand aufgereiht lehnten und lief eilig in Richtung des Lärms. Die Zurückgebliebenen scharten sich um jemanden, den sie auf den zweiten Blick als Mobara erkannte. Shakaar schickte immer eine Vorhut, um die Rückkehr anzukündigen, also musste der Rest der Kampftruppe ebenfalls in Kürze eintreffen. Kira wäre gern mitgegangen, doch ihr verletzter Fuß band sie noch immer an den sicheren Unterschlupf. Humpelnd wäre es ihr kaum gelungen, das Marschtempo mitzuhalten, das Shakaar mit seinen langen Beinen gewöhnlich vorschützte. Dann auf einmal erschien der Blondschopf des Anführers im Eingangsbereich. Er trug etwas auf den Armen, doch sie konnte nicht erkennen, was es war, da sich sofort alle um ihn drängten. Ein harscher Ruf scheuchte die Neugierigen beiseite und sie sah Furel, der mit ernstem Blick an der Seite des großen schlanken Mannes stand. Es war merkwürdig still geworden. Erst als Shakaar näher kam, erkannte sie, dass er einen verwundeten Bajoraner trug. Nein, es handelte sich um eine Frau mit wilden roten Locken.

„Lupaza“, entfuhr es der Fünfzehnjährigen heiser. Rasch folgte sie Shakaar zu jenem ein wenig abseitigen Bereich, in dem die Verletzten versorgt wurden. Sie sah die weit ältere Frau, die zu ihrer besten Freundin geworden war, reglos und leichenblass auf einer der zerschlissenen Matten liegen, doch als sie näher treten wollte, ergriff eine starke Hand sie hart an der Schulter.

„Bleib da, Nerys“, sagte Furel mit monotoner Stimme. „Du kannst ihr nicht helfen.“

Sie wand sich unter seinem Griff im Versuch ihn abzuschütteln. Der Verband um Lupazas Brustkorb war von scharlachrotem Blut durchtränkt. Nur ein schwaches ungleichmäßiges Heben und Senken verriet, dass die Bajoranerin noch atmete. Daneben hockten Shakaar und Gemeni Rhal, beide mit erschöpften sorgenvollen Gesichtern. Erschrocken blickte sie zu dem kräftigen Mann an ihrer Seite auf. „Wie ist das überhaupt passiert? Erzähl es mir!“

„Alles ging so schnell“, entgegnete Furel. „Das feige Schuppengesicht wollte Shakaar hinterrücks erstechen, aber sie hat sich dazwischen geworfen und die Klinge hat sie in die Brust getroffen.“

Das Schaben von Schritten auf dem Höhlenboden ließ beide gleichzeitig die Köpfe drehen. Rhal kam zu ihnen herüber, die Hände immer noch rot von Blut, das er sich mit einem Stofffetzen abzuwischen versuchte. Er war fast ebenso blass wie seine Patientin. Shakaar kniete immer noch in einer unbequemen Haltung neben der Matte und strich Lupaza zärtlich über das wirre Haar. Es war ein offenes Geheimnis, dass die beiden bis vor kurzer Zeit für eine Weile das Lager geteilt hatten.

„Wird sie…?“, mehr schaffte Furel nicht zu sagen.

Der ältere Mann schüttelte kaum merklich den Kopf. „Ich habe für sie getan, was ich konnte, aber sie hat zu viel Blut verloren. Verabschiedet euch von ihr, solange sie noch bei Bewusstsein ist. Sie geht heute Nacht zu den Propheten.“

„Nein! Lupaza darf nicht sterben! Sie ist doch so stark!“, widersprach Nerys trotzig und drängte sich flink wie ein Wiesel an den Männern vorbei. Erst ein paar Schritte hinter Shakaar kam sie zum Stehen, weil es ihr trotz des Wunsches zu ihrer Freundin zu gelangen, widerstrebte, die Privatsphäre der beiden zu stören. Der Zellenführer hatte ihre Gegenwart jedoch bemerkt und erhob sich mit einem letzten Blick auf Lupaza, die mit glasigen halb geschlossenen Augen da lag. Im Vorbeigehen legte er Nerys für einen kurzen Moment die Hand auf die Schulter. Sie setzte sich im Schneidersitz neben der Matte auf den Boden und berührte vorsichtig den bloßen Unterarm ihrer Freundin, der auf dem frischen Verband ruhte. Die fahle Haut war kalt wie Eis.

