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Neutrale Zone (1)

von Gunni Dreher

Kapitel 3

Es war bereits Mittag, als Rilkar auf dem Gelände der Werft eintraf. Er sah den Bug seines Schiffes schon von weitem, der schwach an einen irdischen Rochen erinnerte, während der hintere Teil schlank auf das Warptriebwerk zulief. Die Sorong war ein ehemaliges Schmugglerschiff, wahrscheinlich auf einer orionischen Werft gebaut. Als sie aufgebracht wurde, erhielt ihr ursprüngliches Triebwerk einen Treffer, was ihr weitere Schäden ersparte und sie erschwinglich machte. Ihre Vorteile waren ihre hohe Stabilität, die schnellen Warpflug ermöglichte und eine geringe Größe, die es ihr erlaubte zu landen. Der Umbau wäre in einer Orbitalwerft nicht zu bezahlen gewesen. Ein weiteres Extra, das sie aufzuweisen hatte, war ein schnelles Beiboot, das in ihrem Hangar ruhte.
Der Ingenieur seufzte. Sie hatten vorgehabt, dem Schiff nach dem ersten erfolgreichen Testflug einen cardassianischen Namen zu geben. Einer seiner Männer hatte ständig behauptet, Sorong sei der Name einer orionischen Ungezieferart und damit die ganze Belegschaft geärgert.
Als er näher herankam, sah er seine Leute um das Schiff versammelt stehen. Nurak, sein Werkmeister, kam auf ihn zu.
"Sind alle da?" rief Rilkar ihm entgegen.
"Die letzten kamen eben vor dir an. Was ist denn los?"
"Gleich! Steht nicht hier draußen um das Schiff herum! Rein mit euch!"
Etwas später stand Rilkar, von seinen Leuten umringt, im Mannschaftsraum des Schiffes und besprach mit den fassungslosen Männern die Situation.
"Ihr werdet verstehen, daß es das beste ist, wenn ihr sofort aufbrecht." sagte er zum Schluß. "Ich halte es für unwahrscheinlich, daß eure Familien etwas zu befürchten haben. Sie wissen nichts und die CAMB will garantiert größeres Aufsehen vermeiden. Sagt zuhause nur, daß ihr zu einem längeren Testflug aufbrecht! Wie sieht es mit den Replikatoren aus?"
"Gestern von den Werftarbeitern installiert!" meldete sich einer der Männer. "Auf Vorräte ist das Schiff nicht mehr angewiesen."
"Gut! Die medizinische Ausrüstung?"
"Komplett!" nickte ein anderer.
"Ausgezeichnet! Sagt also der Werftleitung Bescheid, daß der Testflug vorgezogen wurde. Und noch etwas: Fliegt den Antrieb nicht aus! Schließlich hatten wir mit den Tests noch gar nicht angefangen. Keinen schnellen Warpflug, es sei denn, ihr werdet verfolgt, haben wir uns verstanden?"
Seine Leute nickten.
"In Ordnung! Ich werde jetzt das Beiboot aus dem Hangar holen. Ihr wißt, wo wir uns treffen. Viel Glück!"
Nurak trat auf ihn zu.
"Was genau hast du vor?" fragte er.
"Etwas Wahnsinniges! Ich möchte lieber nicht darüber reden, dann könnt ihr später sagen, ihr hättet nichts gewußt. Ihr seid auf Testflug, vergeßt das nicht!"
Sein Werkmeister nickte beunruhigt.
Wenig später hob das kleine Beiboot auf dem Werftgelände ab. Der Ingenieur warf noch einen Blick auf die Sorong. Er bedauerte, daß er ihren Start nicht miterleben konnte, aber die Zeit lief ihm davon.
Sicher war es denkbar, daß man erst einmal seine Reaktion abwarten würde, immerhin hatte man offensichtlich gezielt Informationen an ihn durchsickern lassen, in der Hoffnung, daß er kampflos das Feld räumte. Aber darauf konnte er sich nicht verlassen.
Als das kleine Schiff den Orbit erreicht hatte, parkte er es synchron zur Planetenumdrehung und wandte sich an den Bordcomputer.
"Zeig mir alle Informationen über Rhazaghan, die du in deinem Speicher hast!"
Als der Bildschirm sich füllte, begann er konzentriert zu lesen. Schließlich nickte er und machte sich daran, mit Hilfe des Computers den Fluchttransporter zu programmieren.
