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1.04 - Hohe Erwartungen

von Emony

Der schottische Patient

Leonard McCoy hatte im Verlauf seiner Karriere als Mediziner viele Suchtkranke erlebt und kannte die typischen Symptome allzu gut. Er hatte es sich immer leicht gemacht, den Patienten zu sagen, sie sollen eine Therapie machen und damit aufhören, weil sie nicht nur sich selbst schaden würden, sondern auch den Menschen um sich herum. Allerdings hatte er in den vergangenen Wochen feststellen müssen, dass es leicht war guten Rat zu geben, wenn man selbst nie ein solches Problem gehabt hatte.

Zugegeben trank er manchmal etwas zu viel. Allerdings erst seit seiner Scheidung. Damit kam er im Normalfall gut klar. Und wenn er dann doch mal verkatert war und nicht diensttauglich, konnte er sich einen Alkohol Neutralisierer injizieren und war binnen weniger Minuten wieder voll einsatzfähig.

Diesmal, und das war ihm durchaus bewusst, hatte er sich jedoch selbst überschätzt und sich ziemlich in Schwierigkeiten gebracht. Er war gefangen in einem Teufelskreis, aus dem er aus eigener Kraft nicht ausbrechen konnte. Würde er sein Problem jedoch zugeben, könnte ihn das seine künftige Karriere bei Starfleet kosten.

Anfangs hatten es ein paar leichte Betelpräparate getan, doch je länger er diese einnahm, umso weniger brachten sie ihm den gewünschten Effekt. Sein Körper hatte sich daran gewöhnt, wie an Kaffee oder andere koffeinhaltige Getränke. Das Resultat war, dass er sich schon kurz nach Einnahme des Präparates hinlegen und schlafen könnte. Könnte, wäre er nicht so unruhig. Und das war eine der Nebenwirkungen, wenn man über längere Zeit gewisse legale Aufputschmittel einnahm. Schlafstörungen.

Und Schlafstörungen führten zu Reizbarkeit und Konzentrationsmangel. Die Arbeit im medizinischen Zentrum fiel ihm noch einigermaßen leicht, da er die meisten Handgriffe im Schlaf konnte. Jedoch tat Leonard sich zunehmend schwer damit, den Stoff für Xenobiologie zu lernen, der essentiell für einen Arzt bei Starfleet war.

Die Lösung erschien so einfach wie sie gefährlich war, er wechselte zu einem stärkeren Präparat. Als Arzt kam er leicht an die Medikamente heran, er durfte nur nicht vergessen sie aus der Bestandsliste zu löschen.

Rasch blickte er sich im Korridor um, ehe er das Vorratslager betrat und eine kleine Tablettendose aus dem Schrank nahm, die er sich hastig in die Kitteltasche steckte. Einzelne Ampullen waren schwerer zu verstecken und Jim hatte ihn schon einmal um ein Haar erwischt, als er sich selbst ein Hypo injizieren wollte. Tabletten brauchten zwar etwas länger bis sie wirkten, aber sie waren auch weniger auffällig. Schließlich war Leonard kein Idiot. Er tauschte die Tabletten aus dem eben entwendeten Döschen schlicht mit den Tabletten aus dem Aspirin-Behälter und niemand würde etwas bemerken.

Dass er hin und wieder Kopfschmerzen hatte, konnte er leicht auf den Stress zurückführen. Niemand würde Verdacht schöpfen, insbesondere nicht sein ewig neugieriger Freund Jim Kirk.

Kaum, dass sich die Tür zum Vorratslager hinter ihm schloss, zirpte der Kommunikator in seiner Tasche. Leonard erschrak, ob des schlechten Gewissens, nicht etwa weil das Geräusch in der Stille des Korridors so laut gewesen wäre und zuckte jäh zusammen. Entspann dich!, rief er sich selbst zur Ordnung, setzte seinen Weg Richtung Lift fort und zückte im Gehen das kleine Gerät. Mit einer eleganten Bewegung des Handgelenks ließ er den Kommunikator aufklappen. „McCoy hier“, brummte er.

„Bones, wo bleibst du? Ich warte schon seit einer halben Stunde auf dich.“ Jims Stimme wirkte ein wenig ungeduldig.

