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Keine weiße Weste für Dr. Bashir

von Allemande

Kapitel 1

Garak war zwei Wochen lang nicht auf der Station gewesen: eine „Geschäftsreise“. Schon lange hatte er Trill besuchen wollen (Jadzia Dax war eine der wenigen Mannschaftsmitglieder, die sich außerhalb der Dienstzeit gut anzog). Als sich also die Gelegenheit geboten hatte –

Die Gelegenheit: Er brauchte dringend Urlaub von Deep Space Nine, von dem Ort, an dem er die letzten fünf Jahre wegen Enabran Tain verbracht hatte.

Tain, der jetzt tot war.

Garak holte sich noch einen Tee vom Replikator und setzte sich wieder auf seinen Stuhl am Fenster, von dem aus er zusehen konnte, wie einer winziger Fleck langsam zu der Station wurde, die er so verabscheute. Er seufzte leise.

Nicht, dass er nicht froh gewesen wäre, Trill wieder zu verlassen. Zwei Wochen waren wirklich genug gewesen. Ihre Modeindustrie war, wie erhofft, sehr interessant, und er verließ den Planeten mit Dutzenden neuer Stoffrollen im Gepäck. Aber, Gott, die Leute – diese Ehrlichkeit, diese friedfertige Nettheit, und dann der gelegentliche Telepath, der sich nach ihm umdrehte und ihm einen dieser unerträglich verständnisvollen Blicke zuwarf.

Also flog er jetzt zu dem einzigen Ort zurück, an dem er für irgend etwas gut war. Die Ironie dabei entging ihm nicht – eine cardassianische Raumstation unter der Kontrolle der Föderation und der Bajoraner war der einzige Ort, an dem er nicht völlig unerwünscht war, oder schlimmer: ignoriert wurde. Hier konnte er zumindest die Spekulationen darüber genießen, wer er war oder einst gewesen war. Und die meisten Leute waren freundlich, sogar die Bajoraner.

Jetzt hör auf damit, dachte er. Es ist eine nette Lüge, aber vor dir hält sie nicht stand. Er fühlte sich hier nicht wohl und würde das wohl auch nie tun.

Es gab nur eine Person auf der Station, die er allmählich als Freund betrachtet hatte. Wie sich herausstellte, war diese Person so austauschbar, dass Garak nicht einmal bemerkt hatte, dass einen Monat lang ein Wechselbalg an ihre Stelle getreten war.

Wie war ihm das entgangen? Ihm? Es war wirklich peinlich. Er hatte es zu einem seiner wenigen Hobbys auf der Station gemacht, herauszufinden, wie Julian Bashir tickte, und er war sich sicher gewesen, dass er ihn mittlerweile so ziemlich durchschaut hatte. Und dennoch hatte ein Gründer ihn austricksen können.

Vielleicht hatte Garak sich einfach nur einen Weggefährten gewünscht, der ihm in Intelligenz und Schlagfertigkeit ebenbürtig war, und hatte viele seiner Wünsche in eine ziemlich leere Hülle projiziert. Ein langweiliger, nichtssagender Mensch. Mutig natürlich, und moralisch, und alles sonst noch, was die Menschen so an sich schätzten.

Aber eigentlich waren die Gründer einen Schritt weiter gewesen als er und hatten einen totalen Durchschnittstypen ausgewählt.

“Docken in fünf Minuten”, kündigte der Kapitän seines Frachters über den Lautsprecher an.

Garak runzelte die Stirn. Diese schwarze Stimmung, in die er sich gerade selbst brachte, würde die Wiedergewöhnung an Deep Space Nine nicht leichter machen. Lieber sollte er wieder an die hervorragende Kleidung denken, die er mit seinen Trillstoffen machen würde. Vielleicht könnte er Lieutenant Dax dazu bekommen, für ihn Modell zu stehen. Ja. Sie wäre bestimmt mit Begeisterung dabei.


***

Die Rollen vom Dock zu seinem Laden zu transportieren, hatte länger gedauert als erwartet. Garak gab dem Fähnrich, der ihm geholfen hatte, ein großzügiges Trinkgeld und machte sich dann daran, den Laden aufzuräumen.

