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Star Trek: Ex Astris – Parallelen

von VGer

Die Anomalie

„Kahless! Was ist das?“

Ihr kleines Schiff strudelte und die Kommandantin fluchte. Was auch immer das war, es war unmöglich – das durfte, das konnte einfach nicht passieren, das war nicht Teil ihrer Mission, das war nicht geplant. Sie waren Kadetten im dritten Jahr und diese Mission war nur ein weiterer ganz normaler Prüfungsflug im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung, der wirklich niemanden außer sie selbst aufregte, schließlich hatten Generationen und Generationen von Kadetten vor ihnen genau dieselben Prüfungen absolut problemlos und erfolgreich absolviert, hatten sie gemeistert und waren inzwischen längst Lieutenants oder Captains oder gar Admirale irgendwo, genau dort wo die Kadetten am Liebsten selbst schon wären. Generationen und Generationen an Kadetten, die inzwischen längst zu Höherem berufen waren, hatten ihre Erfahrungen bereitwillig geteilt, und da die Antriebe der altehrwürdigen Akademie, die sich ironischerweise doch rühmte die modernste Bildungseinrichtung im Universum zu sein, nach wie vor schleppend langsam liefen, hatten sich die Procedere schon seit Jahren, wenn nicht sogar seit Jahrhunderten, nicht wesentlich geändert. Sie kannten sie alle, die Erfahrungsberichte der zahlreichen Jahrgänge vor ihrem, die der anonymen frischgraduierten Kadetten und die der berühmten Galionsfiguren der Flotte gleichermaßen, die ihrer Eltern und Großeltern – doch von überraschenden Anomalien hatte keiner je berichtet.

Jetzt waren sie mitten im Kuipergürtel am äußersten Rand des Sol-Systems, wo sich seit Jahrhunderten schon das Trainingsgelände der Sternenflottenakademie befand. Vor nicht einmal einer Stunde hatten sie Pluto passiert und alles war normal gewesen. Anomalien und sonstige Gefahren gab es keine in diesem klar abgegrenzten Bereich des Weltraums, nur ein paar Planetesimale und Asteroiden und Kometen und sonstige Kleinigkeiten, jedes Kind wusste das, und doch waren sie allen Unmöglichkeiten zum Trotz auf eine gestoßen.

Eine Anomalie, die nicht sein dürfte – doch offensichtlich hatte ihr das niemand gesagt, dass sie nicht sein durfte, also war sie einfach und zog das kleine Schiff hilflos zu sich, die verzweifelten Bemühungen seiner Mannschaft einfach ignorierend.

„Fluktuierende Energiemuster. Eine Subraumanomalie vermutlich, aber keine die der Computer zuordnen kann.“, meldete Jack Janeway hinter der Wissenschaftskonsole. „Ich erkenne gravimetrische Verzerrungen unbekannten Ursprungs und einen eindeutigen Statikabfall im bioelektrischen Feld. Was auch immer das für ein Phänomen ist, die Messungen können nicht interpretiert werden.“
„Drosseln Sie die Geschwindigkeit, Rokh, fliegen Sie mit Manövriertriebwerken wenn es sein muss! Ausweichmanöver einleiten!“, rief die Kommandantin. „Besteht Gefahr für uns oder das Schiff?“
„Unbekannt. Vollständige Sensoranalyse nicht möglich. Wir sind so gut wie blind!“, schrie Teddy Janeway an der Taktik, und in seiner Stimme schwang unverhohlene Panik mit.
„Stellen Sie sofort Kontakt mit der Basis her, Stermann. Ich muss wissen, was da los ist!“, befahl die Kommandantin.
„Unmöglich, Skipper. Alle Leitungen sind tot.“, antwortete Marek Stermann und fummelte an seinem Headset herum, während er mit flinken Fingern versuchte den Subraumsender neu zu kalibrieren.
„Was auch immer das ist, es hat eine ungeheure Kraft. Ich verliere die Navigationskontrolle.“, brüllte Rokh, der sonst so stoische Klingone, vom Pilotensitz.
„Manuell überbrücken!“, schrie die Kommandantin und sprang entschlossen von ihrem Stuhl auf. Mit zwei großen, kraftvollen Schritten begab sie sich nach vorne und nahm hektisch den Platz der Navigation ein, die Navigatorin barsch beiseite stoßend. Sie wusste, dass sie das nicht tun sollte, weil sie jetzt die Kommandantin war und die Regeln eindeutig besagten, dass ... egal. Sie war die beste Navigatorin an Bord und der Pilot wie auch der Rest der Mannschaft vertrauten ihr mehr als jedem anderen, soviel war sicher. Um sich den Kopf über das Protokoll zu zerbrechen hatten sie später bestimmt noch genug Zeit – und Zeit war genau das, was ihnen jetzt fehlte. Ihre Antennen richteten sich konzentriert aus – eine auf die Wissenschaft und Taktik hinter und die andere auf den Piloten neben ihr – und ihre türkisen Finger rasten über die Konsolen.
„Maschinenraum, was ist da los?“, fragte die Kommandantin beinahe verzweifelt.
„Das ist unmöglich festzustellen, Skipper.“, tönte Sakaaris gleichmütig vulkanische Stimme durch den Lautsprecher. „Laut meiner Anzeigen arbeiten alle Systeme innerhalb normaler Parameter, weitere Analysen sind bis dato ergebnislos.“
„Leiten Sie Schubumkehr ein! Bringen Sie die Maschinen zu vollem Stopp, egal wie! Alle Energie auf die Schilde und die strukturelle Integrität!“, wies die Kommandantin an.

