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Geliebter Feind

von Emony

Kapitel 3

Es mochte wenig sinnvoll erscheinen, auf einer fremden Welt so etwas wie ein Zuhause schaffen zu wollen, doch Sito genoss die Ablenkung offenbar und schien Spaß an der Renovierung des heruntergekommenen Hauses zu haben. Joret hatte jedoch seine Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Arbeit. Er wusste nicht wohin, aber er wusste dafür, dass er nicht unbedingt auf diesem Planeten verweilen wollte. Vordergründig blieb er der Bajoranerin zuliebe, die ihm das Leben gerettet hatte und der gegenüber er sich dadurch verpflichtet fühlte.

Im Grunde war es mehr als reine Pflichtschuld, die Joret vorerst veranlasste zu bleiben. Die Zeit hier auf dem Stützpunkt des Maquis war lehrreich. Es war nicht unbedingt so, dass er den Feind der Union ausspionieren wollte, aber eine solche Gelegenheit würde sich womöglich niemals wieder ergeben. Wann bekam ein Cardassianer schon mal die Möglichkeit inmitten einer Maquis-Kolonie zu leben und diesen einzigartigen Einblick zu gewinnen? Er selbst nahm sich lediglich als stiller Beobachter wahr bis er entschied, wie es mit seinem Leben weitergehen sollte.

Während Sito damit beschäftigt war die alten Fensterrahmen des flachen Hauses zu streichen, hatte Joret es sich zur Aufgabe gemacht, das Dach abzudichten. Diese Welt war nicht so trocken und heiß wie er es von Cardassia Prime gewohnt war. Hier gab es durchaus starke Regenfälle und wilde Stürme. Wenn er schon hierbliebe, wollte er zumindest ein trockenes, sicheres Dach über dem Kopf wissen. Aus diesem Grund rührte er die schwarze Substanz, die er in einem gusseisernen Kessel über einem angenehm warmen Feuer vor dem Haus verflüssigte. Es war eine zähe, stinkende Substanz, von der man ihm gesagt hatte, sie wäre geeignet, die Löcher zwischen den Schindeln abzudichten.

„Was für ein rührender Anblick“, erklang eine honigsüße weibliche Stimme in Jorets Rücken, die ihm fremd war.

Sito bemerkte den Neuankömmling nicht. Sie schwang unbeirrt den Pinsel und summte dabei eine unbekannte Melodie. Joret wandte sich interessiert zu der Stimme herum. Eine rotblonde Bajoranerin, mit blassblauen Augen und einem eher kühlen Lächeln sah ihn an. „Guten Tag“, grüßte Joret die Frau möglichst neutral.

Das Lächeln in ihrem Gesicht wuchs in die Breite, wirkte dadurch aber keineswegs angenehmer auf Joret. Wenn Sito ihm ein Lächeln schenkte, war es warm, ehrlich und schön. Das Lächeln dieser Frau hingegen war - falsch. Seine Halsschuppen zogen sich in Unbehagen zusammen. „Ich wollte es nicht glauben, als man im Dorf davon gesprochen hat, dass hier ein Cardassianer leben würde.“

„Fühlen Sie sich besser, jetzt da Sie sich vergewissern konnten, dass es nicht nur ein Gerücht ist?“ Eigentlich interessierte es Joret herzlich wenig, ob sich die Frau nun besser fühlte oder nicht. Sie war ihm vollkommen egal, da er sie nicht kannte.

Ein freudloses Lachen entkam ihrer Kehle. „Das kann man nicht sagen, nein. Sie mögen den naiven Einwohnern hier vorgegaukelt haben, dass Sie ein Überläufer sind. Aber für mich sind Sie ein Verräter und mit äußerster Vorsicht zu genießen. Sie gehören eingesperrt und verhört!“

„Stimmt etwas nicht?“ Sito trat zu den beiden heran. Elfenbeinweiße Farbkleckse im Gesicht und in den blonden Haaren, die größtenteils aus ihrer Hochsteckfrisur gerutscht waren und ihre Gesichtskonturen wild umrahmten, sah sie die andere Bajoranerin an.