„Ich musste noch was erledigen“, erwiderte Leonard. „Ich bin in ein paar Minuten da.“ Warum er sich immer wieder auf Abende in Jims Gesellschaft einließ, war ihm unbegreiflich. Im Grunde ging ihm der Knabe doch nur auf die Nerven. Ständig kaute er ihm das Ohr mit irgendwelchen Schwärmereien ab, als bestünde sein Leben nur darin an der Academy möglichst viele und vor allem möglichst exotische Frauen flachzulegen.

„Alles klar, bis dann“, riss Jims Stimme ihn aus seinen mürrischen Gedanken und Leonard konnte das Lächeln aus Jims Stimme heraushören, dass er zweifelsohne in seinem jugendlichen Gesicht trug.

Hin und wieder tat es ihm gut, sich etwas unter die Leute zu mischen. Er wollte nicht auffallen. Und wer nicht auffallen wollte, musste normal erscheinen. Also ließ er zu, dass Jim ihm in gewisser Weise ein Freund geworden war, auch wenn Leonard mit dem Begriff ‚Freund‘ gerne vorsichtig umging.

Als er sich von Jocelyn getrennt hatte, hatte er im Grunde auch sämtliche Freundschaften verloren, die sie während ihrer Ehejahre gemeinsam aufgebaut hatten. Sie war ja die arme, vernachlässigte Ehefrau gewesen, die sich aus purer Einsamkeit von Clay hatte vögeln lassen, während Leonard so egoistisch gewesen war, sich in der Chirurgie einen Namen zu machen und zahlreiche Leben zu retten.

Inzwischen kannte er Jim seit etwas mehr als einem halbem Jahr. Und ganz gleich wie sehr er sich zu Anfang auch geweigert hatte, sich auf diese ‚Freundschaft‘ einzulassen, Jim hatte nicht locker gelassen. Dabei begriff Leonard nicht, warum Jim ausgerechnet mit einem solch verbitterten Kerl befreundet sein wollte. Sie schienen ja noch nicht einmal auf derselben Wellenlänge zu sein …

~*~

Christine Chapel unterdrückte ein Gähnen. Nachdem Unterricht hatte sie kaum drei Stunden Zeit gehabt sich hinzulegen und etwas zu schlafen, ehe ihre Nachtschicht begann. In dieser Hinsicht war die Starfleet Academy ihrer Ansicht nach zu streng. Selbstverständlich sah das reguläre Personal des medizinischen Zentrums nicht ein, dass die Kadetten aufgrund ihrer Ausbildung nur die Tagdienste bekamen. Niemand arbeitete gerne in der Nachtschicht, oder zumindest nur wenige.

Für Christine war die Umstellung meist ziemlich anstrengend, da sie ohne ein Minimum von sechs Stunden Schlaf nur bedingt brauchbar war. Allerdings hatte sie sich während ihres ersten Jahres an der Academy zumindest zum Teil daran gewöhnt. Und dann gab es auch noch Kaffee.

Vor sich schob sie einen Hoverwagen, der mit sechs Tabletts bestückt war. Unter Frischhaltedeckeln verbarg sich auf jedem dieser Tabletts ein Teller mit dem Abendbrot für ihre Patienten.

Die Übergabe an diesem Abend war schnell gegangen, worüber sie nicht ganz undankbar war. Still da zu sitzen und sich die Vorkommnisse des Tages schildern zu lassen, machte sie nur noch müder. Jetzt, da sie etwas Bewegung hatte, fühlte sie sich schon deutlich fitter.

Sie kündigte ihr Kommen an und hörte kurz darauf ein gedämpftes „Herein“.

Mit einem Lächeln auf den Lippen betrat sie das Krankenzimmer und nahm eines der Tabletts vom Wagen, das sie ihrem Patienten auf den kleinen Tisch neben dem Bett stellte. „Guten Abend, Lieutenant.“

„Das wurde aber auch Zeit, Lass. Haben Sie eine Ahnung, wie hungrig ich bin? Ich musste das Mittagessen heute ausfallen lassen und während der Behandlung meiner Verbrennungen hat mir der Arzt nicht mal erlaubt einen Snack zu mir zu nehmen. Das ist ungeheuerlich!“

Christine schmunzelte ob es schottischen Dialekts, hob den Deckel des Abendessens an und ließ den hungrigen Mann einen Blick darauf werfen. „Reicht Ihnen das, Lieutenant Scott, oder soll ich lieber noch etwas mehr besorgen.“

Der Mann in seinen Dreißigern betrachtete seufzend das Tablett. „Ein warmes Essen wäre mir lieber gewesen.“

„Abends gibt es Brot und verschiedene Beläge. Ich kann Ihnen gerne etwas mehr Wurst und Käse bringen. Wahlweise auch etwas mehr Obst oder noch einen Pudding.“

Scotts Magen knurrte hörbar. „Wie ist Ihr Name, Lass?“

Christine war bemüht sich von der fremdartigen Anrede nicht irritieren zu lassen. „Schwester Chapel“, sagte sie mit gewohnter Professionalität.