Doch vergeblich. Das Schiff stotterte und taumelte unentwegt in Richtung der Anomalie und entzog sich beinahe höhnisch all ihren Bemühungen die Kontrolle wieder zu erlangen.

„Ausweichmanöver, Rokh! Wir versuchen Muster Picard-Delta um 180°.“
„Aber wir haben keinen Navigationscomputer mehr.“
„Ich weiß. Wir fliegen das manuell, vertrau’ mir, ich weiß was ich tue, ich bin das schon mal nackt geflogen.“ – Pilotenslang für ohne Unterstützung der Computersysteme. Ihr Gesichtsausdruck war konzentriert angespannt und ihre Finger flink, und als sie wieder sprach war ihre Stimme so schneidend kalt und leise wie es nur andorianische Stimmen sein konnten. Alle auf der Brücke schwiegen, denn alle auf der Brücke kannten ihre Kommandantin nur zu gut, wenn sie von einer Sekunde auf die andere in vollseriösen Modus umschaltete, dann war mit ihr nicht mehr zu spaßen. „Daten übertragen. Hart Steuerbord, reiß’ sie herum!“
„Keine Reaktion!“
„Geschwindigkeit drosseln, Rokh, egal wie!“
„Keine Reaktion! Unsere Geschwindigkeit nimmt zu, ein Warpsprungfeld baut sich auf, ich kann nichts dagegen tun.“
„Verdammt! Voraussichtliches Zusammentreffen mit der Anomalie in neunzig Sekunden! Und früher, wenn wir wirklich auf Warp springen.“
„Wir sind erfroren!“ – Pilotenslang für völlig manövrierunfähig, ein beunruhigender Euphemismus für wir haben die Kontrolle verloren.
„Maschinenraum! Schalten Sie uns ab! Nehmen Sie alle Energie von den Maschinen und leiten Sie in Lebenserhaltung und Schilde um!“
„Aye!“ – doch nichts geschah.

Es war nicht die erste Trainingsmission, die unschuldig und akribisch durchgeplant begonnen hatte und trotzdem so unerwartet und kolossal schief zu gehen drohte. Sie waren nicht naiv genug, noch an einen Zufall zu glauben – doch das war jetzt ihre geringste Sorge.

„Was auch immer das ist, es kommt näher!“, rief Jack Janeway. „Voraussichtliches Zusammentreffen in sechzig Sekunden.“
„Schilde halten bei 92%, Deflektoren volle Kraft. Mehr kann ich auch nicht für uns tun.“, meldete Teddy Janeway.
„Sakaari! Notstopp, alle Systeme aus! Warpkern ausstoßen! Jetzt!“, schrie die Kommandantin in einem letzten Aufbegehren in Richtung Maschinenraum.