Wenig später materialisierte er in einem Lagerraum des xenobiologischen Instituts. Auf den Korridoren suchte er dann so lange, bis er an der Wand eine Orientierungshilfe fand. Er studierte sie aufmerksam und fand seine Vermutung bestätigt. Alle Einrichtungen dieser Art hatten solche Anlagen. Als kurz darauf ein Institutsgehilfe vorbeikam, hielt Rilkar ihn an.
"Entschuldigung, wo finde ich die Xenobiologin aus dem Austauschprogramm?"
Der junge Bursche verlagerte das Gewicht eines Nanoskops mühsam auf die andere Seite.
"Die Rhazaghani? Treppe rauf, vorletzte Korridortür links!"
Er begann zu grinsen.
"Passen Sie aber auf, daß Sie von ihr nicht gefressen werden!"
Rilkar grinste zurück.
"Vielen Dank für den Rat!"
Auf dem bezeichneten Korridor sah er vorsichtig in den nächstbesten Raum. Er war leer. Leise schloß er die Tür hinter sich und gab der internen Sprechanlage den Code des ihm bezeichneten Zimmers ein.
"Die rhazaghanische Xenobiologin wird aufgefordert, in Raum Siebzehn rot zu kommen!" sagte er fest. Jetzt konnte er nur hoffen, daß er Glück hatte.

Nirrit von den Vari sah gereizt vom Bildschirm hoch und blickte zur Sprechanlage.
"Noch einer, der es nicht für nötig hält, sich meinen Namen zu merken!" murmelte sie.
Sie fühlte sich hier ohnehin völlig fehl am Platz. Kaum hatte sie sich auf Deep Space Nine eingelebt, da kam dieser Sternenflottenbürokrat und teilte ihr mit, daß sie vollkommen ungefragt dem Austauschprogramm zugeteilt worden war. Dabei nahmen eigentlich nur Freiwillige, die später eine diplomatische Laufbahn anstrebten, daran teil. Als sie sich weigerte, hatte der Kerl die Brauen hochgezogen und war mit "Ich nehme, an daß Sie auch weiterhin hier arbeiten wollen!" angekommen. Sie hatte sich natürlich sofort über Subraum mit Rhazaghan in Verbindung gesetzt und Tabantani die Lage geschildert.
"So geht es nicht!" hatte ihre große Freundin aufgebracht gefaucht. "Die können dich nicht einfach für ein halbes Jahr nach Cardassia zerren. Wir legen Protest ein. Mach dir keine Sorgen, bald bist du wieder zurück. Versuch in der Zwischenzeit, das beste daraus zu machen."
Und dann, nach Nirrits Ankunft, hatte auf der Begrüßungsveranstaltung dieses hohe Tier ihr gegenüber gesessen, war fast unerträglich freundlich gewesen und hatte sie mit durchdringendem Blick gemustert. Da war sie endgültig sicher gewesen, daß hier etwas nicht stimmte. Als man sie dann ins Institut brachte, war die Institutsleiterin übereilt angestürzt gekommen und es war leicht ersichtlich, daß sie über Nirrits Ankunft nicht informiert worden war. Überhaupt machte das ganze Institut den Eindruck, als sei man hier noch nicht lange über das Stadium hinaus, in dem man fremde Lebensformen vor allem daraufhin untersucht hatte, ob man sie entweder nutzbringend verwenden oder aber versklaven konnte.
Nirrit blickte hilfesuchend auf den Plan.
"Siebzehn rot, wo liegt das nun wieder?" seufzte sie. Als sie sich orientiert hatte, stand sie auf und machte sich auf den Weg ins Untergeschoß.

Die Evolution der Säugetiere hatte auf Rhazaghan unter erschwerten Bedingungen stattgefunden. Da alle ökologischen Nischen zum Zeitpunkt ihres Erscheinens von zum Teil riesigen reptilienähnlichen Warmblütern besetzt waren, kamen die Säuger etliche Jahrmillionen nicht über ein Stadium von kleinen, primitiven Geschöpfen hinaus. Das änderte sich, als sich in der Brust einer Spezies ein sternförmiges Gewebe aus abgewandelten Nervenzellen entwickelte. Auf biologischem Wege konnte von ihm ein Effekt erzeugt werden, der Ähnlichkeit mit einem natürlichen Transporterfeld hatte, was es ermöglichte, bei Bedrohung kurzfristig eine abschreckende Gestalt anzunehmen.