Der Lieutenant nickte. „Lass Chapel“, begann er und lehnte sich in seinem Bett ein Stück weit vor, „könnten Sie für mich nicht in die Küche runter gehen und nachsehen, ob noch Reste vom Mittag da sind? Ich bin auch nicht wählerisch. Aber so ein paar Scheiben Brot …. reichen einem Mann wie mir nicht.“

„Sie sehen gar nicht aus, wie jemand, der viel essen würde“, erwiderte Christine gedankenlos.

Ihr Patient lächelte. „Sie haben auch eine tolle Figur.“

Sofort schoss Christine die Röte ins Gesicht. Das war nun gar nicht, was sie hatte sagen wollen. Der Mann war zweifellos in guter Form, aber sie hatte keineswegs flirten wollen. Vor allem nicht, nachdem sie nun schon seit einigen Wochen regelmäßig mit Roger ausging. „Das habe ich nicht gemeint“, rechtfertigte sie sich und bemühte sich wieder zurück zur Professionalität. „Wenn Ihnen so viel daran liegt, kann ich ja mal nachsehen, ob ich noch ein paar Reste finde.“

„Danke, Lass“, erwiderte Scott immer noch lächelnd und berührte leicht ihren Handrücken, als sie das Tablett wieder an sich nahm. „Und bringen Sie mir bitte auch noch irgendwas anderes als diesen Tee. Ich hab nur ein paar Verbrennungen und liege nicht im Sterben.“

„Ich kann Ihnen gerne auch noch Wasser bringen oder eine Limonade“, bot Christine an.

Scott ließ sich seufzend zurück in sein Kissen fallen. „Ich schätze das muss dann wohl reichen.“

„Ja, das wird es wohl“, bestätigte Christine und verließ das Krankenzimmer. Zu Beginn ihrer Ausbildung hatte sie sich darüber geärgert eine Art Dienstmädchen für Patienten und Ärzte gleichermaßen zu sein. Inzwischen hatte sie gelernt, dass sich manche Patienten viel schneller erholten, wenn man gewisse Wünsche berücksichtigte und ihnen ein wenig mehr entgegen kam.

Davon abgesehen war es viel entspannter auf diese Weise zu arbeiten, anstatt sich über jede Kleinigkeit, die außerhalb der Routine verlief, zu ärgern. Sie wusste, dass sie in der Küche noch eine warme Mahlzeit finden würde. Schließlich hatte sie selbst die Küche darum gebeten ihr etwas vom Mittagessen für den Nachdienst aufzuheben. Durch den Unterricht war sie nicht dazu gekommen, etwas zu essen.

Um Rücksicht auf ihren Patienten zu nehmen, stellte sie das Tablett mit dem Abendbrot ins Dienstzimmer des Personals, bevor sie allen anderen das Essen brachte. Danach machte sie sich auf den Weg in die Küche, ehe der schottische Patient vor lauter Hunger einen Aufstand machen würde.

~*~

Als Uhura an diesem Abend aus der Bibliothek kam, fand sie ein paar Seidenstrumpfhosen auf dem Boden vor ihrer Unterkunft und schloss seufzend die Augen. „Nicht heute, Gaila“, raunte sie genervt. Sie hatte den ganzen Nachmittag und Abend damit zugebracht vulkanische und romulanische Vokabeln zu lernen. Commander Spock hatte ihr nahegelegt die beiden Sprachen – in sämtlichen bekannten Dialekten – simultan zu lernen, da sie eine gewisse Ähnlichkeit aufwiesen.

Und nun war sie vollkommen erschöpft und wollte nur noch in ihr Bett. Die Strumpfhose war jedoch ein deutliches Zeichen von ihrer Mitbewohnerin Gaila, dass diese nicht allein war.

Die Libido ihrer Mitbewohnerin trieb Uhura so manches Mal an den Rand des Wahnsinns. Dass Gaila überhaupt mit dem ganzen Lernstoff der Academy zurechtkam, grenzte an ein kleines Wunder.

