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Warum sagst du's nicht ihm?

von Enem

Immer noch

Liedtext: Sebastian Hämer/ Immer noch
Immer noch


Ich würd gern sagen, dass es cool ist, aber ey cool, das ist es nicht.
Ich würd gern sagen, das was du jetzt tust mich überhaupt nicht trifft.
Ich wär so gerne souverän, würd gerne sagen können: "O.K.",
wir können uns gern mal wieder sehen, aber da seh ich keinen Weg.


*

Es war eine dieser endlosen Besprechungen, die vor allem eines waren: zeitraubend. Leonard fühlte sich überflüssig, wie so oft, aber da alle Leitenden Offiziere Anwesenheitspflicht hatten, saß er ebenfalls am Tisch. Heute vielleicht mit weniger Aufmerksamkeit als sonst, was zum einen daran lag, dass er rasende Kopfschmerzen hatte und zum anderen natürlich daran, dass er sich zusammen mit Jim in einem Raum jedes Mal fühlte wie ein eingesperrtes Tier.

Gegen die Kopfschmerzen hätte er etwas tun können und er hinterfragte lieber nicht, warum er es unterlassen hatte. Im Moment erklärte Scotty irgendwelche technischen Neuerungen am Antrieb, was Leonard nur mit mäßigem Interesse verfolgte. Es gab keine Berichte von der Krankenstation, nichts, was auch nur ansatzweise erwähnenswert gewesen wäre, und so war sein Beitrag denkbar knapp ausgefallen. Dafür hatte er sich ein Stirnrunzeln von Jim eingefangen und einen nachdenklichen Blick von Spock. Letzteres beunruhigte ihn fast noch mehr, denn wenn die Neugier des Vulkaniers erst einmal geweckt war, hatte er schlechte Karten.

Allmählich schien sich die Besprechung jedoch dem Ende zuzuneigen, denn alle relevanten Tagespunkte waren mittlerweile abgehakt. Blieben noch Fragen und Anregungen, bei welchen Leonard ebenfalls durch tiefes Schweigen glänzte, dann endlich entließ Jim seinen Führungsstab. Leonard sprang aus seinem Sessel und war so schnell an der Tür des Konferenzraumes, dass er es fast geschafft hätte.

„Pille“, ertönte es da in seinem Rücken. Er schloss kurz die Augen, presste die Lippen zusammen, dann wandte er sich um. „Ja?“, raunte er, ohne Jim dabei anzusehen. Sein Blick irrte über dessen Schulter hinweg auf keinen bestimmten Punkt.

„Du nicht.“

Was blieb ihm jetzt noch? Leonard atmete langsam aus und wartete, genau dort, wo er aufgehalten worden war, direkt neben der Tür. Spock kam eben an ihm vorbei und für eine halbe Sekunde trafen sich ihre Blicke. Kein Wort fiel zwischen ihnen.

Schließlich hatten alle den Raum verlassen und die automatischen Türen schlossen sich wieder.

„Hast du einen Moment, können wir reden?“

Leonard rührte sich nicht. „Ich habe jede Menge Arbeit“, antwortete er ausweichend.

„Es ist wichtig“, setzte Jim nach.

Zumindest fühlte sich Leonard genötigt, nun doch hinzusehen und streifte sekundenlang Jims Blick. Das reichte offenbar, um sein Gegenüber genug zu reizen, denn nun raunzte Jim: „Verdammt, Pille! Setz dich!“ Er wartete, bis dieser sich tatsächlich auf einem der Drehstühle niedergelassen hatte, bevor er ebenfalls Platz nahm.

Seine Finger tippten nervös auf der Tischplatte und er suchte augenscheinlich nach den richtigen Worten. Am Ende fuhr sich Jim unruhig durch die Haare und sah auf. „So geht das nicht“, eröffnete er ruhig. Zumindest klang es ruhig, doch Leonard kannte ihn gut genug, um all die anderen kleinen Anzeichen zu deuten. Das Flackern im Blick etwa, das nervöse Trommeln, seine angespannte Haltung. „Wir müssen wenigstens miteinander arbeiten können.“

„Ist das die höfliche Art mir zu sagen, dass du etwas an meiner Arbeit auszusetzen hast? Dann brauche ich konkrete Beispiele und ich werde versuchen, deinen Wünschen zu entsprechen.“

Jim starrte ihn nieder. Und vielleicht hätte ihn dieser Bick weit weniger getroffen, wenn er Jim dabei nicht angesehen hätte, wie angeschlagen er wirklich war. Aber noch war Leonard nicht bereit nachzugeben.