Die Anomalie kam bedrohlich näher, ein flimmerndes Feld aus Energiefäden, ein komplexes Muster aus Silber und Nichts, und wäre es nicht so bedrohlich gewesen, hätten sie es vermutlich sogar schön gefunden.

„Notfallprotokolle einleiten! Alle Mann auf Aufprall vorbereiten!“, schrie die Kommandantin, und sie stieß sich von der Konsole weg, drückte ihren Kopf in den Schoß und legte ihre Arme schützend in den Nacken.

Und das Schiff bebte, und sie schlugen ein; krachten erbarmungslos auf ein Prasseln von Silber und Energie und Nichts.

Und das Schiff ruckelte und fiel mit einem rasenden Plumpsen, das allen Besatzungsmitgliedern brechreizerregend bis tief in die Eingeweide und den Gleichgewichtssinn donnerte, ins Nichts. Es schien fast so, als seien Zeit und Raum durcheinandergewirbelt worden, und sie fielen für eine gefühlte halbe Ewigkeit ins Nichts der glitzernden Anomalie.

Mit einem Schlag war der Spuk vorbei und es war still.

Die Konsolen, die minutenlang nur irre geflackert hatten, leuchteten wieder auf als sei nichts geschehen, doch davon einmal abgesehen blieb es stiller als je zuvor.

„Status!“, keuchte die Kommandantin instinktiv.

„Warpkern abgeworfen, ansonsten keine nennenswerten Schäden.“, vermeldete Sakaari nüchtern aus dem Maschinenraum.
„Alle Systeme funktionieren wieder.“, nickte Jack Janeway bestätigend. „Sensoren. Maschinen. Antrieb und Navigation. Schilde und Deflektoren. Waffen. Alles.“
„Alles außer der Kommunikation.“, widersprach Marek Stermann. „Weiterhin keine Kommunikation mit der Basis und der Subraum ist still. Keine ausgehenden oder eingehenden Verbindungen möglich.“
„Unsere Energie ist fast vollständig aufgebraucht.“, berichtete Teddy Janeway resigniert. „Wir sind unversehrt, aber wir laufen auf dem absoluten Minimum. Wir haben keine Schäden, aber auch keine Reserven. Wenn wir hier raus wollen, müssen wir auftanken, wie auch immer wir das anstellen wollen.“

Die Kommandantin richtete sich auf, knackte den Kopf entschieden nach links und nach rechts und marschierte dann zurück zu ihrem Posten in der Mitte der Brücke, fast so als sei nichts geschehen.

„Was auch immer das war, wir haben es überlebt.“, sagte sie während sie sich mit einem halb zufriedenen und halb verunsicherten Lächeln und Nicken gemächlich wieder setzte, und zwar dorthin wohin sie gehörte. „Sakaari, Teddy Janeway, lokalisieren Sie unseren Warpkern und bringen Sie unsere Maschinen wieder zum Laufen, das hat Priorität. Stermann, versuchen Sie weiter eine Verbindung zur Basis zu etablieren, gut möglich dass die Relais beim Energieabfall durchgebrannt sind und das die Störungen verursacht. Jack Janeway, was auch immer das war, ich verlange eine Erklärung. Savage, berechnen Sie einen Kurs hier raus, zurück nach McKinley, nach Hause.“

Helen Savage, die dieser Trainingsmission als Navigatorin zugeteilt worden war, stand immer noch wie festgefroren hinter dem Stuhl an der Navigationskonsole, seit die Kommandantin die Navigation übernommen hatte, hatte sie sich nicht mehr von der Stelle gerührt und sie machte auch keine Anstalten, sich wieder zu setzen und ihre Pflicht zu tun. Sie stand und starrte.

Die Sensoren funktionierten, doch sie zeigten nichts Sinnvolles an – sie hatten auch weiterhin keine Ahnung wo sie eigentlich waren und was sie hierher gebracht hatte. Die Sterne und alle astronomischen Körper des sonst so farbenreichen Kuipergürtels, Pluto und Eris und die Kometen – sie waren spurlos verschwunden; sie lagen im Nichts.