Resignierend ließ sich Uhura vor der Tür auf den Boden nieder, zog die Knie dicht an die Brust und schlang ihre Arme um ihre Beine, während sie ihren Kopf gegen die Tür lehnte. Irgendwann würde Gaila hoffentlich genug Befriedigung gefunden haben und ihren heutigen Partner rauszuwerfen. Übernachtungen waren strikt untersagt, darauf hatten sie sich gleich am Anfang geeinigt. Allerdings war sich Uhura manchmal nicht sicher, ob Gaila sich auch wirklich an die Abmachungen halten würde.

~*~

Leonard lehnte sich im Schutz des kleinen Alkoven in die Bank zurück, deren Polsterung längst durchgesessen war und beobachtete – wie so oft – Jim Kirk, der es sich augenscheinlich zum Ziel gesetzt hatte, die hübsche Brünette abzuschleppen, die an der Bar stand und auf ihren Drink wartete. Sie unterhielt sich lächelnd mit Jim und Leonard kannte dieses Szenario inzwischen auswendig. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Jim zu ihm kommen und sich flüchtig verabschieden würde.

Aus einem Impuls heraus – Leonard wusste selbst nicht wo dieser herkam – trank er seinen Bourbon zügig aus, stemmte sich von der Bank hoch und verließ den Schutz der Ecke. Er bahnte sich einen sicheren Weg durch die Menge und erreichte schließlich Jim. Leonard tippte ihm auf die Schulter.

„Bones.“ Jim wandte sich einigermaßen überrascht zu ihm herum.

„Ich bin weg für heute, Jim. Wir sehen uns morgen.“ Leonard warf der Brünetten einen flüchtigen Blick zu.

„Äh, okay.“ Jim war verwundert, aber viel zu sehr auf die Dame fixiert, die er offenbar fast soweit hatte. „Bis dann, Bones.“

Leonard hob nur eine Braue, nickte noch einmal kurz und kehrte Jim dann den Rücken zu. Er bekam nicht mehr mit, wie jemand erneut auf Jims Schulter tippte.

Jim dachte, sein Freund hätte etwas vergessen und wandte sich erneut um. Zu seinem Erstaunen fand er sich einem recht kräftigen Kerl gegenüber, der fast einen Kopf größer war als er selbst. „Kann ich dir helfen?“, fragte Jim unschuldig und warf der Brünetten namens Rachel an seiner Seite einen entschuldigenden Blick zu, da ihr Gespräch nun schon zum zweiten Mal unterbrochen wurde.

„Such dir gefälligst eine andere für deine blöden Sprüche und lass mein Mädchen in Ruhe.“

„Ist der Typ dein Freund?“, fragte Jim etwas überheblich und zeigte wie beiläufig mit dem Daumen auf den Kerl hinter sich, als er seine Aufmerksamkeit lieber wieder dem Objekt seiner Begierde zuwandte.

„Ja“, nickte diese nur schulterzuckend.

Jim verdrehte die Augen und wandte sich wieder dem Kerl zu. „Offenbar machst du ihr zu selten Komplimente, sonst würde sie nicht so positiv auf meine reagieren.“

Der Typ ballte die Hände zu Fäusten. „Verpiss dich!“, erwiderte sein Gegenüber wutschnaubend.

„Warum verpisst du dich nicht?“, erkundigte sich Jim rotzfrech.

Die Brünette genoss die Situation, dass sich zwei Männer um sie stritten, und machte daher keine Anstalten einzugreifen.

„Für wen hältst du dich?“, fragte der Typ und gab Jim einen Schubs, welcher ihn rücklings gegen die Bar taumeln ließ.

„Du solltest dir ernsthaft Gedanken über deine Beziehung machen, Junge. Und nicht mich blöd anmachen. Wäre zwischen dir und der Lady hier alles in Ordnung, hätte sie nicht eingewilligt mit mir zu gehen. Und jetzt mach dich vom Acker.“

Der Typ schüttelte den Kopf und holte aus. Jim gelang es allerdings auszuweichen. Er hatte bereits mit einem Angriff gerechnet. Er duckte sich unter der fliegenden Faust durch und rammte seinem Kontrahenten den rechten Ellbogen gegen die Rippen.

Von irgendwoher bekam der Typ plötzlich allerdings Verstärkung – Jim hatte die beiden Freunde nicht gesehen, die hinter seiner massiven Statur verborgen waren – und wurde mit einem Mal festgehalten.
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