„Alles in bester Ordnung, Jaxa“, erwiderte Joret und schenkte ihr ein Lächeln.

Es war ein unsicheres Lächeln, wenn auch gut getarnt. Sito ließ sich allerdings nichts vormachen. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragte sie daher die andere Bajoranerin.

Diese spuckte verächtlich vor Sito und Dal auf den Boden. „Ihresgleichen widert mich an! Ein Cardassianer und eine Bajoranerin, die Familie spielen. Ekelhaft ist das!“ Damit wandte sich die Frau von ihnen ab und ging zurück ins Zentrum des Dorfes.

Sito seufzte und ließ sich neben Joret auf dem alten Baumstumpf sinken. „Die Engstirnigkeit mancher Leute ist traurig. Sie sollten sich nichts daraus machen.“ In einer freundschaftlichen Geste legte sie ihren Arm um Jorets Schultern und sah ihn mit einem traurigen Lächeln an.

Etwas an der fremden Bajoranerin kam ihm seltsam vor. Er konnte jedoch nicht genau sagen, was es war. Selbstverständlich war sie nicht die einzige feindselige Bajoranerin, der er hier und anderswo begegnet war, dennoch war etwas … anders. Für gewöhnlich war es so, dass der Hass vor allem seinem Volk galt. Aber diese Frau schien vor allem dadurch wütend geworden zu sein, dass eine Bajoranerin und ein Cardassianer friedlich miteinander auskamen und sich eine Unterkunft teilten. Von Familie spielen konnte keine Rede sein.

„Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Frau“, ließ sich Joret nach einem Moment stiller Kontemplation vernehmen. Er sah Sito in die Augen. Ihr Blick war fragend, aber auch alarmiert.

„Inwiefern?“

Joret hob und senkte die breiten Schultern. „Kann ich nicht genau sagen. Das ist es ja. Ich werde ihr folgen und …“

„Nein, besser nicht. Wenn jemand unauffällig hinter einer Bajoranerin her schleichen kann, dann eine Bajoranerin. Du fällst überall auf dem Stützpunkt auf. Das ist viel zu riskant. Bleib du hier und dichte das Dach ab, ich schaue mal, was ich über die Frau in Erfahrung bringen kann.“ Sito ließ den Arm sinken, stand auf und wartete gar nicht erst auf seine Zustimmung.

Sie beiden wussten, dass sie recht hatte.

Die Frau wieder zu finden erwies sich als wenig herausfordernd. Sie war weiterhin dermaßen außer sich, dass ihre Schimpftirade für Unruhe auf dem zentralen Platz des Dorfes sorgte.

Ein recht gutaussehender Terraner in seinen Vierzigern, mit schwarzem Haar und einem markanten Tattoo über der linken Augenbraue, legte der Fremden beschwichtigend die Hände auf die Schultern und redete auf sie ein. Sito vermochte seine Worte aus der Entfernung nicht zu verstehen, aber sie schienen die Frau nur noch mehr zu verärgern. Sie schlug seine Hände beiseite und stürmte zornig davon. „Seska, beruhige dich!“, rief der Mann ihr nach und folgte der Frau schließlich.

Sito hob die Brauen und haderte einen Moment mit sich, ob sie den beiden nachgehen sollte. Sie beschloss allerdings, sich lieber im Dorf umzuhören und dann abzuwägen, ob akute Gefahr von den beiden Fremden für Joret drohte.

Einige Zeit später kehrte sie zu der alten Hütte am Dorfrand zurück und fand Joret auf dem Dach kniend. Er schien einige Mühe mit der Abdichtung zu haben und sah nicht unbedingt zufrieden mit seiner Arbeit aus. Sito kletterte flink die kleine Holzleiter hinauf und sah über den Dachrand ihren ungewöhnlichen Freund an. „Na, kommst du zurecht?“

Er kniff die Augen zusammen. „Ich weiß, warum ich Soldat werden wollte und nicht etwa Handwerker. Dieses Zeug stinkt grauenhaft und es klebt überall wo es nicht soll …“

Sito begann unfreiwillig zu lachen. Sie wollte Joret nicht auslachen, aber die Situation war einfach zu komisch. „Ich helfe dir“, bot sie schließlich an, ehe er ihr böse werden konnte. Auf Bajor hatten alle Kinder früh lernen müssen für ein Dach über dem Kopf zu sorgen, ihre Familien zu unterstützen, das Beste aus praktisch Nichts zu machen. Für sie war das alles hier ein Spaß und sogar Entspannung.