„Du weißt genau, was ich meine“, knurrte Jim unterdessen. „Du sprichst nicht mit mir, du...“

„Ich erstatte regelmäßig Bericht“, wandte Leonard ein.

„Ja! Schriftlich!“, brauste Jim auf. „Und ich war noch nicht fertig!“

Ergeben hob Leonard die Hände und Jim nahm den Faden wieder auf. „Du weichst mir aus, wann und wo immer du kannst. Ich erwarte von meinem Team, dass es sich konstruktiv einbringt, aber bei dir bin ich mir zeitweise nicht sicher, ob du überhaupt geistig anwesend bist! Du sitzt hier wie in die Strafkolonie abkommandiert und wenn man genau hinhört, kann man dich die Sekunden zählen hören, bis es vorbei ist und du dich endlich wieder verkriechen kannst. Soll ich davon ausgehen, dass das während der gesamten Mission so bleibt?“

„Ich habe um eine Versetzung gebeten“, maulte Leonard, wieder ohne ihn anzusehen. „Dieses... Dilemma... ist allein deiner Entscheidung zuzuschreiben.“

„Ein Dilemma ist es also für dich, nichts sonst?“ Schon wieder trommelte Jim unruhig mit den Fingern auf den Tisch.

Leonard zuckte die Schultern. Schließlich atmete er doch noch tief durch und sah Jim zum ersten Mal richtig an. „Ich weiß nicht, was du von mir willst.“

Jim sprang auf. „Dass du mit mir redest, Herrgott nochmal! Sag mir, was du zu sagen hast, ganz gleich was es ist. Wenn es dazu führt, dass wir diese... Situation beenden...“ Er hatte begonnen hinter dem Konferenztisch auf und ab zu laufen, nun blieb er stehen und sah Pille an. „Bitte“, fügte er leise an.

Leonard presste die Kiefer aufeinander. Es tat weh, ohne Frage, aber er wusste auch, es würde noch viel mehr schmerzen, wenn er erneut zuließ, dass Jim ihm so nahe kam. Er setzte sich etwas auf. „Habe ich die Erlaubnis offen zu sprechen?“

Jim rollte mit den Augen. „Großer Gott! Pille! Von was rede ich die ganze Zeit?“ Er stützte sich auf den Tisch und beugte sich etwas vor. Für einen Moment ließ er den Kopf hängen, dann seufzte er und sah auf. „Ich bitte darum.“

„Ich kann verstehen, dass du mit der derzeitigen Situation unzufrieden bist“, begann Leonard nun. „Aber ich habe beschlossen, dass es in unserem Fall besser ist, Berufliches und Privates strikt zu trennen. Ich würde dich bitten, das umgekehrt ebenso zu halten.“

Für einen Moment starrte Jim ihn nur mit offenem Mund an, dann richtete er sich wieder ganz auf und hob hilflos die Arme. „Das ist alles? Mehr hast du mir nicht zu sagen?“

„Nein“, Leonard sah wieder weg. „Und wenn unser Gespräch damit beendet ist, würde ich jetzt gerne auf die Krankenstation zurückkehren. Ich habe, wie gesagt, jede Menge zu tun.“

„Sicher...“, murmelte Jim lahm und wies in einer unbestimmten Geste auf die Tür.

Das letzte, was Leonard sah, als er auf den Gang hinaustrat, war Jim, der wie betäubt auf seinen Sessel zurückfiel, und natürlich tat das unglaublich weh. Trotzdem zögerte er nicht und kam auch nicht noch einmal zurück. Sein Herz war ohnehin nur noch ein wundes Stück Fleisch in seiner Brust, wenn er jetzt nachgab, konnte er es ebenso gut einfach herausreißen und Jim vor die Füße werfen.

*

Ich würd gern sagen können: "Geht schon, das kann schon mal passieren“
aber wenn wir zwei uns begegnen, kann ich für gar nichts garantieren.
Ich würde mich so gern beherrschen, ich will dass du das weißt
Doch hab halt dazu nicht die Nerven, oh ich hoffe du begreifst.