„Nerys…“, murmelte sie kraftlos. Ihre Stimme war kaum mehr als ein tonloses Flüstern. „Lass den K…Kopf ni…nicht hängen. Du bist so j…jung, du wirst be…bessere Zeiten s…sehen… hör… nie a…auf zu… hoff…“

Das Mädchen schüttelte mit Tränen in den dunklen Augen den Kopf. „Sprich nicht, du brauchst deine Kraft noch. Du musst durchhalten, Lupaza! Wage es ja nicht, einfach wegzusterben, hörst du?“

Doch die rothaarige Frau antwortete nicht mehr. Ihre Lider waren nur noch einen winzigen Spalt breit geöffnet, durch den sich ein schwacher Schimmer ihrer seeblauen Augen erahnen ließ. Nerys spürte Furels Anwesenheit ohne sich umzudrehen und wich zurück, um ihm Platz zu machen. Die zwei Bajoraner verband eine tiefe Freundschaft, so war es schon gewesen, als sie vor zwei Jahren zur Zelle gestoßen war. Umso deutlicher war die Distanz zwischen ihnen, seit Lupaza mit dem stattlichen gutaussehenden Anführer das Bett geteilt hatte. Erst jetzt, als sie sah, mit welcher Zärtlichkeit der raubeinige Furel die reglose Frau auf die Stirn küsste, begriff sie es. Als er sich schließlich umwandte, liefen Tränen über sein starres geschocktes Gesicht. Dieser furchtlose Mann, der stark wie ein Fels war, sodass er seine Feinde mit bloßen Händen vernichten konnte, stand da und weinte.

„Warum hast du es ihr nie gesagt?“, fragte Nerys vorsichtig.

Er begriff erst nach einem Moment, dass sie ihn angesprochen hatte, und versuchte sich mit dem Handrücken die Feuchtigkeit vom Gesicht zu wischen. „Was meinst du?“

Das Mädchen legte über alle Maßen verwundert den Kopf schief. „Dass du sie sie liebst. Selbst ein Blinder sieht das.“

Hilflos und verloren wie ein kleiner Junge zuckte er mit dem Schultern. „Sie mag Shakaar. Jede Frau mag diesen gut gebauten Schönling. Dir gefällt er doch auch, so wie du ihm manchmal nachschaust.“

Auf ihrem Lager stöhnte Lupaza leise und bewegte lautlos die Lippen. Sofort wandten sich beide Köpfe ihr zu, doch keiner rührte sich. Nerys blickte den breitschultrigen Mann aus traurigen Augen an. „Sag es ihr jetzt. Sie wird dich hören.“

„Ich… ich kann nicht!“, entfuhr es ihm heftig. Zutiefst verletzt sah er ein letztes Mal auf die sterbende Frau herab, ehe er mit hängenden Schultern davon eilte.

Nerys ließ sich wieder neben das Lager sinken und begann leise mit Lupaza zu sprechen. Ihr verdankte sie es, dass Shakaar sie vor zwei Jahren trotz ihres jungen Alters in die Zelle aufgenommen hatte. Und in ihr hatte sie eine Freundin gefunden. Mehr noch. Lupaza war fast wie eine Mutter für sie. Dass diese nicht mehr erleben sollte, wie der neue Tag begann, erschien ihr furchtbar unwirklich. Sie weigerte sich schlicht, Rhals ernüchternde Worte zu glauben. Die rothaarige Frau befand sich in einem Dämmerzustand, verlor immer wieder das Bewusstsein, doch sie hielt am Leben fest. Stunden lang verharrte Nerys an ihrem Krankenlager. Ein paar Mal kam der Sanitäter vorbei, um nach seiner Patientin zu sehen, und auch Shakaar tauchte zu später Stunde unvermittelt mit sorgenvollem Gesicht wieder auf. Irgendwann im Laufe der Nacht verlor das fünfzehnjährige Mädchen schließlich den Kampf gegen die Müdigkeit und es schlief mit dem Kopf auf den Rand der Matte gebettet ein.

Abrupt schreckte Kira aus einem bitteren Traum auf. Nach wie vor glaubte sie das böse Lachen des Cardassianers zu hören, der mit erhobener Klinge über Lupazas gefallenem blutendem Leib stand, während eine rote Sonne über den Bergen aufging. Sie benötigte einen Moment, um zu realisieren wo sie sich aufhielt. Ihr Körper schmerzte vom Liegen auf dem harten steinigen Boden und sie rieb sich den verspannten Nacken. Der widerlich süßliche Geruch von Blut lag immer noch in der Luft. Sehr zögerlich hob sie den Kopf, es kostete sie einige Überwindung, den Blick auf das zerschlissene Lager neben sich zu richten. Ein tiefblaues Augenpaar sah ihr entgegen. Erschöpft, aber lebendig. Durch einen faustgroßen Spalt in der Felsendecke fiel ein heller Schimmer, der von einem neuen Morgen sprach. Die Dunkelheit der Nacht war besiegt.
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