„Hast du etwas über die Bajoranerin erfahren können?“, erkundigte Joret sich und hielt eine Schindel fest, die Sito mittels der zähen, schwarzen Masse auf dem Dach fixierte.

„Sie ist offenbar schon länger beim Maquis und gehört einer Zelle an, die von einem ehemaligen Sternenflotten-Offizier geführt wird. Sie haben Medikamente geliefert, die nach Dorvan V geschmuggelt wurden. Sie scheint ein wenig ungestüm, aber das ist für Frauen meines Volkes nicht unüblich. Ich glaube, dass ihr Anführer sie einigermaßen im Griff hat. Sie sind schon wieder abgereist.“

Erleichterung breitete sich über Jorets Züge aus. „Dann droht uns durch sie keine Gefahr …“

„Nein“, schüttelte Sito lächelnd den Kopf, „ich glaube nicht. Ich bin mir eigentlich sicher.“ Joret nickte nachdenklich, ehe sie ihre Schulter absichtlich gegen seine stieß. Das Lächeln in ihrem Gesicht wurde breiter. „Außerdem weiß ich jetzt, auf welchem Planeten wir uns befinden.“

„Welcher ist es? Einer im Dorvan-System?“

„Nein. Wir befinden uns auf Juhraya.“ Leider konnte sich Sito nicht erinnern, wo diese Welt lag. Der Name sagte ihr zwar etwas, da sie in ‚Geschichte der Föderation‘ an der Akademie gelernt hatte, dass auf Juhraya der Erstkontakt zwischen der Föderation und der Cardassianischen Union stattgefunden hatte, darüber hinaus war ihr Wissen jedoch stark begrenzt. Das Dorvan-System hingegen war ihr einigermaßen vertraut. Es lag zwar entlang der EMZ, gehörte aber noch zum Raumgebiet der Föderation.

Joret ließ sich von den Knien auf die Hacken sinken und gab einen Laut von sich, der beinahe Verzweiflung zum Ausdruck brachte.

„Was ist los, Joret?“ Die wachsende Besorgnis stand Sito überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Sie wünschte sich, etwas mehr Ahnung von Politik zu haben. Insbesondere bezüglich jener, welche die Grenzkonflikte mit den Cardassianern betraf. Als Bürgerin der Föderation, als Bajoranerin, als Angehörige der Sternenflotte, hätte sie mehr wissen müssen. Das wurde ihr schlagartig klar. Sie suchte fieberhaft in ihrem Gedächtnis nach Details, aber mehr als der Erstkontakt war ihr nicht mehr in Erinnerung geblieben.

„Juhraya ist ein kleiner Planet, relativ dünn besiedelt von Föderationskolonisten. Das System befindet sich auf der Grenze zwischen der Cardassianischen Union und der Föderation. Der Planet ist im Grunde bedeutungslos, die Ressourcen begrenzt. Aufgrund der verhältnismäßig dünnen Besiedelung gab die Föderation den Planeten an die Union ab.“ Er atmete tief durch. „Wir sind hier nicht sicher, Jaxa. Wir müssen die Kolonisten evakuieren.“

„Willst du mir sagen, der Planet gehört den Cardassianern?“ Sie konnte nicht fassen, dass ausgerechnet auf einer solchen Welt ein Maquis-Stützpunkt gegründet worden war. Waren diese Leute denn vollkommen verrückt geworden? Warum waren sie nicht längst geflohen? Ihr Herz schien aus Angst vor dem, was kommen könnte, einige Takte auszusetzen.

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