*

„Außenteam an Krankenstation“, drang Spocks Stimme aus dem Lautsprecher. Leonard wirbelte herum und betätigte den Rufknopf. „McCoy hier – was ist passiert, Mr. Spock?“

„Eine der Kammern ist eingestürzt, zwei Verletzte, Mr. McCammon ist bewusstlos.“

„Hochbeamen“, knurrte der Arzt. „Auf die Krankenstation. Sofort.“

Nur wenig später war das gesamte Bereitschaftsteam auf den Beinen und Leonard spulte im Rekordtempo Anweisungen ab. M’Benga nahm den bewusstlosen Sicherheitsmann in Empfang und gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er klarkommen würde, also wandte sich Pille den beiden anderen zu. Spock hatte die Verletzten begleitet, schien aber selber verschont geblieben zu sein. Jim hockte mit verkniffener Miene auf der Liege, bemüht, sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Leonard schnaubte leise. Im Vorbeigehen rief er die Schwester und beorderte sie an die Liege, auf der Jim saß. Der Tricorder fiepte. „Fraktur des Os scaphoideum“, erläuterte Leonard und drückte der Schwester das Regenerationsgerät in die Hand.

„Was?“, zischte Jim.

„Kahnbeinbruch.“ Er bewegte Jims Hand nur geringfügig, Jim zuckte zusammen und knirschte mit den Zähnen. Da hatte sich Leonard schon wieder halb abgewandt. „Du wirst es überleben. Christine! Sie machen das.“

Gute zwei Stunden später kehrte endlich Ruhe ein und Pille ließ sich seufzend auf eine der Untersuchungsliegen fallen. Er war müde, fühlte sich ausgelaugt und nervlich angeschlagen. Ausgerechnet jetzt zischte die Tür schon wieder, nur machte er sich dieses Mal gar nicht die Mühe aufzustehen. „Was noch?“, brummte er stattdessen missmutig ins Halbdunkel des Raumes.

Jim trat in den schmalen Lichtkegel, den die Kontrollen an der Wand über den Boden warfen.

„Du“, seufzte Leonard und schüttelte den Kopf. „Was ist mit deiner Hand. Brauchst du mehr Schmerzmittel?“

„Mit meiner Hand ist alles in Ordnung“, murmelte Jim. „Ich wollte wissen, wie es McCammon geht.“

Pille fixierte ihn scharf, stand aber immer noch nicht auf. „Den Umständen entsprechend.“

Jim nickte schwach, bewegte sich unbehaglich und sah dann auf. „Aber er... er wird doch keine bleibenden Schäden davontragen? Wenn er nicht gewesen wäre...“

„Weiß ich bereits“, unterbrach Leonard ihn rüde, doch am Ende überwog der Ärger seine Müdigkeit. „Mr. Spock war so gütig und hat mich von deinem dummdreisten Vorgehen in Kenntnis gesetzt.“

„Dummdreist, ah.“ Jim verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir haben die Bodenbeschaffenheit geprüft, es gab keine Hinweise darauf, dass...“

„Erspar es mir. Ernsthaft, Jim. Es ist so, wie es immer ist. Alles unterliegt deinem übersteigerten Geltungsdrang. Du gehst unnötige Risiken ein, bist absolut beratungsresistent und obendrein zu stur, Fehler im Nachhinein anzuerkennen. Kurz: Ich habe nichts anderes erwartet.“ Mit jedem Wort war Leonard lauter und auch giftiger geworden und jetzt funkelte ihn Jim wütend an.

„Reden wir noch über Mr. McCammon?“

Wieder schnaubte Leonard nur, winkte dann ab, rutschte von der Liege und ließ Jim einfach stehen. Er wollte nur noch seine Ruhe, hatte keinen Nerv mehr, jetzt auch noch mit Jim zu streiten, und schlurfte in sein Büro. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass Jim ihm folgen würde.

Als er es bemerkte, drehte er sich überrascht herum. „Da du keine medizinische Hilfe benötigst, würde ich dich bitten, mich jetzt allein zu lassen.“

Eine Bitte, die Jim mit einer fahrigen Geste einfach überging. „Du gibst mir die Schuld an allem, was passiert ist?“

„Das ist verlockend, wäre aber vermutlich zu einfach und ich bin nicht wie du, Jim. Ich renne nicht los und zerstöre dabei alles, was mir im Weg ist.“

„Also bin ich rücksichtslos?!“ Auch Jim wurde jetzt lauter. „Ist es das, was du mir auf so charmante Weise zu verstehen geben willst?! Ich bin also der gewissenlose Kerl, der um sich schlägt, alles niedertrampelt, nur zu seinem eigenen Vorteil!“