Zunächst wurde der Körperzustand blitzartig erfaßt und gespeichert. Daraufhin erfolgte die Umwandlung auf energetisch-atomarer Ebene, allein das verantwortliche Organ wurde davon nicht betroffen. Kurz darauf fiel der Körper in den gespeicherten Zustand zurück.
Diese Innovation brachte den Vorteil, der bisher gefehlt hatte: Nur wenige Millionen Jahre später gab es bereits mehrere Gattungen, die in der Lage waren, von der Grundform gewisse Zeit in unterschiedliche Alternativformen zu wechseln, darin zu jagen, sich zu verteidigen oder zu flüchten. Durch Selektionsdruck wurde diese Eigenschaft perfektioniert bis hin zu der Fähigkeit, notfalls blitzartig die ökologische Nische zu wechseln und die neue Gestalt beliebig lange zu halten.
Diese Kombination aus Spezialisierung und Flexibilität wurde ein Erfolgsrezept. Der neue Säugertypus hatte keinerlei Schwierigkeiten, sich neben seinen Konkurrenten zu halten, ja, etliche wurden durch ihn sogar verdrängt. Und war auch das Artenspektrum der Säuger schmaler als auf vielen anderen Planeten, so prägte sich doch eine Formenvielfalt innerhalb dieser wenigen Arten aus.
Die Erlernung und der Einsatz der verschiedenen Wandelmöglichkeiten machten bei immer höherer Entwicklung eine lange Kindheitsphase, sorgfältige Brutpflege und Intelligenz zur Bedingung. So kam es schließlich auch zur Entwicklung von Primaten und letztendlich von Humanoiden. Am Ende seiner Entwicklung standen dem Rhazaghaner die humanoide Grund- und vier verschiedene Alternativformen, die Luuma, zur Verfügung, die auch bewußt leicht variiert werden konnten.
Die sogenannte Krallenluum, die gewöhnlich als erstes erlernt wurde, glich einem beweglichen vierbeinigen Raubtier eher geringer Größe, das die Fähigkeit zu klettern besaß, und das über ein besonders scharfes Gehör verfügte. Deutlich größer war die muskulöse und ausdauernde Zahnluum. Bei ihr war der Geruchssinn stark ausgeprägt und sie konnte vor allem in Gemeinschaftsjagden sehr große Beutetiere erlegen. Das Äußere der Steppenluum entsprach dem eines hochgebauten Huftiers, dessen Vorteil seine Schnelligkeit war sowie die Fähigkeit, pflanzliche Nahrung auszunutzen. Dennoch verfügte sie über ein Allesfressergebiß und war auch zur Jagd fähig, wobei sie sich vor allem mit der Zahnluum hervorragend ergänzte.
Die Schwingenluum war flugfähig und ähnelte stark den reinen Vögeln, die es auf Rhazaghan gab. Allerdings wurde sie meist als letztes erlernt, da sie ein hohes Maß an Körperbeherrschung und -koordination verlangte. Mit ihrer Hilfe waren die Rhazaghaner in der Lage, zwei isolierte Kontinente zu besiedeln und untereinander Kontakt zu halten. Die humanoide Grundform schließlich war durch die Geschicklichkeit ihrer Hände in der Lage, Schutzzonen für den hilflosen Nachwuchs zu schaffen.
Es dauerte lange, bis junge Rhazaghaner der Kindheit entwachsen waren, was zwangsläufig eine hohe Langlebigkeit zur Bedingung machte. Auch wuchsen sie ihr ganzes Leben hindurch, wenn auch nach der Hauptwachstumsphase nur noch sehr verlangsamt. Als für sich selbst verantwortlich galt jeder erst, wenn er eine Luum vollkommen beherrschte und eine zweite zu lernen begonnen hatte. Unter diesen Umständen war die Wachstumsrate der Bevölkerung nur sehr gering und stagnierte zeitweise ganz.