„Savage!“, rief die Kommandantin ungeduldig. „Ich wiederhole meine Befehle nur äußerst ungern. Nehmen Sie Ihren Posten wieder ein.“

Helen Savage stand wie erstarrt mitten im Raum, eine widerspenstige Locke oder zwei hatten sich aus ihrer Frisur gelöst und sie schien trotz allem was passiert war, oder gerade deswegen vielleicht, ihre Umgebung gar nicht zu beachten.

„Savage! Helena!“, rief Teddy Janeway, tunlichst bemüht seine Kommandantin zu unterstützen.

Sie lagen im Nichts, in dem sich ein zweites Schiff derselben Bauart spiegelte. Was auch immer das war, es konnte nicht möglich sein. Helen Savage starrte auf den raumfüllenden Monitor, der über der Brücke hing und unaufhörlich Bilder von draußen übertrug. Die Anomalie und all ihre absurden Facetten waren verschwunden und hatten dem Nichts Platz gemacht, doch mitten im Nichts war ein Schiff erschienen.

Und plötzlich starrten sie alle.

Ein durchdringendes Piepsen und Pfeifen drang aus den Lautsprechern, so markerschütternd wie nur kaputte Kommunikationsrelais klingen konnten.

„Unbekanntes Schiff, dies ist ist die U.S.S. Takei ...“

„Savage!“, rief Teddy Janeway noch einmal, mit einem angsteinflößenden Unterton in der Stimme, den niemand zuvor je gehört hatte.

Helen Savage wirbelte herum. Eine flotte Handbewegung hieß allen schweigen.

„Was soll das, Savage?“, fauchte die Kommandantin ungeduldig.

„Was wir soeben passiert haben war keine gewöhnliche Subraumanomalie, sondern ein transdimensionaler und multispatialer Rift.“, sagte Helen Savage, leise und kontrolliert. „Ein sehr seltenes Phänomen, das es in diesem Bereich der Galaxie eigentlich gar nicht geben dürfte. Ich kann es mir nicht erklären.“
„Reden Sie keinen Blödsinn, Savage.“, schüttelte die Kommandantin den Kopf, und sie schnaubte ungehalten dabei. „Davon habe ich noch nie etwas gehört. Lenken Sie nicht vom Wesentlichen ab und nehmen Sie ihren Posten wieder ein.“
„Mit allem nötigen Respekt, Ma’am“ – doch es war nur eine impertinente Floskel, Helen Savages Stimme klang mehr als nur respektlos – „nur weil Sie noch nie etwas davon gehört haben heißt das noch lange nicht, dass es das nicht gibt.“

Die Kommandantin wollte schon etwas erwidern, doch in dem Moment hastete Teddy Janeway ihr zur Seite und ließ sich dumpf in den Sitz des Ersten Offiziers plumpsen während er eine beschwichtigende Hand auf ihren Arm legte. Er wechselte, beinahe unmerklich für alle anderen Anwesenden, einen schnellen Blick mit Helen Savage und wartete ihr Nicken ab bevor er weitersprach.

„Hör’ sie an. Sie weiß wovon sie redet.“, bat er nachdrücklich.
„Und das soll ich dir glauben, nur weil du auf sie stehst? Hätten wir uns auf sie verlassen, wären wir wahrscheinlich nicht mehr heil.“
„Nein, es geht jetzt um viel mehr. Vertraust du mir, Laya?“
„Natürlich. Was soll die Frage?“
„Dann musst du mir jetzt vertrauen, und wenn du mir vertraust kannst du auch Helen vertrauen. Ich erkläre dir später alles – euch allen, ich versprech’s –, wenn wir in Sicherheit sind, aber jetzt dürfen wir keine Zeit mehr verlieren.“
„Bist du dir sicher?“
„Absolut sicher.“
„Na dann.“

Teddy Janeway nickte.
Helen Savage nickte.

Die Kommandantin wurde silbern blass, dann erhob sie sich von ihrem Stuhl und fixierte den Monitor.

„Unbekanntes Schiff, dies ist die U.S.S. Takei, Trainingsschiff der Sternenflottenakademie ...“
„Unbekanntes Schiff, hier spricht Telaya Paris Weycori, Kommandantin der U.S.S. Takei ...“
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