Leonard war kurz davor, dass ihm endgültig der Kragen platzte. Er nickte. „Hört sich erschreckend vertraut an, findest du nicht?!“

Nein, sie sprachen eindeutig nicht mehr über McCammon. Jim ballte die Hände zu Fäusten. „Das ist eine ganz miese Nummer, Pille. Ich wusste, dass du ein Scheißkerl sein kannst, wenn du willst, ich hätte nur nicht gedacht, dass du diese Rolle so perfekt beherrschst. Es mag gut sein, dass ich dir egoistisch erscheine. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass du gar nicht versucht hast, mich zu verstehen. Vielleicht war es nur leeres Gerede.“

„Oh“, Leonard lächelte abfällig. „Klar. Ich bin der Scheißkerl. Du hast die miese Nummer abgezogen, aber ich bin das Arschloch, ich versteh schon.“

Jim atmete bebend ein und wieder aus. „Das habe ich so nicht gesagt. Ich wollte, dass das zwischen uns wieder okay ist, verstehst du das nicht?“

Für einen kurzen Moment starrte Leonard ihn nur an, dann straffte er die Schultern. „Nichts ist okay“, flüsterte er und gerade als Jim wieder ansetzen wollte zu reden, folgte so leise, dass man es kaum hören konnte: „Ich hasse dich.“ Dabei zitterten seine Hände, seine Augen brannten und er hatte das Gefühl, als würde es ihm die Kehle zuschnüren. Natürlich war das eine Lüge, aber es war das, was er sich in all der Zeit verzweifelt gewünscht hatte. In Wirklichkeit hasste er, was Jim aus ihm gemacht hatte, wie er so rücksichtlos alles, was ihre Freundschaft ausgemacht hatte, zerstören konnte, und die Tatsache, dass er immer noch nicht darüber hinweg war. Spock war nicht das Problem, das begriff er jetzt. Jim war es, den er nicht loslassen und nicht vergessen konnte, den er immer noch liebte und dafür hasste er sich.

Ihm gegenüber blinzelte Jim wie betäubt. Er machte den Mund auf, sagte aber nichts und schließlich wandte sich Pille ab. „Verschwinde“, zischte er.

„Nein!“ Mit zwei Schritten setzte ihm Jim nach, packte ihn an der Schulter und zwang Leonard stehenzubleiben. „Dreh dich um, Pille, sieh mich an und sag mir, dass das nicht nur verletzter Stolz ist.“

„Warum?!“ Jetzt war es mit Leonards Beherrschung endgültig vorbei. „Was willst du noch von mir? Du hast alles genommen, was ich geben konnte!“

„Ich habe dich gebraucht“, wandte Jim ein. „Und das tue ich immer noch...“

Leonard schlug seine Hand weg. „Du brauchst mich nicht! Alles was du brauchst ist jemand, der deine Seele streichelt und dein Ego hätschelt. Dafür bin ich nicht geschaffen. Blickst du jemals zurück, auf das Chaos, das du hinterlässt? Vielleicht hätte ich dich gebraucht, aber das war dir nicht wichtig genug. Und jetzt... jetzt stehst du hier und willst mir weismachen, es wäre meine Schuld, weil ich nicht genug Verständnis hatte! Du wolltest ihn! Nicht mich – das ist die bittere Wahrheit. Gewöhnlich hat dir nicht genügend Aufregung geboten! Deine Neugier auf alles Fremde, dein Hang zu allem Neuen, dann kannst du nicht widerstehen und es ist nie genug! Und jetzt, wo du feststellen musstest, dass Exotik allein eben doch nicht alles ist, dass es nicht richtiger sein muss, jetzt stehst du wieder hier und beteuerst mir...!“ Schwer atmend brach Leonard ab und sah irritiert weg. Er schüttelte leicht den Kopf. „Ich weiß nicht mal was – ist das nicht armselig?“

„Leonard...“

„Nein“, Leonard winkte ab. „Geh jetzt bitte, es ist genug gefallen, was wir beide nie sagen wollten, also – bitte, geh einfach.“

Tatsächlich schien sich Jim zu fügen. Er sagte nichts mehr, zögerte noch einen Moment, doch mittendrin wandte er sich ab und ging. Die Tür zischte und Leonard war allein. Er atmete tief durch und hob den Kopf. Ihm war übel und er blinzelte gegen die Tränen an.

Was um alles in der Welt war nur mit ihnen passiert?  

*

Ich hasse dich immer noch...

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