Als die Cardassianer auf Rhazaghan eintrafen, hatte sich die Lebensweise seiner Bewohner seit Jahrtausenden nicht verändert. Jeder Clan hielt ein inselartiges Gebiet von Raubtieren und größeren Nahrungskonkurrenten frei, pflegte jedoch freundschaftlichen Kontakt zu den Nachbarclans, bei denen man den Reifungs- oder Lebenspartner auswählte. Gelebt wurde in je nach Clangröße teilweise riesenhaften Bauwerken, Habitate genannt, deren Form stets der Natur entlehnt war. Sie klebten wie Tropfsteinformationen an Felsen oder erhoben sich, gewaltigen Schneckenhäusern gleich, über der Ebene. Andere hatten die Form von Koniferenzapfen, Früchten oder Sukkulen­ten, aber immer boten sie dem ganzen Clan Raum, zeichneten sich durch hohe Beständigkeit aus und waren oft viele Jahrhunderte alt.
Die Cardassianer, die in der Planetenkruste hohe Dilithiumvorkommen orteten, beschlossen ihre Ausbeutung, auch wenn Rhazaghan von Cardassia weit entfernt war. In der Urbevölkerung sahen sie Wilde, von denen man keine Schwierigkeiten zu befürchten hatte. Durch Zufall stellten sie bald fest, daß man die Wandelfähigkeit der Bewohner durch fluktuierende Geonfelder unterdrücken konnte. Diese störten die Erfassung sowie die Speicherung des Körperzustandes durch das verantwortliche Organ, des Murandrals, und machten damit den Aufenthalt in einer Luum unmöglich. Allerdings mußte das entsprechende Feld im Falle von älteren und stärkeren Rhazaghanern eine hohe Intensität besitzen. So stellten die Besatzer in der Nähe ihrer Anlagen große Geongeneratoren auf, die bisher in erster Linie zum Luftrecycling eingesetzt worden waren.
Jahrzehnte später, als die Bewohner des Planeten ihre Besatzer abgeschüttelt hatten, flogen die ersten Föderationsschiffe Rhazaghan an und wurden mit großem Mißtrauen empfangen. Die Rhazaghaner begriffen jedoch rasch die Vorteile einer Föderationsmitgliedschaft und trafen betreffs des Dili­thiums ein Handelsabkommen unter der Bedingung, daß es nur von ihnen selbst mit schonenden Methoden und unter streng festgelegten Quoten abgebaut werden durfte.
Nicht sehr lange danach trafen auf der Erde die ersten lernwilligen jungen Rhazaghaner ein, die eine Ausbildung vor allem für den Wissenschaftsdienst der Föderation anstrebten, unter ihnen Nirrit vom Clan der Vari. Nach ihrer Ausbildungszeit wurde sie, wie von ihr erhofft, nach Deep Space Nine versetzt, dem Tor zu den unerforschten Lebensformen des Gamma-Quadranten. Sie hatte noch keinen Reifungspartner gewählt, wie es bei ihrem Volk eigentlich üblich gewe­sen wäre, denn sie hatte ihre Eigenverantwortlichkeit erst kurz vor ihrem Aufbruch von Rha­zaghan erreicht. Auf der Erde hatte sie zwar ein paar Kandidaten ins Auge gefaßt, war aber nicht sicher gewesen, ob diese ihr Interesse nicht vielleicht mißverstehen würden. So hatte sie gehofft, im Laufe der Zeit auf Deep Space Nine fündig zu werden.

Nirrit folgte dem Verlauf des Korridors, die Markierungen an den Wänden im Auge behaltend. Kurz darauf fand sie den bezeichneten Raum und öffnete die schwere Metalltür. Unbesorgt trat sie ein, blieb jedoch nach wenigen Schritten ruckartig stehen. An diesem Ort wurde, wie es für solche Institute Vorschrift war, die Luft wiederaufbereitet, um bei einem Unfall ein Entweichen von Mikroben in die Außenwelt unmöglich zu machen. Nirrit spürte deutlich, daß selbst Tarkin aus ihrem Clan in diesem Raum nicht hätte wechseln können.
"Hier gibt es einen Geongenerator!" dachte sie begreifend. "Das ist eine Falle!"
Sie drehte sich zur Tür um und fand sie von einem großen, nur wenig cardassianisch wirkenden Mann versperrt, der einen starken und durchtrainierten Eindruck machte. Mit einem Blick in sein Gesicht erkannte sie, daß ihr Gegenüber zum Äußersten entschlossen war.
"Es tut mir leid!" sagte Rilkar ruhig. "Ich muß Sie bitten, mich zu begleiten!"
Er ging auf Nirrit zu, die mit aufgerissenen Augen dastand.
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