Er war ein wenig überrascht, dass Dr. Bashir noch nicht vorbeigekommen war, um hallo zu sagen; sie hatten sich nur kurz zugenickt, als Garak an der Krankenstation vorbeigekommen war, aber er hatte keine Zeit gehabt, hineinzugehen. Der Doktor hatte aber nicht besonders beschäftigt ausgesehen.

Seiner Einschätzung nach war Bashir ein gewissenhafter Freund, der sich besonders viel Mühe gab, immer warmherzig und aufmerksam zu sein. Hatte der Mann nicht eindeutig seine Anstrengungen, nett zu ihm zu sein, verstärkt, seit er von Garaks Implantat erfahren hatte?

Naja, dann würde er jetzt eben von sich aus zu seiner Routineuntersuchung gehen, die nach Aufenthalten außerhalb der Station Pflicht war.

Als er in der Krankenstation ankam, hatte Dr. Bashir allerdings schon Feierabend gemacht, wie ihm eine Krankenschwester mitteilte. Wie seltsam.

Seltsam war auch, wie kühl sie klang, als sie seinen Namen sagte.

Jeder einzelne von Garaks Ex-Spion-Sinnen schien ihm zuzurufen, dass er etwas richtig Großes verpasst hatte.

***

Er ging zur Ops, um sich bei Captain Sisko zurückzumelden. Der Captain hatte ihn nur ungern gehen – und sich somit seiner Kontrolle entziehen – lassen, was Garak insgeheim sehr gefreut hatte. Jedoch war eine der Bedingungen des Captains (nur ansatzweise als Bitte formuliert) gewesen, dass er direkt nach seiner Ankunft Bericht erstatten solle. Und wenn Garak eines war, dann war es zuvorkommend.

“Ich hoffe, die Station hat sich in meiner Abwesenheit gut geschlagen?” fragte er in seinem üblichen fröhlichen Ton, nachdem Sisko ihn auf seine Art willkommen geheißen hatte (eher: wohl oder übel zur Kenntnis genommen hatte, dass er nach wie vor existierte). „Gibt es Neuigkeiten?“

Sisko hob die Augenbrauen. “Interessiert Sie irgend etwas Besonderes, Garak?“

Ah. Es gab also etwas Besonderes. Sonst gäbe es keinen Grund, diese Frage zu stellen.

“Oh, mich nicht”, lächelte er und neigte seinen Kopf auf diese ganz besondere Art, die die Menschen so zu nerven schien. „Ich habe ein einfaches Geschäftsinteresse an den Begebnissen im Leben meiner Kunden.“

Sisko starrte zurück und lächelte dann fast. „Natürlich.“ Er pausierte kurz. „Haben Sie schon Dr. Bashir gesehen?“

Oh, der Captain war wirklich nicht so dumm, wie er manchmal tat. „Noch nicht, nein.“ Seine nach oben weisende Intonation wies darauf hin, dass er für alle Neuigkeiten, die den Doktor betrafen, offen war.

“Also wenn Sie die Föderationsnachrichten nicht verfolgt haben, können Sie ja mal seinen Namen in die Nachrichtensuche eingeben.” Sisko zuckte mit den Schultern. „Oder Sie könnten ihn fragen. Aber er hat sich in letzter Zeit ein bisschen zurückgezogen.”

Garak nickte langsam. “Danke, Captain.” Als er gerade gehen wollte, rief Sisko ihn noch einmal zurück.

“Tun Sie mir einen Gefallen”, sagte er, in einem sanfteren Tonfall, „und machen Sie das Ganze nicht noch schwerer für ihn, als es schon ist.“

Garak lächelte. Das war alles wirklich sehr geheimnisvoll. „Ich werde mein Bestes tun, Captain.“

***

Garak tippte mit seinem Finger auf den Bildschirm und schloss den Artikel, den er gerade gelesen hatte. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, die Augen auf die Sterne gerichtet. Ein kleines Glucksen entwischte seinen Lippen, dann noch eines. Bald schon lachte er laut, ein richtiges, herzhaftes Lachen, das er bis in seinen Bauch spürte. Er konnte sich gar nicht mehr erinnen, wann er zuletzt so gelacht hatte.

Soso. Wer hätte das gedacht. In seinem Alter, mit seiner Erfahrung noch so überrascht zu werden, das war ein seltener Genuss, und der gute Doktor verdiente eine besondere Belohnung dafür.

Aber erst einmal musste er darüber nachdenken, wie er vorgehen würde.
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