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Wie ein Spiegel von dir

von Nerys

Kapitel 1

Wie ein Spiegel von dir


Kira blickte auf ihr eigenes schattengleiches Spiegelbild im dunklen Wasser hinab. Die hohen alten Bäume, die das flache Ufer des Sees flankierten, rauschten im leichten Wind. Es klang beinahe wie das Wispern entfernter Stimmen, als würden die Blätter zu ihr sprechen. Einer von Bajors Monden spiegelte sich hell in der glatten Oberfläche des Gewässers. Ein langgezogener Eulenschrei hallte durch die Finsternis. Kira hob den Kopf und erblickte einen Vogel, der über ihr auf einem knorrigen Ast hockte. Aus dem runden weißen Gesicht blickten ihr Augen entgegen, die so dunkel waren wie die Nacht selbst. Sie begriff, dass es kein Mond war, der sich im Wasser gespiegelt hatte, sondern das helle Antlitz des Geschöpfes. Uraltes Wissen schien in diesen Augen zu liegen. Mit einem Mal entsann sie sich der Geschichten, die sie als Kind gehört hatte. Die Erzählungen sprachen von den ith‘ildin, den Mondeulen, Boten des Dunkels, Wesen, die sich wie Schatten durch die Nacht bewegten, wie Geister auf lautlosen Schwingen. Es waren keine gewöhnlichen Eulen, deren Gefieder braune oder graue Farben besaß. Das Federkleid dieser Vögel schimmerte im Mond- und Sternenlicht silberhell. Man sagte ihnen nach, dass die Propheten sie sandten, um das pagh der Verstorbenen zu geleiten, und manchmal auch, um Lebenden, die sich in Dunkelheit verirrten, den rechten Weg zu zeigen. Mit einem Mal breitete der Vogel seine Schwingen aus und erhob sich in die Lüfte. Nebel kam auf, so rasch, als hätten ihn die Federn des ith’ildin selbst heraufbeschworen. Kira sah kaum noch die Hand vor Augen. Als sie einen Schritt nach vor trat, spürte sie das kalte Wasser des Sees auf ihren bloßen Zehen. Da erklang wieder ein Eulenruf. Das melodische Geräusch war lockend und fordernd zugleich, als riefe der Vogel nach ihr. Beinahe ohne ihr Zutun setzten ihre Füße sich in Bewegung. Sie folgte der Mondeule auf dunklen Pfaden. Ihr Lauf war schnell, obwohl sie um sich herum nichts als ungewisse schwarze Schemen zu erkennen vermochte, und sie wagte es nicht, innezuhalten, um Atem zu schöpfen. Zweige zerkratzten ihr die Arme und das Gesicht. Dann sah sie den ith’ildin. Seine helle Gestalt leuchtete selbst durch den dichten Nebel. Still und reglos thronte er auf einem Ast.

„Wohin hast du mich geführt?“, fragte sie das Geschöpf unter stoßweisen Atemzügen.

Die Eule gab einen beinahe sanften tschurrenden Laut von sich. Erst jetzt bemerkte Kira, dass es rings um den Nebel heller zu werden begann, als ginge eine ferne verborgene Sonne auf. Eine Gestalt stand unter dem Baum, auf dem gerade noch der Vogel gesessen war. Obwohl die Züge des hochgewachsenen Bajoraners im trüben Dunst undeutlich und verschwommen blieben, erkannte sie ihn doch.

„Warum bist du hier, Nerys?“ Die vertraute warme Stimme Bareils durchschnitt den Nebel.

Verwirrt schüttelte die Bajoranerin den Kopf. „Ich weiß nicht einmal, wo ‚hier‘ überhaupt ist. In dieser undurchdringlichen Suppe sehe ich die Hand vor Augen nicht. Die Mondeule hat mich geführt.“

„Die ith’ildin wissen viele Dinge“, sagte er langsam. „Aber es war dein Herz, das dich leitete. Es spricht zu dir, du musst ihm nur zuhören.“

Mit einem Mal trat er ihr entgegen, sodass sie ihn endlich klar zu erkennen vermochte. Seine dunklen sanften Augen blickten sie liebevoll an. Er trug die Robe eines Vedeks, wie an jenem Tag, als sie einander begegnet waren. Mit einem auffordernden Lächeln streckte er ihr die Hand entgegen und sie griff zu. Seine Haut fühlte sich real an, warm und lebendig.

„Antos, hör auf in Rätseln zu sprechen“, entgegnete sie gespielt vorwurfsvoll und grinste leicht. „Sag mir lieber, wo wir sind. Was soll dieser Nebel?“

„Im Leben sind viele Dinge wie ein vager Dunstschleier und manche enthüllen sich dir nie ganz. Wenn du Vertrauen hast, wirst du deinen Pfad dennoch deutlich vor dir sehen.“ Behutsam legte er ihr die Hand auf die Schultern, woraufhin sie leise seufzte. Diese Berührung fühlte sie unglaublich gut und richtig an.

„Du fehlst mir auch nach all der Zeit immer noch. Warum musstest du so früh gehen?“ Kira senkte den Kopf. Ihn vor sich zu sehen, war unbeschreiblich schön, doch es tat auch furchtbar weh, weil sie wusste, dass dies nur eine Illusion war. Eine Vision. Ein Traum. Sie barg ihr Gesicht an seiner Brust, in der sie einen gleichmäßigen beruhigenden Herzschlag spürte.

Bareil streichelte ihr zärtlich über den Rücken. „Das Glück ist wie ein kleiner Vogel. Halte ihn und er wird dir nie gehören. Lass ihn fliegen und er bleibt für immer dein. Manchmal findest du ein bisschen Freude und Liebe in einem Augenblick. Koste ihn aus, genieße ihn, denn er kehrt nie wieder, wenn er erst verstrichen ist. Viele Teile, viele kostbare Momente bilden das große Ganze, das Leben heißt.“

Über alle Maßen verwundert starrte sie ihm ins Gesicht. Er lächelte sie voller Liebe an und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann trat er langsam zurück in den dichten wabernden Nebel. Seine Konturen wurden blass und verschwammen wie ein Echo aus längst vergangener Zeit.

„Antos!“, rief sie und eilte ihm hinterher. Obwohl er gemächlich zu schreiten schien, gelang es ihr nicht, ihn im Laufschritt einzuholen. Der Abstand veränderte sich nicht.

Dann auf einmal blieb er stehen. Sie glaubte weit entfernt den Ruf einer Eule zu hören und endlich begann sich der Nebel zu lichten. Außer Atem hielt sie hinter dem Mann an, der ihr dem Rücken zudrehte. Ihr fiel auf, dass sie wieder am Ufer des Sees standen, dort wo sie den ith’ildin das erste Mal erblickt hatte. Sonnenstrahlen fielen auf die stille Wasseroberfläche.

„Antos?“, fragte sie zögernd.

In einer fließenden Bewegung wandte sich der Mann zu ihr um. Doch es war nicht Bareil. Es war nicht einmal ein Bajoraner. Vor ihr stand ein Mensch, dem sie nie zuvor begegnet war. Die Brise eines beginnenden Morgens zupfte spielerisch an seinem blonden Haar. Seegrüne Augen betrachteten sie abwartend und mit einer gewissen Neugier. Ein spitzbübisches Lächeln umspielte seinen Mund, den ein heller Bartwuchs von wenigen Tagen umrahmte. Nur am Rande bemerkte sie, dass er eine Sternenflottenuniform mit einem goldenen Kragen trug, auf dem zwei runde Pins glänzten.

Abrupt sah Kira auf. Der Drehkörper leuchtete ihr entgegen und sie schloss den Kasten rasch. Die Bilder, die die Propheten ihr geschickt hatten, waberten in ihrem Kopf wie dichter schwerer Nebel. Da es nicht ihre erste Erfahrung war, wusste sie, dass es lange dauern konnte, bis man einen Sinn darin erkannte, falls das überhaupt jemals geschah. Beim Verlassen des Tempels dankte sie dem Vedek dafür, dass er ihr die Erlaubnis gegeben hatte, in den Drehkörper zu blicken. Draußen auf der Promenade empfing sie der Wirbel vieler Stimmen. Es war ein wirres Durcheinander, nicht wie das sanfte Wispern der Blätter im Wind.
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